Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel.

Nun, meiner Treu, das Zeug ist so verwickelt,
Als wie der Knäul der Strickerin, die schläft,
Vom lust'gen Kätzlein durch die Stub' gerollt,
Indeß die junge Hausfrau nickt am Feuer.
Paßt auf, es heischt Geschick, ihn zu entwirren!

Altes Schauspiel.

Edward eilte mit der Emsigkeit eines Menschen, welcher an der Festigkeit seines Entschlusses zweifelt, die Pferde zur Abreise bereit zu machen, und entließ mit Dank die Nachbarn, welche zu seinem Beistand herbeigekommen und welche nicht wenig betroffen waren sowohl über seinen plötzlichen Entschluß zur Abreise, wie über die Wendung, welche die Dinge überhaupt genommen hatten.

»Hier ist die kalte Gastfreiheit,« sprach Daniel vom Eulennest zu seinen Gefährten. »Ich denke, die Glendinnings sollen noch oft sterben und wieder lebendig werden, ehe ich wieder einen Fuß in den Steigbügel setze für die Geschichte.«

Martin suchte sie zu beruhigen, indem er ihnen Speise und Trank vorsetzte. Sie aßen mit finsterer Miene und schieden in übler Laune.

Die frohe Kunde, daß Halbert Glendinning lebte, verbreitete sich schnell unter der trauernden Hausgenossenschaft. Die Mutter weinte vor Freude und dankte dem Himmel. Als ihre Gefühle wieder ruhiger geworden waren, regten sich auch wieder ihre hausmütterlichen Gedanken, und sie bemerkte: »das wird ein schön Stück Arbeit geben, die Thore wieder in die Reihe zu bringen, und was sollen wir anfangen, während sie so zugerichtet sind. Zu zerbrochenen Thüren laufen die Hunde herein.«

Tibb bemerkte: »Ich hab' immer gedacht, daß Halbert zu gut mit seinem Gewehr umzugehen versteht, als daß er so leicht von so einem Herrn Piercie kalt gemacht werden könnte. Sie mögen von den Südländern sagen, was sie wollen, sie haben eben doch nicht das Mark und die Lunge von einem handfesten Schotten, wenn es zum Bindriemen kommt.«

Auf Marien Avenel war der Eindruck unvergleichlich tiefer. Sie hatte erst kürzlich beten gelernt, und es schien ihr, als wäre ihr Gebet augenblicklich erhört worden, als wäre die Barmherzigkeit des Himmels auf wunderbare Weise über sie gekommen und hätte auf ihre Klagen hin, den Todten aus dem Grabe zurückgebracht. In dieser Ansicht lag eine gefährliche Schwärmerei, aber sie hatte ihren Grund in der reinsten Frömmigkeit.

Ein geflickter seidener Schleier, eins der wenigen Stücke kostbarer Kleidung, welche sie besaß, wurde dazu bestimmt, das heilige Buch, welches sie nun als ihren größten Schatz betrachtete, einzuhüllen und zu verbergen. Sie beklagte nur, daß es aus Mangel an einem geeigneten Ausleger für sie ein verschlossenes Buch und ein versiegelter Born bleiben müsse. An die Gefahr aber dachte sie nicht, daß sie einen unrichtigen oder gar verkehrten Sinn in diejenigen Worte legen könnte, welche ganz deutlich zu sein schienen. Doch für Beides hatte der Himmel Rath geschafft.

Während Edward die Pferde bereit machte, bat Christie von Clinthill abermals um Verhaltungsbefehle in Betreff des reformirten Predigers Heinrich Warden, und abermals mühte der würdige Mönch sich ab, das Mitleid und die Hochachtung, welche er seinem früheren Genossen nicht versagen konnte, mit der Pflicht zu vereinigen, welche die Kirche ihm auferlegte. Die unerwartete Entschließung Edwards hatte seiner Ansicht nach den Hauptgrund entfernt, weßhalb er ihn nicht zu Glendearg lassen wollte.

»Führe ich« – so dachte er – »diesen Wellwood oder Warden in das Kloster, so muß er sterben, – sterben in seiner Ketzerei, zu Grund gehen mit Leib und Seele. Früher erschien ein solches Verfahren rathsam, um Schrecken unter den Ketzern zu verbreiten; aber jetzt nimmt ihre Stärke mit jedem Tage mehr zu, dergestalt, daß dieser Schritt sie zu verderblicher Wuth und Rache reizen kann. Zwar weigerte er sich, die Verbindlichkeit einzugehen, hier nicht seinen Lolch unter den Waizen zu säen; allein der Boden ist hier zu unfruchtbar für seine Saat. Ich fürchte nicht, daß er Eindruck machen möchte auf diese armen Weiber, Unterthanen der Kirche und erzogen in gebührendem Gehorsam gegen ihre Gebote. Der durchdringende, forschende und kühne Geist Edwards hätte einen Zündstoff abgegeben, allein er ist entfernt, und Nichts bleibt zurück, was von der Flamme ergriffen werden könnte. So wird er keine Macht haben, seine bösen Lehren zu verbreiten, und zugleich wird sein Leben erkalten und vielleicht seine Seele gerettet, wie eine Beute vor dem Netz des Voglers. Ich selber will ihm mit Gründen zusetzen. Als wir zusammen studirten, gab ich ihm Nichts nach, und sicherlich die Sache, für welche ich kämpfe, wird mich unterstützen, sollte ich auch schwächer sein, als ich mich erachte. Würde dieser Mann von seinen Irrthümern bekehrt, dann würde ein hundertfach größerer Vortheil für die Kirche aus seiner geistigen Wiedergeburt erwachsen, als aus seinem leiblichen Tode.«

Nach Beendigung dieser Betrachtungen, welchen Wohlwollen, Beschränktheit der leitenden Gedanken, eine ziemlich hohe Meinung von sich und bedeutende Selbsttäuschung zum Grunde lag, ließ der Subprior den Gefangenen wieder vorführen.

»Heinrich,« sprach er zu ihm, »was auch immer strenges Pflichtgefühl von mir verlangen mag, alte Freundschaft und christliches Mitleid verbieten mir, dich zu einem sicheren Tod zu führen. Du warst einst edelmüthig, obwohl unbeugsam und hart in deinen Entschließungen. Laß dein vermeintes Pflichtgefühl dich nicht weiter führen, als mich das meinige. Bedenke, daß jedes Schaf, welches du hier aus dem Pferch lockst, in Zeit und Ewigkeit von demjenigen verlangt werden wird, welcher dir die Freiheit gelassen hat, solches Uebel zu thun. Ich verlange von dir keine weitere Verpflichtung, außer daß du auf dein Wort hier im Thurm als Gefangener bleiben und dich auf Erfordern stellen willst.«

»Du hast ein Fündlein gemacht, mir die Hände zu binden, wirksamer, als die schwersten Fesseln im Gefängniß deines Klosters. Ich will nicht unbesonnener Weise Etwas thun, was dich bei deinen unglückseligen Oberen in Gefahr bringen kann, und ich will um so mehr vorsichtig sein, weil ich hoffe, deine Seele dürfte, falls wir fernere Gelegenheit zur Besprechung hätten, wie ein Brand aus dem Feuer gerettet werden, und du dürftest die Tracht des Antichrist, dieses Käufers und Verkäufers von Sünden und Seelen, von dir werfen, und ich dürfte dir noch helfen, den Fels der Zeiten zu erfassen.«

Der Subprior hörte diesen, dem seinigen so ähnlichen, Gedanken aussprechen, mit derselben Empfindung, wie der Streithahn die Herausforderung seines Gegners vernimmt.

»Ich preise Gott und unsere Liebe Frau,« sprach er, sich aufrichtend, »daß mein Glaube bereits geankert ist an dem Felsen, auf welchem Petrus seine Kirche gegründet hat.«

»Eine Verdrehung des Textes!« rief hitzig der Prediger, »gegründet auf ein leeres Wortspiel, – eitel Paronomasie!«

Der Streit würde wieder angegangen sein, und vermuthlich – denn bei Polemik läßt sich nicht auf Gutmüthigkeit und Mäßigung rechnen, vermuthlich würde der Streit mit der gefänglichen Abführung Wardens nach dem Kloster geendigt haben, wenn nicht Christie von Clinthill bemerkt hätte, daß es spät würde und daß er, den sein Weg durch die übelberüchtigte Schlucht führe, keine Lust habe, in derselben nach Sonnenuntergang zu reiten. Der Subprior unterdrückte also seine Kampflust, erklärte dem Prediger, daß er auf Dankbarkeit und auf seinen Edelsinn rechne, und sagte ihm Lebewohl.

»Sei versichert, alter Freund,« versetzte Warden, »daß ich mit meinem Willen Nichts zu deinem Nachtheil thun werde. Aber wenn mein Meister mir Arbeit vor die Hände bringt, dann muß ich Gott mehr gehorchen, denn Menschen.«

Die beiden Männer, trefflich in ihrer angebornen Sinnesart und in ihrem erworbenen Wissen, hatten mehr Aehnlichkeit, als sie dachten. Der Hauptunterschied war, daß der Katholik als Vertheidiger einer Religion, welche das Gemüth wenig anregte, mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen seiner Sache ergeben, folglich politisch, behutsam und schlau war, während der Protestant unter dem mächtigen Antrieb einer später angenommenen Ueberzeugung, mit größerer Zuversicht auf seine Sache, schwärmerisch, heftig und übereilt war in seinem Wunsche, sie zu fördern. Der Priester wollte nur vertheidigen, der Prediger dürstete nach Eroberung; natürlich war also der Antrieb, welcher des Letzteren Handeln bestimmte, kräftiger und nachdrücklicher. Sie konnten nicht von einander scheiden, ohne sich nochmals die Hände zu drücken, und jeder von ihnen sah beim Lebewohl seinem alten Gefährten in's Gesicht mit einem Ausdruck von Schmerz, Theilnahme und Mitleid in Blick.

Der Pater setzte sodann kurz der Dame Glendinning auseinander, daß dieser Mensch auf einige Tage ihr Gast sein würde, und verbot ihr und ihrem ganzen Haushalt unter hohen geistlichen Strafen, mit ihm irgend ein Gespräch über religiöse Gegenstände zu führen, gebot ihr aber, ihm sonst Nichts abgehen zu lassen.

»Unsere Liebe Frau verzeihe mir meine Sünde, Ehrwürdiger Vater,« sprach Dame Glendinning, einigermaßen über diese Ankündigung entsetzt, »aber ich kann nicht anders, ich muß sagen, die allzuvielen Gäste haben mein Haus ruinirt, und ich glaube, sie machen am Ende noch Glendearg dem Boden gleich. Da kam erst die Frau von Avenel – Friede ihrer Seele! – sie hatte nichts Böses im Sinn, aber sie hat so viele Kobolde und Feen mitgebracht, daß das Haus ewig in Angst gewesen ist, und daß wir fortwährend wie in einem Traum gelebt haben. Dann kam der englische Ritter, mit Verlaub zu sagen, und wenn er auch nicht gerade meinen Sohn getödtet hat, so hat er ihn doch vertrieben, so daß ich ihn wohl nicht so bald hier wieder sehen werde, – nicht zu gedenken des Schadens am äußeren und am inneren Thor. Und jetzt hat Ew. Ehrwürden mir einen Ketzer auf den Hals geladen, der vielleicht den leibhaftigen Teufel mit den großen Hörnern über uns bringt, und die Leute sagen, dem ist mit Thür und Fenster nicht gedient, der ist im Stand und nimmt so eine ganze Seite von dem alten Thurm mit. Nichtsdestoweniger, Ehrwürdiger Vater, müssen wir nach Kräften thun, was Ihr befehlt.«

»Seid nur ruhig, gutes Weib,« versetzte der Subprior; »laßt Schmiede und Zimmerleute holen, und laßt sie die Rechnung dem Kloster machen; ich will den Schatzmeister anweisen, sie zu bezahlen. Ueberdem soll bei Festsetzung des Zinses und der Steuern ein Nachlaß eintreten für die Mühe und Auslagen, welche Ihr jetzt habt, und nach Eurem Sohn will ich genaue Nachforschungen anstellen lassen.«

Die Dame machte bei jedem günstigen Wort einen tiefen Knix, und als der Subprior ausgeredet, drückte sie noch die fernere Hoffnung aus, derselbe würde mit ihrem Gevatter Müller reden wegen des Schicksales seiner Tochter und ihm auseinandersetzen, daß der Fall nicht durch Nachlässigkeit von ihrer, der Dame, Seite eingetreten sei.

»Ich bezweifle sehr, Herr Pater,« sprach sie, »ob Gretel wieder den Weg zurück zur Mühle findet. Aber ihr Vater ist ganz allein Schuld, weil er sie auf ungesattelten Kleppern im Land herumreiten ließ und sie nie ordentlich zur Hausarbeit angehalten hat, außer zur Richtung von Naschereien für seinen Wanst.«

»Ihr erinnert mich an einen anderen dringenden Gegenstand,« sprach der Pater, »Gott weiß, nur zu viele der Art liegen mir auf der Seele. Der englische Ritter muß ausfindig gemacht, und es muß ihm eine Erklärung von den außerordentlichen Umständen gegeben werden, welche zum Vorschein gekommen sind. Das leichtsinnige Mädchen muß auch wieder herbeigeschafft werden, und wenn sie Schaden genommen hat an ihrer Ehre, werde ich mich nicht frei von Schuld daran erachten. Aber wie sie Beide ausfindig machen?«

»Wenn es Euch recht ist,« fiel Christie von Clinthill ein, »so bin ich bereit, Jagd auf sie zu machen und sie auf gutem oder bösem Wege wieder zurückbringen. Ihr habt mir zwar immer ein bitterböses Gesicht gemacht, so oft wir zusammengekommen sind, allein ich habe nicht vergessen, daß wenn Ihr nicht gewesen wäret, mein Hals erfahren hätte, wie schwer meine vier Viertel wiegen. Wenn irgend ein Mann sie aufspüren kann, so bin ich's, das will ich kecklich vor ganz Merse und Teviotdale und obendrein vor dem Wald behaupten. Aber erst hab' ich Dinge, die meinen Herrn angehen, mit Euch zu verhandeln, wenn Ihr mir erlaubt, mit Euch die Schlucht hinunter zu reiten.«

»O, Freund,« versetzte der Subprior, »du solltest bedenken, daß ich nicht große Ursache habe, dir, als meinem Begleiter durch eine so einsame Gegend, zu trauen.«

»Psch! Psch!« antwortete der Jackmann, »fürchtet Nichts von mir; ich käme gewiß am schlimmsten dabei weg, wollte ich den Spaß noch ein Mal machen. Und dann, hab' ich Euch nicht schon ein Dutzend Mal gesagt, ich verdanke Euch mein Leben? Und wenn ich einem Mann im Guten oder im Bösen etwas schuldig bin, so verfehl' ich nie, es früher oder später zu bezahlen. Und dann hol's der Teufel, ich habe keine Lust, allein die Schlucht hinunter zu reiten, auch selbst nicht mit meinen Kleppern, von denen jeder, so gut wie ich, ein Teufelsbraten ist. Dagegen wenn Ew. Ehrwürden – das ist doch Euer Titel? – Rosenkranz und Psalter nimmt, und ich komme dann mit Jacke und Spieß, dann jagt Ihr die Teufel in die Luft, und ich will alle menschliche Feinde über's Feld jagen.«

Edward trat jetzt ein und meldete Se. Ehrwürden, daß die Pferde bereit ständen. Er erblickte seine Mutter, und sein fester Entschluß fing an zu wanken, als er daran dachte, daß er ihr Lebewohl sagen müsse. Der Subprior bemerkte seine Verlegenheit und kam ihm zu Hülfe.

»Dame,« sagte er, »ich habe vergessen zu bemerken, daß Euer Sohn Edward mit mir nach S. Marien geht und in den ersten zwei oder drei Tagen nicht zurückkommt.«

»Ihr werdet ihm wohl behülflich sein wollen, seinen Bruder ausfindig zu machen? Mögen die Heiligen Euch für Eure Güte belohnen!«

Der Subprior erwiederte den Segen, welchen er in diesem Falle nicht gerade verdient hatte, und machte sich mit Edward auf den Weg. Bald folgte ihnen Christie, der mit seinen Begleitern ihnen so scharf nachritt, daß man an der Aufrichtigkeit seines Wunsches, geistliches Geleit durch die Schlucht zu haben, nicht zweifeln konnte. Es waren übrigens auch noch andere Gründe, die ihn zur Eile trieben, denn er hatte dem Subprior eine Botschaft von seinem Herrn auszurichten, die mit der Auslieferung des Gefangenen Warden in Verbindung stand. Als er den Subprior eingeholt hatte, bat er ihn, mit ihm einige Schritte vor Edward und vor den Reisigen vorauszureiten, und hob dann seinen Vortrag an, welchen er zuweilen durch Bemerkungen unterbrach, die bewiesen, daß seine Furcht vor übernatürlichen Wesen durch das Vertrauen auf die Heiligkeit seines Gefährten nicht ganz beruhigt war.

»Mein Herr,« sprach er »hat gemeint, Euch ein angenehmes Geschenk mit dem alten Ketzer zu machen, allein, der geringen Vorsorge nach zu urtheilen, welche Ihr seinethalben getroffen habt, scheint Ihr nicht viel auf die Gabe zu geben.«

»Das müßt Ihr nicht glauben,« versetzte der Subprior. »Das Stift muß Eurem Herrn diesen Dienst hoch anrechnen, und wird ihn reichlich dafür belohnen. Aber dieser Mann und ich sind alte Freunde, und ich hoffe, ihn von dem Pfad des Verderbens zurückzubringen.«

»Nun ja,« sagte der Moosklepper, »wie ich Euch sogleich anfangs auch einander die Hände schütteln sah, da dacht' ich gleich, ihr würdet Alles in Liebe und Ehre ausmachen, und es würde zu nichts Gefährlichem zwischen Euch kommen. Indeß dieß ist meinem Herrn all eins. – Heilige Maria, Mutter Gottes! Was ist das für ein Ding dort, Herr Mönch?«

»Der Zweig eines Weidenbaumes, der über dem Weg hängt.«

»Hol' mich der Guckuck,« sprach Christie, »wenn es nicht ausgesehen hat, wie eine Hand mit einem Schwert. – Aber von meinem Herrn zu reden, der, als ein kluger Mann, hat sich in dieser lumpigen Zeit abseit gehalten, bis er sehen konnte, auf welchem Fuß er stehen könnte. Recht lockende Versprechungen hat er von den Congregations-Herren erhalten, die ihr Ketzer nennt, und, um Euch die Wahrheit zu sagen, eine Zeitlang hatte er nicht übel Lust, ihren Weg einzuschlagen, denn er hatte sichere Kunde, daß der Herr Jakob Jakob Stewart, später Graf von Murray und Reichsverweser. in diese Gegend kommen würde an der Spitze eines hübschen Häufleins Reisiger. Und so rechnete auch Herr Jakob so sicher auf ihn, daß er diesen Warden, oder wie er heißt, ihm, als einem zuverlässigen Freunde, zuschickte, damit er ihn beschützen möchte, und dabei die Botschaft, daß er hierherwärts im Anzug sei mit einem starken reisigen Zeug.«

»Möge uns Unsere Liebe Frau in Gnaden bewahren!« sprach der Subprior.

»Amen!« antwortete Christie etwas beklemmt. »Hat Ew. Ehrwürden Etwas gesehen?«

»Durchaus Nichts,« versetzte der Subprior. »Euer Bericht hat mir den Ausruf ausgepreßt.«

»Ihr hattet freilich Ursache, »fuhr Der von Clinthill fort; »denn käme Herr Jakob hierher, dann würde Euer Stift es empfinden. Aber seid außer Sorgen – diese Fahrt ist beendigt, bevor sie angefangen hat. Der Freiherr von Avenel hat sichere Kunde, daß Herr Jakob sich vermüßigt gesehen hat, mit seinen lustigen Gesellen westwärts zu ziehen, um Herrn Semple gegen Cassilis und gegen die Kennedie's zu schützen. Meiner Seel', es wird ihm einen harten Strauß kosten, denn wißt Ihr, wie es von diesem Namen heißt?

Von Wigton bis zum Städtlein Ayr
Und von Portpatrick bis nach Cree
Hält Niemand Stand, der nicht vorher
Erst Gunst sucht bei Sanct Kennedie.«

»Also,« bemerkte der Subprior, »die Vereitelung von Herrn Jakobs Vorhaben, hieher zu kommen, hat diesem Warden eine schlechte Aufnahme auf Schloß Avenel eingetragen.«

»Die wäre nicht so ganz unglimpflich gewesen,« versetzte der Moosklepper; »denn mein Herr war sehr unschlüssig, was er in so mißlichen Zeiten thun sollte, und würde es kaum gewagt haben, einen Mann übel zu behandeln, der ihm von einem so furchtbaren Haupte, wie Herr Jakob, zugeschickt war. Aber, die Wahrheit zu sagen, der Teufel ritt den alten Kerl, sich über meines Herrn christliche Freiheit aufzuhalten, daß er mit Katharine von Newport gehandfestet ist. Das hat den Friedensstab zwischen ihnen gebrochen, und jetzt steht Euch mein Herr mit all seiner Macht zu Diensten; denn Herr Jakob vergibt nie eine Beleidigung, und wenn er die Oberhand bekommt, wird er nicht ruhen, bis er Julians Kopf hat, unbekümmert darum, daß Keiner des Namens mehr da ist, außer das Stückchen Mädchen dort. Und jetzt hab' ich Euch mehr von meines Herrn Sachen erzählt, als diesem lieb sein dürfte; allein Ihr habt mir einmal einen ehrlichen Streich gespielt, und vielleicht brauch' ich noch einmal einen dergleichen.«

»Deine Offenherzigkeit,« sprach der Subprior, »soll dir sicherlich zum Vortheil gereichen, denn es muß der Kirche in diesen wirren Zeiten sehr daran gelegen sein, die Absichten und Beweggründe Derer, die um uns sind, zu kennen. Aber was verlangt dein Herr von uns zum Lohn für guten Dienst? Denn ich glaube, er gehört nicht zu Denen, die gern unentgeltlich arbeiten.«

»Nun, das kann ich Euch leicht sagen. Herr Jakob hat ihm für seinen Uebertritt zu ihm einen wohlfeilen Kauf des Zehnten in seiner Freiherrschaft Avenel versprochen und dazu die Ländereien vom Moosbeerenmoor, welche in den seinigen eingeschlossen liegen. Weniger erwartet er von Euch nicht.«

»Aber da ist der alte Gilbert vom Moosbeerenmoor,« wandte der Subprior ein; »was sollen wir mit dem anfangen? Der ketzerische Herr Jakob kann es freilich auf sich nehmen, über die Güter und Lande des Stifts nach seinem Gelüst zu verfügen, sintemal er, wenn der Schutz Gottes und der ihrem Glauben noch anhängigen Landschaft nicht wäre, allerdings vermöchte, uns derselben mit Gewalt zu berauben. Allein so lange jene Güter Eigenthum des Klosters sind, können wir nicht alten und treuen Dienern ihre Lehen nehmen, um die Gier Derjenigen zu sättigen, welche Gott bloß um des Gewinnes willen dienen.«

»Bei der heil'gen Meß,« sprach Christie, »das lautet Alles recht schön, Herr Priester. Allein wenn Ihr erwägt, daß Gilbert bloß zwei halbverhungerte feige Bauern zum Gefolge hat und nur eine alte Schindmähre zum Reiten, welche sich besser vor den Pflug als zum Wehrdienst paßt, und daß der Freiherr von Avenel nie mit weniger als zehn Jackmännern hinter sich, oft aber mit fünfzig einherreitet, die mit aller kriegerischen Rüstung dermaßen versehen sind, als sollten sie für ein Königreich fechten und auf Kleppern, die beim Geklirr eines Schwertes wiehern als wär' es das Knarren eines aufgehenden Haferkastendeckels – ich sage, wenn Ihr all das zusammenrechnet, dann werdet Ihr ermessen können, welcher Gang Eurem Kloster am vortheilhaftesten sein wird.«

»Freund,« sprach der Mönch, »ich möchte gern deines Herrn Beistand auf die von ihm gestellten Bedingungen hin erkaufen, da die Zeiten uns kein besseres Auskunftsmittel lassen, um uns gegen die Räuberei der Ketzer zu vertheidigen. Aber einem armen Mann sein Erbgut zu nehmen,« – –

»Was das betrifft,« sprach der Reiter, »so würde Gilbert doch wahrscheinlich sehr schlecht gebettet sein, wenn mein Herr wüßte, daß dieser der Erfüllung seiner Wünsche im Wege stehe. Das Stift hat Land genug, und Gilbert kann anderwärts untergebracht werden.«

»Wir wollen überlegen, ob es möglich ist, die Sache auf diese Weise in Ordnung zu bringen,« sagte der Mönch, »und wir wollen dagegen erwarten, daß Euer Herr mit aller Mannschaft, die er aufbringen kann, bereit sein wird zum nachdrücklichen Schutz des Stiftes wider jegliche Gewalt, von der es bedroht werden könnte.«

»Eine Manneshand und einen Eisenhandschuh darauf!« sprach der Jackmann. »Man nennt uns Freibeuter, Diebe und alles Mögliche; aber wenn wir einmal Partei ergriffen haben, dann bleiben wir auch fest dabei. – Und ich will froh sein, wenn mein Herr sich einmal entscheidet, denn die Burg ist eine wahre Hölle (Unsere Liebe Frau verzeih' mir, daß ich solch ein Wort an diesem Ort hier ausspreche!), während er nachgrübelt, wie er am vortheilhaftesten thun möchte. Und nun, Gott sei gelobt, wir sind im offenen Thal, und jetzt kann ich wieder einen herzhaften Fluch thun, wenn's gilt.«

»Lieber Freund,« bemerkte der Subprior, »Ihr habt wenig Verdienst von der Enthaltung von Fluchen und Gotteslästerung, wenn dieselbe bloß in der Furcht vor bösen Geistern ihren Grund hat.«

»Oho, bis jetzt bin ich noch nicht ganz Kirchenunterthan,« versetzte der Jackmann; »und wenn Ihr einem jungen Gaul den Zügel zu scharf anzieht, so versprech' ich Euch, er wird sich auf die Hinterfüße stellen. Von mir wär' es wahrlich ein Bischen viel verlangt, alte Gewohnheiten zu lassen.«

Da es eine hübsche Nacht war, ritten sie durch den Fluß an der Stelle, wo der Küster seine unglückliche Begegnung mit dem Geist gehabt hatte. Kaum waren sie am Klosterthor angelangt, als der Pförtner rief: »Ehrwürdiger Vater, der Gnädige Herr Abt wartet mit der größten Ungeduld auf Euer Erscheinen.«

»Laßt diese Fremden in den großen Saal führen,« sprach der Subprior, »und laßt ihnen das Beste vorsetzen. Erinnert sie jedoch, daß Gästen in einem Hause, wie dieß, Bescheidenheit und Anständigkeit des Benehmens geziemt.«

»Ach, der Gnädige Herr Abt verlangt dringend nach Euch, verehrungswürdiger Bruder,« sprach der in großer Eile herbeikommende Küster Philipp. »Noch nie seit der Schlacht von Pinkiecleugh hab' ich ihn so niedergeschlagen gesehen.«

»Ich komme, lieber Bruder, ich komme,« sprach Pater Eustach. »Ich bitte dich, lieber Bruder, laß diesen jungen Mann, Edward Glendinning, auf die Novizenkammer bringen und dem Lehrmeister übergeben. Gott hat sein Herz gerührt, und er hat den Vorsatz, die Eitelkeiten der Welt von sich zu thun und ein Bruder unseres heiligen Ordens zu werden, zu dessen Zierde er dereinst vielleicht einmal gereichen kann, wenn zu seinen guten Anlagen Gelehrigkeit und Demuth sich gesellen.«

»Hochzuverehrender Herr Bruder,« rief der alte Pater Niclas, welcher mit einer dritten Aufforderung herangehumpelt kam, »ich bitte dich, eilends zu unserem Gnädigen Herrn Abt zu kommen. Unsere Schutzheilige sei bei uns! Noch nie hab ich den Abt des Hauses von S. Marien in solcher Bestürzung gesehen, und ich kann mich doch noch gut erinnern, wie Vater Ingelram die Nachricht von der Niederlage bei Flodden erhielt.«

»Ich komme, ich komme, verehrter Bruder,« sprach Pater Eustachius, und nachdem er so verschiedentlich ausgerufen hatte: »Ich komme,« ging er endlich wirklich zu dem Abt.

Anmerkung zum siebenten Kapitel.

Zu einigem Ersatz für ihre sonstige Gewissenlosigkeit waren die Gränzer streng in Haltung ihres Wortes, selbst wenn sie es einem Feinde gegeben hatten. Wenn Einer sein feierlich gegebenes Wort brach, dann pflegte Der, welchem es gegeben war, einen Handschuh auf der Spitze eines Speeres auf den nächsten Gränztag zu bringen und den Namen des Schuldigen vor Schotten und Engländern auszurufen. Dies galt als eine so große Schmach für Alle, die mit demselben in Verbindung standen, daß zuweilen seine eignen Stammgenossen ihn umbrachten, um die über sie gebrachte Schande zu tilgen.

Constable, ein Kundschafter im Dienst von Ralph Sadler sagt von zwei Gränzdieben, die er als Wegweiser gebrauchte: »Aus dem Stehlen machen sie sich kein Gewissen, allein um alles Gold in Schottland oder in Frankreich würden sie Keinen verrathen, der sich ihnen anvertraut. Sie sind außer dem Gesetz und dienen mir als Wegweiser. Verriethen sie mich, so könnten sie Begnadigung erwerben und mich an den Galgen bringen. Allein ich habe sie erprobt.« – Sadlers Briefe während des Aufstandes im Norden.



 << zurück weiter >>