August Sperl
Hans Georg Portner
August Sperl

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Vertraulich.

Im Glanze der sinkenden Sonne dehnte sich der langgestreckte Berg mit seinen zierlichen Gartenhäuschen, und der Blütenschnee seiner zahllosen Obstbäume schimmerte friedlich herab ins Thal. Ambergs rote Dächer waren noch feucht von einem linden Maienregen, goldgeränderte Wölklein schwammen im Aether, die Luft war erfüllt mit Wohlgerüchen, und in allen Hainen und Hecken und Büschen sangen die Vögel. Es war ein herzbewegend schöner Frühlingsabend.

»Nicht so geschwinde, Kriemhofen!« sagte ein kleiner, dicker Herr und keuchte mit kurzen Schritten auf dem breiten Wallwege heran.

Jählings wandte sich der kurfürstliche Sekretarius, zog den Hut und verneigte sich tief:

»Um Vergebung, hätte ich eine Ahnung gehabt, daß der Herr Regimentsrat hinter mir kommt – um Vergebung!«

»So aber rennt dieser Kriemhofen wie Achilleus auf dem kahlen Walle um das finstere Nest – und ich keuche in seinen Fußspuren sozusagen gegen jegliche Kleiderordnung!«

»Gegen jegliche Kleiderordnung,« wiederholte der Sekretarius, und würdevoll schritt der Rat an seiner Seite dahin.

»Ihr sucht die Einsamkeit, Kollega?«

246 »Die Einsamkeit, der Herr Regimentsrat hat recht; es ist mir nicht gedient mit lärmenden Zusammenkünften, wie sie jetzt in Amberg Mode sind, Herr Regimentsrat.«

»Ja, ich weiß, Kriemhofen, Ihr führt einen ehrbaren, eingezogenen Wandel. Aber da kann's auch nicht fehlen an wohlverdienter Beförderung zu seiner Zeit.«

»Zu viel Gnade, Herr Regimentsrat, bin deren nicht wert,« murmelte Kriemhofen und zog den Hut. »Was ich bin und was ich etwa kann und was ich denke, das Beste schulde ich ja doch nur den freundlichen Patres von der Gesellschaft Jesu, die mich erzogen haben von langher.«

»Ist schon recht, Ihr seid ein bescheidener Mann, ich weiß, was ich weiß, laßt nur! – Aber sagt, was mir vorhin aufgefallen ist, warum begrüßt Ihr Euch denn nicht mit den kurfürstlichen Offizieren?«

»Ich – Herr – Regimentsrat? Ach ja, der Herr Regimentsrat wird den Trupp vorhin gesehen haben, an dem ich bedeckten Hauptes vorübergegangen bin, nahe beim Nabburger Thore?«

»Versteht mich recht, Kollega, ich meine nicht, daß Ihr den gehorsamen Diener machen sollt vor der – der –« hier dämpfte der Regimentsrat seine Stimme – »der Soldateska –!«

»Soldateska,« sagte der Sekretarius mit Nachdruck.

»Könnte ja ohnedies einmal sich von ungefähr ereignen, daß einer von den Herren platzte vor Hochmut und seine Eingeweide verschüttete auf offener Straße, und hätte dann, ach und weh, Seine Kurfürstliche Durchlaucht einen Leutnant oder Rittmeister weniger.«

247 »Weniger,« murmelte Kriemhofen.

»Aber,« fuhr der Regimentsrat würdevoll weiter, »gute Nachbarschaft und freundschaftliche Beziehung müssen ja doch aufrecht erhalten, Galle und Ueberbein vermieden werden, und da hättet Ihr denn vorhin wohl mit einem Ruck an den Hut fahren können, dann hätt's die andern zugleich gerissen, sie hätten ihre Hüte gelupft, Ihr hättet Euern Hut gelupft, und soweit dann die andern die Hüte gezogen hätten, hätte man ihn zuletzt auch gezogen.«

»Gezogen, Herr Regimentsrat,« sagte Kriemhofen. »Aber halten zu Gnaden, der Herr Regimentsrat hat ja wohl den Rittmeister –«

»Jawohl, der Rittmeister – na, fällt mir der Name nicht ein –, der war dabei, Kriemhofen.«

»Der war dabei, und, Herr Regimentsrat, den grüß' ich nicht.«

»Aber warum denn nicht, Kriemhofen?«

»Halten zu Gnaden, Herr Regimentsrat, aber ich möchte ihm nicht schaden, dem Rittmeister. Von dem Rittmeister weiß ich etwas, halten zu Gnaden, Herr Regimentsrat, aber da schweig' ich lieber.«

»So, so, so!« meinte der alte Herr und machte ein schrecklich neugieriges Gesicht. »Liegt mir ferne, in Euch zu dringen, Kollega. So, so, so – was Gesetzwidriges?«

»Was Gesetzwidriges, Herr Regimentsrat,« bekräftigte der andre.

»Was – Malefizisches, Kollega?«

»Lieber beiß' ich mir die Zunge ab, Herr Regimentsrat, als daß ich einen Menschen ins Unglück brächte. Ich gehe meinen geraden Weg, schlecht und recht, schaue nicht links und nicht rechts. Aber sagt, was ist heutzutage der Soldateska heilig? Etwa das 248 Leben eines Unschuldigen, oder die – die –« Kriemhofen machte ein sehr geheimnisvolles Gesicht, »die Ehre eines Beamten – oder –«

»Also was – ganz Malefizisches?« murmelte der Regimentsrat.

»Die Anreizung zu was ganz Malefizischem, Herr Regimentsrat. Kommt einer oft von ungefähr dazu, wird Zeuge eines vorhabenden Verbrechens und –«

»Da muß ich aber doch fragen, Kollega, ist's zur Ausführung gekommen?«

»Es ist in Gnaden verhindert worden, Herr Regimentsrat.«

»Und deshalb haßt er Euch? Kriemhofen, Ihr seid ein edler Mensch!«

»Kann wohl sein, Herr Regimentsrat, daß er seinen Haß auf mich geworfen hat.«

»Na, das alles müßt Ihr mir aber doch zur gelegenen Zeit noch erzählen!«

»Wenn der Herr Vizedom nichts dagegen einzuwenden hat, Herr Regimentsrat.«

»Seine Gnaden der Herr Vizedom weiß um die Sache?«

»Ja,« flüsterte der Sekretarius, »er weiß um den Handel.«

»Dann ist es abgethan, Kriemhofen, und ich will nie mehr daran erinnert sein. Hört Ihr? Nie mehr!« sprach der dicke Herr mit Würde.

»Nie mehr, Herr Regimentsrat!«

»Aber sagt mal, Kollega, Ihr kommt mir seit langer Zeit so – Ihr habt solch eine facies melancholica, Kriemhofen, und das ist mir aufgefallen.«

Der Sekretär seufzte.

249 »Gelt, ich habe richtig gesehen?«

»Dem Herrn Regimentsrat entgeht eben nichts.«

Der alte Herr blieb stehen, blinzelte mit den kleinen Augen und spitzte den Mund:

»Da habt Ihr recht, guter Freund.«

Dann ging er ein paar Schritte weiter, blieb abermals stehen und lachte geheimnisvoll:

»Ihr habt etwas auf dem Herzen, beziehungsweise, daß ich mich besser ausdrücke, im Herzen!«

»Herr – Regimentsrat!« stotterte Kriemhofen und schlug die Augenlider zur Erde.

»Daß ich Euch aber einen guten Rat gebe, Kriemhofen –«

Die Glocken begannen zu läuten, und die beiden auf dem einsamen Walle entblößten die Häupter und murmelten im Weitergehen das Ave.

»Einen guten Rat,« sagte der dicke Herr, schlug das Kreuz und bedeckte den kahlen Scheitel: »Ihr müßt Eure Geheimnisse nicht in die Akten legen oder, daß ich mich recht ausdrücke, zwischen die Aktenblätter als in ein Herbarium.«

»Als in ein Herbarium, Herr Regimentsrat?« stotterte Kriemhofen. »Das verstehe ich nicht, halten zu Gnaden!«

»I, das ist ja leicht zu verstehen, Kriemhofen. Kennt Ihr den Spruch ›Quod in actis, non est in mundo‹?«

»Was nicht in den Akten steht, das existiert nicht,« sagte Kriemhofen. »Aber halten zu Gnaden –«

»Nu, wenn ich da heute morgen in Euerm Referate über das Forellenwasser zu Lauterhofen – ist ein vortreffliches Referat, nebenbei gesagt – nu, wenn da zwischen den Blättern ein Zettel gelegen wäre, und auf dem Zettel wäre gestanden –«

250 Der alte Herr machte Halt und zeichnete in den feuchten Sand des Weges ein großes Herz und begann zu malen: »R – U –. Na, soll ich weiterschreiben, Kollega?«

»Eine Schreibübung, Herr Regimentsrat, weiter nichts!« stotterte Kriemhofen.

»Dann kam ein T und dann ein H – und dann kam noch etwas, Kollega.«

»Ein pures Nichts, Herr Regimentsrat; etwas, das – das –«

»– das in den Akten steht und also existiert,« sagte der Rat und machte ein pfiffiges Gesicht. »Ist's nicht die schöne, schwarzhaarige, blauäugige, große Jungfrau, Kollega, die im Winter vor einem Jahre auf dem Tanz beim Vizedom gewesen ist?« fragte er geschwinde.

»Dem Herrn Regimentsrat entgeht eben nichts,« murmelte Kriemhofen. Dann flüsterte er:

»Ist mir aber auf einmal, als wär's eine Fügung! – Halten zu Gnaden, Herr Regimentsrat, Ihr seid mir gesinnt wie ein Vater, darf ich Euch, da Ihr nun doch schon so viel erraten habt, mein Herz ausschütten?«

»Nichts lieber als das – soll mir immer angenehm sein, Kollega,« sagte der alte Herr eifrig.

Und flüsternd ging der Sekretarius in der lauen Abendluft neben seinem Gönner auf dem öden Walle.

»Ei der Tausend – seit jenem Tanze – ei, was Ihr sagt, der Portner, der starrköpfige Emigrant?«

»O bitte, Herr Regimentsrat, wollet in Gnaden Eure Stimme dämpfen, die Stadtmauern haben Ohren!«

Und so gingen sie weiter auf dem kahlen Walle, und der Sekretarius flüsterte, und der andre suchte 251 seine Stimme zu dämpfen, aber es gelang ihm nicht so ganz. Und zwischen dem Flüstern Kriemhofens brach immer wieder die Stimme des alten Herrn hervor: »Und Ihr glaubt, er hält sie außer Lands? – Ei, da giebt's Mittel! – Kann Seiner Durchlaucht nicht einerlei sein, wenn Minderjährige vom Adel, deren Eltern sich accommodiert haben –. Ist nur heilsam, wenn Vermischungen zwischen dem bayrischen Adel und –. Habt Ihr eine Ahnung, wo sie sich aufhält? – So, in Hilpoltstein? – In welchem? – So, so, im Nürnbergischen hinter dem Rotenberge! Und Pfleger ist ihr Vatersbruder dortselbst? – Na, das ist aber doch einfach: man citiert sie herein zur Information bei den Herren Patres! – Und dann? Ha, dann ist mir nicht bange! – Wie? Na, handelt sich's denn nicht um einen Bettler dort und um einen kurfürstlichen Sekretarius hier? – Was, Ihr zweifelt? Na, lehret mich die Weiber kennen! – Wenn sie nicht kommen will? – Da giebt's Mittel: der Vater soll die Tochter herbeischaffen! Portner soll Zantnerin allen Ernstes herbeischaffen oder –! Na, warum geht's denn so? – Hört, Kollega, ich will Euch helfen!«

»Der Herr Regimentsrat handelt an mir als ein Vater!«

»Laßt nur, Kriemhofen, es erregt mein Interesse, und ich will Euch helfen! – Aber, wohlgemerkt, in meiner Eigenschaft als kurfürstlicher Regimentsrat weiß ich von der ganzen Geschichte nichts! Habt Ihr verstanden?«

»In seiner Eigenschaft als kurfürstlicher Regimentsrat weiß der Herr Regimentsrat von der ganzen Geschichte nichts.«

»Und geht nun der Anschlag aus, wie er will, 252 es geschieht seiner hernach zwischen uns beiden keine Erwähnung!«

»Keine Erwähnung.« –

Sie waren am Wingertshofer Thore angekommen.

»Freilich,« meinte der Regimentsrat und blieb stehen, »wenn das Vogerl einmal im Käfig flattert, will sagen, wenn das Dirndl einmal in der Stadt Amberg ist – fensterln muß der Bub selber, dabei kann ich ihm leider in meiner Eigenschaft als Familienvater nicht helfen.«

»Fensterln muß er selber, Herr Regimentsrat,« flüsterte Kriemhofen und tastete nach der Hand seines Gönners.

»Na, laßt nur, Kollega! Schreiet lieber den Thorwartl heraus, daß er die Brücke herunterwinde! Wir haben uns ein wenig verschwatzt.«

Die Ketten liefen rasselnd über die Rollen, und der kurfürstliche Regimentsrat sagte mit Würde: »Allem und jeglichem, was die Pacifikation dieses eroberten Landes zu fördern vermag, ist Vorschub zu leisten nach Kräften.«

*

Kurze Zeit verging. Dann mußte Ruth von Zant herzbewegende Briefe schreiben:

Kindliche Lieb und Treu zuvor, freundliche, herzliebe Frau Mutter. Euer Schreiben habe ich mit großem Schrecken empfangen und daraus vernommen, wie daß der Herr Vater und Ihr haben wollt, ich solle heimkommen. So kann ich's aber nicht über mein Herz bringen, daß ich hinein nach Amberg oder heimkomme, dann ich ganz nicht begehre, katholisch zu werden. Ich will davongehen, daß niemand weiß, wo ich hinkomm'. Daß man aber vermeint, es hält mich der Hansjörg davon ab, so kann ich's mit Gott 253 bezeugen, daß er ganz nicht Ursach' daran ist, daß ich nicht katholisch will werden; denn ich's seinethalben ganz nicht lassen wollt'. Man thut ihm, Gott weiß, unrecht, daß er mich davon abhalte.

Ich bitt', mein herzlieber Herr Vater und Frau Mutter, sie möchten mir's doch vor keinen Ungehorsam ausrechnen, daß ich nicht heim will. Ich bin Euch willig, in allem zu folgen; allein was meiner Seelen Seligkeit anbelangt, bin ich nicht schuldig, zu folgen. Wenn Ihr mich dazu nötigen wollt, so könnt Ihr's nicht gegen Gott verantworten. Wenn Ihr's über Eure elterlichen Herzen bringen könnt, mich ganz zu verlassen, so sei es meinem Gott geklagt; derselbe wird mich doch nicht verlassen. Ach Gott, helf mir doch aus dieser meiner großen Not, dann ich mein Leben mit Weinen und Klagen zubringen muß, dann ich meine besten Tage schon gehabt habe. Aber ich hoffe zu Gott, er werde meine Traurigkeit einmal wiederum in Freuden versetzen. Ich muß gedenken, daß unser Herr Christus auch viel für mich gelitten hat – warum wollt' ich nicht auch mit ihm leiden? Ach, meine herzliebste, ja allerliebste Frau Mutter, bekümmert Euch um mich nicht, unser Herrgott wird mich doch nicht verlassen. Und was Ihr schreibet vom Hansjörg, daß sich kurfürstliche Regierung werde an ihn halten und daß alles an ihm ausgehen müsse, so verstehe ich das nicht. Was kann denn solch einem unschuldigen Menschen geschehen, was kann man ihm anhaben?

Wenn es aber sein muß, daß ich heimkomme, so will ich alles leiden, was zu leiden ist, ehe ich katholisch werde, wiewohl ich nicht verhoffe, daß man mich in der kurfürstlichen Regierung dazu nötigen wird; man hat sonst auch noch niemand gezwungen 254 dazu. Wenn ich nicht im Lande verbleiben will, was wollen sie mich nötigen dazu?

Bitt' Euch, Ihr wollet doch sehen, daß Ihr meinetwegen keine Strafe dürfet geben.

Kann ich vor großem Leid nicht mehr schreiben.

Dann seid alle von mir zu hunderttausendmal freundlich gegrüßt und Gott befohlen. Es grüßen Euch der Herr Vatersbruder und alle seine Kinderlein. Datum Hilpoltstein, den 8. Juni 1629. Eure gehorsame willige Tochter, weil ich lebe

Ruth von Zant.

Die Köchin läßt Euch, Frau Mutter, auch fleißig grüßen.

*

Lieber Hansjörg! In großer Eile. Krieg' ich soeben ein Schreiben von meinem Herrn Vater, woraus ich zu meinem unsäglichen Schrecken vernehme, wie daß Dir bei tausend Thalern Strafe befohlen ist, mich zur Unterweisung nach Amberg in die Stadt zu bringen, und daß Dir und dem Schwager alle Einkünfte von Theuern gesperrt sind um meinetwillen. Lieber Gott, was für ein Unglück, und ich habe nichts gewußt davon! Aber warum hast Du mir's verborgen, Hansjörg? Ach, kann mir's wohl denken, weil Du ein so guter Mensch bist. Nein, Hansjörg, da sei Gott vor, daß ihr durch mich ins Verderben geratet. Ich will mich aufmachen und nach Amberg reiten, will's denen sagen, wie daß sie stark im Irrtum sind. Dann müssen sie's einsehen, daß Du ganz unschuldig bist, müssen Dir das Deinige verabfolgen. Bitte nur den lieben Hansjörg, daß Er mir seine Pferde schicke hierher und einen verläßlichen Knecht, daß ich nach Amberg reiten könne. Will mich der Herr Schwager bis vor Amberg begleiten, soll's mir recht sein von 255 wegen des argen streifenden Gesindels. Weiter jedoch darf er nicht, auf daß man ihn nicht sehe bei mir. Schicke mir die Pferde gleich, kann's kaum erwarten! Datum Hilpoltstein, den 26. Juni 1629.

Ruth von Zant.

Der Herr Vater hat mir geschrieben, wie daß ich in Amberg bei der Hegnerin absteigen und in der Kost sein könne, bei der Hegnerin, die vor kurzem erst vom lutherischen Glauben abgetreten ist.

*

Herzliebste! Freilich ergeht es uns übel, uns Portnern zu Happurg. Schmalhans ist Küchenmeister, und Hunger ist nur dann der beste Koch, wenn er überhaupt noch etwas zum Kochen hat, das erfahren wir täglich, seit uns die Zufuhr aus Theuern gesperrt ist. Sieht ohnehin erbärmlich aus in unserm Theuern. Bin vor etlichen Wochen mit Regimentserlaubnis dort gewesen, hat mir fast wollen mein Herz abstoßen: Das Hammerwerk steht still, die ledigen Knechte haben sich verlaufen – was die Verheirateten sind, die leiden große Not, sind uns aufsässig, verwüsten unsre Wälder, stoßen bedrohliche Reden aus in ihrer Verzweiflung. Es ist ein Jammer. Mit Mühe sind die Felder bestellt worden im Frühjahr, doch trau' ich dem Verwalter nicht über den Weg. Aber was hilft's? Wir haben keinen andern, und in etwas hält er die Armleute doch noch im Zaume. Besser schon als der Mathes, der für seine Person ein ehrlicher Geselle ist, aber keine Schneid hat, wenn er fremdem Unrecht entgegentreten soll – der oberpfälzische Bauer, wie er leibt und lebt. Will nimmer klagen. Gott wend's zum Guten!

Der Ueberbringer dieses Briefleins führt Dir das 256 Pferd vors Haus, und mein Bruder will Dir morgen früh entgegenreiten bis hinter Schnaittach.

Geschrieben hätt' ich Dir nichts von unsrer Not. Nun Du jedoch alles erfahren hast, sage ich auch: Reite zu den Patres nach Amberg und sprich es laut aus, daß ich nicht schuldig bin Deiner Standhaftigkeit. Nur so kann Ruhe werden.

Gott schütze Dich, und seine Engel sollen Dich umgeben.

Immer Dein Hansjörg Portner. 257


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