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Siebentes Kapitel.

Der klügste Fürst irrt gleich dem Unterthan,
Und oft ertheilt die königliche Hand
Den Ritterschlag einer unwürd'gen Schulter,
Die eher wohl des Brandmals werth gewesen
Von Henkers Hand. – Je nun, die Könige
Handeln so gut sie können – sie und wir
Steh'n für die Absicht ein, nicht für den Ausgang.

Altes Schauspiel.

»Es ist sehr traurig,« sagte die Königin, als Tressilian sich entfernt hatte, »den Verstand eines klugen und gelehrten Mannes auf so klägliche Weise verwirrt zu sehen. Doch diese öffentliche Darlegung seiner Verstandesverwirrung zeigt Uns deutlich, daß das angebliche Unrecht, sowie die Anklage grundlos waren; und daher, Mylord von Leicester, erinnern Wir Uns Eures früheren Gesuches in Betreff Eures treuen Dieners Varney, dessen gute Eigenschaften und Treue, da sie Euch nützlich sind, auch von Uns eine Belohnung erhalten müssen, da Wir sehr wohl wissen, daß Eure Herrlichkeit und alle Eure Begleiter Unserem Dienste treu ergeben sind. Wir gewähren Varney diese Ehre besonders deshalb, weil Wir ein Gast, und wie Wir fürchten ein lästiger, unter Eurer Herrlichkeit Dache sind, und auch zur Beruhigung des guten alten Ritters aus Devon, des Sir Hugh Robsart, dessen Tochter er geheirathet hat; und Wir hoffen, daß dieses besondere Gnadenzeichen, welches Wir ihm gewähren wollen, ihn mit seinem Schwiegersohne wieder aussöhnen wird. – Euer Schwert, Mylord von Leicester.«

Der Graf schnallte sein Schwert ab, faßte die Spitze an, und reichte den Griff mit gebogenem Knie Elisabeth dar.

Sie nahm es langsam, zog es aus der Scheide, und betrachtete die Politur und die reichen Verzierungen auf der glänzenden Klinge mit aufmerksamen Blicken, während die umherstehenden Damen mit wirklichem, oder affectirtem Schauder ihre Blicke wegwendeten.

»Wäre ich ein Mann,« sagte sie, »so würde gewiß keiner meiner Vorfahren ein gutes Schwert mehr geliebt haben, als ich. So kann ich weiter nichts thun, als mein Haar und meinen Kopfputz vor einem solchen Spiegel ordnen. – Richard Varney, tritt vor und kniee nieder. Im Namen Gottes und des heiligen Georg schlagen Wir Dich zum Ritter; seid treu, tapfer und glücklich! – Steh' auf, Richard Varney.«

Varney stand auf und zog sich zurück, nach einer tiefen Verbeugung vor der Herrscherin, die ihm eine so große Ehre erwiesen hatte.

»Das Anschnallen der Sporen und was sonst noch übrig ist,« sagte die Königin, »kann morgen in der Kapelle geschehen, denn es soll noch einem Andern dieselbe Ehre zu Theil werden. Und da Wir bei dieser Auszeichnung nicht parteiisch sein dürfen, so wollen Wir darüber mit Unserem Vetter Sussex verhandeln.«

Dieser Graf, welcher seit seiner Ankunft in Kenilworth, ja schon seit dem Beginn der Reise gegen Leicester in Nachtheil gewesen war, trug jetzt eine düstere Wolke auf seiner Stirn – ein Umstand, welcher der Königin nicht entgangen war, die ihn zu besänftigen hoffte, und ihr System der Politik durch eine besondere Gunstbezeigung im Gleichgewichte zu halten wünschte.

Auf den Wink der Königin näherte sich ihr Sussex hastig, und als sie ihn fragte, welchem seiner Begleiter er vorzüglich die Ehre der Ritterschaft wünsche, antwortete er mit mehr Aufrichtigkeit, als Klugheit: Er würde gewagt haben, für Tressilian zu sprechen, dem er, wie er überzeugt sei, sein Leben verdanke, und welcher sich als Soldat und Gelehrter, so wie durch berühmte Vorfahren auszeichne, nur fürchte er, daß der Vorfall jenes Abends –«

»Es ist mir lieb, daß Ew. Herrlichkeit so bedenklich sind,« sagte Elisabeth; »denn der Vorfall dieses Abends würde Uns in den Augen Unserer Unterthanen ebenso wahnsinnig darstellen, wie diesen geisteskranken Herrn selber, wollten Wir diesen Augenblick wählen, um ihm eine Gnade zu Theil werden zu lassen.«

»In diesem Falle,« sagte der Graf von Sussex mit einiger Verwirrung, »werden mir Ihre Majestät erlauben, meinen Stallmeister, Herrn Nikolaus Blount vorzuschlagen, einen Cavalier, der ein schönes Gut und einen alten Namen besitzt, und Ihrer Majestät sowohl in Schottland, als in Irland treu gedient hat.«

Die Königin konnte nicht umhin, bei diesem zweiten Vorschlage ein wenig mit den Schultern zu zucken, und die Herzogin von Rutland, die im Gesichte der Königin las, daß sie erwartet hatte, Sussex werde Raleigh nennen, und sie so in den Stand setzen, ihren eigenen Wunsch zu befriedigen, während sie seine Empfehlung ehrte, wartete nur, bis die Königin ihre Einwilligung zu seinem Vorschlag gegeben, und sagte dann: Da die beiden großen Herren jeder einen Candidaten zur Ritterwürde vorgeschlagen, möge ihr ein Gleiches im Namen gegenwärtiger Damen erlaubt sein.

»Ich müßte kein Weib sein,« sagte die Königin lächelnd, »wollte ich Euch eine solche Bitte abschlagen.«

»Dann bitte ich Ihre Majestät im Namen der gegenwärtigen Damen,« fuhr die Herzogin fort, »Walter Raleigh die Ritterwürde zu übertragen, dessen Geburt, Waffenthaten und Geneigtheit, unserem Geschlechte mit Schwert und Feder zu dienen, gewiß einer solchen Auszeichnung würdig sind.«

»Ich danke Euch, meine schönen Damen,« sagte Elisabeth lächelnd, »Eure Bitte ist gewährt, und der edle Knappe Ohnemantel soll auf Euren Wunsch in den guten Ritter Ohnemantel verwandelt werden. Laßt die beiden Aspiranten der Ritterwürde vortreten.«

Blount war noch nicht zurück, nachdem er Tressilian seiner Meinung nach sicher untergebracht hatte, aber Raleigh trat vor, kniete nieder und empfing von der Hand der jungfräulichen Königin jenen ehrenvollen Titel, der noch nie einem ausgezeichnetern und berühmtern Gegenstande übertragen wurde.

Bald darauf trat Nikolaus Blount ein, und Sussex benachrichtigte ihn hastig von der gnädigen Absicht der Königin, worauf er Befehl erhielt, sich dem Throne zu nähern. Blounts Kopf war schon durch das Bewußtsein seines ungewöhnlichen Putzes, so wie durch die sich ihm aufdringende Nothwendigkeit schwindlich, seine Bewegungen seiner Kleidung anzupassen, und jetzt verwandelte die plötzliche Aussicht auf Erhöhung diesen ehrlichen, biederen Mann in einen Narren von der lächerlichsten Art.

Unglücklicherweise hatte er die ganze Länge der Halle zu durchschreiten, und setzte seine Fußspitzen so sehr auswärts, daß sein Bein, wenn man es von der Seite sah, einem altmodischen Messer mit gekrümmter Spitze glich. Sein übriges Benehmen war in Uebereinstimmung mit diesem unglücklichen Gange, und die Mischung verschämter Furcht und Selbstzufriedenheit war so unaussprechlich komisch, daß Leicesters Anhänger ein leises Gelächter nicht unterdrückten, worin sogar viele von Sussex Anhängern wider Willen einstimmen mußten. Sussex selber verlor alle Geduld, und konnte nicht umhin, seinem Freunde zuzuflüstern: »Zum Henker! kannst Du nicht gehen, wie ein Mann und ein Soldat?« Dieser Zuruf machte nur, daß Blount stutzte und stillstand, bis ein Blick auf seine gelben Rosen und seine rothen Beinkleider seine Zuversicht wieder herstellten, worauf er mit demselben Schritte weiter ging.

Die Königin verlieh dem armen Blount die Ehre der Ritterschaft mit unverkennbarem Widerstreben. Die weise Fürstin sah sehr wohl ein, wie vorsichtig und sparsam man mit jenen Ehrentiteln sein müsse, welche die Stuarts, die ihr auf dem Throne folgten, mit so unverständiger Freigebigkeit austheilten, daß der Werth derselben dadurch sehr verringert wurde. Sobald Blount aufgestanden war und sich zurückgezogen hatte, wendete sie sich an die Herzogin von Rutland. »Unser Weiberwitz, liebe Rutland,« sagte sie, »ist schärfer, als der jener stolzen Wesen in Wams und Hosen. Unter diesen drei Rittern ist nur einer von ächtem Schrot und Korn.«

»Sir Richard Varney, der Freund des Grafen von Leicester, hat gewiß Verdienst,« versetzte die Herzogin.

»Varney hat ein schlaues Gesicht und eine glatte Zunge,« erwiderte die Königin. »Ich fürchte, er ist ein Schurke. – Doch ich hatte das Versprechen schon vor längerer Zeit gegeben. Mylord von Sussex muß wahrlich seinen Verstand verloren haben, Uns zuerst einen Wahnsinnigen, wie Tressilian, zu empfehlen, und dann diesen andern bäuerischen Kerl. Wahrhaftig, Rutland, als er hier vor mir auf den Knieen lag, und Gesichter schnitt, als hätte er heiße Suppe im Munde, hatte ich genug zu thun, ihn nicht über den Hirnkasten zu schlagen, statt auf die Schulter.«

»Ihre Majestät versetzten ihm einen herzhaften Schlag,« sagte die Herzogin, »wir hörten hier hinten, wie die Klinge auf seinem Schulterknochen klirrte, und der arme Mann zuckte auch, als ob er sie fühle.«

»Ich konnte nicht anders,« sagte die Königin lachend; »doch Wir wollen diesen Sir Nikolaus nach Irland oder Schottland, oder sonst wohin senden, um nicht einen so närrischen Cavalier bei Hofe zu haben.«

Dann wurde die Unterhaltung allgemeiner, und bald darauf geschah die Einladung zum festlichen Abendessen.

Um diesem Signal Folge zu leisten, war die Gesellschaft genöthigt, den innern Hof des Schlosses zu überschreiten, um das neue Gebäude zu erreichen, worin sich der Speisesaal befand, und wo mit entsprechender, verschwenderischer Pracht Vorbereitungen zum Abendessen getroffen waren.

Auf diesem Gange, und besonders auf dem Hofplatze, wurden die neuen Ritter von den Herolden, Minstrels und andern Leuten mit den gewöhnlichen Worten angerufen: » Largesse, largesse, chevaliers très hardis!«

Varney theilte seine Gabe mit affectirter Leutseligkeit und Herablassung aus. Raleigh gab sie mit der anmuthigen Gewandtheit eines Mannes, der den ihm gebührenden Rang erreicht hat, und dem die Würde desselben zur Gewohnheit geworden. Der ehrliche Blount theilte aus, was sein Schneider ihm von seiner halbjährigen Rente gelassen, ließ in der Eile einige Geldstücke fallen, bückte sich, um sie aufzuheben, und vertheilte sie dann mit dem ängstlichen Gesichte eines Armenpflegers unter die Umstehenden.

Diese Gaben wurden mit dem gewöhnlichen Beifallruf aufgenommen; doch da die Versammelten größtentheils Anhänger des Grafen von Leicester waren, so wurde Varney's Name mit dem lautesten Beifall ausgerufen. Dabei zeichnete sich besonders Lambourne aus, welcher rief: »Lange lebe Sir Richard Varney! – Gesundheit und Ehre dem würdigen Sir Richard! – Noch nie wurde ein würdigerer Mann zum Ritter geschlagen!« – Dann setzte er mit leiserer Stimme hinzu – »seit dem tapfern Sir Pandarus von Troja« – worüber Alle, die es hörten, in ein Gelächter ausbrachen.

Es ist unnöthig, noch etwas Weiteres von den Festlichkeiten des Abends zu sagen, welche so glänzend waren, und von der Königin mit solcher Zufriedenheit aufgenommen wurden, daß Leicester sich mit dem schwindlichen Entzücken gesättigten Ehrgeizes auf sein Zimmer zurückzog. Varney, welcher seinen glänzenden Anzug abgelegt, und jetzt vor seinem Patron in sehr bescheidenem Gewande erschien, bot ihm seine Dienste beim Auskleiden an.

»Nun, Sir Richard,« sagte Leicester lächelnd, »dieser demüthige Dienst paßt wohl schwerlich für Euren neuen Rang.«

»Ich würde diesem Range entsagen, Mylord,« erwiderte Varney, »müßte ich denken, daß mich derselbe von Eurer Herrlichkeit Person entfernen würde.«

»Du bist ein dankbarer Mensch,« sagte Leicester; »doch ich darf Dir nicht erlauben zu thun, was Dich in der Meinung Anderer herabsetzen würde.«

Während er dies sprach, nahm er ohne Bedenken die Dienste an, welche der neue Ritter ebenso thätig zu besorgen schien, als hätte er wirklich das Vergnügen an dieser Aufgabe gefunden, welches seine Worte aussprachen.

»Ich fürchte die schlimme Auslegung der Menschen nicht,« sagte er als Antwort auf Leicesters Bemerkung, »da Niemand in diesem Schlosse ist, – erlaubt mir, Euch das Halsband abzunehmen, – der nicht erwartet, daß Personen von weit höherem Range, als der ist, den ich vermöge Eurer Güte bekleide, Euch dergleichen Dienste leisten, und es sich zur Ehre anrechnen werden.«

»Es hätte in der That der Fall sein können,« sagte der Graf mit einem unwillkürlichen Seufzer, und setzte dann hinzu: »Meinen Schlafrock, Varney, – ich will in die Nacht hinaus blicken. Haben wir nicht bald Vollmond?«

»Dem Kalender nach, ja, Mylord,« antwortete Varney.

Eine Glasthüre führte auf einen kleinen steinernen Balcon. Der Graf öffnete sie und trat in die freie Luft hinaus. Von diesem Punkte aus hatte man eine weite Aussicht auf den See und den Wald jenseits, wo das helle Mondlicht auf dem klaren blauen Wasser und auf den fernen Wipfeln der Eichen und Ulmen ruhte. Der Mond stand am Himmel, von tausend weniger hellen Leuchtkugeln begleitet. Auf der unteren Welt war Alles still, außer dem Rufe der Wachen – denn die Garde der Königin mußte beständig ihren Dienst thun, wo sie persönlich gegenwärtig war – und dem Bellen der Hunde, die von den Jägern gestört wurden, die Vorbereitungen zu einer prächtigen Jagd machten, welche die Belustigung des folgenden Tages bilden sollte.

Leicester blickte zu dem blauen Himmelsbogen hinauf, mit Geberden und Gesichtszügen, welche ein ängstliches Frohlocken ausdrückten, während Varney, der in dem dunklen Zimmer zurückblieb, selber unbeachtet mit geheimer Freude sehen konnte, wie sein Herr die Hände lebhaft zu den Himmelskörpern emporstreckte.

»Ihr fernen Kreise des lebendigen Feuers,« so lautete der leise Anruf des ehrgeizigen Grafen, »ihr schweigt, während ihr eure geheimnißvollen Bahnen wandelt, doch die Weisheit hat euch eine Stimme verliehen. So sagt mir denn, welches Ende meiner erhabenen Laufbahn bestimmt ist. Soll die Größe, nach der ich gestrebt habe, hell, erhaben und beständig sein, wie die eure; oder bin ich verurtheilt, nur einen kurzen schimmernden Bogen durch die nächtliche Dunkelheit zu ziehen, und dann zur Erde zu sinken, gleich dem verächtlichen Funken jenes künstlichen Feuers, womit die Menschen eure Strahlen nachahmen?«

Er blickte noch einige Minuten in tiefem Schweigen zum Himmel auf, und trat dann wieder in das Zimmer, wo Varney beschäftigt schien, den Schmuck des Grafen in ein Kästchen zu legen.

»Was sagte Alasco zu meinem Horoscop?« fragte Leicester. »Du sagtest es mir schon, doch es ist mir wieder entfallen, denn ich halte nicht viel von dieser Kunst.«

»Viele große und gelehrte Männer haben anders gedacht,« sagte Varney; »und ohne Eure Herrlichkeit zu schmeicheln, meine eigene Ansicht hat diese Richtung genommen.«

»Auch Saul unter den Propheten?« sagte Leicester, – »ich glaubte, Du zweifeltest an Allem, was Du nicht sehen, hören, riechen, schmecken, oder fühlen kannst, und Dein Glaube sei auf Deine Sinne beschränkt.«

»Vielleicht habe ich mich gegenwärtig durch den Wunsch verleiten lassen, die Wahrsagungen der Sterndeuter im jetzigen Falle wahr zu finden,« sagte Varney. »Alasco sagt, Euer Glücksstern sei im Aufsteigen, und der ungünstige Einfluß, – er wollte keinen deutlicheren Ausdruck anwenden – wenn auch nicht überwunden, doch im Rückschreiten.«

»So ist es!« sagte Leicester, indem er einen Blick auf eine astrologische Berechnung warf, die er in der Hand hielt; »ich glaube, der stärkere Einfluß wird vorherrschen und die schlimme Stunde vorübergehen. – Hilf mir meinen Schlafrock ausziehen, Sir Richard – und bleibe noch einen Augenblick, wenn es nicht zu lästig für Deine Ritterschaft ist, während ich mich zur Ruhe lege. Ich glaube, die Geschäftigkeit dieses Tages hat mein Blut erhitzt, denn es fließt durch meine Adern wie geschmolzenes Blei, – bleib noch einen Augenblick, ich bitte Dich – ich möchte gern meine Augen erst schwer fühlen, ehe ich sie schließe.«

Varney war seinem Herrn beim Schlafengehen behülflich, dann stellte er eine massive silberne Nachtlampe auf den Marmortisch, der neben seinem Bette stand, und legte ein kurzes Schwert daneben. Entweder um das Licht der Lampe zu vermeiden, oder um sein Gesicht vor Varney zu bergen, zog Leicester den Bettvorhang zu, welcher aus dichtem, mit Gold durchwirktem Seidenzeuge bestand, so daß sein Gesicht ganz beschattet war. Varney nahm neben seinem Bette Platz, doch mit dem Rücken zu ihm hingewendet, damit es den Anschein habe, als beobachte er ihn nicht, und wartete ruhig, bis Leicester selber von dem Gegenstande anfing, wovon sein Gemüth erfüllt war.

Nachdem der Graf vergebens gewartet hatte, daß sein Dienstmann die Unterhaltung beginnen werde, sagte er endlich: »Also reden die Leute von der Gunst, welche die Königin mir bezeigt?«

»Ja, mein guter Lord,« sagte Varney; »wovon sollten sie auch sonst reden, da sie dieselbe so deutlich an den Tag legt?«

»Sie ist in der That meine gute und gnädige Fürstin,« sagte Leicester nach einer Pause; »doch es steht geschrieben: setze nicht Dein Vertrauen auf Fürsten.«

»Ein guter und wahrer Spruch,« sagte Varney, »wenn Ihr Euer gegenseitiges Interesse nicht vollständig vereinigen könnt.«

»Ich weiß, was du meinst,« sagte Leicester ungeduldig, »obgleich Du heute Abend außerordentlich sorgfältig und klug bist in dem, was Du zu mir sagst. – Du willst damit andeuten, ich könnte die Königin heirathen, wenn ich wollte.«

»Ihr sagt es, Mylord, und nicht ich,« antwortete Varney; »doch wer es auch sagen mag, so denken es wenigstens Neunundneunzig von Hundert in England.«

»Ja, aber der hundertste Mann weiß es besser,« sagte Leicester, indem er sich im Bette umwendete. »Du z. B. kennst das Hinderniß, welches nicht kann überwunden werden.«

»Es muß, Mylord, wenn die Sterne die Wahrheit reden,« sagte Varney mit Festigkeit.

»Was redest Du von ihnen,« sagte Leicester, »da Du doch nicht an sie, oder an irgend etwas Anderes glaubst?«

»Ihr irrt, Mylord, mit Eurer gnädigen Erlaubniß,« sagte Varney; »ich glaube an viele Dinge, welche die Zukunft vorher verkünden. Ich glaube, wenn es im April regnet, daß wir im Mai Blumen haben werden; daß, wenn die Sonne scheint, das Getreide reifen wird; und ich glaube noch an manches Aehnliche aus der Naturphilosophie, und wenn die Sterne mir etwas zuschwören, so will ich sagen, die Sterne reden die Wahrheit. Auf gleiche Weise will ich das nicht bestreiten, was man auf der Erde wünscht oder erwartet, blos weil die Astrologen es am Himmel gelesen haben.«

»Du hast Recht,« sagte Leicester, indem er sich wieder im Bette herumwarf – »auf Erden wünscht man es. Ich habe Rathschläge erhalten von den reformirten Kirchen in Deutschland – aus den Niederlanden – aus der Schweiz, welche dies als einen Punkt angeben, wovon Europa's Wohlfahrt abhängt. Frankreich wird sich nicht widersetzen – die herrschende Partei in Schottland sieht es als ihre beste Sicherheit an – Spanien fürchtet es, kann es aber nicht verhindern – und doch weißt Du, daß es unmöglich ist«

»Das weiß ich nicht, Mylord,« sagte Varney, »die Gräfin ist unpäßlich.«

»Schurke!« rief Leicester, indem er sich im Bette aufrichtete und das Schwert ergriff, welches neben ihm auf dem Tische lag; »sind Deine Gedanken dahin gerichtet? – Du willst sie doch nicht morden?«

»Für wen oder was haltet Ihr mich, Mylord?« sagte Varney, der den stolzen Blick eines unschuldigen Mannes annahm, gegen den man einen ungerechten Verdacht hegt. »Ich sagte nichts, um eine so schreckliche Beschuldigung zu verdienen. Ich sagte nur, daß die Gräfin krank sei. Obgleich die Gräfin liebenswürdig und geliebt ist, so werden Eure Herrlichkeit sie doch gewiß für sterblich halten. Sie kann sterben, und Eure Hand ist dann wieder frei.«

»Hinweg!« sagte Leicester; »laß mich nichts mehr davon hören.«

»Gute Nacht, Mylord!« sagte Varney, der sich stellte, als nehme er dies für einen Befehl sich zu entfernen; doch Leicester hielt ihn zurück.

»So entgehst Du mir nicht, Du Thor,« sagte er; »ich glaube, Deine Ritterwürde hat Dir den Kopf verrückt – bekenne, daß Du von Unmöglichkeiten geredet hast wie von Dingen, die sich wohl ereignen können.«

»Mylord, lange lebe Eure schöne Gräfin,« sagte Varney; »doch weder Eure Liebe, noch meine guten Wünsche können sie unsterblich machen. Aber Gott gebe, daß sie lange lebe, um glücklich zu sein, und Euch glücklich zu machen. Dennoch aber könnt Ihr ja immerhin König von England werden.«

»Nein wahrhaftig, Varney, Du bist toll,« sagte Leicester.

»Ich wollte, ich wäre einem schönen Rittergute eben so nahe,« sagte Varney. »Haben wir nicht in andern Ländern erfahren, wie Heirathen zur linken Hand zwischen Personen von verschiedenem Range vorkommen können, und den Gatten nicht verhindern, sich später mit einer passenderen Gemahlin zu verbinden?«

»Ich habe von dergleichen in Deutschland gehört,« sagte Leicester.

»Ja, und die gelehrtesten Professoren an fremden Universitäten rechtfertigen diesen Gebrauch aus dem alten Testamente,« sagte Varney. »Und bei alledem, wo liegt hier das Unrecht? Dem schönen Wesen, welches Ihr zur wahren Liebe gewählt habt, sind Eure geheimen Stunden der Erholung und Zuneigung geweiht. Ihr Ruf ist sicher, – ihr Gewissen kann sich beruhigen, – Ihr seid reich genug, um königlich für Eure Nachkommenschaft zu sorgen, sollte Euch der Himmel mit Kindern segnen. Mittlerweile könnt Ihr Elisabeth zehn Mal so viel Zeit und zehntausend Mal so viel Zuneigung widmen, als je Don Philipp von Spanien ihrer Schwester Maria gewährte; doch Ihr wißt, wie verliebt sie in ihn war, obgleich er sich kalt und nachlässig gegen sie zeigte. Es ist weiter nichts als Verschwiegenheit und eine freie Stirn nöthig, dann könnt Ihr Eure Eleonore und Eure schöne Rosamunde fern genug von einander halten. – Ueberlaßt es mir, Eurer Dame ein Zimmer zu bauen, zu dem keine eifersüchtige Königin einen Schlüssel finden soll.«

Leicester schwieg einen Augenblick, seufzte dann und sagte: »Es ist unmöglich. – Gute Nacht, Sir Richard Varney; – aber halt! – kannst Du errathen, aus welchem Grunde sich Tressilian heute in so unordentlicher Kleidung vor der Königin zeigte? – Vermuthlich, um ihr zartes Herz dadurch zu rühren und ihr Theilnahme einzuflößen für einen Liebenden, der von seiner Geliebten aufgegeben ist, und sich selber aufgibt?«

Varney unterdrückte ein höhnisches Lächeln, indem er antwortete, er glaube nicht, daß Herr Tressilian dergleichen Gedanken im Kopfe gehabt habe.

»Was meinst Du damit?« sagte Leicester. »Es liegt immer Bosheit in Deinem Lachen, Varney.«

»Ich meinte nur, Mylord,« sagte Varney, »daß Tressilian den sichersten Weg eingeschlagen hat, das Brechen des Herzens zu verhindern. Er hat eine Gesellschafterin – eine Geliebte – das Weib, oder die Schwester eines Schauspielers bei sich im Mervynzimmer, wo ich ihn aus gewissen Gründen unterbrachte.«

»Eine Geliebte! – meinst Du eine Buhlerin?«

»Ja, Mylord! wer bleibt sonst stundenlang im Zimmer eines Cavaliers?«

»Meiner Treu! zu günstiger Zeit wäre dies eine hübsche Erzählung,« sagte Leicester. »Ich habe von jeher diesen heuchlerischen, tugendhaft scheinenden Buchgelehrten nicht getraut. Nun, Herr Tressilian macht sich's bequem in meinem Hause, – wenn ich es übersehe, so hat er es nur gewissen Erinnerungen zuzuschreiben. Ich möchte ihm nicht gern Etwas zu Leide thun, wenn ich es vermeiden könnte. Habe ein Auge auf ihn, Varney.«

»Aus dem Grunde,« sagte Varney, »brachte ich ihn in den Mervynthurm, wo er unter der Aufsicht meines wachsamen und freilich immer betrunkenen Dieners Michael Lambourne ist, von dem ich Ew. Hoheit schon gesagt habe.«

»Hoheit!« sagte Leicester; »was meinst Du mit dieser Benennung?«

»Ich sprach sie gedankenlos aus, Mylord, und doch klingt sie so natürlich, daß ich sie nicht widerrufen kann.«

»Deine Erhebung hat Dir den Kopf verdreht,« sagte Leicester lachend; »neue Ehre ist eben so berauschend, wie neuer Wein.«

»Mögen Eure Herrlichkeit bald Ursache haben, aus Erfahrung zu reden,« sagte Varney, wünschte seinem Patron eine gute Nacht und entfernte sich.



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