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Zehntes Kapitel.

Matt von fern das Schlachtgetös,
Hallt, herbeigeführt vom Wind.
Krieg und Schrecken floh'n voran,
Tod und Graus geblieben sind.

Penrose.

Es war schon weit im Herbste, als eines Morgens der Graf von Morton unerwartet im Vorzimmer Murray's erschien, in welchem Halbert Glendinning, als dienstthuender Mann, seinen Posten hatte. »Ruft Euren Herrn, Halbert,« sprach er; »ich habe Neuigkeiten für ihn aus dem Teviotdale, und auch für Euch, Glendinning. – Neuigkeiten! – Neuigkeiten! Gnädiger Herr von Murray!« rief er an der Thür von des Grafen Schlafzimmer; »kommt geschwind!«

Der Graf erschien, grüßte seinen Verbündeten und fragte angelegentlich nach seiner Zeitung.

»Ein sicherer Freund,« sprach Morton, »ist aus dem Süden zu mir gekommen. Er ist im Kloster St. Marien gewesen und bringt wichtige Kunde.«

»Von welcher Beschaffenheit?« fragte Murray. »Könnt Ihr dem Boten trauen?«

»Ich möchte mit meinem Leben für seine Treue stehen,« antwortete Morton. »Ich wünschte, alle Die, so um Ew. Gnaden herum sind, möchten sich eben so bewähren.«

»Auf was und auf wen deutet Ihr?« fragte Murray.

»Da ist der Aegypter des zuverlässigen Halbert Glendinning, unser südländischer Moses, wieder lebendig geworden und florirt so schmuck und prächtig wie nur je im Gosen von Teviotdale, im Stift von Kennaquhair.«

»Was meint Ihr, gnädiger Herr?« fragte Murray wiederholt.

»Weiter nichts, als daß Euer neuer Leibdiener Euch einen Bären aufgebunden hat. Piercie Shafton ist nicht allein am Leben, sondern auch gesund, wie daraus abzunehmen ist, daß der Geck, so viel man weiß, dort gehalten wird durch die Liebe zu einer Müllerstochter, welche verkleidet mit ihm im Land umhergestrichen ist.«

»Glendinning,« sprach Murray mit einem fürchterlichen Blick, »ich hoffe, du hast dich nicht unterwunden, eine Lüge in deinen Mund zu bringen, um mein Vertrauen zu gewinnen.«

»Gnädiger Herr,« antwortete Halbert, »ich bin unfähig zu lügen. Könnte ich mein Leben mit einer Lüge retten, ich würde sie nicht über meine Lippen gehen lassen. Ich sage, dieß Schwert meines Vaters hat Piercie's Leib durchbohrt; die Spitze kam hinten zu seinem Rücken heraus, und das Heft lag auf seinem Brustbein. Und eben so tief will ich es Jedem in den Leib rennen, der es wagt, mir Falschheit vorzuwerfen.«

»Was, Bursch?« fuhr Morton auf; »du willst einem Fürsten Trotz bieten?«

»Schweige, Halbert,« sprach Murray. »Und Ihr, Gnädiger von Morton, laßt ihn mit Frieden. Ich sehe Wahrheit auf seiner Stirn geschrieben.«

»Ich wünsche, das Innere der Handschrift möge der Aufschrift entsprechen,« versetzte sein mißtrauischer Verbündeter. »Seht Euch vor, Gnädiger Herr, Ihr werdet eines Tags Euer Leben verlieren durch allzu großes Zutrauen.«

»Und Ihr werdet Eure Freunde verlieren durch allzu großes Mißtrauen,« entgegnete Murray. »Genug hiervon. Eure Zeitung!«

»Herr Hans Foster,« berichtete Morton, »steht im Begriff, eine Schaar nach Schottland zu senden, um das Stift zu verwüsten.«

»Wie?« fuhr Morton auf; »ohne meine Gegenwart und Erlaubniß abzuwarten? Er ist verrückt. Will er als Feind in das Land der Königin kommen?«

»Er hat ausdrücklichen Befehl von Elisabeth,« antwortete Morton, »und mit solchem läßt sich kein Scherz treiben. Allerdings ist sein Marsch während der Zeit unseres Hierseins mehrmals beschlossen und wieder verschoben gewesen, und hat große Besorgniß zu Kennaquhair erregt. Der alte Abt Bonifacius hat sein Amt niedergelegt, und wen meint Ihr, daß sie an seine Stelle gewählt haben?«

»Sicherlich Niemanden,« sprach Murray. »Sie werden sich doch nicht erfrechen, eine Wahl zu halten, bevor der Wille der Königin und der meinige kund geworden ist?«

Morton zuckte die Achseln. »Sie haben den Zögling des alten Cardinals Beatoun gewählt, den listigen, entschlossenen Kämpen Roms, den Busenfreund unseres geschäftigen Primas von St. Andreas. Eustach, weiland Subprior, ist jetzt Abt von Kennaquhair und bietet, wie ein zweiter Papst Julius, Kriegsvolk auf und hält Musterung, um mit Foster zu kämpfen, wenn er kommt.«

»Wir müssen dieß Zusammentreffen verhindern,« sprach hastig Murray. »Welcher Theil auch gewinnen möchte, dieß Treffen wäre jedenfalls unheilvoll für uns. Wer befehligt die Mannschaft des Abtes?«

»Unser alter treuer Freund, Julian Avenel, kein Anderer,« erwiderte Morton.

»Glendinning,« sprach Murray, »laß augenblicklich zum Aufsitzen blasen. – Ja, Gnädiger Herr, das wäre wirklich ein unglückseliger Fall, der Ausgang möchte sein, welcher er wollte. Treten wir auf die Seite unserer englischen Freunde, so würde das Land Schande über uns rufen, die alten Weiber sogar würden uns mit ihren Rocken und Spindeln angreifen, – die Pflastersteine würden sich wider uns erheben: wir können uns zu so schmählichem Thun nicht verstehen. Und meine Schwester, deren Vertrauen mir zu erhalten, mir schon jetzt schwer wird, würde mir es gänzlich entziehen. Auf der andern Seite, träten wir dem englischen Markwart feindselig entgegen, so würde Elisabeth dieß eine Beschützung ihrer Feinde nennen, und Gott weiß was sonst noch, und wir würden sie verlieren.«

»Der weibliche Drache,« bemerkte Morton, »ist die beste Karte in unserem Spiel, und doch möchte ich nicht ruhig zusehen, wie englische Klingen schottisches Fleisch hackten. Was meint Ihr dazu, daß man sich lange unterwegs aufhält, kleine Märsche macht, um die Pferde nicht zu Grund zu richten? Da möchten denn Hund mit Ochs, Abt mit Schütz sich balgen, und Niemand könnte uns tadeln für das, was in unserer Abwesenheit vorgefallen.«

»Alle würden uns tadeln, Jakob Douglas,« antwortete Murray; »wir würden beide Theile verlieren. Wir thäten besser, mit der äußersten Schnelligkeit vorzurücken und alles Mögliche anzuwenden, um den Frieden zwischen ihnen zu erhalten. Ich wollte, der Klepper, welcher Piercie Shafton hierhergebracht, hätte den Hals gebrochen über die höchste Höhe in Northumberland! Daß ein solcher Zieraffe all diesen Lärm und vielleicht gar einen Volkskrieg veranlassen kann!«

»Hätten wir die Sache bei Zeiten erfahren,« bemerkte Douglas, »so hätten wir ihm in aller Stille können auflauern lassen, während er über die Gränze ging. Es sind muntere Jungen genug da, welche ihn uns um den Gewinn seines Sporenleders vom Halse geschafft hätten. Aber zu Roß, Jakob Stewart, da die Sachen jetzt einmal nicht anders stehen. Ich höre Eure Trompeten zum Aufsitzen und Abmarsch blasen. Wir werden bald sehen, wessen Gaul die beste Lunge hat.«

Mit einem Zug von etwa dreihundert wohlberittenen Reisigen hinter sich schlugen die beiden mächtigen Landherren den Weg nach Dumfries ein und von da westwärts nach Teviotdale. Sie machten Märsche, durch welche, wie Morton vorausgesagt hatte, bald ein großer Theil ihrer Pferde unbrauchbar wurde. Als sie sich dem Schauplatz des erwarteten Kampfes näherten, war ihre Schaar auf Zweihundert zusammengeschmolzen, von denen die meisten zu Schanden gerittene Pferde unter dem Leib hatten.

Unterwegs kamen ihnen allerlei schwankende Gerüchte zu über das Vorrücken der Engländer und über die Macht, welche der Abt ihnen entgegenzustellen vermöchte. Als sie aber etwa eine Meile von S. Marien zu Kennaquhair entfernt waren, erschien mit zwei oder drei Dienern ein von Murray entbotener, ihm ergebener, Landedelmann »blutig vom Sporen, vor Eil' feuerroth«. Seinem Bericht zufolge war Herr Hans Foster, nachdem er zu verschiedenen Malen seinen Einfall angesagt und wieder verschoben, endlich durch die Nachricht, daß Piercie Shafton offen im Stiftsgebiet wohne, so aufgebracht worden, daß er beschlossen hatte, die Befehle seiner Gebieterin zu vollstrecken, welche ihn anwiesen, sich auf jede Gefahr hin der Person des Euphuisten zu bemächtigen. Des Abtes unermüdlicher Thätigkeit war es gelungen, einen Heerhaufen auf die Beine zu bringen, welcher dem des englischen Markwarts an Zahl fast gleich, jedoch weniger geübt in den Waffen war. Dieser Haufe stand unter dem Befehl Julian's von Avenel. Man besorgte, es würde zur Schlacht kommen an dem Ufer eines Flüßchens, welches die Gränze des Stiftes bildete.

»Wer kennt den Platz?« fragte Murray.

»Ich, Gnädiger Herr,« antwortete Glendinning.

»Gut,« sprach Murray. »Nimm zwanzig der bestberittenen Männer, eile, was du kannst, und kündige ihnen an, daß ich augenblicklich mit starker Macht nachkomme, und daß ich ohne Erbarmen denjenigen Theil in die Pfanne hauen werde, welcher den ersten Streich führt. – Davidson,« sprach er zu dem Edelmann, welcher die Nachricht gebracht hatte, »du sollst mein Wegweiser sein. – Eile Glendinning. Sag' Fostern, ich beschwöre ihn, so lieb ihm seiner Königin Dienst ist, soll er mir die Geschichte überlassen. Sag' dem Abt, ich würde ihm das Kloster über dem Kopf abbrennen, wenn er einen Streich führt, ehe ich komme. Melde dem Hund, Julian Avenel, daß er schon eine starke Rechnung bei mir zu Gute hat, und daß ich seinen Kopf auf der höchsten Zinne von S. Marien aufstecken will, wofern er sich erfrecht, auf eine zweite loszusündigen. Eile und spare nicht die Sporen, aus Besorgniß Pferdefleisch zu verderben.«

»Eurem Gebot soll gehorcht werden, Gnädiger Herr,« erwiderte Glendinning, wählte diejenigen Leute aus, deren Rosse noch im besten Zustande waren und jagte mit ihnen, so schnell es gehen wollte, voraus über Berg und Thal.

Sie waren noch nicht die Hälfte Wegs geritten, als ihnen Ausreißer begegneten, deren Aussehen verrieth, daß der Kampf begonnen hatte. Zwei trugen auf dem Arm einen Dritten, ihren ältesten Bruder, der von einem Pfeil durchbohrt war. Halbert, welcher sie als Stiftsleute erkannte, rief sie bei Namen und fragte sie, wie der Kampf stehe. Gerade in diesem Augenblick fiel der Verwundete, trotz ihren Bemühungen, ihn aufrecht zu erhalten, aus dem Sattel, und sie sprangen eilig von den Pferden, um seinen letzten Athemzug zu empfangen. Von so beschäftigten Leuten war keine Auskunft zu erhalten. Glendinning sprengte also mit seinem Häuflein weiter mit um so größerer Ungeduld, da er Andere mit dem Andreaskreuz auf ihren Hauben und Bruststücken daherkommen sah, welche augenscheinlich von dem Schlachtfelde flohen. Die Meisten bogen, so wie sie den Reitertrupp auf der Straße gegen sich heransprengen sahen, links oder rechts ab und hielten sich in solcher Entfernung, daß man nicht mit ihnen sprechen konnte. Andere, denen vor Furcht Hören und Sehen vergangen war, jagten wild auf dem Weg heran, glotzten die Fragenden an und ritten vorbei, ohne den Zügel anzuziehen. Auch von diesen kannte Halbert Einige, und die Umstände, in welchen sie ihm begegneten, ließen ihm keinen Zweifel, daß die Stiftsleute besiegt waren. Eine unaussprechliche Angst um das Schicksal seines Bruders bemächtigte sich jetzt seiner Seele, denn Edward, dachte er, konnte bei dem Gefecht nicht gefehlt haben. Er trieb darum sein Pferd um so mehr an, dergestalt, daß nur fünf oder sechs der Seinen ihm nachkommen konnten. Endlich erreichte er einen Hügel, an dessen Fuß, umgeben von einer halbkreisförmigen Windung des Flüßchens, der Kampfplatz lag.

Ein trauriger Anblick stellte sich seinen Augen dar. Krieg und Schrecken, um den Ausdruck des Dichters zu gebrauchen, waren über das Land gefahren und hatten blos Tod und Wunden zurückgelassen. Der Kampf war erbittert gewesen, wie gewöhnlich bei diesen Gränzgefechten der Fall war, wo alter Haß und wechselseitige Verletzungen die Menschen hartnäckig in Angriff und Gegenwehr machten. Nach der Mitte der Ebene zu lagen die Körper einiger Männer, welche in dem Augenblicke gefallen waren, wo sie ihre Gegner gepackt hatten. Man erblickte Gesichter, welche noch den grimmen Ausdruck unauslöschlichen Hasses und Trotzes trugen; Hände sah man, welche noch den Griff des zerbrochenen Schwertes umfaßt hielten, andere, welche sich vergebens bemühten, den tödtlichen Pfeil aus der Wunde zu ziehen. Verwundete, denen der, noch vor kurzem gezeigte, Muth gesunken war, riefen um Hülfe und flehten mit kläglicher Stimme um Wasser. Andere suchten ein halbvergessenes Gebet hervorzustammeln, welches sie auch damals, wo sie es gelernt, nur halb verstanden hatten. Ungewiß, was er weiter thun sollte, ritt Halbert durch die Ebene, um zu sehen, ob er unter den Todten oder Verwundeten eine Spur von Edward finden könnte. Die Engländer störten ihn darin nicht. Eine ferne Staubwolke deutete an, daß sie noch immer die Fliehenden verfolgten. Glendinning war der Meinung, es hieße sein und seiner Leute Leben wegwerfen, wollte er sich mit seinem Trupp ihnen nähern, bevor sie wieder unter einem Befehlshaber geordnet wären, denn es stand zu befürchten, die Sieger würden ihn und die Seinen mit denjenigen Schotten verwechseln, welche sie so eben in die Flucht geschlagen hatten. Er beschloß also, zu warten bis Murray mit seiner Macht herankäme. Etwas Besseres konnte er nicht thun, denn eben jetzt hörte er die Trompeten des englischen Markwarts zum Rückzug blasen, ein Zeichen, daß die Verfolgung aufhörte. Er zog seine Leute zusammen und nahm eine vortheilhafte Stellung, dieselbe, welche die Schotten beim Anfang des Gefechtes innegehabt und hartnäckig vertheidigt hatten.

Während er hier hielt, vernahm er das Wimmern eines Weibes, welches er nicht schon jetzt zu hören erwartet hatte, bevor der Rückzug der Feinde den Verwandten der Erschlagenen erlaubte, diesen den letzten Dienst zu erweisen. Er sah sorgfältig zu, und bemerkte endlich, daß neben dem Leichnam eines Ritters in glänzender Rüstung, dessen Helmzier, obwohl zerbrochen und besudelt, doch den Mann von hohem Rang verrieth, ein Weib, gehüllt in einen Reitermantel, saß und Etwas an ihre Brust drückte, was er bald als ein Kind erkannte. Er warf einen Blick auf die Engländer. Er sah, daß sie nicht vorwärts kamen, und aus dem fortdauernden Blasen ihrer Trompeten und dem lauten Rufen ihrer Anführer entnahm er, daß sie sich nicht so bald wieder gesammelt haben würden. Somit blieb ihm ein Augenblick, um nach dem unglücklichen Weibe zu sehen. Er saß ab, gab sein Roß einem Speerreiter, näherte sich der Unglücklichen und fragte sie im sanftesten Tone, ob er ihr Beistand leisten könne. Die Trauernde, ohne auf seine Frage zu antworten, bemühte sich, mit zitternder und ungeschickter Hand die Schließfedern des Visirs und des Ringkragens zu öffnen, und sagte: »O er würde den Augenblick wieder zu sich kommen, könnt' ich ihm nur Luft verschaffen! Hab' und Gut, Leben und Ehre würde ich darum geben, wenn ich die Kraft hätte, diese grausamen Eisenplatten zu entfernen, die ihn ersticken!« Wer Kummer lindern will, darf nicht von der Eitelkeit einer Hoffnung reden, und wäre sie auch noch so trügerisch. Der Körper lag, wie der eines Menschen, welcher den letzten Athemzug gethan, und Nichts mehr mit den Dingen dieser Welt zu schaffen hat. Nichtsdestoweniger hob Halbert das Visir auf und machte den Ringkragen los. Zu seinem großen Erstaunen erblickte er das bleiche Antlitz Julian's von Avenel. Sein letztes Gefecht war geliefert; der wilde, unruhige Geist war im Kampf geschieden, welcher so lange seine Lust gewesen war.

»Er ist leider hin,« sprach Halbert zu dem jungen Weib, in welchem er jetzt unschwer die unglückliche Katharina erkannte.

»O nein, nein, nein!« erwiderte sie, »sagt nicht so; er ist nicht todt; er liegt blos in Ohnmacht. Ich habe eben so lange in einer gelegen, und seine Stimme konnte mich erwecken, wenn er liebreich redete und sprach: »Katharina, schlage die Augen auf um meinetwillen!« – »Schlage die Augen auf, Julian, um meinetwillen!« sprach sie zu dem Leichnam. »Ich weiß, du verstellst dich bloß, um mich zu erschrecken, aber ich bin nicht erschrocken,« fügte sie mit einem hysterischen Versuch zu lachen hinzu, änderte aber augenblicklich wieder den Ton und bat: »Sprich doch, wär' es auch nur, meiner Thorheit zu fluchen. O, das härteste Wort, so du je zu mir gesprochen, würde mir jetzt so süß klingen, wie die zartesten, welche du an mich verschwendet hast, ehe ich dir Alles gab. – Hebt ihn auf! Hebt ihn auf! Habt Ihr denn gar kein Erbarmen. Er versprach, mich zu ehelichen, wenn ich ihm einen Sohn gebären würde, und dieß Kind, wie gleicht es seinem Vater! Wie kann er sein Wort halten; wenn Ihr mir nicht helft, ihn aufwecken? – Christie von Clinthill! Rowley! Hutcheon! Ihr wart immer an seiner Tafel, aber im Gefecht seid ihr von ihm geflohen, ihr falschen Schurken!«

»Ich nicht!« rief ein sterbender Mann, der sich bemühte, sich auf seinen Ellenbogen zu stützen, und dem jungen Glendinning das wohlbekannte Gesicht Christie's von Clinthill zeigte. »Ich bin nicht einen Fuß breit gewichen: ein Mann kann nicht länger fechten, als sein Athem dauert, und der meinige ist auf die Neige. – So, Bürschchen,« fuhr er fort, auf Glendinning blickend, »hast du endlich die Bickelhaube aufgesetzt? Es ist eine bessere Haube, darin zu leben, als zu sterben. Ich wollte, der Zufall hätte deinen Bruder hieher geführt, statt – – an ihm war noch etwas Gutes. Aber du bist so wild und wirst bald so verworfen sein, wie ich.«

»Da sei Gott vor!« erwiderte Halbert hastig.

»Amen! will ich von Herzen dazu sagen,« sprach der Verwundete; »dort, wohin ich gehe, wird auch ohne dich Gesellschaft genug sein. – Aber, Gott sei Dank, an dieser Gottlosigkeit hab' ich keinen Antheil gehabt,« fuhr er fort, auf die arme Katharina blickend, und mit einem Ausruf auf der Zunge, der halb wie Gebet, halb wie Fluch klang, entfloh die Seele Christie's von Clinthill zur Ablegung der letzten Rechnung.

Versunken in die schmerzlichen Gefühle, welche diese erschütternden Auftritte hervorgerufen hatten, vergaß Glendinning einen Augenblick seine Lage und seine Obliegenheiten und ward erst dann wieder daran erinnert, als er Pferdegetrappel vernahm und den Ruf: »Sanct Georg für England!« welcher bei den englischen Kriegern noch immer üblich war. Seine Handvoll Leute – denn die Nachzügler warteten meist auf das Herankommen Murray's – saßen zu Pferd, die Lanzen hoch, ohne Weisung, weder sich zu ergeben, noch Widerstand zu leisten.

»Da ist unser Hauptmann,« sagte Einer von ihnen, als ein starker Trupp Engländer, die Vorhut von Foster's Schaar, auf sie angeritten kam.

»Euer Hauptmann? mit dem Schwert in der Scheide und zu Fuß in Gegenwart des Feindes? Gewiß ein Neuling im Kriegshandwerk,« sprach der englische Anführer. »Heda, junger Mann! Ist Euer Traum aus, und wollt Ihr jetzt antworten, ob Ihr Lust habt zu fechten oder zu fliehen?«

»Keins von Beiden,« versetzte Halbert mit großer Ruhe.

»Dann wirf dein Schwert weg und ergib dich,« rief der Engländer.

»Nicht eher, als bis ich mir nicht anders helfen kann,« entgegnete Halbert in demselben Ton, wie vorher.

»Lebst du auf eigene Hand, Freundchen, oder wem dienst du?«

»Dem edlen Grafen von Murray,« antwortete Halbert.

»Dann dienst du dem unredlichsten Fürsten unter der Sonne. Er ist falsch gegen England und gegen Schottland,« versetzte der englische Hauptmann.

»Du lügst!« rief Glendinning ohne Rücksicht auf die Folgen.

»Ah! Bist du jetzt so hitzig und warst vor einer Minute noch so kalt? Ich lüge? Wirklich? Willst du darauf mit mir fechten?«

»Einer gegen Einen, Einer gegen Zwei, oder Zwei gegen Fünf, wie Ihr wollt,« erwiderte Halbert. »Nur einen ehrlichen Kampfplatz.«

»Den sollst du haben. – Tretet zurück, ihr meine Genossen,« sprach der wackere Engländer. »Falle ich, so handelt glimpflich mit ihm und laßt ihn mit seinen Leuten frei abziehen.«

»Lange lebe der edle Hauptmann!« riefen die Kriegsmänner, so begierig, den Kampf zu sehen, als wäre es eine Ochsenhetze.

»Er wird am Ende doch ein kurzes Leben davon haben,« bemerkte der Wachtmeister, »wenn er, als Sechziger, um jeder Ursache willen oder ohne Ursache mit Jedem fechten will, der ihm vor die Hand kommt, zumal mit jungen Kerlen, deren Vater er sein könnte. – Und da kommt auch der Markwart, um das Spiel mit anzusehen.«

Wirklich kam Herr Hans Foster angeritten mit einer beträchtlichen Abtheilung seiner Reisigen, in demselben Augenblick, wo sein Hauptmann, dem Kampf mit einem so jungen, starken und gewandten Gegner, wie Halbert, nicht gewachsen, das Schwert aus der Hand fallen ließ.

»Schäme dich, alter Stawarth Bolton, und heb' es auf,« rief der englische Markwart. »Und du, junger Mann, sage mir, wer und was du bist.«

»Ein Diener des Grafen von Murray, beauftragt, Ew. Gestrengen seine Willensmeinung zu melden,« antwortete Glendinning. »Doch da kommt er selber; ich sehe den Vortrab seiner Reisigen auf den Höhen.«

»Ordnet euch, meine Herren,« sprach Herr Hans Foster zu seinem Gefolge. »Wer seinen Spieß gebrochen hat, ziehe sein Schwert. Wir sind einigermaßen übel vorgesehen für einen zweiten Strauß, und wenn jene dunkle Wolke am Abhang des Berges uns böses Wetter bringt, müssen wir es tapfer aushalten, wie unsere zerfetzten Mäntel es zulassen. Unterdessen, Stawarth, haben wir das Wild gefangen, welchem wir nachgejagt haben. Hier ist Piercie Shafton, wohl verwahrt zwischen zwei Reitersknechten.«

»Was? der Junge da?« fragte Bolton. »Das ist so wenig Piercie Shafton, als ich es bin. Er hat wohl seinen schmucken Mantel an, aber Piercie Shafton ist ein volles Dutzend Jahre älter, als dieser Teufelsbraten. Ich habe ihn gekannt, wie er noch nicht höher als so war. Habt Ihr ihn nie gesehen auf der Stechbahn oder im Audienzzimmer?«

»Zum Teufel mit solchen Affereien!« erwiderte Herr Hans Foster. »Wann hätte ich Zeit dazu oder zu sonst etwas Anderem haben sollen? Mein ganzes Leben lang bin ich in diesem Henkersdienst, heute auf Diebe, morgen auf Verräther Jagd machend, in täglicher Besorgniß um mein Leben. Die Lanze kommt mir nie an ihren Ort im Saal, der Fuß nie aus dem Steigbügel, die Sättel kommen meinen Gäulen nicht vom Rücken herunter. Und jetzt, weil ich mich in der Person eines Mannes geirrt habe, den ich in meinem Leben nicht gesehen, kann ich darauf rechnen, daß der nächste Brief vom Geheimen Rath mich wie einen Hund herunter macht. Besser todt, als so geknechtet und gehetzt zu sein!«

Der Klang einer Trompete unterbrach Fosters Klagen. Ein Herold erschien in Begleitung eines Trompeters und meldete: der edle Graf von Murray wünsche in allen Ehren und in Sicherheit eine Besprechung mit Herrn Hans Foster, halbwegs zwischen ihren beiderseitigen Truppen; jeder solle sich mit sechs Begleitern einstellen und zehn Minuten zum Kommen und Gehen frei haben.«

»Und da,« fuhr der Engländer fort, »kommt eine andere schwere Noth. Ich muß hingehen, mit jenem falschen Schotten zu sprechen, der da weiß seine Redensarten zu drechseln, um einem ehrlichen Mann Sand in die Augen zu streuen – so gut wie nur irgend ein Spitzbube im Norden. In Worten kann ich mich nicht mit ihm messen, und für harte Schläge sind wir in gar zu schlechter Verfassung. – Herold, wir billigen die Besprechung – und Ihr, Herr Fechtmeister (sprach er zu Glendinning) zieht Euch zurück mit Euren Reitern zu Eurem Volk; marsch! begleitet Eures Grafen Trompeter. – Stawarth Bolton, stellt unsere Truppe in Ordnung, und seid bereit, auf einen Wink mit dem Finger vorzurücken. – Macht, daß Ihr zu Euren Freunden kommt, sag' ich Euch, Herr Edelknecht, und haltet Euch hier nicht auf!«

Halbert ließ sich zweimal fortgehen heißen, weil er nicht umhin konnte, einen Blick auf die unglückliche Katharina zu werfen, welche unempfindlich gegen die Gefahr, von des Rosses Hufen zertreten zu werden, dalag. Ein zweiter Blick belehrte ihn, daß sie unempfindlich gegen Alles und auf ewig war. Er freute sich fast, als er sah, daß der letzte Jammer des Lebens vorüber war, und daß der Hufschlag der Streitrosse nur eine Leiche verletzen und entstellen konnte. Er nahm das Kind aus ihren Armen, halb beschämt über das laute Gelächter, welches sich von allen Seiten erhob, als man einen gewaffneten Mann unter solchen Umständen sich mit einer Bürde beladen sah.

»Schultert – 's Kind!« rief ein Hakenschütz.

»Kind – auf!« sprach ein Pikenier.

»Ruhig, ihr Bestien!« rief Stawarth Bolton; »und achtet Menschlichkeit an Anderen, wenn ihr selber keine habt. Ich verzeihe dem Jungen, daß er einigen Schimpf auf meine grauen Haare gebracht hat, wenn ich sehe, wie er sich des hülflosen Geschöpfes annimmt, welches ihr unter die Füße getreten haben würdet, als ob ihr von Wölfinnen geworfen, nicht von Weibern geboren wäret.«

Der englische und der schottische Anführer trafen auf dem neutralen Raum zwischen ihren beiderseitigen Truppen zusammen. Der Graf redete den englischen Markwart folgendermaßen an: »Ist das ein ordentliches und ehrbares Benehmen, Herr Hans, und wofür haltet Ihr den Grafen von Morton und mich, daß Ihr in Schottland einreitet mit aufgeworfenem Banner, Streit anfanget, tödtet und Gefangene macht, nach Eurem Gelüste? Meint Ihr, es sei wohlgethan, unser Land zu verderben und unser Blut zu vergießen, nachdem wir Eurer Gebieterin so viele Beweise von Ergebenheit geliefert haben, vorbehaltlich unserer Unterthanenpflicht gegen unsre eigne Beherrscherin?«

»Gnädiger Herr von Murray,« versetzte Foster, »alle Welt weiß, daß Ihr ein Mann von regem Geist und tiefer Weisheit seid. Mehrere Wochen lang habt Ihr mich hingehalten mit dem Versprechen, den Verräther an meiner Herrscherin, diesen Piercie Shafton von Wilferton zu fahen, und Euer Wort ist unerfüllt geblieben, indem Ihr Unruhen im Westen und Gott weiß was für andere hindernde Ursachen angegeben habt. Da der Verbrecher mittlerweile die Frechheit gehabt hat, hieher zurückzukommen und kaum dritthalb Meilen von England seinen Wohnsitz aufzuschlagen, konnte ich, den Befehlen meiner Herrscherin zufolge, bei Eurem fortdauernden Zögern nicht länger warten, und habe daher offene Gewalt angewandt, ihn aufzugreifen, wo ich ihn fände.«

»Also ist Piercie Shafton in Euren Händen?« fragte der Graf. »Merkt Euch, daß ich ohne die größte Schmach für mich nicht ohne Kampf in seine Wegführung willigen kann.«

»Wollt Ihr, Herr Graf, nach all' den Vortheilen, welche die Königin von England Euch verschafft hat; eine Schlacht liefern zu Gunsten eines Verräthers an ihr?« fragte Foster.

»Das nicht, Herr Hans,« antwortete der Graf; »aber ich will auf Leben und Tod kämpfen zur Vertheidigung der Rechte unseres freien Königreichs Schottland.«

»Bei meiner Treue,« versetzte Herr Hans Foster, »ich bin es zufrieden. Mein Schwert ist noch nicht stumpf nach alle dem, was es an diesem Tage gethan hat.«

»Bei meiner Ehre,« sprach Herr Georg Heron von Chipchase, »es ist wenig Grund vorhanden, uns jetzt mit diesen schottischen Herren zu schlagen, denn ich bin mit dem alten Stawarth Bolton des Dafürhaltens, daß jener Gefangene so wenig Piercie Shafton, als dieser der Graf von Northumberland ist. Es wäre übel von Euch gethan, den Frieden zwischen beiden Ländern zu brechen um eines Gefangenen willen, der noch unbedeutender ist, als der geschniegelte Unheilstifter.«

»Herr Georg,« versetzte Foster, »ich habe oft gehört, Ihr Reiger Heron, der Name des Angeredeten, bedeutet Reiger. fürchtet Euch vor Falken. – Nein, lieber Mann, legt nicht die Hand an's Schwert; ich habe blos gescherzt. Was den Gefangenen betrifft, so laßt ihn herbeibringen, damit wir sehen, wer oder was er ist. – Alles jedoch auf eure Zusicherung hin, Gnädige Herren,« fügte er, an die Schotten sich wendend, hinzu.

»Auf Wort und Ehre,« sprach Morton, »wir wollen keine Gewalt brauchen.«

Der Gefangene ward herbeigebracht und die Reihe, ausgelacht zu werden, war jetzt an Herrn Hans Foster, denn es zeigte sich, daß der Gefangene nicht nur nicht Herr Piercie Shafton, sondern ein Weib in Mannskleidern war.

»Reißt der Hure den Mantel vom Gesicht und werft sie den Troßbuben vor,« rief Foster. »Ich stehe dafür, diese Gesellschaft wird ihr nicht neu sein.«

Selbst Murray mußte, was selten bei ihm war, herzlich lachen, als der englische Markwart sich so getäuscht fand. Aber er gestattete nicht, daß der schönen Molinara ein Leid zugefügt würde, welche so zum zweiten Male auf ihre eigene Gefahr Herrn Piercie Shafton gerettet hatte.

»Ihr habt schon mehr Unheil angerichtet, als ihr verantworten könnt,« sprach der Graf zum Markwart, »und für mich wär' es eine Schande, zu gestatten, daß Ihr diesem Mädchen ein Haar krümmet.«

»Gnädiger Herr,« begann Morton, »wenn Herr Hans einen Augenblick mit mir abseits reiten will, so soll er von mir Gründe erfahren, die ihn bestimmen müssen, abzuziehen und dieß unglückliche Tagewerk dem Urtheil der Schiedsmänner für Gränzvergehungen zu überlassen.«

Er führte Fostern bei Seite und sprach zu ihm: »Herr Hans Foster, ich wundere mich sehr, daß ein Mann, der Eure Königin Elisabeth so genau kennt, wie Ihr, nicht wissen sollte, daß, wenn Ihr irgend Etwas von ihr hoffen wollt, es dafür sein muß, daß Ihr derselben einen nützlichen Dienst leistet, nicht dafür, daß Ihr sie in nutzlose Streitigkeiten mit ihren Nachbarn verwickelt. Herr Ritter, ich will Euch unverhohlen die Wahrheit sagen. Hättet Ihr in Folge dieses unbedachtsamen Einfalls den wahren Piercie Shafton in Eure Hände bekommen, und hätte Euer Thun, wie es dann wahrscheinlich gewesen wäre, einen Bruch zwischen beiden Ländern herbeizuführen gedroht, dann würde Eure politische Fürstin und Euer politischer Rath lieber Herrn Hans Foster in Ungnade haben fallen lassen, als einen Krieg um seinetwillen angefangen. Aber jetzt, wo Ihr Euer Ziel verfehlt habt, könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß Ihr wenig Dank damit verdienen werdet, wenn Ihr die Sache weiter treibt. Ich will den Grafen von Murray bearbeiten, daß er es auf sich nimmt, Herrn Piercie Shafton aus dem Königreich Schottland auszuweisen. Nehmt guten Rath an und laßt die Sache abgemacht sein. Mit Gewalt könnt Ihr ferner Nichts gewinnen, denn wenn wir ausschlagen, werdet Ihr als die Minderzahl und geschwächt durch das vorhergegangene Gefecht nothwendig den Kürzeren ziehen.«

Herr Hans Foster hörte mit gesenktem Haupte zu. »Es ist ein verwünschter Fall,« sprach er, »und ich werde wenig Dank mit meinem Tagwerk erwerben.« Sodann ritt er zu Murray hin, und erklärte, daß er aus Hochachtung vor Sr. Gnaden und vor dem Gnädigen Herrn von Morton zu dem Entschluß gekommen sei, sich, ohne weiter Etwas zu unternehmen, mit seiner Macht zurückzuziehen.

»Halt, Herr Hans Foster,« sprach Murray, »ich kann Euch keinen freien Abzug verstatten, dafern Ihr nicht einen Bürgen zurücklasset dafür, daß der Schaden, welchen Ihr uns heute zugefügt habt, vollständig vergütet werde. Ihr werdet bedenken, daß ich, indem ich Euern Abzug zugebe, meiner Herrscherin verantwortlich werde, welche von mir das Blut ihrer Unterthanen fordern wird, wenn ich Diejenigen, welche es vergossen haben, so leichthin abziehen lasse.«

»Nie soll in England gesagt werden,« versetzte der Markwart, »daß Hans Foster, wie ein überwundener Mann, Geiseln gab, und zwar auf dem Schlachtfeld, wo er als Sieger steht. – Aber,« – fügte er hinzu, nachdem er sich einen Augenblick besonnen, »wenn Stawarth Bolton freiwillig bei Euch bleiben will, so hab' ich Nichts dagegen, und eben fällt mir ein, es wäre gut, wenn er dabliebe, um zu sehen, daß dieser Piercie Shafton fortgeschickt wird.«

»Ich nehme ihn eben doch als Euren Geisel an und werde ihn als solchen behandeln,« versetzte der Graf von Murray. Aber Foster wandte sein Roß, um Bolton und seinen Leuten Weisungen zu geben, und that, als hörte er diese Bemerkung nicht.

»Dort reitet ein treuer Diener seiner allerschönsten und großmächtigsten Frau,« sprach Murray zu Morton. »Der Glückliche! Er weiß nicht, ob nicht die Ausführung ihrer Befehle ihm den Kopf kostet, und zugleich hat er die Gewißheit, daß die Nichtausführung derselben ihm unverzüglich Tod oder Ungnade bringt. O wie glücklich sind doch Die, welche nicht nur den Launen von Dame Fortuna unterworfen, sondern auch für dieselben verantwortlich sind, und zwar einer Herrscherin, die so launig und wankelmüthig ist, wie die göttliche Frau selber.«

»Wir haben auch eine Frau auf unserem Thron, Gnädiger Herr,« versetzte Morton.

»Das haben wir, Douglas,« erwiderte der Graf mit einem unterdrückten Seufzer; »allein wir werden sehen, wie lang ein Weib die Zügel der Gewalt festhalten kann in einem so wilden Reich, wie das unsere. Wir wollen uns jetzt nach St. Marien begeben und selber sehen, wie es mit diesem Hause steht. – Glendinning, habe Acht auf dieß Weib und beschütze sie. Was Teufel, hast du denn da in den Armen? Ein Kind, so wahr ich lebe! Wie konntest du eine solche Bürde, an einem solchen Platz und in einem solchen Augenblick finden?«

Halbert erzählte kurz die Geschichte. Der Graf ritt nach der Stelle, wo der Leichnam Julian's lag, umschlungen von den Armen seiner unglücklichen Gefährtin, gleich dem Stamm einer entwurzelten Eiche, welche der Sturm mit all ihren Epheugewinden niedergeworfen. Beide waren todtenkalt. Murray empfand eine ungewöhnliche Rührung, indem er vielleicht an seine eigene Geburt dachte. »Was haben Die zu verantworten, Douglas,« sagte er, »welche so die süßesten Gaben der Liebe mißbrauchen?«

Der Graf von Morton, unglücklich in seiner Ehe und ausschweifend in der Liebe, erwiderte: »Diese Frage, Gnädiger Herr, müßt Ihr an Heinrich Warden oder an Hans Knox stellen; ich hin ein wüster Rathgeber in weiblichen Dingen.«

»Vorwärts nach St. Marien,« rief der Graf, »laßt das Wort weiter gehen. Glendinning, gebt das Kind dieser Ritterin, und laßt Sorge dafür tragen. Laßt den Leichnamen keinen Schimpf zufügen und bietet das Land auf, daß sie begraben oder entfernt werden. – Vorwärts, ihr Herren!«



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