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5. Kapitel. Herr Christian hütet die Schafe.

»So und jetzt soll ihnen meinetwegen der Justus das Haus zeigen!«

Herr von Tracht sagte es auf der Burg nach dem Mittagessen und seine Frau nickte freundlich dazu. »Er soll's, denn er kann es am besten und gefreut darauf hat er sich schon den ganzen Morgen.«

»Gedacht haben mag er auch: warum zuerst den Wald, nicht zuerst die Burg, denn so ist es mal, dem Justus ist jeder Rattenwinkel im alten Gemäuer lieber als ein stiller Waldweg.« Der Hausherr lachte, denn er sah, wie bei dem Worte »Rattenwinkel« Gundula zusammenschrak. »Hasenfuß,« sagte er neckend. »Aber sei getrost, wenn es wirklich Ratten hier oben gibt, so sind sie unsichtbar, mir ist seit vielen Jahren keine über den Weg gelaufen.«

Trotz dieser Versicherung folgte Gundula dem Bruder nur zögernd. Zur Rattenangst kam eine leise Scheu vor dem seltsamen kleinen Mann, der so lautlos ging und der dabei eine gewaltige, schallende Stimme hatte. Freilich, die Burg wollte sie gern sehen und Justus schien das auch erwartet zu haben, denn er stand schon mit einem großen Schlüsselbund in der Hand vor der Tür und als die Kinder zu ihm traten, schrie er: »Da seid ihr ja endlich!«

»Haben Sie auf uns gewartet?« fragte Dieter höflich.

»Sie – – – Sie? – – wer ist Sie? Bin ich das vielleicht? Hoho! da soll ich wohl auch mit dem Sie-gesage anfangen. Wäre ja eine neue Mode auf der Burg,« schrie Justus entrüstet. »Ich bin der Justus, ich werde du genannt und mein Vater hieß auch Justus und wurde auch du genannt. Na, was sagt ihr dazu?«

Die Kinder sagten nichts, sie waren völlig überzeugt, daß das Du-sagen richtig war und diese vertrauliche Anrede brachte sie dem Alten gleich ein Stück näher. »Vorwärts!« sagte der und klapperte verheißungsvoll mit den Schlüsseln. »Erst gehen wir in den Ahnensaal hinauf, damit ihr den alten Herrschaften dort einen Besuch macht. Sie nehmen es euch sonst gar übel.«

»Spuken sie?« schrie Gundel entsetzt und sprang die Treppe wieder abwärts. »Ich fürchte mich so vor Geistern.«

Justus grinste und seine Augen wurden fast zu einem schmalen dunklen Strich. »Ha! du denkst wohl, die Spukgeister rutschen hier die Treppengeländer runter, spielen um Mitternacht Haschen und Fangball, und sitzen auf den Dachrinnen und baumeln mit den Beinen, oder sie blasen Lichter aus und patschen harmlosen Schläfern mit eiskalten Händen im Gesicht herum, seufzen, als hätten sie einen verdorbenen Magen oder machen sich, ich weiß nicht wie, angenehm und nützlich. So was gibt's nicht auf der Rabenburg, solche nette Hausbewohner haben wir hier nicht.«

Dieter lachte die Schwester aus und Gundula, der die Geisterschilderung gefiel, lachte mit und folgte nun herzhaft dem Alten. Der schloß eine Türe auf und ließ die Kinder in einen langgestreckten Saal treten, in dem nur wenig alter, eichener Hausrat stand. An den Wänden hingen die Bilder all jener Trachts, die einst die Rabenburg bewohnt hatten. Männer und Frauen in den Kleidern vergangener Zeiten und Justus wußte allerlei von diesen alten Herren und Damen zu erzählen. Jene beiden waren die ersten in der Bilderreihe, die sich einst in harter Kriegszeit im einsamen Waldtal die Hand zum Lebensbund gereicht hatten. Der Frau Hand ruhte auf der Bibel, des Mannes Rechte umspannte das Schwert. »So hielten sie's,« sagte Justus, »fromm und tapfer, das sind sie allzeit gewesen.« Neben den Bildern dieser beiden hing das einer schönen Frau in schwarzer Tracht. Trauer überschattete das feine Gesicht und Justus nickte ernsthaft zu dem Bilde auf. »Die hat es schwer gehabt, diese Ahne,« sagte er, »auch sie hat flüchten müssen vor den Feinden hat Haus und Hof verlassen müssen und hat ihre Kinder sterben sehen in einer kalten Winternacht. Ihr Mann holte sie hier aus der Burg als Gattin in seine Heimat in der Pfalz. Ein paar Jahre lebten sie dort glücklich im Frieden, bis der König Ludwig XIV. von Frankreich das arme Land mit Krieg überzog. Um das Erbe seiner Schwägerin, der Pfälzer Kurfürstentochter Lieselotte ging es, die hat wohl blutige Tränen geweint um die liebe Heimat, denn sie hat den Krieg nimmer gewollt. Und in einer Januarnacht war es, da flammten um Heidelberg herum die Dörfer wie Fackeln auf und das Wehgeschrei der unglücklichen vertriebenen, gemarterten Bewohner durchgellte das Land. Damals mußte auch Frau Anna Gertrude fliehen, ihr Mann war nicht daheim, die Feinde überfielen das Schloß, sie floh mit den Kindern, die beide unterwegs der Kälte erlagen. Damals hat Frau Anna Gertrude das Lachen verlernt, der Jammer war zu groß gewesen. Sie ist nach dem Tode ihres Mannes in die alte Heimat zurückgekehrt und hier gestorben.« Und weiter zeigte Justus den Kindern einen feinen Herrn im seidenen Rock des Hofherrn, das Haar gepudert und neben ihm hing das Bild einer schönen lachenden Frau, der saß ein Rabe auf der weißen Hand. Unter dem Bilde stand ein Verslein und mühsam entzifferten es die Kinder:

Schöne Doris, du alleine
Komm in meinen Garten.
Blumen dorten, große, kleine,
Sollst du mit mir warten.
Aber ach, was muß ich sehn,
Alle Blumen schämen sich,
Seufzen: wär' ich noch so schön,
Doris überstrahlet mich.

»Das ist der Herr Christian mit seiner Frau, und wie er zu ihr und zur Vernunft kam, erzähle ich euch später. Seht jetzt den, der hat im Siebenjährigen Kriege mitgefochten, ist bei Kunnersdorf gefallen, ein Oheim des Herrn Christian war's, und weiter dort jener, der hat Napoleons Heer mit aus dem Lande gejagt.«

»Erzähle von ihnen,« bat Dieter.

»Erzähle von Herrn Christian und der schönen Dame!« Gundula konnte sich von den beiden nicht trennen, aber Justus erzählte nicht. »Damit hat's Zeit, jetzt wird weitergewandert, das Geschichtenerzählen kommt später. Hier geht's weiter, hier liegen die Staatszimmer.«

Viel Prunk und Pracht gab es nicht auf der Rabenburg und selbst in den Staatszimmern stand einfacher Hausrat. Nur zwei Räume waren besonders schön, darin gab es vergoldete, seidenüberzogene Stühle, zierliche Tische und Schränke, es gab gemalte Wände und Decken und es roch nach verwelkten Rosen darin, und ehe es Justus noch sagte, dachten es die Kinder beide, hier hatte gewiß die schöne Frau, die den Raben auf der Hand trug, gewohnt. Aus diesen Zimmern gelangte man durch einen schmalen Gang in den Seitenbau, an den sich der alte Turm anschloß. Am Ende des kleinen Ganges lag eine breite, helle Treppe und hier sagte Justus: »Diese Treppe ist euer Vater oft hinaufgelaufen. Immer zwei, drei Stufen auf einmal nahm er, er konnte nicht schnell genug hinaufkommen. Da oben hauste damals ein Maler, der für einen Trachtschen Vetter ein paar der Familienbilder kopierte. Dieser Maler war weit in der Welt herumgekommen, er wußte eurem Vater und dem anderen viel von der bunten Welt hinter unserem Walde zu erzählen.«

Da sahen die Kinder im Geiste ihren Vater treppauflaufen und sahen ihn oben in das Zimmer eintreten, in das der Alte sie jetzt führte. Es war mäßig groß und sehr hell, trotzdem die Fenster in tiefen Nischen lagen. Auch die Möbel darin waren hell und ganz einfach. Vor dem einen Fenster stand noch eine Staffelei, auf ihr mochte der Maler einst seine Bilder gemalt haben.

»Dort auf dem Fensterbrett saß euer Vater und der andere, und sie hörten zu, was der Maler von Italien, Griechenland, von Indien und anderen Wunderländern erzählte und oft sagten sie:

»Dort wollen wir auch hin.«

»Unser Vater ist auch dort gewesen,« erzählte Dieter, »aber wer war der andere?«

Justus gab keine Antwort, er schien die Frage gar nicht gehört zu haben. Leise schlurfte er in dem Zimmer hin und her, rückte allerlei zurecht, als müsse er jemand nachräumen, der es in Unordnung zurückgelassen hatte. Ein wenig beklommen traten die Kinder an das Fenster, schoben den Vorhang zurück und sahen hinaus. Untersberg lag in der Tiefe und der Kirchturm des Dorfes reckte sich wie ein Finger in die Höhe, der melden wollte: hier ist jemand, der nicht vergessen werden möchte. Wie sie so beide durch das Fenster schauten, fielen Dieter ein paar Risse in der glatten Scheibe auf, er betrachtete sie näher und sah, daß dort eingeritzt ein Name stand: Christian von Tracht und darunter ein paar Zahlen, die unleserlich waren.

Gundula rief: »Hier hat der Herr Christian seinen Namen aufgeschrieben.« Justus trat hinter die Geschwister. Er nickte schwermütig, »der Herr Christian aus dem Ahnensaal war das aber nicht, sondern der andere, der Pflegesohn, eures Oheims Neffe war es, seines einzigen frühgestorbenen Bruders Sohn. Als ein verlassenes Waisenbüblein kam der auch auf die Rabenburg, aber so gut sie ihm auch gefiel, er ging eines Tages doch in die weite Welt, nach der er immer eine unbändige Sehnsucht hatte. Von der Burg sagte er immer: ›ein hübscher Winkel, doch mag ich nicht immer im Winkel sitzen.<«

»Wo ist er denn, kommt er nicht mehr her?« fragte Gundula, da der Alte schwieg. Der schüttelte traurig den Kopf: »Nein, Kind, er kommt nun wohl nie wieder. Es geht manchmal so im Leben, Menschen, die sich liebhaben, kränken sich doch so bitter, daß sie auseinandergehen. So ist's mit dem jungen Herrn Christian gewesen. Ich denke, er hat nicht gewußt, wie gut es sein Oheim mit ihm meinte und wie viel unsere gnädige Frau um ihn geweint hat, sonst wäre er doch wiedergekommen. Nun ist er lange fort, ist irgendwo in der Welt draußen, aber hier wird noch manchmal sein Name genannt und darum sag' ich's euch, fragt nicht nach ihm, es tut euren Pflegeeltern weh.«

Die Geschwister hätten gern gefragt: was hat er getan, warum zog er fort, sie wagten es aber nicht. Doch Justus mochte ihnen die Frage in den Augen lesen, er sagte: »Einige Jahre nach eures Vaters Besuch war es, da kam eines Tages Herr Specht auf die Burg, ganz fröhlich und frei kam der an und wollte ein Stück Wald von eurem Oheim kaufen, er brauchte Holz und meinte, im Schloßwald könnten gut eine Anzahl Bäume gefällt werden. Darüber erzürnte der gnädige Herr, er schalt und brummte heftig und der junge Herr Christian sagte unbedacht: ›Ach so ein paar Bäume, was ist's da schade drum, wäre ich Waldherr, ich ließe mir das Angebot wohl gefallen.‹

»Seht, das Wort hat die beiden auseinandergebracht. Daß sein Pflegesohn den Wald so wenig liebte, konnte nun unser gnädiger Herr nicht verwinden, so viel seine Frau auch zum Guten redete. Vielleicht wäre aber doch alles gut geworden. wenn nicht Herr Christian auch so ein rechter Dickkopf gewesen wäre. Er ging einfach auf und davon, ließ sich sein kleines Erbteil auszahlen und sagte, er wolle sich die Welt ansehen. Euer Vater war damals über See, der hätte seinen Vetter wohl sonst zur Vernunft gebracht, aber als er wiederkam, war alles vorbei, niemand wußte, wo der Junker Christian eigentlich lebte. So, nun wißt ihr das, nun fragt nicht mehr, jetzt wollen wir das Zimmer schließen.«

Justus zog die Vorhänge wieder zu und dabei strich er sacht über die Stelle, wo an der Scheibe der Name stand, es war wie ein sanftes Streicheln. Gleich darauf sagte er so laut, daß das Treppenhaus hallte: »Nun geschwind weiter, erst wollen wir in den Turm gehen, hier führt der Weg hin.«

Wieder tat sich ein schmaler Gang vor den Kindern auf, an dessen Ende ein Türlein lag, durch das sie in den Turm gelangten, auf einer Wendeltreppe, die im halbdunklen Raum auf- und abwärts führte. Eine dumpfe Luft schlug ihnen entgegen und Gundula sah scheu in die Höhe und Tiefe: »ich fürchte mich.«

»Ist recht, hier liegen die Gespenster auch wie Räucherfische auf den Treppenstufen so dicht beisammen und oben hängen sie dann nebeneinander wie Würste im Rauchfang,« sagte Justus gelassen. Seine Stimme hallte und dröhnte und fand ein schallendes Echo im Turme. Es klang wirklich unheimlich, aber die Beschreibung der Gespenster hatte Gundula doch den Mut zurückgegeben, sie ging wirklich durch das Türlein in den Turm hinein.

»Geduld überwindet Buttermilch!« Justus ging führend voran, »kommt nur, kommt, hier sind wir schon im Turm.«

Die Treppe führte bis zu einer Falltür, Justus stieß sie auf und Gundula rief laut: »Der Himmel!«

Der Himmel war es freilich nicht, was sich da über ihnen wölbte, sondern eine blaugetünchte, gewölbte Decke, und Dieter, der mit einem Satz die letzten Stufen überwunden hatte, rief froh: »Ein Zimmer, wie fein, hier möchte ich wohnen.«

»Das haben andere auch schon gesagt,« brummte Justus und schob Gundel die letzte Stufe hinauf. Die schrie: »O die vielen Raben.«

Lachend, verwundert sahen sich die Kinder in dem runden Turmzimmer um. Der einzige Bilderschmuck der blaugetünchten Wand waren Raben; sitzend, fliegend, in allen Stellungen waren sie darauf gemalt. Vier Fenster hatte das runde Gemach, nach jeder Himmelsrichtung ging eins und zwischen den Fenstern standen Schränke, Bücherschränke waren es. Die Mitte des Raumes füllte ein runder Tisch, von Armsesseln umstanden, und mitten auf diesem Tische breitete ein ausgestopfter Rabe sein Flügel aus. »Das hier ist des Herrn Christian von Tracht Lieblingsplatz gewesen, dessen Bild ihr im Ahnensaal saht, hier hat er gelesen, studiert, auf seiner Flöte geblasen, die er wie der große König Friedrich so besonders geliebt hat. Hier hat auch manchmal eine fröhliche Tafelrunde gesessen, aber nicht nur Männer allein wie wohl in Sanssouci, denn das hätte die schöne Frau Sophie-Dorothea oder das Dorettchen, wie ihr Mann sie nannte, nicht gelitten.«

»War das die schöne Frau mit dem Raben?«

»Ja, das war sie!«

»Von ihr und Herrn Christian wolltest du uns eine Geschichte erzählen, erzähle, erzähle,« mahnte Gundula.

»Das will ich schon, doch es kommen Räuber darin vor, Jungfer Hasenfuß. Richtige Räuber!« Gundula sah ängstlich drein, aber des Justus verschmitztes Gesicht nahm ihr die Räuberangst und sie setzte sich neben Dieter in einen der alten Stühle und der Alte begann von dem wunderlichen Herrn Christian zu erzählen. Herr Christian von Tracht gehörte in seiner Jugend zu jenen Menschen, die das Gute, das sie besitzen, nicht zu schätzen wissen, die es immer anders haben wollen. Weil er ein reicher, vornehmer Herr war und die stolze Rabenburg sein nannte, wünschte er ein einfacher Schäfer zu sein. Sein Vater war früh gestorben und seine Mutter verwöhnte ihren Einzigen so sehr, daß es ihr nachher leid tat. Aber als sie das einsah, war es zu spät und kein mahnendes Mutterwort brachte Herrn Christian mehr von seinen Launen und Einfällen ab. Es war damals die Zeit der Schäferspiele, Deutschland äffte mal wieder diese französische Mode nach und die Alamode-Herrn und -Damen verkleideten sich wohl als Schäfer und Schäferinnen, führten schneeweiße Lämmlein am Bande, sangen Schäferlieder und schwärmten vom Hirtenleben. Freilich, sie hätten sich alle herzhaft gewundert, wenn man ihnen zugemutet hätte, auch nur einen Sommer lang eine große Herde zu betreuen, ihr ganzes Tun war nur ein tändelndes Spiel. Wenige faßten das Spiel so ernsthaft auf wie Herr Christian, der erklärte seiner Mutter an einem Frühlingstag, er wolle nun nicht mehr auf der Rabenburg wohnen, sondern als einfacher Hirt in einer Höhle, die im Volksmund die Elfenhöhle hieß, leben. Dort wollte er in der Einsamkeit der Natur seine Tage verbringen und vielleicht würde er einstmals eine liebliche Schäferin finden, die gewillt sei, mit ihm das einfache Hirtenleben zu teilen. Als Hirte, nur als Hirte würde er glücklich sein.

Die alte Frau von Tracht bat, weinte, stellte ihrem Sohn das Lächerliche seines Tuns vor, es half alles nichts. An einem schönen Maientag zog Herr Christian, gar zierlich gekleidet mit einem langen, bebänderten, blumengeschmückten Stab in der Hand, seiner Herde voran in die Waldeinsamkeit.

»Dort werde ich besser leben als hier auf der finsteren Burg,« rief er aus, obgleich niemand die Rabenburg, wie sie so im Frühlingssonnenschein lag, finster nennen konnte.

Es war gut, daß Herr Christian wenigstens zwei tüchtige Schäferhunde mitnahm, denn sonst wäre er nicht einmal mit seinen Schafen an Ort und Stelle gekommen. Trotzdem fand er es recht mühsam, eine Herde zu hüten und er war froh, als er endlich an seiner Höhle anlangte. Lieblich breitete sich vor ihr eine Bergwiese aus, die in der ersten Frühlingsblüte stand. Die Schafe waren damit zufrieden und Herr Christian auch. In einem Säcklein hatte er sich Brot, Wein und Käse mitgenommen, davon schmauste er vergnügt zum Nachtmahl und dann streckte er sich im Grase aus, schaute zu dem Himmel empor, an dem unzählige Sterne friedlich standen und pries seinen Entschluß, der ihn zu diesem Hirtenleben geführt hatte. Die Schafe lagerten um ihn herum, auch sie waren satt und zufrieden, nur die Hunde meinten, die Suppe auf der Rabenburg sei nahrhafter, als das Stücklein Brot, das ihr Herr ihnen gegeben. Doch was die Hunde meinten und dachten, darauf kam es nicht an; Herr Christian pries sich so lange glücklich, bis er einschlief.

Ob in dieser Nacht Elfen auf der Wiese getanzt hatten, wußte Herr Christian nicht, als er am nächsten Morgen aufwachte, er wußte nur, daß er jämmerlich fror und ganz feucht vom kühlen Morgentau war. Maiennächte sind nicht immer warm, ihr Name ist mitunter lieblicher als ihr Wesen. Diese erste Maiennacht seines Hirtenlebens bescherte Herrn Christian etwas recht Unangenehmes, er bekam einen fürchterlichen Schnupfen. Dazu fehlte ihm seine warme Morgensuppe, die auf der Rabenburg immer so herrlich dampfend auf den Tisch kam, und das klare Quellwasser, das er gern als köstlichstes Getränk gepriesen, fiel ihm etwas kühl in den Magen. Wie es so geht, als sich nach drei Tagen Regen einstellte, hatte Herr Christian sein Hirtenleben gründlich satt. Niesend, schnaufend, verdrießlich hockte er wie seine Schafe in der Höhle und von all' den wunderfeinen Hirtenliedern, die er hatte dichten wollen, fiel ihm kein einziges ein. Er reimte, »Ihr Lämmlein hüpfet, ihr Schäflein springet, ihr Vöglein singet« und dann ging's nicht weiter, er wußte nichts, was er noch hüpfen, singen und springen lassen konnte. »Tropf, tropf« sagte der Regen und »hazih, hazih« nieste der Dichter. Es war trostlos. Die Tage schienen wirklich zu schleichen und am liebsten hätte Herr Christian seine Schafe heimwärtsgetrieben und wäre auf sein Schloß zurückgekehrt. Aber er fürchtete, zu sehr ausgelacht zu werden und so blieb er aus lauter Trotz in seiner Höhle, obgleich der Mai ein paar Tage sich anstellte, als wäre er noch März oder April. Nur seine Gedanken schickte der Herr Christian auf die Wanderung, zur Mutter hin und auch nach einem Schloß jenseits des Waldes. Dort wohnte ein feines, schönes Fräulein, das er eigentlich herzlich lieb hatte. Das schöne Fräulein aber hatte ihn ob seines Schäferspiels ausgelacht und das hatte er so gewaltig übelgenommen, daß er im Zorn von ihr gegangen war. Aus Zorn und Trotz dachte er jetzt auch nicht an die Heimkehr, obgleich ihn zum Schnupfen auch noch die Sehnsucht plagte. Er dachte, ob sie wohl um mich klagt, ob es ihr. leid tut, mich ausgelacht zu haben, ob sie wohl weint? Und dann wünschte er: »Tät' sie es doch!«

Das Fräulein Dorothea weinte aber gerade nicht, das saß mit ihrer vertrauten Freundin und ihrem jungen Bruder zusammen und alle drei hatten sich etwas ausgesonnen, das ihnen höchst vergnüglich schien. Sie lachten und flüsterten zusammen und der schönen Dorothea Eltern sagten beruhigt zueinander: »Wie gut, sie hat ihr Herz nicht an diesen Narren, den Christian von Tracht, verloren.« Sie ahnten es nicht, daß trotz all' seiner Narrheit Dorothea dem Junker Christian herzlich gut war und wirklich gern als seine liebe Frau auf der Rabenburg gehaust hätte. Und um das zu erreichen und Herrn Christian von seiner Narrheit zu heilen, hatte sie des Bruders und der Freundin Hilfe erbeten. »Es gelingt, Dorothea, er fällt darauf rein, ganz sicher, aber erst muß er das Regenwetter noch als Hirt überstehen, das ist gut und heilsam,« sagte die Freundin. Und der Bruder sah zum Himmel auf und prophezeite: »Es hört so bald nicht wieder auf.«

Wirklich, das tat es auch nicht, es regnete Betteljungen, wie die Landleute es nannten, es rann und strömte und Hirte, Schafe und Hunde saßen höchst mißmutig in ihrer Höhle. Jeden Morgen dachte Herr Christian: heute zieh' ich heim, aber immer wieder hielt die Scham ihn zurück, nein, nein ausgelacht wollte er nicht werden. Er hatte versucht, sich in der Höhle ein Feuer anzuzünden, es war aber nicht gelungen, das Holz war feucht und wollte nicht brennen, so wurde es nichts aus der warmen Suppe, die er doch so gern gegessen hätte. Ach wie sehr sehnte er sich danach!

Endlich, endlich besann sich die Sonne, es sei ihre Pflicht, doch einmal im Mai zu scheinen und so stand sie denn eines Morgens als blitzblanke Maisonne am Himmel. Hirte und Herde atmeten auf und die Schafe liefen gleich ein Stück die Wiese abwärts, vielleicht fanden sie da noch wohlschmeckendere Kräuter. Herr Christian, dem es aber auf dem Boden noch immer zu feucht war, kletterte auf einen Baum und blies auf seiner Flöte. Denn eine solche gehörte seiner Meinung nach zum Hirtenleben und Flöte blasen konnte er wirklich besser, als Schafe hüten. Ein heiteres Liedchen wurde es aber nicht, sondern eine recht trübselige Weise. So traurig sie auch klang, zwei lachten recht herzhaft darüber, die hinter einem Stein verborgen die Weise, den Hirten und die Herde beobachteten. Sie warteten es ab, bis es Herrn Christian auf seinem Baum wieder zu langweilig wurde und er sich, noch immer niesend, mit schweren Gliedern in die Höhle schlich.

Dort wickelte er sich in seinen Mantel, kauerte sich zusammen, denn trotz der Sonne war es noch immer recht kühl. Er dämmerte so vor sich hin, als ihn auf einmal ein leises Geräusch und Flüstern aufsehen ließ. Vor dem Eingang der Höhle saßen zwei seltsame Gestalten. Wüst und wild sahen die aus, in zerrissene Mäntel gehüllt, verbeulte Hüte tief in die geschwärzten Gesichter gedrückt, so hockten sie da. Einer schwang ein langes Küchenmesser, mit dem er wunderliche Zeichen und Kreise in der Lust beschrieb. »Wir bekommen sie,« sagte er heiser und dumpf. Und dann stieß er einen Schrei aus, der einem Rabenruf glich.

»Wenn sie nur allein gehen möchte!« Der andere, von dessen Gesicht nichts zu sehen war, hatte eine sonderbare Stimme, hell und hoch, tief und murrend zugleich.

»Sie tut es schon, wenn die Anne erzählt, der Junker von Tracht läge sterbend im Walde, dann kommt sie.«

»Hui!« quiekte der Verhüllte, »ich packe sie.«

»Eine feine Beute, die schöne Dorothea.«

»Nimm dich in acht, daß der Junker von Tracht uns nicht erwischt!«

»Pah! Der läuft doch seinen Schafen nach. Ich sah ihn mit einer Flöte gehen und hörte ihn spielen.«

»Ein Narr!«

»Ein Esel, wie's keinen zweiten gibt. Also paß gut auf. Die Anne krächzt dreimal wie ein Rabe, wir antworten ebenso, das ist das Zeichen.«

»Wenn sie nur kommt.«

»Sie kommt schon, sie liebt ja sonderbarerweise diesen Narren. Also dreimal den Rabenruf.«

»Krah, krah, krah!«

Dies sonderbare Gespräch hörte Herr Christian mit an und saß dabei hilflos in der Höhle, einer gegen zwei und Waffen hatte er nicht. Gräßlich war's. Was planten die Unholde da? Das schöne Fräulein Dorothea wollten sie rauben, hierher wollten sie sie locken, ihr sagen, er sei krank. Schändlich, furchtbar, er mußte sie retten. Gleich auf der Stelle mußte er zu ihr laufen und ihr alles entdecken. Nicht einen Augenblick Zeit wollte er verlieren und kaum waren die Räuber fort, so sprang er auf und raste, seine Flöte unterm Arm auf und davon. Er vergaß seine Schafe und Hunde, aber die Hunde, die ihren Herrn laufen sahen, vergaßen ihre Pflicht nicht. Mit lautem Gekläff scheuchten sie die Schafe auf und die armen Tiere mußten ihre schöne Weide im Stich lassen und Herrn Christian nachrennen, obgleich ihnen das recht beschwerlich war. In seiner Angst um die schöne Dorothea, in seinem Eifer, sie zu retten, merkte der Junker von Tracht es nicht einmal, welches Gefolge er hatte. Atemlos und heiß kam er auf dem Schloßhof von Hohenbüchen an und dort erregte sein Erscheinen ein maßloses Erstaunen. Der Schloßherr und seine Frau kamen herbei und Herr von Buchen schrie: »Er ist närrisch geworden, vollkommen närrisch!«

»Fräulein Dorothea – – Räuber,« stammelte der Herr Christian, da bellte es neben ihm. »Wau-wau, wau-wau« und »mäh-mäh-mäh« meckerten die Schafe kläglich.

Über den Hof aber kam schlank und schön im lichten Kleid das Fräulein Dorothea einher und als sie den Junker und sein Gefolge sah, lachte sie fröhlich. »Grüß Gott, Herr Nachbar!« Sie schaute den Junker dabei so schelmisch-lieblich an, daß der sein Hirtenleben, kurz alles vergaß und nur das eine dachte: »Würde sie doch meine Frau.« Hastig, stockend, erzählte er aber von dem Räuberanschlag und darüber erschrak Fräulein Dorothea so sehr, daß sie das Gesicht in den Händen verbarg und aufschreiend davonlief.

Ihren Eltern aber kam in diesem Augenblick der Nachbar gar nicht so komisch vor, sie ließen sich alles nochmals erzählen und die Mutter schrie ach und weh über das Unglück, das ihrer Tochter gedroht hatte.

»Räuber im Lande!« Der Herr von Buchen rief geschwind seine Knechte herbei und ordnete an, daß der Wald abgesucht werden sollte. Nach der Anne und nach den beiden schwarzen Unholden. Doch soviel man auch suchte da und dort, man fand niemand und nichts. Annen aber gab es so viele in der Gegend, daß es schwer war, eine zu beschuldigen. Der Vogt von Hohenbüchen befahl, man solle jede Anne, die man traf, krächzen lassen wie ein Rabe, aber keine konnte es, schließlich sagte eine Magd: »Die gnädigen Frauen auf der Rabenburg und auf Hohenbüchen heißen beide Anne.«

»Krächzen sie?« schrie der Vogt die Vorwitzige an.

»Ich hab's noch nie gehört,« sagte zitternd die Magd.

Also kam nichts heraus, die Räuber fanden sie nicht. Dafür fand der Herr Christian eine herzliebe Braut, denn als er das schöne Fräulein Dorothea fragte, ob sie wirklich zu ihm gekommen wäre, wenn er krank im Walde gelegen hätte, strahlte ihm eine innige Liebe aus ihren Augen entgegen. »Darin hatten die Räuber recht, ein Narr war ich, ein riesengroßer Narr,« rief er aus, »und eigentlich bin ich diesen Bösewichtern herzlich dankbar.«

Fräulein Dorothea sagte das auch und sie lächelte gar schalkhaft. Sonderbarerweise tat sie das immer, wenn jemand von den beiden unheimlichen Räubern sprach. Übrigens hatten weder sie noch Herr Christian viel Zeit, an die Räuber zu denken, sie mußten an ihre Hochzeit denken, die noch im Herbst sein sollte. Auf keinen Fall wollte der Junker von Tracht den Winter allein in der Rabenburg hausen und da auch seine Mutter einstimmte und Fräulein Dorothea nicht widersprach, wurde die Hochzeit bald ausgerichtet. Dorothea von Buchen zog als Herrin auf die Rabenburg und Herr Christian dachte nicht mehr an sein Hirtenleben und seine Schäflein standen im Stall oder wurden von einem Hirtenjungen geweidet und sie befanden sich gut dabei.

Wie nun die schöne Dorothea schon etliche Wochen auf der Rabenburg hauste, stand sie eines Tages an der Mauer, es war ein sonnenreicher Herbsttag, dort wo es zum Dorf hinabgeht. Auf einmal krächzte dreimal ein Rabe, gleich darauf ein anderer auch dreimal, und da erhellte ein frohes Lachen ihr schönes Gesicht und höchst vergnügt krächzte sie wieder, krächzte so, als wäre sie bei den Raben in die Schule gegangen. Das Gekrächze ging ein Weilchen fort, bis am Tor ein Reiter und eine Reiterin auftauchten, die lustige Anne war's, Frau Dorotheas Gespielin und ihr Bruder Fritz-Wilhelm. Frau Dorothea begrüßte sie gar herzlich und niemand merkte, daß der Hausherr von einem Fenster aus alles mit angehört hatte, das Gekrächze und die heitere Begrüßung. Da wurde ihm, wie man zu sagen pflegt, ein Lichtlein angezündet, zumal sein junger Schwager jetzt mal tief mal hoch sprach, mal noch wie ein Büblein, mal wie ein Mann.

Herr Christian aber schwieg still, er begrüßte die Gäste höflich und heiter, wie es sich für einen Hausherrn schickte. Als die wieder davongeritten waren und er mit seiner Frau nun allein saß, sagte er: »Weißt du auch, daß wer auf der Rabenburg wohnt, auch wie ein Rabe krächzen lernen muß, oder – – – kannst du es gar?«

Nun merkte die schöne Dorothea, daß ihr Mann erraten hatte, wer die wilden Räuber gewesen waren und errötend erzählte sie ihm von ihrer Liebe zu ihm und wie sie ihn habe von seiner Narrheit heilen wollen. Fritz-Wilhelm und Anne hatten die Räuber gespielt und er war wirklich in die Falle gegangen.

»Die Räuber sollen gesegnet sein,« rief Herr Christian, »und wenn ich mal wieder in meine Torheit verfalle, dann – – – «

»Werde ich krächzen,« sagte Frau Dorothea lachend.

Ob sie das oft getan hat, weiß man nicht, aber das weiß man, daß sie glücklich und beglückend viele Jahre zusammenlebten und der liebe Gott fügte es, daß Herr Christian seine Frau nur um wenige Tage überlebte. Der Maler, der Frau Dorothea wohl zur Erinnerung an die Räubergeschichte mit einem Raben auf der Hand malte, hat auch dieses Turmgemach ausgemalt. Hier hat Herr Christian oft gesessen, er nannte das runde Gemach sein Sanssouci wie der Preußenkönig sein schönes Schloß. Und wie jener, liebte auch er, auf der Flöte zu blasen, auch gedichtet hat er manchmal, denn ein wenig Dichter war er eben doch und das Verslein unter dem Bilde seiner Frau stammt von ihm. Er ließ damals auch die Burg neu ausbauen, sie bekam dadurch das heitere Aussehen, das sie jetzt hat. Als sie vollendet war, schrieb Herr Christian dann den Vers nieder, der zweite, der eingemeißelt ist am Tor.

Von irgendwoher kamen ferne Klänge und Töne und Justus sah erschrocken auf: »In Untersberg läuten sie, es ist Vesperzeit. Nun aber geschwind hinunter. Ei du meine Güte, wie man sich so verschwatzen kann, nun wird der gnädige Herr ungeduldig werden, daß ihr zu spät zum Kaffee kommt. Lauft nur, lauft!«

Sie rannten alle drei hastig treppab, aber unten fand es sich, daß es noch nicht so eilig war. Der Untersberger Schulze war bei dem Hausherrn gewesen, und so kamen die Kinder gerade noch zur rechten Zeit. Der Bauer fand auch einen Platz am Kaffeetisch im Winkel, und er saß breit und behaglich, neben dem Schloßherrn, so hatte er schon manchmal dagesessen. Als er Dieter und Gundula sah, nahm er ihre Hände in seine feste Bauernhand. »So ist's racht«, meinte er, »Jungvolk muß auf der Burg si, und,« er zeigte auf die Kinder und wandte sich flüsternd zur Hausfrau, »mit dene wärd's gut, mit dene sin Rab'n gekommen. Unsre olte Muhme saogt, so müßt's sei.«

»Justus sagt auch so,« dachte Gundel, die des Bauern Worte verstanden hatte und sie sah unwillkürlich nach der alten Tanne hin, auf deren höchstem Wipfel drei schwarze Vögel saßen. »Waren das Schutzvögel, weil sie mit ihr und dem Bruder gekommen waren?«

Dieter hatte unterdessen dem Oheim Antwort gegeben, wo sie gewesen waren. Zuletzt im Turm. »Dort hat uns Justus von dem Herrn Christian erzählt.«

Der Bauer horchte auf und ein lustiges Schmunzeln ging über sein Gesicht. »Von dem, der amol Schofe g'hüt hot?«

»Ja von dem!« Herr von Tracht nickte dem Bauern lächelnd zu, »sagen Sie's den Kindern nur, Schulze, was man in Untersberg von ihm sagt.«

»Nu wir sprechen,« der dicke Schulze lachte breit, »wenn wer was dumm un verkahrt anfängt: er stellt sich dazu wie der Herr Christian zum Schofehüten.«

»Seht ihr,« sagte der Oheim heiter, »so ist's, man muß sich arg hüten auf der Burg, um keine Fehler zu machen, in Untersberg sitzen strenge Richter.«

»Jo, jo!« Der Schulze sah mit hellen Augen dem Burgherrn gerade ins Gesicht. »Wir sprechen aber auch, wo mer su rachtes, festes Zutrau'n ha'm, auf den kann mer sich verlosse. alleweil wie auf'n Herrn von Tracht.« Und über den Tisch hinweg streckte der Bauer seine Hand aus, die der Schloßherr nahm und herzhaft drückte.

»Mög' es so bleiben,« weiter sagte er nichts, aber den Kindern sank das Wort in ihre Herzen zum Nievergessen. Und als sie später wieder mit Justus im Hause herumwanderten. in den weiten Wirtschaftsräumen, die große Küche ansahen und die Vorratskammern, da spürten sie nichts mehr von der heimlichen Scheu, mit der sie gestern zum ersten Male das Tor durchschritten hatten.

»Gibt's auch Pferde und Kühe?« fragte Dieter, der sich nach den Ställen umsah.

Justus schüttelte den Kopf. »Es gehört nicht mehr viel Feld zur Rabenburg. Früher, ja da war es ein weiter, reicher Besitz. Die paar Felder, die jetzt noch dazu gehören, verwaltet der Schulze mit. Bei dem stehen auch die Kutschpferde im Stalle.« »Aber der Wald gehört zur Burg,« sagte Dieter rasch und seine Augen leuchteten. Justus nickte. »Ja der Wald!« Er seufzte leise, aber die Kinder hörten den Seufzer nicht, weil der Alte gerade zu ebener Erde eine Türe aufgeschlossen hatte, er sagte: »Manche nennen das eine Rumpelkammer, aber wir hier nennen es das Museum. Heute dürft ihr nur mal die Nasen hineinstecken, denn für das Museum muß man Zeit haben.«

Also steckten die beiden wirklich nur ihre Nasen hinein, sogen Moderluft ein und sahen undeutlich allerlei Waffen, Geräte, ein paar alte Schränke und dergleichen und sie waren ganz froh, daß die Zeit für das Museum zu kurz war. Von der Morgenwanderung und dem vielen treppauf, treppab in dem Schloß waren sie sehr müde geworden und in ihren Herzen regte sich nicht der leiseste Widerspruch als der Oheim sagte:

»Jungvolk geht auf der Rabenburg zeitig zu Bett und steht früh auf. Morgen geht es nach Untersberg hinab.«


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