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Erstes Kapitel.

Die Mönche, ja von ihnen kam das Unheil,
Die Rohheit all' und aller Aberglaube
In einer rohen abergläub'schen Zeit.
Der Sturm war heilsam. Preis ihm, der ihn sandte,
Um all' die gift'gen Dünste zu zerstreuen.
Doch daß wir alle sie der Hur' verdankten,
Die thront auf sieben Hügeln mit dem Becher,
Glaub' ich nicht mehr und minder mit Sir Roger,
Als daß mit Katz und Besenstiel die alte
Marie jüngst aufflog und den Donner machte.

Altes Schauspiel

Der in der Handschrift des Benedictiners mit dem Namen Kennaquhair bezeichnete Ort hat in diesem seinem Namen dieselbe celtische Endung, die in Traquhair, Caquhair und andern celtischen Zusammensetzungen vorkommt. Der gelehrte Chalmers deutet das Wort Quhair als den gekrümmten Lauf eines Flusses: eine Deutung, welche vortrefflich paßt zu den Schlangenwindungen des Flusses Tweed, in dessen Nähe der beregte Ort liegt. Lange ist derselbe berühmt gewesen durch das prächtige Kloster zu St. Maria, gegründet durch David den Ersten von Schottland, unter dessen Regierung in derselben Grafschaft sich die nicht minder glänzenden Stifter Melrose Jedburgh und Kelso erhoben. Die Schenkungen an Land, mit welchen der König diese reichen Klöster begabte, haben ihm bei den Mönchsschriftstellern den Beinamen des Heiligen erworben und von einem seiner verarmten Nachkommen den Vorwurf zugezogen, daß er ein schlimmer Heiliger für die Krone gewesen sei.

Es ist indessen wahrscheinlich, daß David, ein eben so weiser als frommer Herrscher, nicht lediglich durch Gründe der Frömmigkeit zu dieser großen Freigebigkeit gegen die Kirche bestimmt wurde, sondern daß er mit derselben politische Zwecke verknüpfte. Seine Besitzungen in Northumberland und Cumberland waren unsicher geworden nach dem Verlust der Standartenschlacht, und da sich voraussehen ließ, daß das vergleichungsweise fruchtbare Teviotthal die Gränze seines Reiches werden würde, so scheint es, er wünschte wenigstens einen Theil dieser werthvollen Besitzungen dadurch zu sichern, daß er sie in die Hände der Mönche gab, deren Eigenthum lange Zeit geschont wurde, selbst im Toben eines Gränzkriegs. So nur hatte der König einige Aussicht, den Bebauern des Bodens Schutz und Sicherheit zu verschaffen; und wirklich waren Jahrhunderte hindurch die Ländereien dieser Abteien eine Art von Land Gosen, welches im Sonnenschein des Friedens und der Sicherheit gedieh, während das übrige Königreich unter der Hand wilder Stämme und räuberischer Landherren einen düsteren Schauplatz von Verwirrung, Blut und unaufhörlichen Gewaltthätigkeiten bildete.

Doch dieser Schutz hat nicht gedauert bis zur Vereinigung der beiden Kronen. Lange vor diesem Zeitpunkt hatten die Kriege zwischen England und Schottland ihre ursprüngliche Beschaffenheit, als Feindseligkeiten zweier Völker, die auf gleichem Fuß stehen, verloren und waren ausgeartet, von Seiten der Engländer in einen Kampf um Unterdrückung, auf Seiten der Schotten in eine verzweifelte, grimmige Gegenwehr zur Vertheidigung ihrer Freiheit. Dieß erweckte bei beiden Theilen eine Gehässigkeit, welche in ihrer früheren Geschichte unbekannt ist; die religiösen Bedenklichkeiten wichen vor dem durch Raubsucht gestachelten Nationalhaß, und das Kirchengut war nicht länger vor Einfällen gesichert. Immer jedoch hatten die Dienst- und Lehenleute der großen Abteien manchen Vortheil vor denen der weltlichen Landherren, die zu stetem Felddienst gehetzt wurden, bis sie am Ende aus Verzweiflung allen Geschmack an den Künsten des Friedens verloren. Die Lehenleute der Kirche wurden nur zum allgemeinen Landkrieg aufgeboten, und genossen außerdem den vergleichungsweise ruhigen Besitz ihrer Pachtungen und Feuerstellen Kleine Erbleihgüter, für welche die Hintersassen entweder eine Kleinigkeit in Geld oder einen geringen Theil des Ertrags zu entrichten hatten. Durch Vergebung solcher kleiner Lehen bevölkerten die Würdenträger der Kirche am liebsten ihre Klostergüter, und noch findet man viele Abkömmlinge jener Hintersassen in Besitz ihrer Erbleihgüter in der Nähe der großen Klöster von Schottland.. Bei ihnen fand man daher größere Geschicklichkeit in Allem, was auf den Landbau Bezug hat; sie waren wohlhabender und besser unterrichtet, als das kriegerische Gefolge der unruhigen Häuptlinge und Landherren in der Nachbarschaft.

Die Lehenträger der Kirche wohnten gewöhnlich in einem kleinen Dorf oder Weiler, dreißig oder vierzig Familien nahe beisammen zu wechselseitigem Schutz und Hülfe. Ein solcher Ort hieß eine Stadt ( Town) und das den Bewohnern desselben gehörende Land hieß die Stadtschaft ( Township.) Die verschiedenen Familien besaßen gewöhnlich das Land gemeinschaftlich, d. h. zu gemeinschaftlicher Bearbeitung, aber zu ungleichen Theilen, d. h. der Ertrag ward so vertheilt, wie es die Verleihung bestimmte. Der eigentlich urbare Boden der Stadtschaft, welcher stets unter dem Pflug war, hieß das Infeld. Hier ersetzte die Düngung die dem Boden fortwährend entzogene Kraft, so daß erträglicher Hafer und Gerste gewonnen wurde. Außerdem gab es Ausfeld, von welchem man dann und wann eine Ernte in Anspruch nahm, es dann wieder auf einige Jahre den ›himmlischen Einflüssen‹ überlassend, bis der ausgesaugte Boden wieder zu Kräften gekommen wäre. Jeder Hintersasse konnte nach Belieben ein Stück Ausfeld in Bearbeitung nehmen, und der Ertrag davon gehörte ihm. Die Arbeit war hier mühsamer, der Ertrag unsicherer. Außerdem diente das Ausfeld, wie die nahen Hügel, zur Schaftrift. Weiterhin boten ausgedehnte Moorgründe, in welchen stellenweise gutes Gras wuchs, Weide für das Vieh der Hintersassen. Jeden Morgen im Sommer ward es vom Stadthirten hinaus – und jeden Abend wieder hereingetrieben. Die Nacht über ließ man es bloß darum nicht im Freien, damit es nicht Schnapphähnen in der Nachbarschaft zur Beute würde. Landwirthe unserer Tage schlagen die Hände über dem Kopf zusammen bei dieser Beschreibung, allein diese Art der Landwirthschaft findet sich noch jetzt in einigen Gegenden von Nordschottland und durchgängig auf den Shetlandinseln.

Die Wohnungen der Hintersassen der Kirche waren nicht minder kunstlos, als ihr Ackerbau. In jeder sogenannten Stadt befanden sich mehrere kleine Thürme mit Ueberhängen an den Seiten und gewöhnlich auch mit einem oder zwei vorspringenden Winkeln, deren Schießscharten den Thorweg bestrichen. Das Thor eines solchen Thurmes war von starken eichenen Bohlen, mit Nägeln beschlagen, und vor demselben befand sich zuweilen ein eisernes Gatter. In diesen kleinen Blockhäusern wohnten für gewöhnlich die vornehmsten Hintersassen mit ihren Familien; allein die Nachricht von einer drohenden Gefahr drängte die ganze Ortsbewohnerschaft aus ihren elenden Hütten, die rings um die Thürme lagen, herbei, um diese Verteidigungswerke zu besetzen. Es war dann nicht so ganz leicht für einen feindlichen Trupp, in das Dorf einzudringen, denn die Leute waren im Gebrauch des Bogens und der Büchsen geübt, und die Thürme standen so, daß die Schüsse von dem einen die von dem andern kreuzten, so daß es nicht möglich war, einen allein ungehindert anzugreifen.

Das Innere der Thürme sowohl, wie der Hütten war in der Regel ziemlich armselig, denn es wäre thöricht gewesen sie in einer Weise auszustatten, welche die Habgier der gesetzlosen Nachbarn hätte reizen können. An den Leuten selber hingegen bemerkte man einen Grad von Wohlstand und Kenntniß, wie man kaum hätte erwarten sollen. Das Infeld lieferte ihnen Brod und Hausbier, die Heerden Rind- und Hammelfleisch, – denn Lämmer oder Kälber zu schlachten ließ man sich nicht einfallen. Im November schlachtete jede Haushaltung einen fetten Ochsen, dessen Fleisch für den Winter eingesalzen wurde. Bei feierlichen Gelegenheiten konnte die Hausfrau auch wohl eine Schüssel Tauben oder einen fetten Kapaun auftragen. Der schlecht bebaute Garten lieferte ›Langkohl,‹ der Fluß Lachs als Leckerbissen in der Fastenzeit.

An Feuerung fehlte es nicht, denn die Moore gewährten Torf und die Reste der übel behandelten Wälder Holz zum Brennen sowohl wie zum Bauen. Zum Ueberfluß zog der Hausvater zuweilen in's Gehölz und erlegte mit seiner Armbrust oder Büchse ein Stuck Rothwild; und der Pater Beichtiger versagte selten Absolution für das Vergehen, wenn er gebührend eingeladen wurde, seinen Antheil von dem dampfenden Ziemer zu nehmen. Keckere machten auch wohl mit ihren Hausgenossen oder in Gemeinschaft mit den Mooskleppern, ›einen An- und Ueberlauf,‹ wie es die Hirten nannten, und der Goldschmuck und die seidenen Hauben der Frauen von etlichen der angeseheneren Familien wurden von den neidischen Nachbarn als Früchte solcher gelungenen Unternehmungen betrachtet. Dergleichen war jedoch in den Augen des Abtes und der Brüderschaft zu St. Marien ein schwerer zu sühnendes Verbrechen, als das Leihen eines der Rehe des guten Königs, und sie unterließen nicht, durch alle in ihrer Gewalt stehenden Mittel Vergehen zu bestrafen, welche schwere Vergeltung an den Gütern der Kirche herbeiführen und dem Ruf ihrer friedlichen Unterthanen schaden mußten.

Was den Unterricht dieser Untergebenen der Klöster betrifft, so konnte man wohl sagen, sie waren besser genährt als unterwiesen, auch wenn ihr Tisch schlechter gewesen wäre, als er wirklich war. Doch hatten sie Gelegenheiten, Kenntnisse zu erwerben, die Andern fehlten. Die Mönche waren im Allgemeinen mit ihren Lehen- und Dienstleuten genau bekannt, und heimisch in den wohlhabenderen Familien, wo man ihnen die Ehrerbietung erwies, welche ihre zwiefache Eigenschaft als geistliche Väter und weltliche Grundherren in Anspruch nahm. Und so geschah es oft, daß, wenn ein Knabe Anlagen und Neigung zum Lernen zeigte, einer der Patres, entweder um ihn für die Kirche zu erziehen, oder aus reinem Wohlwollen, oder in Ermangelung eines besseren Beweggrundes, zum Zeitvertreib, ihn in die Geheimnisse des Lesens und Schreibens einweihte oder ihm sonstige Kenntnisse mittheilte, die er selber besaß. Die Häupter dieser Familien, welche mehr Zeit zum Nachdenken, mehr Geschicklichkeit und stärkere Gründe hatten, ihre kleinen Besitzungen zu verbessern, galten bei ihren ferneren Nachbarn für aufgeweckte Leute, die Etwas verstünden und die sich Etwas auf ihren verhältnißmäßigen Wohlstand zu Gute thaten, während sie auf der andern Seite gering geschätzt wurden, als weniger kriegerisch und unternehmend, denn die anderen Gränzer. Sie lebten so viel wie möglich unter sich, mieden die Gesellschaft Anderer und fürchteten Nichts mehr, als in die ewigen Fehden der weltlichen Landsassen verwickelt zu werden.

So etwa war der Zustand dieser Stifter. Während der verderblichen Kriege zu Anfang der Regierung der Königin Maria hatten sie durch feindliche Einfälle schrecklich gelitten. Denn die Engländer, jetzt Protestanten, waren so weit entfernt, die Kirchengüter zu schonen, daß sie dieselben vielmehr härter mitnahmen, als die Besitzungen der Laien. Doch der Friede von 1550 hatte diesen verheerten Gegenden wieder einige Ruhe geschenkt, und Alles begann wieder in das alte Geleise zurückzukehren Die Mönche stellten ihre verwüsteten Altäre wieder her, der Hintersasse brachte seine kleine vom Feind zerstörte Festung wieder unter Dach, der arme Landmann baute seine Hütte wieder auf, – ein leichtes Geschäft, wozu einige Rasenstücke, Steine und ein paar Bäume aus dem nahen Gehölze hinreichten. Das Vieh endlich ward aus den Wüsteneien und Waldungen, wohin man es geflüchtet hatte, wieder hervorgetrieben, und der gewaltige Stier schritt an der Spitze seines Serails einher, Besitz von den gewohnten Weiden zu nehmen. Friede und Ruhe, soweit es die Zeit und die Art des Volkes überhaupt zuließ, herrschten wieder im Stift zu St. Marien und auf seinen Gütern für etliche Jahr.



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