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Vierzehntes Kapitel.

Der Schluß des letzten Kapitels enthält die Nachrichten, die der Minstrel seinem unglücklichen Herrn, Hugo de Lacy, überbrachte. Zwar berichtete er nicht mit der Umständlichkeit, wie wir erzählt haben; aber doch enthielt sein Bericht die entsetzlichen Tatsachen, daß seine verlobte Braut und sein geliebter Verwandter, dem er so sehr vertraut hatte, sich zu seiner Schande miteinander verbunden und die Fahne der Rebellion gegen ihren rechtmäßigen Souverän erhoben hätten. Das verwegene Unternehmen sei fehlgeschlagen und dadurch das Leben wenigstens des einen in die drohendste Gefahr und das Haus de Lacy, wenn nicht augenblicklich Hilfe gefunden würde, an den Abgrund des Verderbens gebracht.

Vidal beobachtete das Angesicht seines Herrn, indem er sprach, mit der scharfen Aufmerksamkeit, mit der der Wundarzt das Fortschreiten seines schneidenden Messers verfolgt. Kummer war in des Connetables Zügen – aber ohne den Ausdruck der Niedergeschlagenheit und Entmutigung, die denselben gewöhnlich begleiten. – Zorn war es und Scham, aber beides von einem edlen Charakter, entstanden vielmehr durch den Treubruch und die Ehrlosigkeit seiner Braut und seines Neffen, als durch die Unannehmlichkeit und den Schaden, die er selbst durch ihr Verbrechen erlitt.

Der Minstrel war so sehr erstaunt über diese Veränderung seines Betragens gegen den unverhohlenen tödlichen Schmerz, den er beim Anfang seiner Erzählung bekundet hatte, daß er zwei Schritte zurücktrat und, den Connetable anstarrend, mit Bewunderung ausrief: »Wir haben viel in Palästina von Märtyrern gehört; aber dies übertrifft sie!«

»Wundre Dich nicht so sehr, guter Freund,« sagte der Connetable gelassen, »nur der erste Stoß der Lanze tut weh, nur der erste Schlag der Keule betäubt; die nachfolgenden fühlt man weniger.«

»Bedenkt Mylord,« sagte Vidal: – »alles ist verloren – Liebe, Gebiet, hohe Ehrenstellen, glänzender Name – vor kurzem ein Haupt unter Edlen – jetzt ein armer Pilgrim.«

»Willst du meines Elendes spotten?« sagte Hugo finster. »Freilich, hinter meinem Rücken geschieht das ja doch, warum sollte ich es also nicht ertragen, wenn es mir ins Gesicht gesagt wird? – Wisse denn, Minstrel, und setze es in ein Lied, wenn Du Lust hast, daß Hugo de Lacy, nachdem er alles verloren hat, was er nach Palästina mitnahm, und alles, was er zu Hause ließ, noch immer Herr über sich selbst geblieben ist: und Unglück kann ihn nicht mehr erschüttern als der Wind, der von der Eiche das Laub streift, nicht aber ihren Stamm von der Wurzel abreißen kann.«

»Nun, bei dem Grabe meines Vaters!« rief der Minstrel hingerissen, »dieses Mannes Edelmut überwiegt meinen Entschluß!« – Und schnell zu dem Connetable tretend, ließ er sich auf ein Knie nieder und ergriff seine Hand dreister, als er sich gegenüber einem Manne von de Lacys Rang eigentlich erlauben durfte.

»Hier,« sagte Vidal, »auf diese Hand, diese edle Hand, entsage ich –«

Aber ehe er noch ein anderes Wort aussprechen konnte, zog Hugo de Lacy, der vielleicht dieses Benehmen als Freiheit ansah, zu der sein Mißgeschick den andern ermutigte, die Hand zurück und befahl dem Minstrel mit einer finstern Stirn, aufzustehen und zu bedenken, daß in allem Unglück ein Hugo de Lacy doch noch keinen Mummenschanz mit sich treiben ließe.

Zurückgewiesen, stand Renault Vidal auf. »Ich hatte,« sagte er, »den Unterschied zwischen einem armorkanischen Geiger und einem hochgeborenen normannischen Baron vergessen. Ich dachte, daß gleiche Tiefe des Kummers, gleicher Rausch der Freude wenigstens für einen Augenblick die künstlichen Schranken wegnähmen, durch welche Menschen von Menschen getrennt sind. Aber auch so ist es gut, wie es ist. Lebt in den Grenzen Eures Ranges, wie ehedem in Eurem Gefangenenturm hinter Euren Gräben, Mylord, ungestört durch das Mitleid irgend eines so geringen Mannes wie ich, – auch ich habe meine Pflichten zu erfüllen.«

»Und nun nach Garde Douloureuse!« sagte der Baron, sich zu Philipp Guarine wendend. – »Gott weiß, wie sehr mit Recht es jetzt diesen Namen führt! – Hier wollen wir mit eigenen Augen und Ohren die Wahrheit dieser schmerzlichen Nachrichten erforschen. – Steig ab, Minstrel, und gib mir Deinen Klepper. – Ich wollte, Guarine, ich hätte auch einen für Dich, – Vidal, Deine Begleitung ist weniger nötig. Ich will meinen Feinden oder meinem Mißgeschicke ins Angesicht sehen, wie ein Mann. Dessen sei versichert, Geiger; und blicke nicht so düster, Mensch! – Ich werde keinen vergessen, der mir anhing!«

»Einer von ihnen wird mindestens Euer nicht vergessen, Mylord!« erwiderte der Minstrel mit seinem gewöhnlichen zweideutigen Blick und Ausdruck.

Aber eben als der Connetable im Begriff war, sein Pferd anzuspornen, erschienen zwei Personen auf dem Pfade, beide auf einem Pferde. Durch niedriges Gesträuch verdeckt, waren sie ziemlich nahe gekommen, ohne bemerkt zu werden. Es war ein Mann und eine Frau. Der Mann, der vorn auf dem Pferde saß, war ein solches Bild des Hungers, wie die Pilger kaum in all den verwüsteten Ländern erblickten, die sie durchzogen hatten. Sein Gesicht, von Natur spitz und dünn, verschwand beinahe hinter dem ungekämmten Bart und Haar, womit es überdeckt war; und nur das Schimmern einer langen Nase, die so scharf wie die Schneide eines Messers schien, und das Blinzeln der grauen Augen gab eine Andeutung von seinen Gesichtszügen. Seine Beine in den weiten, alten Stiefeln, die sie umgaben, erschienen wie der Stiel eines Besens, der in einem Wascheimer stecken geblieben ist. – Seine Arme waren ungefähr so dick wie eine Reitgerte – und die Teile seines Körpers, die nicht in die Lappen eines Jägerkleides gehüllt waren, schienen mehr einer Mumie, als einem Lebenden zu gehören.

Die Frau, welche hinter diesem Gespenste saß, zeigte ebenfalls einige Spuren von Verfall. Aber da sie von Natur eine stramme hübsche Frau war, so war der Hunger noch nicht imstande gewesen, sie zu einem wichen jammervollen Schauspiel zu machen wie das Gerippe, hinter dem sie saß. Dame Gillians Wange – denn es war des Lesers alte Bekanntschaft – hatte die Rosenfarbe der guten Pflege und die Glätte verloren, die Kunst und gemächliches Leben ihr noch zuletzt statt der zarteren Jugendblüte verliehen hatte. Ihre Augen waren eingesunken und hatten vieles von ihrem kecken und schelmischen Glanz eingebüßt. Aber sie war doch immer gewissermaßen sie selbst; und die Ueberbleibsel früherer Zierlichkeit, zugleich mit den enganliegenden, obgleich schmutzigen Strümpfen, zeigten noch immer einen Ueberrest von Koketterie.

Sobald sie der Pilger ansichtig wurde, stieß sie den Raoul mit der Reitgerte. »Versuche Dein neues Gewerbe, Mann! da Du ja zu einem andern nicht taugst – Hem! – zu den guten Leuten da! hin zu ihnen! – sprich sie um Barmherzigkeit an.«

»Bei Bettlern betteln?« murmelte Raoul, »das hieße mit Falken Sperlinge jagen, Frau!«

»Wenigstens bleibt unsere Hand in Bewegung,« sagte Gillian, und begann in einem weinerlichen Tone: »Gott sei Euch gnädig, liebe heilige Männer, die Ihr durch seine Gnade nach dem heiligen Lande wandern und, was noch mehr ist, auch wieder heimkehren durftet. Ich bitte Euch, spendet etwas von Euren Almosen meinem armen alten Mann, der eine elende Kreatur ist, wie Ihr seht, und einer, die das Unglück hat, seine Frau zu sein! – Der Himmel helfe mir!«

»Schweigt, Weib, und hört, was ich Euch sagen werde,« sagte der Connetable und legte seine Hand an den Zügel seines Pferdes. – »Ich habe jetzt dieses Pferd nötig und –« »Beim Jagdhorn des heiligen Hubert! Du kriegst es nicht ohne Püffe,« antwortete der alte Jäger. »Das ist mir eine schöne Welt, wo Pilger Pferdediebe werden.«

»Still doch, Bursche,« sagte der Connetable. »Ich sage Dir, ich habe jetzt den Dienst der Mähre nötig. Hier sind zwei goldene Byzantiner, wenn Du mir das Tier einen Tag zum Gebrauch überläßt. Sein ganzer Wert wäre wohl mit der Hälfte bezahlt, bekämst Du es auch nie wieder.«

»Aber der Klepper ist mein alter Bekannter, Ihr Herren!« sagte Raoul, »und wenn vielleicht –«

»Schweig mit Deinem Wenn und Vielleicht,« sagte die Dame, und gab dabei ihrem Manne einen so kräftigen Stoß, daß er bald aus dem Sattel gefallen wäre. »Hinunter vom Pferde! und danke Gott und diesem würdigen Manne für die Hilfe, die er uns in unserer Not verleiht. Was nützt uns der Klepper, wenn wir nichts haben, um Futter für ihn und für uns zu schaffen; selbst dann nicht, wenn wir Gras und Hafer mit ihm essen wollten, wie der König Ungenannt, von dem uns der gute Pater zur Nacht vorzulesen pflegte.«

»Halte ein mit Deinem Geschwätz, Frau,« sagte Raoul und wollte ihr aus dem Sattel helfen. Aber sie zog Guarines Beistand vor, der obwohl schon bei Jahren, doch immer den Vorteil einer rüstigen kriegerischen Gestalt hatte.

»Ich danke ergebenst für Eure Güte,« sagte sie, als der Squire sie nach einem Kusse auf die Erde setzte. – »Und ich bitte Euch, Herr, Ihr kommt aus dem heiligen Lande? Ist Euch da nicht eine Kunde von einem Connetable von Chester zu Ohren gekommen?«

De Lacy, der sich eben damit beschäftigte, das Reitkissen hinter dem Sattel wegzunehmen, hielt plötzlich in seinem Geschäft inne und sagte: »Ha! Frau! was wollt Ihr mit ihm?«

»Recht viel, guter Pilger, wenn ich ihn nur antreffen könnte, denn seine Länder und Würden sollen, wie es aussieht, an den falschen Dieb, seinen Verwandten vergeben werden.«

»Wie? an Damian, seinen Neffen?« rief der Connetable schnell und hastig aus.

»Gott, wie Ihr mich erschreckt, Sir,« sagte Gillian und fuhr, zu Philipp Guarine sich wendend, fort, »Euer Freund ist ein heftiger Mann, wie es scheint.«

»Daran ist die Sonne schuld, unter der er so lange gelebt hat,« sagte der Squire. »Aber seht wohl zu, daß Ihr seine Fragen richtig beantwortet, und er wird Euch um so mehr belohnen.«

Gillian ging sogleich auf den Wink ein. »War es nicht Damian de Lacy, nach dem Ihr fragtet? – Ach! der arme junge Mann! Keine Würden, keine Länder gibt's für ihn – viel wahrscheinlicher ist's, daß er einen Platz am Galgen erhält, der arme Junge – und alles für nichts, so wahr ich ein ehrliches Weib bin. – Damian! – nein, nein, es ist nicht Damian, noch die Dame, keiner von beiden – sondern Randal de Lacy, der hat den Braten, der erhält des alten Mannes Länder und Einkünfte und Herrschaften.«

»Was?« sagte der Connetable, »ehe sie wissen, ob der alte Mann tot ist oder nicht? – Mich dünkt, das wäre beides gegen Gesetz und Vernunft.«

»Ja, aber Randal Lacy hat noch viel unglaublichere Dinge zustande gebracht. Seht nur er hat es dem König geschworen, er habe sichere Nachrichten vom Tode des Connetable. Ja, seid unbesorgt, er wird die Nachricht schon wahr machen, wenn ihm der Connetable einmal in die Hände fällt.«

»Wirklich?« sagte der Connetable. »Doch Ihr schmiedet da Lügen über einen Edelmann. Kommt, Frau, kommt, Ihr sagt das, weil Ihr Randal de Lacy nicht leiden könnt.«

»Ihn nicht leiden! Und was habe ich nur für Ursache, ihn zu leiden, frage ich? – Darum, weil er meine Einfalt verführt hat, ihm Eingang ins Schloß von Garde Douloureuse zu verschaffen – ein, zweimal, ja noch öfter – wenn er als Krämer verkleidet kam und ich ihm alle Geheimnisse der Familie erzählte, und wie der Knabe Damian und das Mädchen Eveline aus Liebe zueinander stürben, aber nicht den Mut hätten, ein Wort davon fallen zu lassen, aus Furcht vor dem Connetable, wiewohl er tausend Meilen entfernt war? – Ihr scheint Euch nicht wohl zu befinden, würdiger Herr. – Kann ich Ew. Hochwürden einen kleinen Schluck aus meiner Flasche anbieten; es ist ein Universalmittel gegen Herzzittern und Kopfkrämpfe?«

»Nein, nein!« rief de Lacy. »Es war nur der Schmerz einer alten Wunde. Aber Frau, ich kann's mir wohl denken, dieser Damian und Eveline, wie Ihr sie nennt, wurden mit der Zeit vertrautere Freunde?«

»Die – nein, die wahrhaftig nicht, die armen einfältigen Seelen. – Es fehlte ihnen an einem klugen Ratgeber, der zwischen sie trat und ihnen Anweisungen gab. Denn seht nur, Herr, wenn der alte Hugo tot ist, was wohl der Fall sein wird, So wäre es doch natürlicher, daß seine Braut und sein Neffe seine Besitzungen erbten, als eben jener Randal, der nur ein entfernter Verwandter und ein meineidiger Schuft obendrein ist. Könnt Ihr es Euch denken, ehrwürdiger Pilger, nach den Bergen von Gold, die er mir versprochen hat – als die Burg eingenommen war, und er sah, daß ich ihm nichts weiter nützen könnte, da nannte er mich eine alte Hexe und drohte mir mit dem Büttel und dem Tauchschemel. Ja, ehrwürdiger Herr, Büttel und Tauchschemel, das waren seine schönsten Worte, als er sah, daß ich niemand mehr hatte, der sich meiner annahm, als der alte Raoul, der sich seiner selbst nicht annehmen kann. Aber wenn der grimmige alte Hugo noch sein altes Gerippe aus Palästina zurückbringt und nur halb den Teufel in sich hat, wie früher, als er Narr genug war, davon zu gehen, heilige Maria! da will ich seinem Verwandten einen guten Dienst tun!«

Eine Pause erfolgte, nachdem sie gesprochen hatte.

»Du sagst,« rief endlich der Connetable aus, »daß Damian de Lacy und Eveline einander lieben, aber sich keiner Schuld bewußt sind, keiner Falschheit oder Undankbarkeit gegen mich – ich wollte sagen gegen ihren Verwandten in Palästina?«

»Lieben, Sir – in Wahrheit, so ist es – sie lieben einander,« sagte Gillian, »aber wie die Engel oder wie die Lämmer – oder wie die Narren, wenn Ihr wollt! Denn sie würden selbst nicht ein einzigesmal miteinander gesprochen haben, wäre es nicht durch einen Schelmenstreich eben des Randal de Lacy geschehen.«

»Wie,« fragte der Connetable, »durch einen Schelmenstreich Randals? Und was für einen Grund hatte er, beide zusammenzubringen?«

»Ei, ihre Zusammenkunft war ganz und gar nicht seine Absicht. Er hatte den Plan gehabt, Lady Eveline selbst zu entführen; denn er war ein wilder Wüstling, dieser Randal, und so kam er verkleidet als Falkenjäger – und schleppte meinen alten, stupiden Raoul und Lady Eveline und uns alle hinaus zu einer Reiherbeize. Aber er hatte eine Rotte welscher Habichte in Bereitschaft, auf uns zu stoßen; und hätte sich nicht Damian plötzlich aufgemacht, uns zu befreien, so läßt's sich nicht beschreiben, was aus uns geworden wäre; und da Damian bei dem Angriff schwer verwundet wurde, so mußte er wohl oder übel nach Garde Douloureuse gebracht werden; und wäre es nicht geschehen, um sein Leben zu retten, so ist es mein fester Glaube, Mylady hätte ihn nie ersucht, über die Zugbrücke zu kommen, selbst wenn er sich dazu angeboten hätte.«

»Weib!« sagte der Connetable, »besinne Dich, was Du sagst. Wenn Du selbst zuvor in dieser Sache Böses angestiftet hast, wie ich aus Deiner eigenen Erzählung entnehme, so denke nicht, es durch neue Lügen wieder gut zu machen, bloß aus Aerger, daß Dir der Lohn entgangen ist.«

»Pilger,« sagte Raoul, mit seiner klanglosen Stimme, »ich bin gewohnt, das Geschäft der Zeitungsträgerei meiner Frau Gillian zu überlassen, die mit jedem Zankmaul in der Christenheit um die Wette schwatzen kann. Aber Du sprichst wie einer, der großen Anteil an diesen Geschichten nimmt, und so will ich Dir ganz offen sagen, daß dieses Weib ihre eigene Schande offenbart, indem sie ihr Einverständnis mit Randal de Lacy gesteht. Aber was sie gesagt hat, ist wahr, wie das Evangelium! und wäre es mein letztes Wort, so wollte ich's sagen, daß Damian und Lady Eveline unschuldig an allem Verrat und aller Schandbarkeit sind, wie neugeborene Kinder. – Aber was hilft's, was unseresgleichen davon sagt, wir, die wir hinausgetrieben sind – und unsere Notdurft erbetteln müssen, nachdem wir in einem so guten Hause gelebt haben und in eines so guten Herrn Diensten standen? – Gottes Segen sei mit ihm!«

»Aber sagt mir,« fuhr der Connetable fort, »sind nicht andere alter Diener des Hauses zurückgeblieben, die alles das eben so gut aussagen können wie Ihr?«

»Hem!« antwortete der Jäger, »die Menschen sind nicht sehr willig zu plaudern, wenn Randal de Lacy seine Peitsche über ihren Kopf knallen läßt. – Viele sind erschlagen worden oder verhungert – einige abgeschafft – einige verschwunden. – Aber da ist der Weber Flammock und seine Tochter Rose, die eben so viel wie wir von dem Handel wissen.«

»Wie? Wilkin Flammock? der wackere Niederländer?« sagte der, Connetable, »er und seine etwas vorlaute, doch treue Tochter Rose? – Ich gebe mein Leben für ihre Wahrhaftigkeit! – Wo halten sie sich auf? – Was ist unter all diesen Vorgängen ihr Schicksal gewesen?«

»Und um Gottes willen, wer seid Ihr, der diese Fragen tut?« sagte Dame Gillian. »Mann, Mann – wir sind zu frei gewesen. Es ist etwas in diesem Blick und diesem Tone, dessen ich mich erinnern sollte!«

»Ja, seht mich noch schärfer an!« sagte der Connetable, und warf den Hut ab, der bisher sein Gesicht verdunkelt hatte. »Auf Eure Knie, auf Eure Knie, Raoul,« rief Gillian aus, und sank zugleich auf die ihrigen. – »Es ist der Connetable selbst, und er hat gehört, daß ich ihn den alten Hugo genannt habe!«

»Es ist wenigstens alles, was von dem Connetable übrig geblieben ist,« erwiderte de Lacy, »und gerne verzeiht der alte Hugo Eure Dreistigkeit, Eurer guten Nachrichten wegen. – Wo befinden sich Flammock und seine Tochter?«

»Rose ist bei Lady Eveline,« sagte Dame Gillian. »Ihre Herrlichkeit wählten sie statt meiner zur Kammerfrau, obwohl Rose nie imstande war, auch nur eine holländische Puppe anzuziehen.«

»Das treue Mädchen!« rief der Connetable, »und wo ist Flammock?«

»O, was den anbetrifft, der hat Verzeihung und Gnade gefunden,« sagte Raoul, »er ist mit seinen Webern in seinem eigenen Hause, nahe der Schlachtbrücke, wie man jetzt den Ort nennt, wo Eure Herrlichkeit die Walliser schlugen.«

»So will ich denn dahin!« sagte der Connetable, »und dann wollen wir sehen, was für einen Willkommen König Heinrich von Anjou für einen alten Diener hat. – Ihr beide müßt mich begleiten.«

»Mylord,« sagte Gillian mit Stottern, »Ihr wißt, arme Leute haben schlechten Dank davon, wenn sie sich in großer Herren Sachen mischen. Ich bin überzeugt, Ew. Herrlichkeit sind imstande, uns zu schützen, wenn wir die Wahrheit gesagt haben, und werden auch mir verzeihen, was ich getan habe, da es durchaus nicht in böser Absicht geschah.«

»Stille, Frau! und schämt Euch!« sagte Raoul. »Wollt Ihr an Euren eigenen alten sündigen Leichnam denken, wenn Ihr Eure süße junge Gebieterin von Schande und Unterdrückung retten sollt? – Und was Deine böse Zunge betrifft und Deine schlechten Streiche, so weiß Sr. Herrlichkeit, daß sie Dir angewachsen sind.«

»Stille, guter Bursch,« sagte der Connetable, »wir wollen nicht auf Deines Weibes Irrtümer zurücksehen, und Eure Treue soll belohnt werden. – Ihr aber, meine treuen Begleiter,« sagte er und wandte sich zu Guarine und Vidal, »wenn de Lacy wieder in seine Rechte eingesetzt ist, woran er nicht zweifelt, so soll sein erster Wunsch sein, Eure Treue zu belohnen.«

»Die meinige, so wie sie ist, war und wird ihre eigene Belohnung sein,« sagte Vidal. »Ich will von dem nicht Gunstbezeugungen im Glücke verlangen, der im Unglück mir seine Hand verweigerte. – Unsere Rechnung ist noch nicht abgeschlossen,«

»Geh nur, Du bist ein Narr! Aber Dein Gewerbe hat das Vorrecht, launenhaft zu sein,« sagte der Connetable, dessen von Sturm und Wetter mitgenommene, etwas harte Gesichtszüge fast schön werden konnten, wenn Dankbarkeit gegen den Himmel und Wohlwollen gegen die Menschen sie belebte. – »Wir wollen,« sagte er, »bei der Schlachtbrücke wieder zusammentreffen, eine Stunde vor Sonnenuntergang. – Ich muß bis dahin noch vieles verrichtet haben.«

»Die Zeit ist kurz,« sagte sein Knappe.

»Ich gewann eine Schlacht in kürzerer,« erwiderte der Connetable.

»Und in ebenso kurzer,« sagte der Minstrel, »fand mancher Mann, der sich des Lebens und des Sieges gewiß hielt, den Tod.«

»Ebenso soll mein gefährlicher Vetter Randal alle seine ehrgeizigen Plane vernichtet sehen,« antwortete der Connetable und ritt vorwärts, begleitet von Raoul und seiner Frau, die wieder ihren Klepper bestiegen hatten, während der Minstrel und der Squire Zu Fuß folgten.


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