Heinrich Seidel
Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande
Heinrich Seidel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Jochen Nehls lachte, teils belustigt, teils geschmeichelt; es war eine Art dumpfen Gegnuckers, das aus den geheimnisvollsten Tiefen seines Innern zu kommen schien. Dann sagte er:

»Ja, Driebenkiel, ick will jo ok, äwer so 'n Saak is dat doch!«

»Na, dat 's doch 'n vernünftiges Wurt!« rief Driebenkiel, »dorfür kannst du di ok mal weder düchtig wat mit den Blagen verteilen.«

Das liess sich Jochen Nehls nicht zweimal sagen und sprach ein ernstes und eindringliches Wort mit der Flasche. Als er sie wieder hinsetzte, fiel sein Blick auf einen Gegenstand, der auf dem Feuerherde lag und ihm bis dahin entgangen war. »Hest du hier Mettwust äten?« fragte er.

»Ne!« antwortete Driebenkiel.

»Wo kümmt denn dei Wustpell hierher?« fragte Jochen Nehls weiter und hob einen breiten Streifen Wursthaut auf, der von unserm Abendessen dort liegen geblieben war.

War unsre Stimmung dort oben in unserm Lauscherversteck schon immer ziemlich unbehaglich gewesen, so schlug mir jetzt das Herz so, dass ich meinte, man müsste es in der ganzen Hütte deutlich hören, und ich glaube, es ging Adolf, der neben mir kniete und meine Hand krampfhaft drückte, ebenso. »Dei Fischers un dei Heumakers«, sagte Driebenkiel, »'äten hier mennigmal Frühstück, dor brukst du di doch nich äwer Wustpell tau wunnern.«

»Dat is äwer kein Pell von 'ne Daglöhnerwust«, sagte Jochen Nehls, »dei is von dei fine Mettwust, dei up 'n Steinhüser Hoff makt ward; wo kümmt dei hier blot her?«

»Na, dei Mulapen von Jungs, dei up 'n Rosenwierer Robinsöhn spelen, dei drieben sick jo den ganzen Dag hier inne Gegend rüm, worum süllen dei hier nich mal wat äten hebben?«

»Un Brot liggt dor ok«, sagte Jochen Nehls, »dat is mi doch grar so, as wenn hier hüt all wen wäst is.«

Das Brot rührte von Adolf her, er hatte ein Stück liegen lassen, weil es zu sehr verschimmelt war. Er drückte mir die Hand, dass es mich schmerzte.

Driebenkiel nahm das Brot auf und lachte: »Wo du di blot hest!« sagte er, »dat Brot liegt hier all lang, dat is jo ganz verschimmelt.« Jochen Nehls schien sich hierbei zu beruhigen, und eine ungeheure Last wälzte sich von unsern Herzen.

Regen und Wind hatten sich unterdes vermehrt, draussen sauste es in der alten Weide, und auf dem Dach und gegen die Bretterwand des Heubodengiebels trommelten die schweren Tropfen, so dass es uns nicht mehr möglich war, alles zu verstehen, was unten gesprochen wurde. Driebenkiel schien, nach dem, was uns vernehmlich war, dem andern eindringlich und ausführlich noch einmal seine Verhaltungsmassregeln zu wiederholen, und schliesslich nahm er ein altes, schmieriges Gesangbuch hervor, wahrscheinlich den letzten und einzigen Rest seiner Bibliothek geistlichen Inhalts, und liess Jochen Nehls darauf schwören, dass er in diesem Unternehmen treu zu ihm stehen wolle. Es hörte sich grausig an, wie Driebenkiel dem andern die gotteslästerlichen Worte vorbetete und dieser sie mit heiserer Stimme wiederholte. Dies alles dauerte wohl eine Viertelstunde, und dann hörten wir beide mit schweren Tritten an die Thür gehen. Wir atmeten auf, doch war es noch zu früh, wie sich bald zeigte, denn die Schritte kehrten zurück, und wir hörten, wie Jochen Nehls sagte: »Dat is jo gruglich buten, dat rägent jo junge Hunn', will'n wi nich leiwer dei Nacht hier up 'n Heubähn krupen, dor bliwt'n doch drög.«

»Dauh, wat du wist!« antwortete Driebenkiel, »ick möt na Hus, Aewer dat süll einer doch gor nich glöben von so 'n seebifohrnen Minschen, dei sick dei Teifuns un dei Monsuhns, ore wo dei Dinger heiten, hett ümme Näs' weihn laten, dat süll doch keiner glöben, dat dei sick för so 'n poor Druppens grugen dauhn deiht. Du hest doch woll all tau lang' hier mang dei Nuschen wahnt. Dei hebben all up die affarwt.«

»Den Dunner!« rief Jochen Nehls dann, »hier wir doch süss 'ne Lerre!«

»Wat brukt denn 'n Matteros' 'ne Lerre«, sagte Driebenkiel, »dor kam ick jo noch rup, wenn ick will. Du settst dei Benk up den Füerhierd, denn kannst du baben anlangen, na, un denn dor rin tau kamen in dei Luk, dat 's doch kein Kunst.«

Die Hammerwerke unsrer Herzen arbeiteten zum Erbarmen.

»Ja, wenn 'k den ollen Schaden an 't Bein nich harr«, sagte Jochen Nehls, »denn wir 'k all baben. Aewer dat is nich mihr. Wo man blot dei Lerre blähen is?«

»Versäuken kannst jo doch mal«, sagte Driebenkiel, »ick will die lüchten.«

Unsre Angst stieg aufs höchste, denn wenn Jochen Nehls diesen Versuch machte und der andre ihm dazu leuchtete, so musste, auch wenn der Kletterversuch nicht gelang, unbedingt die hinaufgezogene Leiter gesehen werden. Das bedeutete, dass jemand oben war, und dann waren wir verloren.

Jochen Nehls aber konnte sich über die Leiter nicht beruhigen. »Driebenkiel, du möst mi mal lüchten, wat dei Lerre nich hinnen steiht anne Butenluk, mäglich, dat sei ehr dor brukt hebben.«

Die schweren Schritte entfernten sich nun wieder, und der schwache Lichtschein der Laterne verschwand. Ohne dass einer von uns ein Wort gesagt hätte, griffen wir gleichzeitig nach der neben der Einsteigöffnung hochkantig liegenden Leiter, zogen ihr Ende sachte aus dem hochgestapelten Heu und legten sie geräuschlos nieder. Mit ein wenig erleichtertem Herzen horchten wir dann. Das Unwetter schien nachzulassen, das Sausen in der alten Weide hatte sich vermindert, und der Regen trommelte sachter auf der Giebelwand. Weiter vernahmen wir nichts, nur einmal war es uns, als hörten wir Stimmen und knirschende Schritte auf dem Kiese des nahen Ufers und bald darauf das Rucksen von Rudern. Dann ward es ganz still, Regen und Wind hatten sich gelegt, und nur zuweilen hörte man das Fallen einzelner schwerer Tropfen. Wie lange wir so sassen, Hand in Hand, ohne dass wir uns zu rühren wagten, wie lange wir in das grausige Schweigen der schwarzen Finsternis hinaushorchten, wir wissen es beide nicht. Zuweilen glaubten wir Schritte zu vernehmen, schleichende Schritte, die sich um das Haus herum bewegten, zuweilen ein Seufzen oder lautes Atmen unter uns oder ein leises Knarren der Dielen, sonst blieb alles ruhig. O diese finstere, grausige, durch keinen Lichtstrahl erhellte, von Schrecken erfüllte Nacht, die endlos vor uns lag! Wir konnten schliesslich diesen Zustand nicht länger ertragen. Da alles ruhig blieb bis auf die eingebildeten oder missverstandenen Geräusche, die wir vorhin vernommen oder zu vernehmen geglaubt hatten, und da, wie wir uns durch fast lautloses Flüstern verständigten, es ganz sicher war, dass keiner von den beiden Männern die Hütte wieder betreten hatte, es auch vollständig unwahrscheinlich war, dass einer von ihnen sich auf der sonst obdachlosen Insel noch aufhielte, so fassten wir nach langem Warten endlich wieder Mut, und dieser wurde gestärkt durch eine Erscheinung, die sich an der bretternen Giebelwand der Hütte bemerklich machte. In einer Fuge zwischen zwei Brettern zeigte sich dort in der schwarzen Finsternis ein feiner silberner Streifen, und zugleich war die Einsteigöffnung von einem matten Licht erhellt, so dass sich ihr längliches Viereck deutlich aus dem Dunkel schnitt. Ich kroch leise nach der Wand hin und schaute durch die Fuge hinaus. Gott, wie tröstlich und labend war der Anblick, den ich dort hatte nach aller Angst der Finsternis! Der Halbmond war aus den Wolken hervorgetreten, und freundliche Sterne leuchteten am dunkelblauen Himmel. Adolf hatte ein benachbartes Astloch aufgesucht und konnte sich, wie ich, nicht satt sehen an dieser freundlichen Himmelslampe. Dann lugten wir in den unteren Raum, der durch ein kleines Hinterfenster von einem schmalen Lichtstreifen erhellt wurde. Aber obwohl wir nichts Verdächtiges bemerken konnten und uns fortwährend flüsternd gegenseitig die Versicherung gaben, es sei ganz unmöglich, dass noch eine Gefahr vorhanden wäre, so wagten wir doch noch lange nicht, laut zu sprechen oder unsere Lage wesentlich zu verändern. Doch da alles still blieb und das friedliche Licht des höher steigenden Mondes immer mehr Mut in unsere Herzen goss, so fassten wir uns schliesslich ein Herz und liessen leise und vorsichtig die Leiter hinunter. Ich glaube, es dauerte fast fünf Minuten, bis wir mit diesem Geschäfte fertig waren. Dann stiegen wir hinab, langsam, Stufe für Stufe, die Tritte vorsichtig und geräuschlos setzend. Dann ging's zur Thür, und nach jedem Knarren der Dielen horchten wir eine ganze Weile stumm wie das Grab und mit verhaltenem Atem. Die Thür öffneten wir langsam und vorsichtig nur so weit, dass wir uns eben hindurchschieben konnten, und endlich waren wir draussen, der Falle, in der wir gefangen sassen, glücklich entronnen.

Wir horchten nun über den See hinaus, der, noch von dem vorhergehenden Winde erregt, taktmässig ans Ufer plätscherte, und dessen Fläche von den Mondstrahlen weithin erleuchtet war. Nichts war zu hören und zu sehen. Wie priesen wir jetzt meinen Einfall, nicht an dem gewohnten Anlegeplatz zu landen, und eilig stapften wir im Mondschein über die nasse Wiese zu dem Orte hin, wo unser Kanoe im Rohr verborgen lag. Wir stiegen ein und ruderten vorsichtig zu unsrer Insel, denn an dem Orte zu bleiben, wo wir so Unheimliches erlebt und so herzbewegende Angst ausgestanden hatten, war uns nicht möglich.

An Schlaf war überhaupt nicht zu denken, und so wollten wir den Rest der Nacht mit Beratungen verbringen über das, was nun weiter zu thun sei. In der Gegend, wo wir am Nachmittage Holz gesammelt hatten, legten wir an, fanden auch glücklich beim Schein des Mondes den kleinen Vorrat, luden ihn in das Kanoe und fuhren nach dem Anlegeplatz bei unserer Hütte. Dort hatten wir noch in einer sogenannten Feuerlade ein wenig trockenen Zunder, und so gelang es uns denn nach einiger Mühe, ein mächtiges Feuer zu entzünden, das wir mit allem uns zur Verfügung stehenden Holze im Gange hielten. Das war nötig, denn die Nacht war empfindlich kühl. Wir setzten uns auf unsere Stühle, die wir nahe an das Feuer rückten, und da wir uns zum Ueberfluss noch in die allerdings etwas feuchten Wolldecken wickelten, so befanden wir uns ganz komfortabel, denn wir rückten so nahe heran, dass von den Decken ein warmer Dampf aufstieg. Dann folgte natürlich eine endlose Beratung, deren Schluss nach vielem Hin- und Herreden endlich war, dass einer von uns so bald als möglich Herrn Wohland zu warnen habe, während der andre nach Steinhusen fuhr, damit auch dort womöglich Massregeln zur Ergreifung der Einbrecher getroffen würden. Das musste mit Vorsicht geschehen, damit niemand Verdacht schöpfe oder die Sache nicht vorzeitig unter die Leute käme.

Je mehr wir uns in diese Frage vertieften, desto mehr Schwierigkeiten zeigten sich, doch deren Erörterung hatte wenigstens das Gute, dass die Zeit darüber hinging. So beschlossen wir denn schliesslich, darum zu losen, wer Herrn Wohland zu benachrichtigen habe, denn dies war, wenn auch die interessantere, so doch die gefährlichere Aufgabe wegen des bösen Hundes, der nachts von der Kette losgelassen wurde und dann niemand an das Haus heranliess, ohne ihn zu stellen oder noch Schlimmeres an ihm auszuüben. Der, den das Los traf, sollte mit dem Gewehre ausgerüstet werden, um ein Verteidigungsmittel zu haben oder sich im Notfall durch einen Schuss den Leuten auf dem Uhlenberge bemerklich machen zu können. Das Los traf mich, und wir verabredeten nun weiter unsre Pläne. Adolf sollte sich noch in der Dunkelheit in dem Kanoe nach Steinhusen begeben und bei Onkel Philipps Garten anlegen. Dann sollte er versuchen, sich diesem, der in einem Zimmer zu ebener Erde nach dem Garten hinaus schlief, so unauffällig wie möglich bemerklich zu machen, ihn dann in unser Geheimnis einweihen und ihm das weitere überlassen.

Ich sollte mich etwas später, gegen Sonnenaufgang, in der Jolle am Anlegesteg des Uhlenberges einfinden und dort mein Heil versuchen. Herr Wohland war ein Frühaufsteher, und es war zu vermuten, dass er um die Zeit des Sonnenaufganges, eine Viertelstunde vor sechs Uhr, schon auf und nach seiner Gewohnheit im Freien sein würde. Das hätte mir meine Aufgabe bedeutend erleichtert. Dieser Teil des Sees war einsam und abgelegen, am Ufer gegenüber der Insel lag an dieser Seite kein Dorf, sondern ein ausgedehnter Wald, und so war nicht zu vermuten, dass meine Landung dort bemerkt werden würde, auch wenn sie mit einigem Geräusch verknüpft sein sollte.

So verging bei diesen Beratungen die Nacht schneller, als wir dachten. Bald nach vier Uhr machte sich Adolf auf die Reise, während ich noch über eine Stunde wartete und dann, während sich schon im Osten eine leichte Dämmerung zeigte, mit etwas bänglichem Herzen meine Fahrt begann. Als ich bei der kleinen Insel vorbeikam, war es schon heller geworden, so dass ich die Fischerhütte deutlich erkennen konnte. Es schien mir, als starre sie mit den kleinen, schwarzen Fensteraugen besonders tückisch auf mich hin, und um das schiefe Maul ihrer Thür schien ein ironisches Grinsen zu liegen. Der Uhlenberg, den ich dann nach einer Weile zur Seite hatte, lag ohne Licht und Schatten im Morgendämmer geheimnisvoll da, über ihm schwammen einige rosige Wölkchen, und zuweilen tönte aus dem tiefen Schweigen seines Waldes der rauhe Schrei eines fremdländischen Vogels.

Der Wind war ganz eingeschlafen und der See ringsum einsam und glatt wie ein Spiegel; in den hohen Buchenwipfeln der Bucht, wo wir damals die Krebse gefangen hatten, lag ein rötlicher Schimmer.

Kurz vor Sonnenaufgang langte ich am Stege an und wusste nun nicht recht, was ich anfangen sollte. Ans Land zu gehen wagte ich nicht wegen des Hundes, und da der Landungsplatz in einiger Entfernung vom Hause lag, so wusste ich nicht, ob der Laut meiner Stimme bis dahin dringen würde. Endlich verfiel ich darauf, mit dem Ruder drei mächtige Fehmgerichtsschläge auf die Bretter des Steges zu thun, und dann stiess ich jenen weitklingenden Ruf aus, mit dem unsere Landleute sich aus weiter Ferne anzurufen pflegen: »Wool, wool!« rief ich, »wool, wool!«

So gut wie der Vater meines Freundes Adolf Martens verstand ich das allerdings nicht. Von dem sagte man, dass, wenn er auf seinem Hofe diesen Ruf ausstiesse, die Fensterscheiben im ganzen Dorfe klirrten und die Glocken im Kirchturm zu klingen anfingen, allein einen Erfolg hatte ich doch, denn plötzlich brach am Ufer etwas durch das Gebüsch, und unter furchtbarem Gebell stürzte Wasser, der Kettenhund, auf die kleine Landungsbrücke und benahm sich dort so sinnlos wütig, dass ich unwillkürlich ein wenig zurückruderte, denn er gab sich den Anschein, als würde er plötzlich mit einem mächtigen Satz in die Jolle springen und mich zum ersten Frühstück verzehren. Ich dachte unwillkürlich, das Buschrangerzeug, das ich anhatte, müsste ihm dann doch einige Schwierigkeiten bei der Verdauung machen.

So bellte denn der Hund und wütete mit aller Hingebung und jener Meisterschaft, zu der ihn eine langjährige Uebung befähigte, und ich schrie von Zeit zu Zeit: »Wool, wool!« aber niemand kam trotz des erbärmlichen Lärms, den wir beide vollführten. Da versuchte ich mein letztes Mittel, hielt das mitgebrachte Gewehr über den See hinaus und drückte ab. Ich weiss nicht, ob Adolf eine Extraladung hineingethan hatte, aber es knallte furchtbar, und wie ein lang nachhallender Schrei der Entrüstung, dass ich es gewagt hatte, diesen heiligen Morgenfrieden zu stören, kam aus den Waldbuchten des Seeufers der donnernde Wiederhall. Der Hund war anfangs ganz verblüfft, er wuffte ein paarmal vor sich hin, dann aber war er der Sache wieder gewachsen und geriet in eine ganz neue Sorte von Wut, die er wahrscheinlich nur für ganz besondere Fälle in Reserve hatte. Wie ein wahnsinniger Teufel sprang er auf der Brücke hin und her, und in sein wütiges Bellen kam ein Beigeschmack von heiserer Blutgier. Wahrlich, jetzt konnte ich mir den berühmten Höllenhund vorstellen – diesem Scheusal auf der Brücke fehlte dazu nichts als zwei lumpige Köpfe.

In diesem Augenblick trat Herr Wohland hinter dem Gebüsch hervor und rief: »Unfug! Was willst du hier?«

Er sah nicht gerade so aus, als würde er mich freundlichst einladen, näher zu treten, und rief auch nicht den Hund zurück, der mich, durch das Verhalten und den rauhen Ton seines Herrn aufgemuntert, mit erneuter Wut anbellte.

»Herr Wohland, ich weiss was von Driebenkiel!« rief ich.

»Driebenkiel?« fragte er, und man sah, wie sich seine Augen unter den mächtigen, buschigen Brauen verfinsterten. »Den Lumpen hab' ich weggejagt. Aus für immer!«

»Herr Wohland!« rief ich, »lassen Sie mich doch an Land. Bei Ihnen soll eingebrochen werden! Diese Nacht noch! Ich kann ja nicht gegen den Hund anschreien, wenn er immer so fürchterlich bellt.«

»Eingebrochen?« fragte Herr Wohland, doch etwas überrascht. »Wasser, hierher!« rief er und zeigte energisch mit der Hand hinter sich. Der Hund schwieg sofort, liess seinen Schwanz sinken und schlich gehorsam hinter seinen Herrn, wo er mit nachdenklichem Knurren auf mich hinblickte. Herr Wohland kraute ihm den Nacken und klopfte ihm den Rücken, wozu der Hund ganz manierlich mit dem Schwanze wedelte, dann hob er den Arm auf und rief, indem er nach der Richtung des Hauses deutete: »Will'e na Hus'!«

Gehorsam trottete der Hund davon. Ich hatte unterdes meine Jolle festgelegt und stieg aus. Herr Wohland reichte mir die Hand und sah mich durchdringend an. Dann ging er schweigend, und ohne irgendwelche Aufregung oder Neugier zu verraten, mit mir dem Hause zu. Dort war in dem grossen Wohnzimmer ein Tisch gedeckt, auf dem ein Theekessel summte, und der mit den Bestandteilen eines konsistenten englischen ersten Frühstücks besetzt war. »Hungrig?« fragte Herr Wohland.

»Ach ja«, antwortete ich, »hab' die ganze Nacht nicht geschlafen.« Dann wollte ich sofort beginnen zu erzählen von dem, das mir auf der Seele lag, und wovon mir der Mund überfliessen wollte, jedoch Herr Wohland verhinderte mich daran. »Mund halten! Erst essen!« sagte er.

Dann, nachdem meine durchgefrorenen Glieder durch den köstlichen Thee wieder erwärmt waren und Eier, gekochter Speck und kaltes Fleisch mein Gemüt genügend gestärkt hatten, gab er mir mit einer Handbewegung die Erlaubnis zum Sprechen.

»Nun los!« sagte er.


 << zurück weiter >>