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Fünfzehntes Kapitel.

Im Osten strahlt die Sonne hoch und hell,
Die Dunkelheit entflieht mit ihren Schatten, –
So siegt die Wahrheit über jede Lüge.

Altes Schauspiel.

Als Tressilian über die Brücke ritt, die noch vor Kurzem die Scene des ausgelassensten Scherzes gewesen war, konnte er nicht umhin zu bemerken, daß die Gesichtszüge der Menschen sich während seiner kurzen Abwesenheit auf seltsame Weise verändert hatten. Das scherzhafte Gefecht war zu Ende, aber die Leute standen noch in ihren Maskenanzügen in Gruppen bei einander, gleich den Einwohnern einer Stadt, die durch eine seltsame und beunruhigende Nachricht erschreckt sind.

Auf dem Hofplatze zeigte sich ihm derselbe Anblick – Diener, Cavaliere und Unterbeamte standen flüsternd bei einander und richteten ihre Augen auf die Fenster der großen Halle, mit Blicken, die zugleich beunruhigt und geheimnißvoll waren.

Sir Nicolas Blount trat ihm entgegen und sagte, indem er ihm keine Zeit zum Fragen ließ: »Gott helfe Dir, Tressilian, Du bist mehr zu einem Bauer, als zu einem Hofmanne geschickt, und weißt nicht, wie Du Dich im Gefolge Ihrer Majestät zu betragen hast. – Hier ruft man Dich und erwartet Dich, und da kommst Du mit einem mißgestalteten Kobold auf dem Nacken Deines Pferdes angetrabt.«

»Was ist denn vorgegangen?« fragte Tressilian, indem er den Knaben losließ, welcher leicht wie eine Feder auf den Boden sprang, während er selber abstieg.

»Nun das weiß Niemand,« versetzte Blount; »ich selber kann es nicht einmal herauswittern, obgleich ich doch eine so gute Nase habe, wie alle andere Hofleute. Mylord von Leicester sprengte eben über die Brücke, bat um eine Audienz bei der Königin, und ist jetzt mit ihr, Burleigh und Walsingham eingeschlossen, und auch Dich ruft man; aber ob von Hochverrath die Rede ist, oder wovon sonst, weiß Niemand.«

»Beim Himmel! er redet die Wahrheit,« sagte Raleigh, der in dem Augenblick zu ihnen trat, »Du mußt sogleich zur Königin.«

»Sei nicht zu rasch, Raleigh,« sagte Blount, »denke an seine Stiefeln. – Um des Himmelswillen, lieber Tressilian, geh auf mein Zimmer und ziehe meine geblümten seidenen Beinkleider an – ich habe sie erst zwei Mal getragen.«

»Pah!« antwortete Tressilian, »sorge Du nur für diesen Knaben, Blount; sei freundlich gegen ihn, und sieh' zu, daß er nicht entflieht – er ist uns sehr wichtig.«

Mit diesen Worten folgte er Raleigh hastig, und ließ den ehrlichen Blount zurück, in der einen Hand den Zügel des Pferdes, und den Knaben an der andern.

»Mich ruft Keiner zu diesen Geheimnissen,« sagte Blount, indem er ihm nachsah, »und er läßt mich hier zurück, um nach einem Pferde und einem Buben zu sehen. Das Eine möchte ich schon entschuldigen, denn ich liebe ein gutgeartetes Pferd; aber mit einem mißgestalteten Kobold belästigt zu werden! – Woher kommst Du, mein hübsches kleines Bübchen?«

»Von der Haide,« antwortete der Knabe.

»Und was lerntest Du da, mein witziger Bursche?«

»Narren zu fangen in rothen Beinkleidern und gelben Strümpfen,« sagte der Knabe.

»Hm!« sagte Blount, indem er auf seine ungeheuren Rosen niederblickte; »da mag der Teufel Dir mehr Fragen vorlegen.«

Mittlerweile ging Tressilian der Länge nach durch die große Halle, wo die erstaunten Hofleute verschiedene Gruppen bildeten, und einander geheimnißvoll zuflüsterten, während die Augen Aller auf die Thür gerichtet waren, welche vom obern Ende der Halle zu den Zimmern der Königin führte. Raleigh deutete auf die Thüre – Tressilian klopfte an, und wurde sogleich eingelassen.

Viele Hälse streckten sich aus, um einen Blick in das Innere des Zimmers zu thun; doch der Vorhang, welcher die Thür von Innen bedeckte, wurde so schnell wieder zugezogen, daß sie ihre Neugierde nicht im Geringsten befriedigen konnten.

Bei seinem Eintritt sah sich Tressilian nicht ohne heftiges Herzklopfen in Gegenwart der Königin, welche in heftiger Aufregung, die sie nicht verbergen zu wollen schien, auf- und abging, während drei ihrer weisesten und vertrautesten Rathgeber ängstliche Blicke mit einander wechselten, aber nicht reden zu wollen schienen, bis ihre Wuth sich gelegt habe. Vor dem leeren Stuhle, auf dem sie gesessen, und den sie bei der Heftigkeit, womit sie aufgesprungen war, halb auf die Seite geworfen hatte, kniete Leicester mit über die Brust gekreuzten Armen und auf den Boden gerichteten Blicken, still und bewegungslos, wie ein Bild auf einem Grabmal. Neben ihm stand Lord Shrewsbury, damals Marschall von England, der seinen Amtsstab in der Hand hielt – das Schwert des Grafen war abgeschnallt und lag vor ihm auf dem Boden.

»Wie, Herr!« sagte die Königin, indem sie auf Tressilian zuging, und in der Weise Heinrichs des Achten auf den Boden stampfte – »Ihr wußtet um diese schöne Geschichte? – Ihr seid mitschuldig an dieser Täuschung, die man gegen Uns angewendet hat? – Ihr seid mit daran schuldig, daß Wir eine Ungerechtigkeit begangen haben?« Tressilian ließ sich auf ein Knie vor der Königin nieder, während sein Verstand ihm die Gefahr zeigte, sich in einem solchen Augenblicke der Aufregung zu vertheidigen. »Bist Du stumm, Kerl?« fuhr sie fort; »Du wußtest um diese Sache, nicht wahr?«

»Nein, gnädigste Fürstin, ich wußte nicht, daß diese arme Dame die Gräfin von Leicester sei.«

»Auch soll sie Niemand als solche erkennen,« sagte Elisabeth. »Tod meines Lebens! Gräfin von Leicester! – Ich sage Frau Emma Dudley, und sie kann von Glück sagen, wenn sie sich nicht die Wittwe des Verräthers Robert Dudley nennen muß.«

»Gnädigste Frau,« sagte Leicester, »thut mit mir, was Ihr wollt, aber fügt diesem Herrn kein Leid zu – er hat es durchaus nicht verdient.«

»Und meinst Du, daß Deine Fürbitte ihm nutzen wird,« sagte die Königin, indem sie Tressilian verließ, der langsam aufstand, und auf Leicester zueilte, welcher noch kniete – »meinst Du, daß Deine Fürbitte ihm nützen wird, Du falscher, meineidiger Verräther, dessen Schurkerei mich vor meinen Unterthanen lächerlich gemacht hat und mir selber verhaßt? – Ich möchte mir die Augen ausreißen, weil ich so blind gewesen.«

Jetzt wagte Burleigh vorzutreten.

»Gnädigste Frau,« sagte er, »bedenkt, daß Ihr Königin – Königin von England – Mutter Eures Volkes seid. Gebt Euch nicht diesem wilden Sturme der Leidenschaft Preis.«

Elisabeth wendete sich zu ihm, während eine Thräne in ihrem stolzen und zornigen Auge funkelte. »Burleigh,« sagte sie, »Du bist ein Staatsmann – Du kannst nicht zur Hälfte die Verachtung – nicht zur Hälfte das Elend begreifen, welches dieser Mensch über mich ausgegossen hat.«

Mit der äußersten Vorsicht – mit der tiefsten Ehrfurcht ergriff Burleigh in dem Augenblicke ihre Hand, wo ihr Herz am vollsten war, und führte sie in eine Fenstervertiefung.

»Gnädigste Frau,« sagte er, »ich bin ein Staatsmann, aber ich bin auch zugleich ein Mann – ein Mann, – der bereits alt geworden ist in Eurem Staatsrath, und der keinen andern Wunsch auf Erden hat, noch haben kann, als Euren Ruhm und Euer Gluck – ich bitte, faßt Euch.«

»Ach, Burleigh!« sagte Elisabeth, »Du weißt nicht –« hier rollten Thränen über ihre Wangen.

»Ich weiß, verehrteste Fürstin. O! hütet Euch, Andere zur Vermuthung dessen zu führen, was sie nicht wissen!«

»Ha!« rief Elisabeth, plötzlich wie bei einem neuen Gedanken verweilend. »Burleigh, Du hast Recht – Du hast Recht – Alles, nur keine Schande – Alles, nur kein Bekenntniß der Schwäche – Alles lieber, als getäuscht und verachtet zu erscheinen. Tod und Hölle! der bloße Gedanke ist Wahnsinn!«

»Seid nur Ihr selber, meine Königin,« sagte Burleigh, »und erhebt Euch hoch über eine Schwäche, deren kein Engländer je seine Elisabeth für fähig halten könnte, wenn nicht die Heftigkeit ihrer Täuschung ihm die traurige Ueberzeugung aufdringt.«

»Was, Schwäche, Mylord?« sagte Elisabeth stolz; »wollt auch Ihr andeuten, daß die Gunst, die ich jenem übermüthigen Verräther gewährte, ihre Quelle in« – doch sie konnte den stolzen Ton nicht länger fortführen, den sie angenommen hatte, und sagte das Folgende mit milderem Ausdruck: »aber warum sollte ich mich bemühen, auch Dich zu täuschen, mein guter und weiser Diener?«

Burleigh beugte sich, ihre Hand zärtlich zu küssen – und so selten es auch ist in den Jahrbüchern der Höfe – eine Thräne wahrer Theilnahme fiel aus dem Auge des Ministers auf die Hand seiner Herrscherin.

Es ist wahrscheinlich, daß das Bewußtsein, diese Theilnahme zu besitzen, Elisabeth ihre Kränkung ertragen und ihren äußersten Zorn unterdrücken half; doch wurde sie noch viel mehr von der Furcht bewegt, ihre Leidenschaft möge dem Volke ihre Schmach und Kränkung verrathen, die sie als Weib und als Königin gleich lebhaft zu verbergen wünschte. Sie wendete sich von Burleigh, ging finster in der Halle auf und ab, bis ihre Züge ihre gewohnte Würde wieder erlangt hatten, und ihre Bewegungen wieder ruhig waren, wie sonst.

»Unsere Herrscherin hat das Bewußtsein ihres edlen Selbst wieder erlangt,« flüsterte Burleigh Walsingham zu; »beachtet was sie thut, aber hütet Euch ihr in den Weg zu treten.«

Dann näherte sie sich Leicester und sagte ruhig: »Mylord von Shrewsbury, Wir erlassen Euch die Aufsicht über Euren Gefangenen. – Mylord von Leicester, steht auf und nehmt Euer Schwert wieder. Eine Viertelstunde des Zwanges unter dem Gewahrsam Unseres Marschalls wird, denke ich, keine zu schwere Strafe sein für eine Falschheit, die Ihr Monate lang gegen Uns ausgeübt habt. Wir wollen jetzt das Weitere von der Sache hören.« – Dann setzte sie sich auf ihren Stuhl und sagte: »Tretet vor, Tressilian, und sagt Uns, was Ihr von der Sache wißt.«

Tressilian erzählte seinen Bericht und unterdrückte auf edelmüthige Weise Alles, was Leicester hätte schaden können, auch sagte er nichts davon, daß sie sich zwei Mal duellirt hatten. Es ist wahrscheinlich, daß er dem Grafen dadurch einen guten Dienst erwies, denn hätte die Königin in dem Augenblicke Etwas gefunden, weshalb sie ihre Wuth an ihm hätte auslassen können, ohne die Gefühle an den Tag zu legen, deren sie sich schämte, so möchte es ihm schlimm ergangen sein.

»Wir wollen jenen Wayland in Unsere Dienste nehmen,« sagte sie, als Tressilian seinen Bericht geendet hatte, »und den Knaben zum Secretär bilden lassen, damit er lerne, was Briefe für Wichtigkeit haben. Ihr, Tressilian, thatet Unrecht, Uns nicht sogleich das Ganze mitzutheilen, und Euer Versprechen, es nicht zu thun, war zugleich unverständig und gesetzwidrig. Doch da Ihr einmal dieser unglücklichen Dame das Wort gegeben hattet, so mußtet Ihr es als Mann und Cavalier halten, und im Ganzen achten Wir Euch wegen Eures Benehmens in dieser Sache. – Mylord von Leicester, jetzt ist es an Euch, Uns die Wahrheit zu sagen, was Ihr Euch in der letzten Zeit etwas zu sehr abgewöhnt habt.«

Darauf brachte sie durch Fragen die ganze Geschichte seiner ersten Bekanntschaft mit Emma Robsart heraus. Er erzählte ihr von seiner Heirath – von seiner Eifersucht, – von den Veranlassungen dazu, und außerdem noch von manchen Einzelnheiten. Leicesters Beichte, denn so konnte man sie nennen, wurde ihm nur nach und nach abgerungen, und war im Ganzen richtig, ausgenommen, daß er nicht erwähnte, in Varney's Pläne gegen das Leben der Gräfin gewilligt zu haben. Das Bewußtsein dessen aber lag ihm in dem Augenblicke am meisten am Herzen, und obgleich er sich auf den Widerruf verließ, den er ihm durch Lambourne geschickt, war es seine Absicht, sich in Person nach Cumnor Place zu begeben, sobald die Königin es ihm gestatte, denn er glaubte, sie werde Kenilworth sogleich verlassen.

Aber der Graf hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Zwar war seine Gegenwart und Unterhaltung seiner einst so parteiischen Gebieterin sehr zuwider; da sich die Königin aber auf keine andere Weise rächen konnte und bemerkte, daß sie ihrem falschen Verehrer durch diese Fragen große Qual verursache, so verweilte sie deshalb dabei, und achtete die Qual nicht, die sie selber dabei empfand.

Endlich gab der stolze Lord zu erkennen, daß seine Geduld ausgehe. »Gnädigste Frau,« sagte er, »ich bin sehr zu tadeln gewesen, – mehr, als Ihr es in Eurer gerechten Rache ausgesprochen habt. Aber erlaubt mir zu sagen, daß wenn meine Schuld auch unverzeihlich war, ich doch große Veranlassung dazu hatte, und wenn Schönheit und herablassende Würde ein schwaches menschliches Herz zu verlocken vermögen, ich Beide als Ursachen angeben kann, Ihrer Majestät dieses Geheimniß vorenthalten zu haben.«

Die Königin wurde bei dieser Antwort, welche Leicester ihr absichtlich so ertheilte, daß sie sonst Niemand hörte, so betroffen, daß sie einen Augenblick schwieg, und der Graf die Kühnheit hatte, seinen Vortheil zu benutzen: »Ihre Majestät, die mir so viel verziehen haben, werden entschuldigen, wenn ich diese Ausdrücke Ihrer königlichen Gnade anempfehle, welche gestern nur als ein geringes Vergehen betrachtet wurden.«

Die Königin blickte ihn fest an, während sie erwiderte: »Nun, beim Himmel! Mylord, Eure Unverschämtheit überschreitet alle Grenzen! Doch es soll Euch nichts helfen. – Heda, Mylords! kommt Alle näher und hört die Neuigkeit: Mylord von Leicester's geheime Heirath hat mich eines Gatten und England eines Königs beraubt. Seine Herrlichkeit hat einen patriarchalischen Geschmack, – ein Weib zur Zeit ist ihm nicht genug, und er hat Uns die Ehre seiner linken Hand zugetheilt. Ist es nicht zu unverschämt, daß ich ihm nicht einige Zeichen der Hofgunst konnte zu Theil werden lassen, ohne daß er glaubte, meine Hand und Krone stehen zu seiner Verfügung? – Ihr aber denkt besser von mir, und ich kann diesen ehrgeizigen Mann nur bemitleiden, wie ein Kind, in dessen Händen eine Seifenblase zerplatzt ist. Wir gehen in den Audienzsaal. Mylord von Leicester, Wir befehlen Euch, in Unserer unmittelbaren Nähe zu bleiben.«

In der Halle herrschte lebhafte Erwartung, und es trat ein allgemeines Erstaunen ein, als die Königin zu den Umstehenden sagte: »Die Festlichkeiten zu Kenilworth sind noch nicht zu Ende, meine Herren und Damen, – Wir wollen die Hochzeit Unseres edlen Wirthes feiern.«

Hier folgte ein allgemeiner Ausbruch des Erstaunens.

»Bei Unserm königlichen Worte! es ist wahr,« sagte die Königin; »er hat dies selbst vor Uns geheim gehalten, um Uns an diesem Orte und zu dieser Zeit damit zu überraschen. Ich sehe, daß Ihr fast vor Neugierde vergeht, die glückliche Gattin zu kennen, es ist Emma Robsart, dieselbe, welche in dem gestrigen Festspiele als die Gattin seines Dieners Varney auftrat.«

»Um Gotteswillen, gnädigste Frau,« sagte der Graf, indem er sich ihr mit Schaam und Demuth näherte, und so leise sprach, daß ihn sonst Niemand hören konnte, »nehmt meinen Kopf, wie Ihr in Eurem Zorne drohtet, und erspart mir diese Kränkung! Treibt nicht einen gefallenen Mann zur Verzweiflung, – tretet nicht noch auf einen zerquetschten Wurm!«

»Ein Wurm, Mylord?« sagte die Königin in demselben Tone; »eine Natter ist ein edleres Gewürm und das Gleichniß paßt besser, – die kalte Natter, von der Ihr wißt, die in einem gewissen Busen erwärmt wurde –«

»Um Eurer selbst Willen, um meinetwillen, Madame,« sagte der Graf, – »so lange mir noch einige Vernunft übrig ist –«

»Redet laut, Mylord,« sagte Elisabeth, »und in weiterer Entfernung, wenn es Euch gefällig ist, – Euer Athem befeuchtet Unsere Halskrause. Was habt Ihr von Uns zu erbitten?«

»Die Erlaubniß, nach Cumnor Place zu reisen,« sagte der unglückliche Graf demüthig.

»Wahrscheinlich, um Eure Gattin hieher zu führen? – Ei ja, das ist nicht mehr als billig, denn wie Wir gehört haben, behandelt man sie dort nicht allzugut. Aber, Mylord, Ihr geht nicht in Person, – Wir haben darauf gerechnet, noch einige Tage im Schlosse Kenilworth zuzubringen, und es wäre nicht höflich, wenn der Wirth Uns während Unseres hiesigen Aufenthaltes verlassen wollte. Mit Gunst, wir wollen Uns eine solche Schmach nicht gefallen lassen. Tressilian soll anstatt Eurer nach Cumnor Place und einen von Unsern Cavalieren mitnehmen, damit der Graf von Leicester nicht wieder eifersüchtig auf seinen alten Nebenbuhler werde. – Wen möchtest Du mit Dir nehmen, Tressilian?«

Tressilian nannte respektvoll den Namen Raleigh.

»So wahr Gott lebt!« sagte die Königin, »Du hast eine gute Wahl getroffen. Er ist überdies ein junger Ritter, und eine Dame aus dem Gefängniß zu befreien, ist eine passende Aufgabe zu einem ersten Abenteuer. – Ihr müßt nämlich wissen, meine Herren und Damen, daß Cumnor Place wenig besser als ein Gefängniß ist. Ueberdies sind einige Schurken da, die Wir gern in sicherm Gewahrsam haben möchten. Herr Secretär, gebt ihnen eine Vollmacht mit, sich Richard Varney's und eines gewissen Alasco todt oder lebendig zu versichern. Nehmt eine hinreichende Begleitung mit, meine Herren, führt die Dame anstandsmäßig hieher, – verliert keine Zeit, und Gott geleite Euch.«

Sie verbeugten sich und verließen den Audienzsaal.

Wie sollen wir beschreiben, auf welche Weise der übrige Theil des Tages zu Kenilworth hingebracht wurde? Die Königin, welche in der einzigen Absicht da zu bleiben schien, um den Grafen von Leicester zu kränken, zeigte sich in jener weiblichen Kunst der Rache eben so geschickt, wie in der weisen Regierung ihres Volkes. Die Hofleute verstanden den Wink, und als der Besitzer von Kenilworth durch die glänzenden Zurüstungen in seinem eigenen Schlosse dahinging, erfuhr er bereits das Loos eines in Ungnade gefallenen Hofmannes, vermöge der geringen Achtung und des kalten Benehmens seiner entfremdeten Freundin und des schlecht verhehlten Triumphes seiner anerkannten Feinde. Sussex, wegen seines offenen militärischen Charakters, Burleigh und Walsingham wegen ihres durchdringenden Scharfsinnes, und einige von den Damen, wegen des ihrem Geschlechte eigenthümlichen Mitleids, waren die einzigen Personen bei Hofe, welche ihm noch dieselben Gesichter wie am Morgen zeigten.

So sehr war Leicester gewohnt gewesen, Hofgunst als den Hauptzweck seines Lebens anzusehen, daß alle anderen Empfindungen zur Zeit bei der Qual verloren gingen, die sein hochmüthiger Geist bei den unbedeutenden Beleidigungen und studirten Vernachlässigungen empfand, denen er unterworfen war. Doch als er sich am Abend auf seine Zimmer begab, fiel ihm die schöne Haarlocke in die Hände, womit Emma's Brief zugebunden gewesen war, und vermöge dieses Gegenmittels wurde sein Herz zu edleren und natürlicheren Gefühlen erweckt. Er küßte sie tausend Mal, und während er sich erinnerte, daß es noch immer in seiner Macht stehe, den an jenem Tage erfahrenen Kränkungen auszuweichen, und sich in eine würdige, ja fürstliche Zurückgezogenheit mit der schönen und geliebten Lebensgefährtin zu begeben, fühlte er, daß er sich über die Rache erheben könne, welche Elisabeth an ihm zu nehmen sich herabgelassen hatte.

Am folgenden Tage zeigte daher das Benehmen des Grafen so viel würdevollen Gleichmuth – er schien für die Bequemlichkeit und Unterhaltung seiner Gäste so besorgt, doch so unbekümmert um das persönliche Benehmen gegen ihn – so respektvoll zurückhaltend gegen die Königin, doch so geduldig bei ihrem geäußerten Mißfallen, daß Elisabeth ihr Benehmen gegen ihn änderte, und, obgleich kalt und fremd, doch aufhörte, ihn geradezu zu kränken. Sie bemerkte auch mit einiger Schärfe gegen Andere, die sie umgaben und sich ihr durch ihr nachlässiges Benehmen gegen den Grafen gefällig zu machen glaubten, daß sie, so lange sie in Kenilworth verweilten, ihm die Höflichkeit erweisen müßten, welche Gäste dem Herrn des Schlosses schuldig wären. Kurz, die Sachen hatten sich in vierundzwanzig Stunden so sehr geändert, daß einige von den erfahrensten und scharfsichtigsten Hofleuten die Wahrscheinlichkeit voraussahen, daß Leicester die Gunst der Königin wieder erlangen werde, und ihr Benehmen gegen ihn so einrichteten, wie Leute, die es sich als ein Verdienst anrechnen wollten, ihn im Mißgeschick nicht verlassen zu haben. Doch es ist Zeit, diese Intriguen zu verlassen und Tressilian und Raleigh auf ihrer Reise zu folgen.

Ihr Trupp bestand aus sechs Personen; denn außer Wayland hatten sie noch einen königlichen Unterherold und zwei rüstige Dienstleute bei sich. Alle waren wohl bewaffnet und reisten so schnell, als es ohne Ungerechtigkeit gegen ihre Pferde, die eine weite Reise vor sich hatten, möglich war. Sie versuchten unterwegs einige Kunde über Varney und seine Begleitung zu erhalten, was ihnen aber nicht gelang, da sie im Dunkeln gereist waren. In einem kleinen Dorfe, welches etwa zwölf Meilen von Kenilworth entfernt war, und wo sie ihre Pferde fütterten, kam der Geistliche des Ortes aus einer kleinen Hütte und fragte, ob vielleicht Einer von der Gesellschaft Etwas von der Wundarzneikunst verstehe, um nach einem kranken Manne zu sehen.

Wayland übernahm es, sein Möglichstes zu thun, und als der Pfarrer ihn an den Ort führte, erfuhr er, daß man den Mann etwa eine Meile von dem Dorfe auf der Landstraße gefunden habe. Er hatte eine Schußwunde, welche tödtlich schien, doch konnte man nicht erfahren, ob er dieselbe in einem Streite, oder von Räubern erhalten habe, denn er lag im Fieber und sprach nichts Zusammenhängendes. Wayland trat in das dunkle und niedrige Gemach, und sobald der Pfarrer den Vorhang weggezogen hatte, erkannte er in den verzerrten Zügen des Sterbenden Michael Lambourne's Gesicht. Unter dem Vorwande, Etwas zu suchen, was ihm fehle, entfernte sich Wayland, und benachrichtigte seine Reisegefährten von diesem außerordentlichen Umstande, worauf Tressilian und Raleigh voll schlimmer Ahnungen in das Haus des Pfarrers eilten, um den Sterbenden zu sehen.

Jetzt lag der Unglückliche bereits in den letzten Zügen, und auch ein geschickterer Wundarzt als Wayland hätte ihn nicht retten können, denn die Kugel war ihm gerade durch den Leib gegangen. Indeß hatte er noch einiges Bewußtsein, denn er erkannte Tressilian und gab ihm ein Zeichen, er möge sich zu ihm niederbeugen. Tressilian that es, und nach einem unartikulirten Gemurmel, worin die Namen Varney und Gräfin Leicester allein zu unterscheiden waren, bat ihn Lambourne zu eilen, oder er würde zu spät kommen. Vergebens drang Tressilian in ihn, um weitere Kunde zu erhalten; doch er redete verwirrt, und als er Tressilian wieder ein Zeichen gab, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, bat er ihn nur, seinem Onkel Giles Gosling im schwarzen Bären zu sagen, er sei doch ohne Schuhe gestorben. Eine krampfhafte Bewegung bestätigte diese Worte wenige Minuten später, und die Reisenden hatten nichts weiter davon, ihn dort getroffen zu haben, als daß ihre unbestimmte Furcht hinsichtlich der Gräfin durch seine letzten Worte noch vermehrt wurde, und sie bewog, ihre Reise mit der äußersten Schnelle fortzusetzen, indem sie im Namen der Königin Pferde forderten, sobald die, welche sie ritten, nicht mehr zur Reise tauglich waren.



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