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Fünftes Kapitel.

Ich kannt' ihn auf der Schul' – ein guter Kopf,
Nachdenklich, voll Zurückhaltung und Ernst,
Die Essensstunden und die Zeit des Spiels
Der Arbeit widmend, dürstend nur nach Wissen.

Altes Schauspiel.

Dem Verlangen Christie's gemäß begab sich der Subprior in den Thurm. Christie folgte ihm, verschloß die Thür des Zimmers, trat näher und begann seine Rede mit großer Zuversicht und Vertraulichkeit.

»Mein Gebieter,« sprach er, »sendet mich mit seinen besonderen Empfehlungen an Euch, Herr Subprior, mehr als an irgend Jemand sonst aus der Brüderschaft von S. Marien, mehr selbst als an den Abt, denn obwohl dieser sich Gnädiger Herr schelten läßt, und so weiter, so weiß doch alle Welt, daß Ihr die Zunge in der Trompete seid.«

»Wenn Ihr mir irgend Etwas zu sagen habt, was die Brüderschaft zu S. Marien betrifft,« fiel der Subprior ein, »so wäre es gut, dieß ohne Umschweife zu sagen. Die Zeit drängt, und das Schicksal des jungen Glendinning liegt mir schwer auf der Seele.«

»Ich verbürge mich für ihn, Leib für Leib,« sprach Christie. »Ich versichere Euch, so wahr ich lebe, so gewiß lebt er.«

»Sollt' ich nicht der Mutter die fröhliche Kunde bringen?« fragte der Subprior sich selber. – »Nein wir wollen lieber warten, bis sie von der Untersuchung des Grabes zurückkommen. – Also Herr Jackmann, Eure Botschaft an mich von Eurem Herrn!«

»Mein Gnädiger Herr und Meister,« antwortete Christie, »hat guten Grund, zu glauben, daß in Folge der Einflüsterungen gewisser falschen Brüder, die er gelegentlich dafür bezahlen wird, Eure Ehrwürdige Brüderschaft ihn für einen schlechten Anhänger der heiligen Kirche, für einen Verbündeten von Ketzern und Hegern der Ketzerei und für einen Solchen hält, dem nach dem Raube Eurer Abtei gelüste.«

»Macht's kurz, guter Reitersmann,« fiel der Subprior abermals ein; »der Teufel ist nie mehr zu fürchten, als wenn er predigt.«

»Also kurz – mein Herr begehrt Eure Freundschaft, und um sich gegen die Verleumdungen der Uebelwollenden zu rechtfertigen, sendet er Eurem Abt jenen Heinrich Warden, dessen Predigten die Welt verkehrt haben, auf daß ihm geschehe, wie die heilige Kirche vorschreibt, und wie es dem Abt gefallen mag zu verfügen.«

Des Subpriors Augen funkelten bei dieser Kunde. Denn schon seit einiger Zeit strebte man, dieses Mannes habhaft zu werden, welcher so viel Eifer und volksthümliche Beredsamkeit besaß, daß kaum die Predigten von Knox selber aufregender gewirkt hatten und furchtbarer für die römische Kirche gewesen waren.

Das alte System, dessen Lehren den Bedürfnissen und Wünschen einer rohen Zeit so angemessen waren, hatte seit Erfindung der Buchdruckerei und seit der größeren Verbreitung von Kenntnissen, wie ein Seeungeheuer dagelegen, auf welches tausend und abertausend reformirende Fischer ihre Harpunen schossen. Namentlich in Schottland lag die römische Kirche in den letzten Zügen, Blut und Wasser speiend, jedoch immer noch gegen die Angreifer sich wehrend, welche von allen Seiten ihre Waffen in ihren unförmlichen Körper bohrten. In vielen großen Städten waren die Klöster vor der Wuth des Pöbels eingegangen, an andern Orten waren ihre Güter von den mächtigen reformirten Landherren in Besitz genommen worden; demungeachtet bildete die Hierarchie noch einen Theil der Verfassung und konnte nach dem gemeinen Recht auf ihrem Eigenthum und auf ihren Vorrechten bestehen, überall, wo sie die Kraft hatte ihre Ansprüche zu erheben. Das Stift von Sanct Marien zu Kennaquhair befand sich in dieser Lage. Die Gewalt des Abtes und sein Einfluß auf seinem Grundgebiet war noch unverkürzt. Die benachbarten großen Landherren hatten sich noch keine Eingriffe erlaubt, theils weil sie dem alten Glauben anhingen, theils weil Einer dem Anderen den Raub misgönnte. Auch galt es für gewiß, daß das Kloster auf den Schutz der mächtigen Grafen von Northumberland und von Westmooreland rechnen könnte, deren Anhänglichkeit an den katholischen Glauben späterhin die große Empörung im zehnten Jahr der Königin Elisabeth veranlaßte.

In dieser glücklichen Lage, dachten die Freunde der sinkenden katholischen Sache, würde ein Beispiel von Muth und Entschlossenheit von Seiten der mächtigen Klosterbrüderschaft ein thätiges Hervortreten zu neuen Meinungen verhindern, und, unter dem Schutz der Gesetze und mit der Gunst der Herrscherin ausgeübt, dazu dienen, nicht nur dieß Gebiet der römischen Kirche zu erhalten, sondern auch zur Wiedergewinnung des verlornen den Weg zu bahnen.

Die Sache war mehrfach von den Katholiken Nordschottlands erwogen, und es waren denen im Süden Mittheilungen in dieser Beziehung gemacht worden. Pater Eustachius, durch seine äußerlichen und durch seine inneren Gelübde an die Kirche geknüpft, hatte jenen Gedanken mit Feuer ergriffen und hatte darauf gedrungen, daß die Strafe der Ketzerei an dem ersten besten reformirten Prediger, oder nach seiner Ausdrucksweise, an dem ersten Ketzer von Bedeutung vollstreckt würde, welcher sich auf dem Stiftsgebiet betreten ließe. Sein von Natur wohlwollendes und edles Herz wurde hier, wie dies oft geschieht, durch seine eigne Vortrefflichkeit irre geleitet. Eustach würde ein schlechter Verwalter der Inquisition in Spanien gewesen sein, wo diese Gewalt unwiderstehlich war, und wo ihre Sprüche sich ohne Gefahr für den Richter vollziehen ließen. Dort würde seine Strenge sich zu Gunsten des Schuldigen gemindert haben, den er nach Belieben hätte vernichten oder freigeben können. Aber in Schottland war das Verhältniß ein anderes: Hier fragte es sich, ob Einer von der Geistlichkeit den Muth hätte, aufzutreten und die Rechte der Kirche zu behaupten und zu üben; ob sich Einer fände, welcher den Blitzstrahl zu schleudern wagte, oder ob dieser ruhig liegenbleiben müßte, wie in der Hand eines gemahlten Jupiter, ein Gegenstand des Spottes, anstatt des Schreckens. Eine solche Lage der Dinge war geeignet, Eustach's Seele aufzuregen; denn bei ihr galt es die Frage, ob er das Herz hätte, allen Gefahren für seine Person Trotz zu bieten und mit stoischer Strenge eine Maßregel in Ausführung zu bringen, welche nach der allgemeinen Meinung, der Kirche vortheilhaft sein mußte, und welche nach den bestehenden Gesetzen nicht nur zu rechtfertigen sondern auch verdienstlich war.

Während solche Gedanken die Katholiken beschäftigten, brachte nun der Zufall ein Opfer in ihre Hände. Heinrich Warden hatte in seinem Feuereifer die Gränzen der, seiner Sekte verstatteten, Freiheit so weit überschritten, daß die persönliche Würde der Königin erheischte, ihn vor Gericht zu stellen. Er war aus Edinburgh entflohen, jedoch versehen mit Empfehlungen von Herrn Jakob Stewart, der späterhin als Graf von Murray berühmt geworden ist, an Einige der geringeren Gränzhäuptlinge, welche ersucht wurden, ihm freien Paß nach England zu verschaffen. Gerade mit diesen untergeordneten Führern stand bis dahin und noch geraume Zeit nachher Herr Jakob in näherer Verbindung, als mit den mächtigeren und einflußreicheren Herren auf der Gränze. Vornehmlich war jene Empfehlung an Julian Avenel gerichtet. Julian hatte unbedenklich sich mit beiden Parteien eingelassen; indessen so schlecht er auch war, würde er doch gewiß Nichts gegen einen, von Jakob Stewart ihm empfohlenen, Gast unternommen haben, hätte der Prediger sich nicht in seine häuslichen Angelegenheiten gemengt. So wie er aber einmal entschlossen war, den Reformator für die ihm gehaltene Predigt und für das, in seinem Saale gegebene Aergerniß büßen zu lassen, gedachte er mit der ihm eignen Schlauheit, seine Rache mit seinem Vortheil zu verknüpfen. Anstatt also Heinrich Warden in seinem Schloß zu mißhandeln, beschloß er, ihn der Klosterbruderschaft zu S. Marien auszuliefern, diese zum Werkzeug seiner Rache zu machen und einen Anspruch auf Belohnung zu gewinnen, sei es im Geld, sei es mittels Verleihung von Stiftsländereien gegen einen unbedeutenden Erbzins, welches Letztere jetzt bei den weltlichen Landherren die gewöhnliche Weise war, die Geistlichkeit auszuplündern.

Auf diese Weise sah der Subprior von S. Marien unverhoffter Weise den thätigen und unbeugsamen Feind der Kirche in seine Hände geliefert, und sich selber in den Fall gesetzt, seine, den Freunden des katholischen Glaubens gemachte Verheißungen dadurch zu erfüllen, daß er die Ketzerei in dem Blute eines ihrer eifrigsten Bekenner erstickte.

Mehr dem Herzen, als der Festigkeit des Paters zu Ehren müssen wir sagen, daß die Mittheilung, Heinrich Warden sei in seinen Händen, ihn eher mit Schmerz als mit Freude erfüllte. Doch sein nächstes Gefühl war ein erhebendes. »Es ist traurig,« sprach er für sich, »menschliche Qualen zu veranlassen, es ist gräßlich, Menschenblut vergießen zu lassen; aber der Richter, welchem das Schwert von Sanct Paulus sowohl, wie die Schlüssel von Sanct Petrus anvertraut sind, darf vor seinem Beruf nicht zurückbeben. Unsere Waffe fährt auf unsere eigne Brust zurück, dafern wir sie nicht mit Festigkeit und Unerbittlichkeit handhaben wider die unversöhnlichen Feinde der Kirche. Pereat iste! Er sterbe.. Es ist die Strafe, so er verdient hat; und wären alle Ketzer Schottlands in Wehr und Waffen hinter ihm her, so sollten sie den Spruch und, wofern diese möglich wäre, die Vollstreckung nicht hindern. – Führt den Ketzer vor!« rief er mit gebietender Stimme.

Heinrich Warden ward hereingeführt mit gebundenen Händen.

»Tretet alle ab bis auf die nothwendige Wache für den Gefangenen!« befahl der Subprior weiter.

Alle zogen sich zurück mit Ausnahme von Christie, welcher, nachdem er den, ihm untergebenen, Reitern den Befehl abzutreten ertheilt hatte, sein Schwert zog und sich als Schildwache an die Thür stellte.

Richter und Angeklagter traten sich von Angesicht zu Angesicht einander gegenüber, und auf Beider Antlitz sprach sich die edle Zuversicht der Rechtschaffenheit aus. Der Mönch stand im Begriff, mit der größten Gefahr für sich und für seine Brüderschaft dasjenige auszuführen, was er in seiner Unwissenheit als seine Pflicht ansah. Der Prediger, von nicht minder glühendem Eifer getrieben, war bereit für Gottes Sache in den Tod zu gehen und im Nothfall seine Sendung mit seinem Blut zu besiegeln. Wir, die wir so weit von jener Zeit leben, vermögen ihre beiderseitigen Grundsätze richtiger zu würdigen und zu entscheiden, welchem der Preis gebührte. Immerhin aber war der Eifer des Paters so frei von Leidenschaft und persönlichen Absichten, als wenn derselbe sich für eine bessere Sache geregt hätte.

Sie näherten sich einander, beiderseits vorbereitet und gerüstet zu dem geistigen Kampfe, und jeder seinen Gegner in's Auge fassend, als wollte er einen Mangel oder eine Oeffnung in der Rüstung des Widersachers erspähen. Während sie sich so aufmerksam betrachteten, regten sich in beider Herzen alte Erinnerungen beim Anblick lange nicht mehr gesehener aber nicht vergessener Gesichtszüge. Auf der Stirn des Subpriors verloren sich allmählig die gebieterischen Runzeln, bei Warden verschwand allmählig der herausfordernde Blick, bei Beiden das Ansehen düsterer Feierlichkeit. Sie waren in der Jugend vertraute Freunde auf einer ausländischen Universität gewesen, und die Namensveränderung, welche der Prediger um seiner Sicherheit willen, der Mönch der Gewohnheit des Klosters zufolge vorgenommen hatte, war Ursache, daß sie sich bisher in ihren entgegengesetzten Rollen in dem theologischen und politischen Schauspiel nicht erkannt hatten. Jetzt aber rief der Subprior aus: »Heinrich Wellwood;« und der Prediger: »Wilhelm Allan!« – und angeregt durch die alten bekannten Namen und die unvergeßlichen Erinnerungen der Hochschule, legten sie einen Augenblick ihre Hände in einander.

»Löse diese Bande,« sprach der Subprior und half Christien eigenhändig, dieß Geschäft vollziehen, obwohl der Gefangene kaum dasselbe zugeben wollte und mit Nachdruck wiederholte, sein Herz jauchze, daß er Schmach leide um der guten Sache willen. Als jedoch seine Hände frei waren, bewies er seine Erkenntlichkeit durch einen abermaligen Händedruck und einen freundschaftlichen Blick, welche vom Subprior erwidert wurden.

Der Gruß war aufrichtig von beiden Seiten, jedoch war es bloß das freundliche Wiedererkennen und Grüßen feindlicher Kämpen, die Nichts in Haß thun, sondern Alles in Ehren. Da Beide das Drückende ihrer gegenwärtigen Lage fühlten, ließen sie ihre Hände los, traten auseinander und betrachteten sich mit Blicken, welche eher Kummer, als eine eigentliche Leidenschaft ausdrückten. Der Subprior nahm zuerst das Wort.

»Ist dieß das Ende der rastlosen geistigen Thätigkeit, der hochstrebenden und unermüdlichen Liebe zur Wahrheit, welche die Forschung bis auf ihre äußersten Gränzen trieb und den Himmel stürmen zu wollen schien? ist dieß das Ziel von Wellwood's Laufbahn? und nachdem wir uns in unseren schönsten Jahren haben kennen und lieben lernen, müssen wir uns nun in unseren alten Tagen als Richter und als Verbrecher einander gegenüberstehen?«

»Nicht als Richter und Verbrecher,« versetzte Heinrich Warden (mit diesem seinem bekannteren Namen wollen wir ihn, um Verwirrung zu vermeiden, fortwährend bezeichnen), »nicht als Richter und Verbrecher treffen wir uns, sondern als mißleiteter Unterdrücker und als bereitwilliges Opfer. Ich meinerseits könnte fragen: ist dieß die vielversprechende Ernte der klassischen Studien, der scharfen Logik und der mannigfaltigen Kenntnisse von Wilhelm Allan, daß er zur Drohne in einer Zelle herabsinkt und vor dem übrigen Schwarm lediglich durch das hohe Amt ausgezeichnet ist, römische Bosheit zu üben wider alle die, so römischem Trug entgegenwirken?«

»Vor dir,« versetzte der Subprior, »vor dir so wenig, wie vor irgend einem anderen Sterblichen werde ich mich rechtfertigen wegen der Gewalt, mit welcher die Kirche mich bekleidet hat. Sie ist nur auf Zeit verliehen zu ihrer Wohlfahrt – und zu ihrer Wohlfahrt soll sie auf jede Gefahr hin geübt werden ohne Furcht und ohne Gunst.«

»Geringeres habe ich nicht von Eurem irregeleiteten Eifer erwartet,« entgegnete der Prediger. »Und an mir habt Ihr Einen gefunden, an welchem Ihr getrost Eure Macht üben könnt, überzeugt, daß sein Herz bis zum letzten Augenblick Euch so wenig nachgeben wird, als der Schnee des Montblanc, den wir zusammen gesehen haben, unter der heißesten Sommersonne schmilzt.«

»Ich will es glauben,« sprach der Subprior; »gerne glaub' ich, daß dein Herz der Gewalt widersteht, wie das spröde Metall dem Hammer. Laß es denn der Ueberredung nachgeben. Laß uns diese Glaubenspunkte erörtern, so wie wir einst unsere scholastischen Disputationen hielten, wo Stunden, ja selbst Tage hingingen in gegenseitiger Uebung unserer Geisteskräfte. Möglich, daß du vielleicht noch die Stimme des Hirten vernimmst und in den allgemeinen Pferch zurückkehrst.«

»Nein, Allan,« erwiderte der Gefangene, »dieß ist keine müssige Frage, ausgesonnen von träumenden Scholiasten, um ihre Geisteskräfte daran zu wetzen, bis der Kern selber weggetrieben ist. Die Irrthümer, so ich bekämpfe, sind gleich jenen Teufeln, welche sich nur durch Beten und Fasten austreiben lassen. Ach! nicht viele Weise, nicht viele Gelehrte sind auserwählt; die Hütte und der Weiler sollen in unseren Tagen Zeugniß geben wider die Schulen und wider die Schüler. Gerade deine Weisheit, welche Thorheit ist, läßt dich, wie weiland die Griechen, dasjenige für Thorheit halten, was die einzige wahre Weisheit ist.«

»Dieß,« versetzte der Subprior in scharfem Ton, »ist das leere Geplapper unwissender Enthusiasten, welche von der Gelehrsamkeit, von der Autorität, von der sicheren Leitung der Lampe, welche Gott uns in den Concilien und in den Kirchenvätern angezündet hat, kecklich appelliren an eine dünkelhafte, willkührliche Auslegung der Schrift, welche nach der Meinung eines jeden speculativen Ketzers gedreht und gedeutelt wird.«

»Ich verschmähe es, hierauf zu antworten,« sprach Warden. »Die Frage zwischen Eurer und meiner Kirche ist die, ob wir die heilige Schrift als entscheidend annehmen oder die Satzungen und Erfindungen von Menschen, welche eben so gut dem Irrthum unterworfen waren, wie wir es sind, welche unsere Religion entstellt, welche Götzenbilder von Stein und Holz aufgerichtet haben, um diejenigen, welche bei Leibesleben sündige Geschöpfe waren, der, bloß dem Schöpfer gebührenden Anbetung theilhaftig werden zu lassen, welche ein Zollhaus zwischen Himmel und Hölle errichtet haben, jenes einträgliche Fegfeuer, dessen Schlüssel der Papst in Händen hat, um, gleich einem ungerechten Richter für Gaben die Strafen zu verwandeln, und« – –

»Ruhig, Lästerer!« herrschte ihm der Subprior zu, »oder ich will dir das Maul mit einem Knebel stopfen.«

»Ja wohl!« versetzte Warden, »das ist die Freiheit der christlichen Besprechung, zu der uns Roms Priester so liebreich einladen. Der Knebel, die Folter, das Beil, das ist die ratio ultima Romae Roms letzter Beweisgrund.. Aber wisse, mein alter Freund, daß der Sinn deines früheren Genossen durch das Alter nicht geändert ist, und daß er noch immer sich getraut, für die Sache der Wahrheit alles das zu leiden, was deine stolze Priesterschaft zu verhängen wagt.«

»Daran zweifle ich nicht,« sprach der Mönch. »Du warst stets ein Löwe, der sich wider den Speer des Jägers kehrte, nicht ein Hirsch, der sich vor dem Ton seines Hüfthorns entsetzte.« – Er schritt schweigend in dem Gemache auf und ab. »Wellwood,« hob er endlich wieder an, »wir können nicht länger Freunde sein; unser Glaube, unsere Hoffnung, unser Anker in der Zukunft ist nicht mehr derselbe.«

»Tief bekümmert bin ich,« sprach der Reformator, »daß du die Wahrheit sprichst. Gott sei mein Zeuge, daß ich mit meinem Herzblut die Bekehrung einer Seele, wie die deinige ist, erkaufen möchte.«

»Ich gebe dir den Wunsch zurück, und zwar mit besserem Grund,« versetzte der Subprior. »Ein Arm, wie der deinige, sollte die Bollwerke der Kirche vertheidigen, und er kehrt jetzt wider sie den Mauerbrecher und macht den Wallbruch gangbar, durch welchen Alles, was gierig, was niederträchtig, wankelmüthig und unbesonnen ist in diesem neuenden Zeitalter, vorzudringen hofft zur Zerstörung und zum Raub. Aber da es nun einmal unser Loos ist, daß wir nicht mehr neben einander als Freunde kämpfen können, so laß' uns wenigstens als edelmüthige Feinde handeln. Du kannst nicht vergessen haben

» O gran bontá dei cavalieri antichi!
Erano nemici, eran' di fede diversa
« – – O große Trefflichkeit der alten Ritter!
Sie waren Gegner und verschied'nen Glaubens.
.

»Doch, wer weiß,« fügte er hinzu, sein Citat abbrechend, »dein neuer Glaube verbietet dir vielleicht, in deinem Gedächtniß einen Platz zu bewahren für das, was große Dichter von Treue und Edelsinn gesungen haben.«

»Der Glaube Buchanan's,« versetzte der Prediger, »der Glaube Buchanan's und Beza's kann der Literatur nicht abgünstig sein. Allein der Dichter, den du angeführt hast, enthält Stellen, welche eher für einen lüderlichen Hof, als für ein Kloster passen.«

»Ich könnte den Vorwurf auf Euren Theodor Beza zurückfallen lassen,« sprach lächelnd der Subprior; »allein ich hasse die Art zu urtheilen, welche, gleich der Schmeißfliege, über das Gesunde hinschwärmt, um einen faulen Fleck zu entdecken und darauf zu verweilen. Doch zur Sache. Wenn ich dich als Gefangenen nach S. Marien führe oder führen lasse, so ist diese Nacht der Kerker und morgen der Galgen dein Loos. Laß ich dich frei von hinnen ziehen, so versündige ich mich an der heiligen Kirche und breche mein feierliches Gelübde. Vielleicht werden in der Hauptstadt andere Entschließungen gefaßt, oder es kommen bald bessere Zeiten. Willst du Gefangener auf Ehrenwort sein, auf Auslösung oder Nichtauslösung hin, wie die Kriegsleute es nennen? Willst du das feierlich versprechen und auf meinen Ruf vor Abt und Kapitel von S. Marien erscheinen und dich von diesem Hause keinen Büchsenschuß weit in irgend einer Richtung entfernen? Willst du, sag' ich, mir hiefür dein Wort verpfänden? Denn ich baue so sehr auf deine Treue, daß ich dich auf dein Wort hin unbelästigt und ohne Einsperrung hier lassen will lediglich mit der Verbindlichkeit, auf Erfordern vor unserem Gericht zu erscheinen.«

Der Prediger besann sich einen Augenblick und antwortete dann: »Ich will nicht meine natürliche Freiheit durch eine selbst übernommene Verpflichtung fesseln. Aber ich bin einmal in Eurer Gewalt und Ihr könnt mich zwingen vor Euch Rede zu stehen. Durch das Versprechen, in einem gewissen Bezirk zu bleiben und auf Erfordern zu erscheinen, verzichte ich auf keine Freiheit, welche ich gegenwärtig besitze; im Gegentheil, als Gefangener und Eurer Willkühr preisgegeben, erlange ich damit eine Freiheit, welche ich gegenwärtig nicht besitze. Ich nehme also dein freundliches Erbieten an, da ich es in Ehren thun kann.«

»Doch halt!« sprach der Subprior, »ein wesentlicher Theil deiner Verpflichtung ist vergessen. – Du mußt ferner versprechen, daß du, während du in dieser leidlichen Haft bist, weder direct noch indirect irgend eine der verderblichen Ketzereien lehren oder predigen willst, durch welche heutzutage so viele Seelen aus dem Himmelreich in's Reich der Finsterniß verlockt werden.«

»Damit ist unsere Verhandlung abgebrochen,« sprach Warden mit Festigkeit. »Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige!«

Die Miene des Subpriors verfinsterte sich, und er ging abermals in dem Zimmer auf und ab und murmelte: »Verwünscht sei der eigensinnige Thor!« Plötzlich stand er still, und wandte sich wieder an den Prediger: »Heinrich, deinen eignen Reden nach ist deine Weigerung bloser Eigensinn. Es steht in meiner Macht, dich an einen Ort zu bringen, wo deine Predigt kein menschliches Ohr erreichen kann. Versprichst du also, dich desselben zu enthalten, so gewährst du nichts, was zu verweigern in deiner Macht steht.«

»Das weiß ich nicht,« entgegnete Warden. »Du kannst mich allerdings in einen Kerker werfen; allein kann ich vorhersagen, ob mein Meister mir nicht etwas zu thun gibt, selbst in jener traurigen Wohnung? Die Ketten von Heiligen sind vor Zeiten das Mittel gewesen, Satans Bande zu brechen. In einem Gefängniß fand der heilige Paulus den Kerkermeister, den er zum Glauben an das Wort des Heiles brachte sammt all' seinem Hause.«

»Nein,« rief der Subprior, halb zornig halb spöttisch, wenn du dich dem seligen Apostel an die Seite stellst, dann ist es Zeit, ein Ende zu machen. Bereite dich zu leiden, was deine Thorheit sowohl, wie deine Ketzerei verdient. – Binde ihn, Söldner!«

Mit stolzer Ergebung in sein Schicksal und mit einem mitleidigen oder verächtlichen Lächeln gegen den Subprior, reichte der Prediger seine Hände zum Fesseln dar.

»Schone mich nicht,« sprach er zu Christie, denn selbst dieser Raubmörder nahm Anstand, den Strick fest anzuziehen.

Der Subprior betrachtete ihn unter seiner Kapuze hervor, welche er über den Kopf und zum Theil über das Gesicht gezogen hatte, als wollte er seine Gemüthsbewegungen verbergen. Seine Empfindungen waren die eines Jägers, dem ein Edelhirsch im Schuß steht und der zu sehr betroffen ist über die Herrlichkeit des Kopfes und Geweihes, als daß er ihn auf's Korn nehmen könnte. Es waren die Empfindungen eines Schützen, welcher auf einen Königsadler ziehlt, und dem der Entschluß schwer wird, seinen Vortheil zu benutzen, wenn er den Beherrscher der Lüfte sich brüsten sieht in stolzer Verachtung alles dessen, was wider ihn unternommen werden könnte. Das Herz des Subpriors, so bigott er auch war, erweichte sich, und er war unschlüssig, ob er durch strenge Erfüllung seiner vermeintlichen Pflicht die Gewissensbisse erkaufen sollte, welche er dereinst empfinden möchte wegen des Todes eines im Denken und Wollen so unabhängigen und edlen Menschen, obendrein des Freundes seiner glücklichsten Jahre, mit dem er Hand in Hand auf dem Weg der Erkenntniß vorgedrungen war und der, in Erholungsstunden seinen Genuß an den Werken der Classiker getheilt hatte.

Er legte die Hand an seine halbüberschattete Wange und senkte das fast unsichtbare Auge auf den Boden, als wollte er seine weicheren Gefühle verbergen.

»Wäre nur Edward vor Ansteckung sicher,« dachte er – »Edward, der mit Feuereifer allem nachjagt, was nur einigermaßen wie Wissenschaft aussieht! Den Weibern könnte ich dann schon diesen Schwärmer überlassen, sobald ich ihnen bedeutet hätte, daß sie nicht ohne Sünde auf seine Träumereien achten können.«

Während der Subprior so überlegte und zögerte, denjenigen Befehl zu geben, welcher das Schicksal des Gefangenen entscheiden mußte, ward seine Aufmerksamkeit durch ein Geräusch am Thor abgelenkt. Im nächsten Augenblick stürzte Edward mit glühenden Wangen in das Gemach.



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