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8. Kapitel. Krachkrachs unfreiwillige Reise.

Wie in der Minnesängerzeit ist's, gerad' so!« sagten die drei Wandervögel zueinander, als sie nun als Gäste auf der Rabenburg weilten. Sie vergaßen, daß sie Gymnasiasten des zwanzigsten Jahrhunderts waren, daß sie jetzt nur gerade Ferien hatten und meinten, sie wären wirklich Zeitgenossen des Herrn Walther von der Vogelweide, dem Kürenberg und all der anderen sangesfrohen ritterlichen Herrn geworden. Wie jenen wurde ihnen erst ein köstliches Mahl vorgesetzt und wie jene klimperten sie den lieben langen Nachmittag auf ihren Lauten herum und sangen dazu. Der Damenkreis war zwar nicht groß und vielleicht hatten ihre Vorgänger mehr holdselige Frauen als Zuhörerinnen gehabt, aber hinter der Türe standen noch die dicke Hulda, die Köchin, und Emma, das Hausmädchen und hörten auch zu. Gundula war Ritterfräulein und sich Frau Susanne als fürstliche Schützerin der Sänger vorzustellen, das war nicht schwer. Sie hatte auch wirklich eine herzliche Freude an dem Gesang der drei. Dankbare Gäste waren die Ottonen, so wurden die drei genannt, da sie alle den Vornamen Otto trugen, wirklich. Zum Dableiben brauchten sie nicht lange genötigt zu werden, sie zogen gerne die weißen, weichen Betten der Rabenburg, dem Wandern im Regengrau vor, obgleich sie nun doch wußten, wie schön der Wald auch im Regen ist. Ein Schlafmittel brauchte ihnen auch niemand zu geben. Otto I drehte sich zweimal um, Otto II einmal und Otto III sagte nur »uff« und dann schliefen sie schon.

Sie schliefen so lange, bis ihnen die Sonne auf die Nase schien – so heißt es wohl in Geschichten, aber so war es hier nicht, die Sonne kam nicht so flink zum Vorschein. Wald und Berge lagen noch im grauen Dunst und noch immer stand die Rabenburg wie eine Insel im Nebel. Doch hinter dem Grau schimmerte es licht, der schöne Tag war zu ahnen. Der Himmel wurde immer höher und heller und es gab für Wandervögel keinen Grund, nicht zu wandern. Sie nahmen darum auch Abschied von der Rabenburg, schmunzelten als sie sahen, wie voll ihnen die Hausfrau die Brotbeutel packte und dann zogen sie singend zum Tore hinaus. Herr von Tracht und die Kinder gaben ihnen ein Stück das Geleit. Der Burgherr beschrieb ihnen noch genau den Weg und alle nahmen einen so herzlichen Abschied voneinander, als stamme die Freundschaft wirklich schon aus der Minnesängerzeit. Dann gingen die einen hierin, die anderen dorthin und so gut auch Herr von Tracht seinen jungen Gästen den Weg beschrieben hatte, sie verliefen sich doch. Sie liefen kreuz und quer im Walde herum und kamen statt auf die Landstraße wieder auf den Weg, der zur Elfenhöhle führte. Da merkten sie erst, wohin sie zu gehen hatten und schlugen nun den richtigen Pfad ein. Von den kleinen Vögeln, den gefiederten, zwitscherten auch an diesem Morgen die meisten: »Gut, daß es aufgehört hat zu regnen.« Sie schüttelten und plusterten sich in ihren Nestern, freuten sich der leidlich trockenen Wohnung und hatten einander so viel zu erzählen, als hätten sie sich viele Wochen nicht gesehen. Auch bei den Huckebeins ging es an diesem Morgen lebhaft zu. Frau Huckebeinin hatte ihrem Mann ernsthaft erklärt, es sei die allerhöchste Zeit, daß die Jungen ordentlich fliegen lernten. Der Unfall ihres Jüngsten lag der guten Frau schwer auf dem Herzen. »Einfach aus dem Nest fallen, das ist unerhört,« meinte sie.

Krachkrach ärgerte sich. Vater hatte doch gesagt, er, der Sohn, wäre ausnehmend gescheit und gestern hatte die Mutter seine Schönheit gerühmt und heute tat sie, als wäre er ein dummer Junge, der erst fliegen lernen müßte. »Ich will's ihnen schon zeigen,« dachte er.

»Wir müssen uns ja schämen, wenn Bragi das erfährt,« krächzte das älteste Töchterlein naseweis, »Krachkrach ist zu ungeschickt.«

»Warte nur, warte nur!« Krachkrach zitterte vor Wut. Oho! sie sollten sehen, wie er fliegen konnte. Doch was kam da!

»Schon wieder Menschen,« brummte Herr Huckebein, »unser Wald ist doch keine Landstraße. Und sie singen, als gehöre ihnen der ganze Wald!«

»Jetzt fliege ich denen um die Köpfe herum, daß sie vor Angst ausreißen. Ein feiner Spaß wird das, alle sollen sehen, was ich für ein Held bin.« Krachkrach, reckte und streckte sich und – – – pardauz! plumpste er wieder aus dem Nest.

»Unerhört, dieser Tolpatsch!« schrie Vater Huckebein.

»Heute wird er aber bestraft, wenn er wiederkommt,« rief die Rabenmutter. »Zweimal fällt niemand aus dem Nest, das ist ganz unschicklich. Das tut nur Gesindel wie die Sperlinge.«

Die Huckebeine hatten keine Angst mehr um Krachkrach, sie meinten: die Menschen lassen ihn wieder fliegen wie gestern. Aber daran dachten die Wandervögel nun nicht. Die jubelten laut: »Ein junger Rabe, hurra fein, der wird mitgenommen zum Andenken an Burg und Wald.«

»Er muß sprechen lernen!«

»Ein Ausbund an Klugheit soll er werden, wir werden noch berühmt durch unsere Rabendressur!«

»Der – – er ist zu dumm und häßlich ist er dazu. Aus dem wird nichts.«

Der Zweifler wurde aber von den Freunden überstimmt. Die erklärten, Krachkrach sei zwar ungemein häßlich, aber es müßte jeder zugeben, daß er ungeheuer klug dreinschaue. »Er wird sicher sprechen lernen, er wird eine Zierde seines Geschlechts werden.«

»Sicher, und wir wollen ihn Munin nennen, nach einem der Wodansraben, das ist ein guter Name.«

»Nein, der Name ist zu vornehm.«

»Aber wo tun wir ihn hin? Wir können ihn nicht in der Hand tragen!«

»Wir stecken ihn in den Topf, den binden wir oben zu.«

»Recht, das ist gescheit, einen Raben im Topf. Hinein spazierst du!«

Im Nest der Huckebeine gellte jäh ein wildes, wehes Schreien auf. »Sie nehmen ihn mit. Bragi, hilf du uns, Freunde, alle helft, sie entführen unsern Krachkrach, unsern schönen Krachkrach!«

»So, du kleines, häßliches Rabenvieh, jetzt bist du gefangen!« Die Wandervögel besahen zufrieden ihr Werk. Über den Topf hatten sie eines ihrer Taschentücher gebunden. Fest und kunstgerecht. »So nun weiter!« Lachend zogen sie davon und in der Ferne verhallte ihr Singen:

»Gern hätt' ich geschlafen da
Immer, doch 'ne dumme Krah,
Die begann zu schreien!«

»Krachkrach, lieber, lieber Krachkrach, schöner Krachkrach!« tönte klagend das Schreien der Huckebeine durch den Wald.

Frau Huckebein wollte den Wandervögeln nachfliegen, ihnen die Augen aushacken, aber ihr Mann hielt sie zurück.

»Liebste,« krächzte er ängstlich, »was willst du, es sind Menschen, die sind stärker als wir. Und dann, wer weiß, zu welchen hohen Ehren unser Sohn gelangt. Er wird dort so weise wie Bragi, kehrt auch einmal zurück und wird Herrscher im Walde.«

»Oder sie nennen ihn den Unglücksraben, wie unsern Ahnherrn Hans,« schrie Frau Huckebein zornig. »Oh, ich weiß wohl, schon meine Großmutter erzählte, daß die Menschen ein schreckliches Buch hätten, worüber namentlich die Kinder so viel lachten, darin würden allerlei fürchterliche Geschichten von unserm Ahnherrn erzählt.«

»Ja, ja,« seufzte Herr Huckebein, »du hast recht, und das war ein so außerordentlicher kluger, edler Rabe. Wenn unser Krachkrach auch in ein Buch käme.«

»Schrecklich!« Die Rabenmutter schluchzte und jammervoll durchgellte ihr Ruf den Wald.

»Krachkrach, mein armer, süßer Krachkrach!«

Doch Krachkrach gab keine Antwort. Er konnte einfach nicht, er war in Wahrheit vor den Kopf geschlagen.

Wer einmal in seinem Leben eine Reise in einem Suppentopf oder in etwas Ähnlichem gemacht hat, der weiß es sicher, was das für eine unangenehme Geschichte ist. Bums, pardauz, bums, pardauz, ging das mal nach rechts, mal nach links, dann wieder nach rechts, dann wieder nach links. Mal schlug Krachkrach mit dem Schnabel, mal mit sonst was an die Blechwand des Topfes. Es gehörte schon ein sehr starker Geist dazu, um nicht dösig zu werden, Krachkrach wurde dösig. Er dachte: Ich sterbe, ich sterbe.

Einmal ruhten die Wandervögel auch aus, schmausten auf, was ihnen Frau von Tracht eingepackt hatte und warfen Krachkrach auch etliche Bissen in den Topf. Doch der ließ zuerst die Speise liegen, er war noch zu verdattert und just, als er sich so weit erholt hatte, um an Wurst und ähnliche gute Dinge zu denken, ging die Reise weiter. Nun hatte es der arme Krachkrach noch schwerer, denn nun flogen ihm immer die Wurststücke um den Schnabel herum, wollte er eins verschlucken, wutsch! entwischte es ihm.

Weiter, immer weiter ging's. Der Himmel wurde heller, nun lief ein blasses, goldenes Scheinen durch den Wald. Die Sonne! Sie stand zwar noch besinnlich hinter einer Wolkenwand, aber jedes Tierlein im Walde, jeder Baum, jede Blüte, alle wußten es: sie kommt, sie siegt!

Am Spätnachmittag langten die Wandervögel in einem Dorf an. Wären sie den geraden Weg nach Herrn von Trachts Weisung gegangen, dann wären sie früher angekommen, aber für ihre Wanderlust war es gerade früh genug. Sie entdeckten ein »Gasthaus zur grünen Linde« im Dorf. Bei dem brauchte niemand zu fragen! »Wo steht denn die Linde?« um nachher die Antwort zu erhalten: »Mal stand eine hier, vor hundert Jahren etwa.«

Über dieses Lindengasthaus breiteten wirklich schirmend ein paar Linden ihre Äste aus und vor der Türe stand zwar keine junge, flinke, holde Lindenwirtin, sondern ein dicker, alter Lindenwirt, aber der sah recht wie ein einladendes Wirtshausschild aus. Er nickte auch den Wandervögeln freundlich zu und schmunzelte, als die sagten, sie wären mit einem Strohlager zufrieden und einem Käsebrot zum Nachtmahl, ob sie das wohl erhalten könnten?

»Freilich, freilich, ich kenn' das schon.« Der Wirt lachte. »So kommen die Wandervögel immer daher. Immer wollen se auf Strohschütten liegen und sind mit 'nem Käsebrot zufrieden und nachher finden se nich raus aus 'n Federn und essen, daß mer denke sollt', se platzen. Also aufgepaßt. Acht Groschen kostet's für den Mann, davor gibt's Abendbrot, Nachtlager und Frühkaffee.«

Den drei Buben war es schon recht so, sie ahnten, es würde ihnen bei dieser Rechnung nicht schlecht gehen und sie hatten sich auch nicht getäuscht. Zum Käsebrot gesellten sich Wurst- und Schinkenschnitten und an Buttermilch hätten sich gleich noch drei Wandervögel satt trinken können.

Sie saßen im Hausgarten, der zur Seite lag und der Wirt saß neben ihnen. Er fragte nach dem Woher und Wohin und nickte ehrfürchtig, als er von der Einkehr auf der Rabenburg hörte. »Beim Herrn von Tracht, das lob' ich mir. Auf der Rabenburg, ei! Ja das ist was, aber gut leben läßt sich's auch hier. Hoi, nächstens wer'n mer Sommerfrischler, 'n feiner Herr wohnt schon drei Tage hier und hat noch nischte von abfahren gesagt.«

Die Ottonen schauten auf die Schinken- und Käseschnitten und dachten: freilich, aushalten läßt sich's hier. Und Otto II tat die Frage: »Was ist der Fremde denn?«

Der Lindenwirt zuckte die Achseln. »Je, was weiß ich. Christian heißt er, aus Amerika kommt er und wenn er den Mund auftut, denkt mer: s'ist halt'n Fremder und wenn er ihn wieder zumacht, meint mer: der müßt von hier sein. Ja, so ist's nu.«

Darauf war nichts zu sagen und die Wahrheit ist, daß den Wandervögeln der Brotberg auch mehr am Herzen lag, als der Fremde. Also aßen sie weiter und redeten dazu, dies wollten sie noch sehen und das, weit hinein ins Land wollten sie wandern und sie meinten, ihre Reisepläne müßten einen gewaltigen Eindruck auf den Wirt machen. Der schüttelte aber den Kopf dazu und sagte: »Mir kann's schon recht sein, wenn die Menschen in der Welt 'rumrennen, ich sitze lieber wo ich sitze, nä, for das Gelofe bin ich nich.«

Die Wandervögel waren an diesem Abend auch nicht mehr dafür. Sie freuten sich der Ruhe und darauf, daß sie abends immer hatten lernen und lesen wollen, zu welchem Zweck jeder ein Büchlein im Rucksack trug, vergaßen sie vollständig. Noch etwas anderes vergaßen sie, das war der arme Krachkrach. Der steckte noch immer im zugebundenen Topf, den Otto III in einen Winkel des Gastzimmers geschoben hatte.

Krachkrach hätte gar nichts gegen eine Abendmahlzeit gehabt, er war hungrig und durstig dazu und er hatte in seinem Gefängnis schon alle Hoffnung aufgegeben, jemals wieder die Sonne zu schauen. Es wurde ihm aber unerwartet Hilfe. Die jüngste Magd im Lindenwirtshaus, genannt Röse, war neugierig, was die Ottonen wohl in dem kunstvoll zugebundenen Topf haben mochten. Und als sie die Betten in der Stube richten mußte, beschloß sie, nur ein wenig das Tuch zu lüften. Sie tat's und als der helle Schein von draußen den armen Krachkrach traf, fuhr er mit einem lauten Schrei im Topfe hoch. Darüber erschrak Röse so sehr, daß sie eiligst entfloh und es nachher machte, wie andere auch, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben, sie sagte kein Wörtchen, ließ den Topf stehen wie er stand und dachte: vielleicht merkt's niemand.

Es dauerte lange, ehe sich Krachkrach seiner Freiheit bewußt wurde, ehe er es verstand, durch das Loch kannst du schlüpfen. Endlich tat er es, aber als er glücklich aus dem Topfe draußen war und seine Flügel gebrauchen wollte, da konnte er nur noch flattern, er war zu matt, um fliegen zu können.

Laufend und flatternd gelangte er aber doch durch die Türe, die Röse aufgelassen hatte, hinaus und zu einer anderen Türe in ein anderes Zimmer hinein. Und hier zeigte Krachkrach eine Klugheit, die dem Geschlecht der Huckebeine würdig war. In dem Zimmer stand eine gedeckter Tisch und trotz seiner Schwäche kam Krachkrach auf den Tisch hinauf und tat gleich, als ob die Fleischschüssel und alles, was sonst auf dem Tische stand, für ihn bestimmt wäre. Er wartete eine Einladung nicht erst ab, sondern fiel einfach über die Speisen her und benahm sich nach Huckebeinart und setzte sich gleich in eine Schüssel Käse hinein. Schnapp, schnapp, schluck, schluck fraß Krachkrach, was ihm unter den Schnabel kam. Was ihm dabei nicht schmeckte, warf er einfach auf den Boden, daß ein Salzfaß, ein Glas, das Messer und die Gabel auch hinunterfielen, kümmerte ihn einfach nicht. Daheim kannte man solche Firlefanzereien nicht. Je mehr Krachkrach fraß, desto munterer und stärker wurde er. War doch ein schlauer Gedanke, daß ich die Reise gemacht habe, dachte er, ich war klug wie Bragi. Schnapp, schluck, schmeckt das sein!

Plötzlich erschrak Krachkrach, jemand war in das Zimmer getreten und noch ehe er sich in Sicherheit bringen konnte, gellte ein lauter Schrei durch das Zimmer. »So 'n Untier, nä wie gräßlich!«

Die Lindenwirtin selbst stand im Zimmer und sah entsetzt auf die Verwüstung, die der ungebetene Gast auf dem Tisch angerichtet hatte. »Ein Rabe,« sagte eine Männerstimme und eine Hand packte Krachkrach und dem fiel wirklich vor Schreck der Bissen aus dem Schnabel.

»Aber so was, nä so was,« rief die Wirtin empört, »wie ist nur der schwarze Kerl reingekommen, das Fenster ist doch zu!«

»Nur die Türe war auf!«

»Du meine Güte nä, bei uns laufen doch die Biester nich im Hause rum,« rief die Lindenwirtin gekränkt. »So was is noch nie dagewesen!«

Der Gast, er war der, von dem der Lindenwirt den Wandervögeln erzählt hatte, sah Krachkrach nachdenklich an. Ordentlich liebevoll ruhte sein Blick auf dem Vogel, er lächelte ein wenig. »Häßlich bist du, ein richtiges kleines Scheusal, aber wenn ich mich nicht irre, scheinst du ein echter Rabe zu sein.«

»Die gibt's hier im Dorfe gar nicht,« sagte die Wirtin und überschaute seufzend die angerichtete Verwüstung. »Im Walde um die Rabenburg herum, da soll's welche geben, aber das hier wird wohl nur 'ne alte Krähe sein!«

»Im Walde um die Rabenburg!« Der Fremde wiederholte das Wort sinnend, »stammst du von daher?«

»Ih jeh,« rief die Lindenwirtin, »gar hab'n die Wandervögel das Untier mitgebracht, die kommen von der Rabenburg. Die hatten so 'n eingewickelten Topf als sie kamen. Jungens bringen allemal so 'n Unsinn fertig.«

»Ja, das tun sie!« Der Fremde lachte, »das wollen wir gleich erfahren.« Er ließ sich von der Wirtin sagen, wo die neuen Gäste wären und dann ging er, Krachkrach fest in der Hand, unter die Linde, und dort brauchte er nicht erst eine Frage zu tun. Der Schreck der Ottonen bei Krachkrachs Anblick verriet sie.

»'nen Raben im Topf, nä, so was!« schrie der Wirt, als Otto II nun die Sache erzählte. »Der sollte wohl vier Wochen da drinne steckenbleiben.«

Otto I sah Otto II an und Otto II sah Otto III verlegen an, daran hatten sie gar nicht gedacht, was hatte werden sollen!

»Er wäre wohl vorher verhungert,« sagte der Fremde und seine Stimme grollte. »Ich würde so etwas Tierquälerei nennen.«

Die drei senkten schuldbewußt die Köpfe, es kam ihnen immer mehr zum Bewußtsein, daß sie doch dem armen Krachkrach übel mitgespielt hatten. »Wir wollten ihn zum Andenken an die Rabenburg mitnehmen,« murmelte einer.

»Waren Sie denn dort?« Der Fremde streichelte Krachkrach, obgleich der nun höchst undankbar immer den Schnabel aufsperrte und ihn zu beißen trachtete.

»Ja, als Gäste!« Stolz riefen es die Ottonen, und als der Fremde so nebenhin sagte: »Ach, wohl als Feriengäste,« da erzählten sie treuherzig ihr Abenteuer im Walde.

Mitten in die Erzählung hinein kam die Lindenwirtin und berichtete, das Abendessen sei nochmals aufgetragen und zu ihrer Verwunderung sagte der Gast: »Ich möchte hier unten essen. Die jungen Herrn erzählen gerade so nett von ihrer Wanderung!«

Dies schmeichelte den Ottonen sehr, junge Herrn waren sie und nett erzählten sie, fein. Um dem Fremden zu zeigen, daß sie sein Lob auch wirklich verdienten, beichteten sie dem alles ganz genau und immer, wenn sie mal einen Umweg machten brachte der Zuhörer sie rasch durch eine Frage auf die Rabenburg zurück. Das Essen wurde gebracht und da jemand doch nicht gut essen und dabei einen beißlustigen Raben halten kann, erbot sich die Wirtin, Krachkrach in einer leeren Kammer unterzubringen, dort sei er gut aufgehoben und morgen könne man sehen, was mit ihm werden solle. Der Vorschlag wurde mit großem Beifall aufgenommen und als der Rabe nun versorgt war, ging das Gespräch unter der Linde weiter. Es war erstaunlich, was der Fremde alles wissen wollte, er habe ein besonderes Interesse an alten Burgen, sagte er. Da erzählten die Wandervögel ganz genau, was sie erlebt hatten, der Wirt redete auch manches Wörtlein dazu und von der Burg kamen sie zuletzt auf andere Schlösser im deutschen Lande und unversehens reisten sie aus Deutschland hinaus und der Fremde erzählte ihnen viel von anderen Ländern, in denen er gewesen war.

Der Abend sank tiefer und tiefer und auf der Dorfstraße wurde es lebendig. Nachbarn kamen zusammen und redeten noch ein Weilchen. Zurufe wurden laut, ein Bursche spielte auf einer Ziehharmonika und ein paar Mädels sangen ein Lied. Die Ottonen hatten ihre Müdigkeit vergessen und Gesang und Spiel draußen lockte sie. Sie nahmen ihre Laute und stimmten sie, dann begannen sie zu singen. Ihr Gesang zog fein und schön in den Abend hinaus und auf der Dorfstraße wurde es still. Ziehharmonika und Mädelgesang verstummten erst, fielen dann aber wieder ein und tönten in heiterem Zusammenklang weiter. Die Wandervögel verließen ihren Platz unter der Linde und gingen auf die Dorfstraße, dort sammelte sich rasch die Jugend um sie und es gab ein fröhliches Abendtanzfest.

Der fremde Gast saß am Tisch, er hatte den Kopf in die Hand gestützt, so sah er still und lauschte. »Vielleicht mag er's nicht,« dachte die Lindenwirtin und versuchte wieder ein Gespräch zu beginnen, da stand der andere aber auf, sagte kurz: »Gute Nacht« und ging in sein Zimmer hinauf. »He!« brummte der Wirt, der ist doch mal sonderbar, na ja so 'n Fremder.«

Sprechen, Lachen, Gesang, alles verstummte nach und nach, es wurde still im Dorf. Die Ottonen krochen in ihre Betten und schliefen bald traumlos schön. Es litt niemand an Schlaflosigkeit in dem »Gasthaus zur grünen Linde«, selbst Krachkrach verschlief all' seinen Kummer. Nur der fremde Gast sah lange, am offenen Fenster und schaute nach den fernen Waldbergen hin. Er dachte an die Burg über dem Walde und an die Menschen, die darin lebten und er seufzte schwer. Der Nachtwind nahm seine Seufzer und entführte sie und leise klagend zogen sie um das alte Gemäuer, es hörte sie aber niemand.

Am anderen Morgen zogen die Ottonen davon, zahlten und dankten und ließen Krachkrach in der Linde zurück. »Wir lassen ihn fliegen,« sagte die Wirtin gerade, »ich mag so 'n Untier nicht im Hause haben,« als der Fremde kam und bat: »Kann ich den Raben nehmen? Ich liebe Tiere und ein deutscher Rabe macht mir Freude.«

»'n bißchen was verdreht sind eben so 'ne Fremden immer,« sagte der Wirt später zu seiner Frau, »was is da aber zu machen, nischte nich!«

»Wenn's noch 'n Papagei wär', dann, aber so 'ne alte Krähe.« Auch die Wirtin fand den Fremden etwas verdreht, so gut er ihr auch sonst gefallen hatte. Sie half dem Gast aber doch bereitwillig eine Reisekiste für Krachkrach herzustellen, in der er künftig wohnen sollte. In dieser sehr bequemen Kiste, die keine Ähnlichkeit mit dem Kochtopf der Wandervögel hatte, reiste der Jüngste der Huckebeine in die weite, weite Welt hinaus. –


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