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Viertes Kapitel.

Wenn Lady Eveline de Lacy zufrieden und vergnügt verließ, so hatte die Freunde des Connetable einen höheren Grad des Entzückens erreicht, als er je zuvor empfunden hatte. Ein Besuch der Aerzte, welche seinen Neffen bedienten, erhöhte noch sein Vergnügen, da er von ihnen ausführlichen Bericht über dessen Krankheit und zugleich die Versicherung von seiner baldigen Wiederherstellung erhielt. Der Connetable ließ Almosen in den Klöstern und unter die Armen austeilen, Messen lesen, Kerzen anzünden. Er besuchte den Erzbischof und erhielt von ihm die Zusage, daß in Anbetracht seines schnellen Gehorsams sein Aufenthalt in dem heiligen Lande nur auf drei Jahre beschränkt werden sollte, wobei die zur Hin- und Rückreise erforderliche Zeit mit eingerechnet sein sollte. Kurz, da er den Hauptpunkt durchgesetzt hatte, so hielt es der Erzbischof für geraten, einem Manne vom Rang und Charakter des Connetables, dessen Teilnahme an der bevorstehenden Unternehmung für deren Erfolg von höchster Wichtigkeit war, alle weniger bedeutenden Zugeständnisse willig zu gewähren.

So kehrte der Connetable zu seinem Zelte zurück, höchst zufrieden, daß er sich aus Schwierigkeiten befreit hatte, die am Morgen noch unüberwindlich schienen; und als seine Hausoffizianten sich um ihn versammelten, seinem Auskleiden beizuwohnen (denn die großen Lehnsherren hatten ihre Morgen- und Abendaudienzen, wie die souveränen Fürsten) verteilte er mehrere Geschenke unter sie und scherzte und lachte in einem frohern Humor, als sie je zuvor an ihm bemerkt hatten.

»Was Dich anbetrifft,« sagte er, sich zu Vidal, dem Minstrel, wendend, der prachtvoll gekleidet unter den andern Hausbeamten stand, um auch seine Ehrerbietung zu zeigen, »Dir werde ich jetzt nichts geben; aber bleibe Du neben meinem Bette, bis ich einschlafe, dann werde ich morgen Deine Kunst belohnen, je nachdem sie mir gefallen hat.«

»Mylord,« sagte Vidal, »ich bin schon belohnt durch die Ehre und durch die Livree, die sich mehr für einen königlichen Minstrel als für einen von meinem geringen Rufe schickt. Aber gebt mir einen Gegenstand auf, und ich will mein Bestes tun, nicht aus Gier nach künftigen Gaben, sondern aus Dankbarkeit für genossene Gunst.«

»Schönen Dank, guter Gesell,« sagte der Connetable, »Guarine,« sagte er darauf zu seinem Squire, »laß die Wachen antreten, und Du bleibe im Zelt. – Strecke Dich dort auf die Bärenhaut hin und schlafe oder höre auf den Gesang, wie Du willst. Du hältst Dich, das habe ich wohl gehört, für einen Kenner von dem Zeuge da.«

In diesen unsichern Zeiten war es etwas Alltägliches, daß ein treuer Diener die Nacht über im Zelte seines Herrn schlief, damit dieser im Notfalle nicht ohne Beistand und Schutz wäre. Demzufolge zog Guarine sein Schwert, behielt es in der Hand, und streckte sich auf den Boden, so daß er beim geringsten Lärm bewaffnet aufspringen konnte. Seine großen schwarzen Augen, in welchen der Schlaf mit dem Wunsche, den Gesang zu hören kämpfte, waren auf Vidal gerichtet, der sie im Widerschein einer silbernen Lampe blitzen sah wie die Augen eines Drachen oder Basilisken.

Nach einigen einleitenden Gängen auf der Leier ersuchte der Minstrel den Connetable, ihm den Gegenstand zu nennen, über den er zum Beweise seiner Geschicklichkeit singen solle.

»Die Treue der Weiber,« antwortete Hugo de Lacy und legte sein Haupt auf das Kissen.

Nach einem kurzen Vorspiel gehorchte der Minstrel, indem er ungefähr folgendes sang:

Frauentreue, Frauenpfand! –
Schreibe die Züge in den Sand,
Präge sie in die Welle hinein,
Drücke sie in des Mondes Schein:
Und wie schnell der Zug vergeht,
Fester, länger er doch steht
Und verlischt so schnelle nicht,
Als, was dieses Wort ausspricht. –

Ich zog Spinnefäden dort,
Fester war's als Mädchenwort;
Ich wog ab ein Körnchen Sand,
Schwerer war's als Herzenspfand,
Liebchen, das mir untreu war.
Stellt' ich diese Bilder dar:
Wiederum schwur sie mir Treue –
Und ich glaubte ihr aufs neue. –

»Wie das, Herr Schalk?« sagte der Connetable und hob sich auf den Ellenbogen empor, »Von welchem trunkenen Reimschmied hast Du dieses halbwitzige Spottgedicht gelernt?«

»Von einem alten, lumpigen, runzligen Freund meiner Bekanntschaft, genannt Erfahrung,« antwortete Vidal. »Ich bitte zum Himmel, er mochte nie Ew. Herrlichkeit oder einen andern würdigen Mann unter seine Zucht nehmen.«

»So geh doch, Bursche,« erwiderte der Connetable, »Du bist auch einer von den Weisheitsnarren, ich stehe dafür, der gern für witzig gehalten werden will, weil er seinen Spott mit Dingen treibt, die klügere Männer der größten Achtung für wert halten – die Ehre der Männer und die Treue der Frauen. Nennst Du Dich einen Minstrel und weißt keine Geschichten von weiblicher Treue zu erzählen?«

»Ich habe deren recht viele gewußt, edler Herr, aber ich warf sie beiseite, als ich dem Scherz in der fröhlichen Wissenschaft entsagte. Dessenungeachtet, wenn es Ew. Herrlichkeit gefällt, darauf zu hören, kann ich Euch ein sehr beliebtes Lied über diesen Gegenstand singen.«

De Lacy willigte durch ein Zeichen ein und legte sich wie zum Schlummer zurück, während Vidal eines von jenen fast zahllosen Abenteuern, das Muster aller treuen Liebenden, die schöne Ysolte betreffend, begann und von der beständigen ununterbrochenen Treue und Liebe sang, die sie in gar vielen schwierigen und gefährlichen Lagen ihrem Geliebten, dem schmucken Sir Tristram, auf Kosten ihres weniger begünstigten Eheherrn, des unglücklichen Königs Marke von Cornwall, bewahrte, dessen Neffe, wie alle Welt weiß, Sir Tristram war.

Dies war nun gerade nicht das Lied von Liebe und Treue, das de Lacy sich gewählt hätte; aber ein Gefühl, der Scham ähnlich, verhinderte ihn, es zu unterbrechen, weil er den unangenehmen Empfindungen, die der Inhalt dieses Gesanges erweckt hatte, nicht weiter nachgeben wollte. Bald schlief er ein oder tat wenigstens so, und der Minstrel, der noch eine Zeitlang den monotonen Gesang fortsetzte, begann endlich selbst den Einfluß des Schlafes zu fühlen; seine Worte und die Töne, die er noch beim Saitenspiel anschlug, stockten, brachen ab und schienen nur noch schwer den Fingern und Lippen zu entfallen. Endlich hörten sie ganz auf, der Minstrel schien in tiefen Schlummer versunken zu sein, sein Haupt neigte sich auf die Brust, der eine Arm sank zur Seite, während der andere auf seiner Leier ruhte. Sein Schlaf währte jedoch nicht lange, und als er erwachte, und sich beim Schein der Nachtlampe im Zelte umsah, fühlte er eine schwere Hand, die seine Schulter berührte, um gleichsam seine Aufmerksamkeit zu erregen. Zu gleicher Zeit flüsterte die Stimme des wachsamen Philipp Guarine ihm ins Ohr: »Dein Geschäft für die Nacht ist beendigt – begieb Dich in Dein Quartier, und zwar so still wie möglich.«

Ohne etwas zu erwidern, hüllte sich der Minstrel in seinen Mantel und ging, wenn auch nicht ohne Groll, so ohne alle Umstände weggeschickt zu werden.


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