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Neuntes Kapitel.

Kam zu gebroch'nen Brücken er,
So lös't' er die Senn' und schwamm,
Und kam er hin, wo's Gräslein wächst,
So braucht' er die Fuß' und sprang.

Gil Morrice.

Wir kehren zurück zu Halbert Glendinning, der, wie der Leser sich erinnern wird, die Straße nach Edinburgh eingeschlagen hatte. Seine Unterredung mit dem Prediger Warden, von welchem er im Augenblick seiner Selbstbefreiung einen Brief empfangen hatte, war so kurz gewesen, daß er nicht einmal den Namen des Großen erfahren hatte, dem er darin empfohlen war. Etwas wie ein Name war allerdings ausgesprochen worden, er aber hatte Nichts weiter verstanden, als daß er dem Häuptling begegnen würde, welcher an der Spitze einer reisigen Schaar südwärts zöge. Als der Tag graute, war unser Reisender noch in derselben Ungewißheit. Hätte er etwas mehr gelernt gehabt, so würde die Aufschrift des Briefes ihm die gewünschte Auskunft gegeben haben, allein die Unterweisung von Pater Eustachius hatte ihn nicht so weit gebracht, daß er im Stand gewesen wäre, dieselbe zu entziffern. Sein Mutterwitz sagte ihm, daß er in so unsicheren Zeiten sich nicht mit Nachfragen übereilen dürfe, und als er nach einer langen Tagreise am späten Abend ein kleines Dorf erreicht hatte, begann er zweifelhaft und ängstlich zu werden in Betreff des Ausganges seiner Wanderfahrt.

In armen Ländern herrscht meist Gastfreiheit. Halbert that darum nichts Ungewöhnliches oder Erniedrigendes, als er in dem Dorf um ein Nachtlager bat. Das alte Weib, an welches er diese Bitte stellte, gewährte dieselbe um so bereitwilliger, da sie einige Aehnlichkeit zu entdecken glaubte zwischen Halbert und ihrem Sohn Alexander, welcher in einem der, zu jener Zeit so häufigen Gefechte umgekommen war. Freilich war Alexander ein kurzer, vierschrötiger Bursch gewesen mit rothem Haar, sommerfleckigem Gesicht und etwas dachsmäßigen Beinen, während der Fremde braun, schlank und auffallend schön gebaut war. Nichtsdestoweniger war die Wittwe darüber im Reinen, daß im Allgemeinen Aehnlichkeit herrschte zwischen ihrem Gast und ihrem Sander, und drang freundlich in ihn, an ihrem Abendessen Theil zu nehmen. Ein wandernder Krämer, ein Mann von etwa vierzig Jahren, war ebenfalls ihr Gast und sprach sehr rührend über den Jammer, solch ein Geschäft, wie das seine, in kriegerischen und unruhigen Zeiten treiben zu müssen.

»Wir halten viel von Rittern und Söldnern,« sprach er; »aber der Handelsmann, der das Land durchwandelt, braucht mehr Muth als sie Alle. Daß Gott erbarm, er hat mehr Gefahren auszustehen. Da bin ich hieher gekommen in der Hoffnung, der Gnädige Herr Graf von Murray würde unterwegs nach der Gränze sein, denn er war angesagt bei dem Freiherrn von Avenel, und statt dessen kommt die Nachricht, daß er westwärts gezogen ist wegen einer Lauserei in Ayrshire. Und jetzt weiß ich nicht, was ich thun soll. Denn geh' ich nach Süden ohne Bedeckung, so ist der erste beste Reiter, der mir begegnet, im Stand und nimmt mir Stock und Pack und vielleicht obendrein noch das Leben; und will ich mich nach Westen schlagen durch die Moore, dann komm' ich vielleicht eben so schlecht weg, ehe ich die Gesellschaft des guten Herrn erreiche.«

Niemand war mehr bei der Hand, einen Wink zu merken, als Halbert Glendinning. Er sagte er habe vor, nach Westen zu gehen. Der Krämer schaute ihn sehr bedenklich an. Allein die alte Hausfrau, welche vermuthlich dachte, ihr junger Gast gliche ihrem seligen Sander nicht allein im Aussehen, sondern auch in einer gewissen Geschicklichkeit, krumme Finger zu machen, wie sie dem Verstorbenen zugeschrieben war, – die Alte winkte ihm mit den Augen und versicherte dem Krämer, er dürfe außer Sorgen sein; ihr Vetter sei ein ehrlicher Mann.

»Vetter?« wiederholte der Krämer. »Ich denke, Ihr habt eben gesagt, er sei ein Fremder.«

»Wer nicht recht hört, spricht nicht recht nach,« erwiederte die Wirthin. »Er ist mir fremd von Ansehen, aber das macht ihn nicht meiner Verwandtschaft fremd, zumal wenn ich sehe, wie sehr er meinem Sohn Sander gleicht, dem armen Kind.«

Da solchergestalt des Krämers Zweifel und Argwohn beseitigt oder wenigstens zum Schweigen gebracht war, kamen die beiden Reisenden überein, sie wollten nächsten Morgen früh in Gesellschaft weiter ziehen, der Krämer als Führer Glendinnings, und dieser als Beschützer des Krämers, bis sie Murray's Schaar begegneten. Man sah, die Wirthin zweifelte keinen Augenblick an dem von ihr vermutheten Erfolg dieser Vereinbarung; denn sie nahm Halberten auf die Seite und band ihm auf die Seele, es gnädig zu machen mit dem armen Teufel, jedenfalls aber nicht zu vergessen, ein Stück schwarzen Soy zurückzubringen »zu einem neuen Röckelchen für das alte Weib.« Halbert lachte und beurlaubte sich.

Der Krämer war nicht wenig entsetzt, als der junge Mann ihm mitten auf einer schwarzen Haide erzählte, welchen Auftrag ihm die Wirthin gegeben. Indessen beruhigte er sich, als er das ehrliche, offene, freundliche Wesen des Jünglings sah, und ließ seinen Unwillen über die alte Schlange aus. »Ich habe ihr,« sprach er, »erst gestern Abend eine Elle von eben dem schwarzen Soy zu einem Kopftuch gegeben; aber ich sehe, es ist übel gethan, der Katze den Weg zum Butterfaß zu weißen.«

So guten Muthes in Betreff der Absichten seines Gefährten (denn in jenen glücklichen Tagen war von einem Unbekannten immer das Schlimmste zu befürchten), machte der Krämer den Führer Halberts über Moos und Moor, über Berg und Thal, in derjenigen Richtung, welche sie auf den Weg von Murray's Trupp leiten könnte. Endlich kamen sie an den Fuß einer Höhe, welche einen weiten Ueberblick über einen Strich wilden, öden, sumpfigen Moorlandes gewährte, in welchem steinige Hügel mit morastigen Flächen wechselten und hie und da blaue Pfützen sich zeigten. Ein kaum erkennbarer Weg wand sich schlangenartig durch diese Wildniß, der Krämer deutete darauf und sprach: »Der Weg von Edinburgh nach Glasgow. Hier müssen wir warten. Wenn Murray und sein Zug nicht schon vorüber sind, werden wir bald die Spur von ihnen sehen, es müßte denn sein, daß ein neuer Plan eine Aenderung in ihren früheren Entschluß gebracht hat; denn in diesen seligen Tagen kann kein Mann, und wär' er auch der nächste zum Thron, wie der Graf von Murray es ist, am Abend, wenn er sein Haupt auf's Kissen legt, vorhersagen, wo es die folgende Nacht ruhen wird.«

Sie machten demnach Halt und setzten sich nieder. Der Krämer wählte vorsichtig zum Sitz den Kasten, welcher seine Schätze enthielt, und er verbarg seinem Gefährten nicht, daß er unter seinem Mantel in seinem Gurt für den Nothfall eine Pistole habe. Er war indessen so artig, Halberten Etwas von seinen Mundvorräthen anzubieten. Sie waren von der geringsten Art: Haferkuchen, ein Brei aus Hafermehl und kaltem Wasser, ein Paar Zwiebeln und ein Stück Schinken – das war die ganze Mahlzeit. Indessen, so schlecht sie auch war, würde damals doch kein Schotte auch von weit höherem Rang als Glendinning ausgeschlagen haben, sie zu theilen, besonders da der Krämer mit geheimnißvoller Miene ein Widderhorn zum Vorschein brachte, welches er um die Schulter hängen hatte, aus welchem für jeden von Beiden eine Muschel voll fürtrefflichen Usquebaughs oder Whiskys floß. Halberten war diese Art Kornbranntwein unbekannt, denn die in Südschottland vorkommenden Branntweine kamen aus Frankreich und wurden wenig gebraucht. Der Krämer lobte ihn als ausgezeichnet und sagte, er habe ihn bei seinem letzten Besuch in den Bergen von Doune gekauft, wo er unter sicherem Geleit des Herrn von Buchanan Handelschaft getrieben habe. Er ging auch Halberten mit einem guten Beispiel voran, indem er gottesfürchtig die Schale leerte, auf den baldigen Sturz des Antichrists.

Kaum war ihr Schmauß beendigt, als sie auf dem vor ihnen liegenden Weg aufwirbelnden Staub und in demselben etwa zehn Reisige erblickten, welche scharf zuritten. Ihre Helme glänzten und die Spitzen ihrer Lanzen flimmerten, wenn zuweilen ein Sonnenstrahl durch die Staubwolke drang.

»Das,« sagte der Krämer, »muß der Vortrab von Murray's Schaar sein. Legen wir uns hier in die Braunkohlengrube und halten uns unsichtbar.«

»Warum das?« fragte Halbert. »Laßt uns lieber hinuntergehen und ihnen winken«

»Gott behüte!« versetzte der Krämer. »Kennt Ihr so schlecht die Gewohnheiten unseres schottischen Volkes? Dieß Rudel Spieße, welches so scharf zutrabt, steht ohne Zweifel unter dem Befehl von einem wilden Verwandten Mertons oder unter sonst einem verwegenen Fürchdichnicht, der weder auf Gott noch Menschen achtet. Ihr Geschäft ist, wenn sie Feinden begegnen, Streit mit ihnen anzufangen und sie aus dem Weg zu schaffen, und der Hauptanführer erfährt nicht, was da vorgeht, denn er kommt mit seinen verständigeren und ruhigeren Freunden vielleicht eine halbe Stunde weit hintennach. Kämen wir diesen guten Jungen nahe, so würde Euer Brief Euch wenig helfen und mein Pack würde mir groß Unheil bringen. Sie würden uns jeden Fetzen vom Leibe reißen und uns mit einem Stein an den Füßen in ein Moosloch werfen, nackt, wie wir aus dem Mutterleib in diese jämmerliche, sündige Welt gekommen sind, und weder Murray noch ein anderer Mensch würde es gewahr werden. Und wenn er es auch erführe, was könnte er uns helfen? Es würde als ein bloßes Mißverständniß ausgelegt werden und damit wäre das Klaglied am Ende. Glaube mir, Jüngling, wenn Männer das kalte Eisen wider einander in ihrem Vaterland ziehen, können oder mögen sie es nicht genau nehmen mit den Vergehungen Derjenigen, deren Schwerter ihnen nützlich sind.«

Sie ließen also den Vortrab von Murray's Heerschaar vorüberziehen. Nicht lange, so erhob sich im Norden eine dichtere Staubwolke.

»Jetzt geschwind den Berg hinunter!« rief der Krämer, und zog Halberten mit sich fort. »Die Wahrheit zu sagen, ist der Zug eines schottischen großen Herrn gleich einer Schlange: der Kopf hat Zähne und der Schwanz hat einen Stachel; ohne Gefahr kann man sich nur dem eigentlichen Körper nähern.«

»Ich will so geschwind laufen, wie Ihr,« sprach Halbert; »aber sagt mir doch, warum der Nachtrab eines solchen Heeres eben so gefährlich sein soll, wie der Vortrab?«

»Der Vortrab,« antwortete der Krämer, »besteht aus zusammengerafftem verzweifeltem, zu jedem Unheil bereitwilligem Gesindel, das weder Gott fürchtet, noch seine Nebenmenschen achtet und meint, ihre Sache sei, Alles aus dem Weg zu räumen, was ihnen mißfällt. Der Nachtrab ist zusammengesetzt aus hochmüthigen Dienern, welche das Gepäck unter Händen haben und bedacht sind, reisende Handelsleute und andere Menschen zu brandschatzen, um damit die Diebereien zu ersetzen, die sie sich am Eigenthum ihrer Herren erlauben. Die voraus reitenden enfants perdus, wie die Franzosen sie nennen, (und das mit Recht, denn das sind sie: Kinder des Verderbens) – die hört Ihr schmutz'ge Zoten- und sonstige Schelmenlieder singen. Und dann kommt der Haupttrupp und da hört Ihr geistliche Lieder und Psalmen anstimmen von den reformirten großen Herren und von den Edelleuten und von der ehrsamen, gottesfürchtigen Geistlichkeit, welche sie begleitet. Und hinten wieder findet Ihr eine saubere Sippschaft von gottlosen Lakaien und Stallknechten und Troßbuben, die von nichts reden, als von Wirfeln, Saufen und Huren.«

Unter diesem Gespräch erreichten sie die Landstraße und sahen deutlich Murray's Haupttrupp, bestehend aus etwa dreihundert Pferden, welche in guter Ordnung und in Masse geschlossen einherzogen. Einige der Reisigen trugen die Farbe ihrer Herren, doch dieß war nicht das Gewöhnliche. Die meisten waren so gekleidet, wie sie gerade dazu gekommen waren. Doch war bei dieser Mehrzahl das Tuch meist blau, und Alle waren mit Brust- und Rückenharnisch, mit Aermeln und Eisenringeln, mit Blechhandschuhen, mit Strumpfhosen und Eisenmaschen oder mit hohen starken Stiefeln bekleidet, so daß das Ganze doch ein ziemlich gleichförmiges Ansehen hatte. Viele der Anführer waren von Kopf bis zu Fuß geharnischt, andere wenigstens in halbkriegerischer Tracht, welche nicht gern Jemand in diesen unruhigen Zeiten ablegte.

Der Vorderste von der Schaar ritt augenblicklich auf den Krämer und auf Halbert zu und fragte, wer sie wären. Der Krämer erzählte seine Geschichte; Glendinning zeigte seinen Brief vor, welchen ein, mittlerweile herzugekommener Edelmann dem Grafen von Murray überbrachte. Im nächsten Augenblick erscholl in dem Geschwader das Wort halt! und auf den schweren Huftritt von so vielen hundert Pferden erfolgte plötzlich Stille. Der Befehl ward ausgegeben, daß die Truppe hier eine Stunde ruhen, essen und füttern sollte. Dem Krämer ward Schutz zugesagt und ein Packpferd überlassen. Zugleich aber erhielt er die Weisung, sich zum Troß zu verfügen – ein Befehl, dem er ungern gehorchte, indem er Halberten mit dem Ausdruck tiefer Gemüthsbewegung die Hand zum Abschied schüttelte.

Der Erbe von Glendearg ward nach einer erhöhten Stelle des Bodens hingeführt. Hier, wo es trockener war, als auf dem übrigen Moor, war ein Tischtuch auf den Boden gebreitet und um dasselbe saßen die Führer der Schaar bei einem, im Verhältniß zu ihrem Rang eben so ärmlichen Mahl, wie das, an welchem kurz vorher Halbert Theil genommen hatte. Murray stand auf, als der Jüngling sich näherte, und trat ihm einen Schritt entgegen.

Dieser berühmte Mann hatte in seinem Aeußeren, wie in seinem Inneren viele von den bewunderungswürdigen Eigenschaften seines Vaters, Jakob's V. Hätte der Flecken der Unehelichkeit nicht auf seiner Geburt gehaftet, so möchte er den schottischen Thron mit eben so viel Ehre besessen haben, wie irgend Einer vom Stewartischen Stamm. Allein während die Geschichte seine hohen Gaben und Manches, was fürstlich, ja selbst königlich in seinem Thun war, anerkennen muß, kann sie nicht vergessen, daß der Ehrgeiz ihn weiter führte, als sich mit Ehre und Treue vertrug. Der Tapferste unter den Tapferen, schön von Gestalt und Gesicht, geschickt in Behandlung der wichtigsten Geschäfte, in Gewinnung der Schwankenden, in Ueberwältigung entschlossner Gegner, erlangte und verdiente er die höchste Stelle im Königreich. Allein er erlag der Versuchung: er missbrauchte die Gelegenheiten, welche seiner Schwester Unglück und Unklugheit ihm darbot, und stürzte seine Beherrscherin und Wohlthäterin. Seine Geschichte zeigt uns einen jener gemischten Charactere, bei welchem Grundsätze so oft der Politik zum Opfer gebracht werden, daß wir den Staatsmann verdammen, während wir den Menschen bedauern. Manche Begebenheiten seines Lebens machen den Vorwurf wahrscheinlich, daß er selber nach dem Thron gestrebt habe; und nur zu wahr ist es, daß er das unglückselige Mittel benutzte, englischem, das heißt fremdem und feindlichem, Einfluß Zugang im Rathe Schottlands zu verschaffen. Sein Tod kann als Sühne seiner Fehltritte betrachtet werden, und kann zum Beweis dienen, wie viel sicherer ein wahrer Vaterlandsfreund lebt, denn ein bloßes Parteihaupt, welches man verantwortlich macht für die Vergehungen seiner geringsten Diener.

Als Murray auf ihn zukam, war der junge Landmann begreiflicher Weise etwas eingeschüchtert durch die Würde seiner Erscheinung. Die gebieterische Haltung, das, an den Ausdruck hoher und wichtiger Gedanken gewöhnte Antlitz, die Gesichtszüge, in welchen sich die Abstammung von einer langen Reihe schottischer Könige nicht verläugnete, waren wohl geeignet, Ehrfurcht einzuflößen. Seine Kleidung unterschied ihn wenig von den großen Herren, welche sich bei ihm befanden. Ein mit seidener Schnur verzierter Büffelrock vertrat die Stelle des Panzers. An seinem Halse hing eine schwere goldene Kette mit einem Schaustück; an den Stiefeln trug er vergoldete Sporen. Seine schwarze Sammetmütze war mit einer kleinen buschigen Feder geziert; und an seiner Seite hing der vertraute Gefährte seiner Hand, ein langes gewichtiges Schwert.

»Dieser Brief,« fragte er, »ist von dem gottseligen Prediger des Wortes, Heinrich Warden? Ist es nicht so, junger Mann?« Halbert antwortete bejahend. »Und er schreibt uns, scheint es, in Noth und bezieht sich auf Euch wegen des Näheren. Laßt uns gefälligst wissen, wie es mit ihm steht.«

Einigermaßen verwirrt gab Halbert Bericht von den Umständen, unter welchen des Predigers Einkerkerung stattgefunden hatte. Als er an den Wortwechsel wegen des Handfestens kam, fiel ihm der finstere und unwillige Ausdruck in Murray's Gesicht auf, und allen Regeln der Klugheit zuwider, brach er seine Erzählung ab, weil er sah, daß Etwas darin mißfiel, ohne daß er wußte, was dieß eigentlich war.

»Was fehlt dir, Narr?« sprach der Graf seine dunkelrothen Augenbrauen zusammenziehend, während seine Stirn sich mit dunkler Gluth überzog. »Hast du nicht gelernt, eine wahre Geschichte ohne Stottern zu erzählen?«

»Erlaubt,« versetzte Halbert mit kluger Fassung, »ich habe noch nie vor einem solchen Herrn gesprochen.«

»Es scheint ein bescheidener junger Mensch zu sein,« sprach Murray, zu seinem nächsten Begleiter sich wendend, »und doch auch ein Solcher, der in einer guten Sache weder Freund noch Feind fürchtet. – Sprich weiter, Freund, und sprich frei heraus.«

Halbert gab nun einen Bericht von dem Streit zwischen Julian Avenel und dem Prediger. Der Graf biß sich auf die Lippen und suchte sich das Ansehen zu geben, als füge ihn die Geschichte nicht sonderlich an. Im Anfang schien er sogar geneigt, dem Freiherrn Recht zu geben.

»Heinrich Warden,« sprach er, »ist zu hitzig in seinem Eifer. Göttliche und menschliche Gesetze verstatten gewisse Verbindungen, obwohl sie nicht streng in der Form sind, und die Früchte derselben sind erbfähig.«

Bei dieser Erklärung warf er einen fragenden Blick auf die anwesenden Herren. Die meisten antworteten: »Das läßt sich nicht in Abrede stellen;« Einer oder Zwei jedoch blickten zur Erde und schwiegen. Murray wandte sich wieder zu Glendinning und gebot ihm, zu sagen, was weiter vorgefallen sei, und keinen Umstand auszulassen. Als Halbert der Art erwähnte, wie Julian seine Beischläferin von sich gestoßen, holte Murray tief Athem, biß die Zähne zusammen und legte die Hand an den Dolch. Nochmals richtete er sein Auge auf den Kreis der Anwesenden, welcher jetzt durch die reformirten Prediger vergrößert war, sprach aber kein Wort und schien seinen Grimm zu verbeißen. Halbert, der innegehalten hatte, mußte fortfahren. Als derselbe in seiner Erzählung an die Stelle kam, wo Warden in den Kerker geschleppt ward, schien der Graf den Punkt gefunden zu haben, wo er, des Beifalls aller Anwesenden sicher, seinen Zorn auslassen konnte. »Urtheilt,« sprach er, zu den Umstehenden sich wendend, »urtheilt Ihr, meine Standesgenossen und edle Herren von Schottland, zwischen mir und diesem Julian Avenel. Er hat sein Wort gebrochen, hat mein sicheres Geleit verletzt. Urtheilt auch Ihr, meine Ehrwürdigen Brüder; er hat seine Hand ausgestreckt wider einen Prediger des Evangeliums und, wer weiß, er verkauft vielleicht sein Blut an die Anbeter des Antichrist.«

»Laßt ihn den Tod eines Verräthers sterben,« sprachen die weltlichen Häupter, »laßt seine Zunge mit des Henkers glühendem Eisen durchstechen zur Rache für seinen Eidbruch!«

»Laßt ihn an seinen Ort hinabfahren mit den Baalspriestern und seine Asche in Tophet geworfen werden,« sprachen die Prediger.

Murray lächelte zu diesen Aussprüchen, wie Einer, welcher der Befriedigung seiner Rache im Voraus sicher zu sein glaubt. Vermuthlich hatte die unmenschliche Behandlung des Weibes, deren Verhältnisse denen der Mutter des Grafen ähnlich waren, ihren Antheil an dem grimmigen Lächeln, zu welchem sich seine sonnenverbrannten Wangen und seine stolze Lippe verzog. Gegen Halbert Glendinning bewies er, nachdem dieser seine Erzählung vollendet, großes Wohlwollen.

»Es ist ein herzhafter Junge,« sprach er zu den Umstehenden, »geformt aus dem Stoff, wie er für unruhige Zeiten erforderlich ist. Es gibt Zeiten, wo Mannesmuth sich in Sturm und Wetter glänzend bewährt. Ich will noch Weiteres von ihm zu erfahren suchen.«

Er fragte ihn noch genauer aus über die vermuthliche Größe von Avenel's Streitkräften, über die Festigkeit der Burg und über die Verhältnisse der nächsten Erben. Dieß letztere brachte nothwendig die Rede auf Marien von Avenel. Halbert mußte die Geschichte dieser Bruderstochter Julian's erzählen, und er that es mit einer Befangenheit, welche dem Grafen nicht entging.

»Ha! Julian Avenel,« rief er, »du reizest meinen Zorn, während du so große Ursache hättest, mich zu bitten, daß ich nicht Gerechtigkeit walten ließe! Ich habe Waltern von Avenel gekannt; es war ein ächter Schotte und ein guter Kriegsmann. Unsere Schwester, die Königin, muß seiner Tochter zu ihrem Rechte helfen. Hätte sie ihr Land wieder, dann wäre sie eine passende Braut für einen wackeren Mann, welcher Unsere Gunst mehr verdienen mag, als der Verräther Julian. – Bist du von edlem Blut?« fragte er den jungen Glendinning.

Halbert fing an, mit zitternder und unsicherer Stimme auseinanderzusetzen, wie er entfernte Ansprüche habe, sich einen Abkömmling der alten Glendowynes von Galloway zu nennen. Murray unterbrach ihn lächelnd.

»Ueberlaß Stammbäume den Sängern und Herolden. In unseren Tagen ist jeder Mann der Sohn seiner eignen Thaten. Das herrliche Licht der Reformation hat gleichmäßig geleuchtet über Fürst und Bauer; ein Bauer sowohl, wie ein Fürst, mag zu Glanz und Ruhm gelangen, indem er zu ihrer Vertheidigung kämpft. Die Welt ist in Bewegung, und da kann Jeder vorwärts kommen, der ein festes Herz und einen starken Arm hat. Erzähle mir offenherzig, warum du deines Vaters Haus verlassen hast.«

Halbert berichtete wahrheitgetreu seinen Zweikampf mit Herrn Piercie Shafton und schloß damit, daß er ihn begraben gefunden.

»Bei meiner Hand,« sprach Murray, »du bist mir ein kecker Sperber, daß du dich so früh schon an einen Geier wie Piercie Shafton wagst. Königin Elisabeth würde ihren Handschuh gefüllt mit Goldkronen darum geben, wenn sie wüßte, daß dieser verwegene Zieraffe unter dem Rasen liegt. Würde sie das nicht, Morton?«

»Ja wohl,« erwiederte Morton, »und sie würde ihren Handschuh als ein werthvolleres Geschenk betrachten, denn die Goldkronen, – ein Geschenk, welches wenige Gränzerjungen, wie dieser ist, gebührend zu schätzen wissen würden.«

»Aber was sollen wir mit diesem jungen Todtschläger machen?« fragte Murray leise. »Was werden unsere Prediger dazu sagen?«

»Erzählt ihnen von Moses und Benajah,« antwortete Morton in demselben Tone. »Beim Lichte betrachtet ist es ja doch weiter Nichts, als die Tödtunq eines Aegypters.«

»Nicht so,« sprach Murray lachend. »Aber wir wollen die Geschichte begraben, gleichwie der Prophet den Leichnam im Sand verscharrte. Ich will mich des Bürschleins annehmen. – Komm her, Glendinning, denn so heißt du ja. Wir nehmen dich an als Edelknecht in Unserem Haushalt. Unser Stallmeister wird dafür sorgen, daß du mit allem Nöthigen versehen und gewappnet wirst.«

Während der Heerfahrt, auf welcher er jetzt begriffen war, fand Murray verschiedentlich Gelegenheit, Halberts Herzhaftigkeit und Geistesgegenwart auf die Probe zu stellen. Der neue Edelknecht stieg so schnell in seiner Gunst, daß alle Die, welche den Grafen kannten, sein Glück für gemacht hielten. Nur ein Schritt fehlte noch, um ihn in den vollen Besitz seiner Gunst und seines Vertrauens zu bringen – nämlich Abschwörung des papistischen Glaubens. Die Prediger im Gefolge Murray's, welche dessen Hauptstütze beim Volke bildeten, fanden nicht viel Mühe, einen Jüngling zu bekehren, welcher von Kind auf nie recht katholisch fromm gewesen. Von dem Augenblick an, wo er den Glauben seines Herrn angenommen, war Halbert stets um seine Person während dessen Aufenthalt in Westschottland. Dieser Aufenthalt ward durch die Ungefügigkeit Derer, mit welchen der Graf zu thun hatte, von Tag zu Tag und von Woche zu Woche verlängert.



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