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Viertes Kapitel.

Nun lebet wohl, mein Herr, wenn treuer Dienst
So schnöden Lohn erhält, kappt unser Schlepptau,
Und lasset durch die bahnenlose Fluth
Verschied'ne Wege uns're Barken geh'n.

Der Schiffbruch.

Tressilian ging in den äußern Hof des Schlosses, kaum wissend, was er von seiner letzten seltsamen und höchst unerwarteten Unterredung mit Emma Robsart denken solle, und unschlüssig, ob er recht gethan habe, mit der Vollmacht ihres Vaters beauftragt, auf so feierliche Weise sein Wort zu geben, sie auf so viele Stunden ihrer eigenen Leitung zu überlassen. Doch wie hätte er ihr ihre Bitte abschlagen können, da sie wahrscheinlich nur zu sehr von Varney abhängig war? Dies waren die Betrachtungen, wozu er sich natürlich veranlaßt sah. Das Glück ihres Lebens konnte davon abhängen, sie nicht auf's Aeußerste zu treiben. Tressilian war nicht im Stande, sie aus Varney's Macht zu befreien, da er annahm, daß er sie als seine Gattin anerkennen werde; welches Recht hatte er also, die Hoffnung auf häuslichen Frieden, die ihr noch bleiben konnte, zu vernichten, indem er Feindschaft zwischen ihnen erregte? Tressilian entschloß sich daher, sein Emma gegebenes Wort unbedingt zu halten, sowohl, weil er es einmal gegeben, als auch, weil er immer zu dem Schlusse kam, wenn er diese seltsame Unterredung überdachte, daß er es nicht mit Recht habe verweigern können,

Wenigstens war es ihm gelungen, diesem unglücklichen und noch immer geliebten Gegenstande seiner frühern Neigung Schutz zu verschaffen. Emma war nicht mehr in einem fernen und einsamen Hause unter der Obhut von Personen zweifelhaften Rufes. Sie war in dem Schlosse Kenilworth, in dem Bereiche des königlichen Hofes, frei von jeder Gefahr der Gewaltthätigkeit, und verbunden, bei der ersten Aufforderung vor Elisabeth zu erscheinen.

Während er so die Vortheile und Gefahren gegen einander abwog, welche ihr unerwartetes Erscheinen in Kenilworth begleiteten, wurde Tressilian hastig und ängstlich von Wayland angeredet, der nach dem Ausrufe: »Gott sei Dank, daß ich Euer Gnaden endlich gefunden!« ihm mit großer Vorsicht die Nachricht zuflüsterte, daß die Dame aus Cumnor Place entflohen sei.

»Und sie ist gegenwärtig in diesem Schlosse,« sagte Tressilian; »ich weiß es und habe sie gesehen. – Hat sie aus eigener Wahl in meinem Zimmer Zuflucht gesucht?«

»Nein,« antwortete Wayland; »doch ich konnte kein anderes Mittel finden, sie sicher unterzubringen, und war nur zu glücklich, einen Diener aufzufinden, welcher wußte, wo Ihr einquartiert waret. Gewiß seid Ihr in angenehmer Gesellschaft, die Halle ist auf der einen, und die Küche auf der andern Seite!«

»Still, dies ist keine Zeit zum Scherzen,« antwortete Tressilian finster.

»Das weiß ich nur zu gut,« sagte der Künstler; »denn diese drei Tage lang ist es mir gewesen, als hätte ich eine Schlinge um den Hals. Die Dame weiß selber nicht, was sie will – sie verweigert Euren Beistand – will nicht, daß man Euren Namen nenne, und ist im Begriff, sich in den Schutz des Grafen von Leicester zu begeben. Ich würde sie nimmermehr in Euer Zimmer gebracht haben, hätte sie gewußt, daß Ihr der Besitzer desselben seid.«

»Ist es möglich?« sagte Tressilian; »doch vielleicht hofft sie, der Graf werde seinen Einfluß auf seinen schändlichen Dienstmann zu ihrer Gunst anwenden.«

»Davon weiß ich nichts,« sagte Wayland; »doch ich glaube, wenn sie sich mit Leicester oder Varney aussöhnt, so würde es für uns am sichersten sein, aus dem Schlosse Kenilworth zu entfliehen. Es ist meine Absicht, keinen Augenblick länger hier zu bleiben, nachdem ich den Brief an Leicester abgegeben. Seht, hier ist er – aber nein, zum Henker! ich muß ihn in dem Hundeloch auf dem Heuboden dort zurückgelassen haben, wo ich schlafen soll.«

»Tod und Teufel!« sagte Tressilian, »Du hast doch nicht das verloren, was vielleicht tausendmal so viel werth ist, als ein Leben wie das Deinige?«

»Verloren!« antwortete Wayland; »das wäre in der That ein Spaß! Nein, Herr, ich habe ihn sorgfältig mit dem Mantelsack und anderen Gegenständen verwahrt, deren ich bedarf – ich will ihn im Augenblick holen.«

»Thue das,« sagte Tressilian; »sei treu, und Du sollst belohnt werden. Doch wenn ich Ursache habe, Argwohn gegen Dich zu hegen, so wäre ein todter Hund besser daran als Du.«

Wayland verbeugte sich, und ging mit anscheinender Zuversicht und Munterkeit, in der That aber von der größten Furcht und Verwirrung erfüllt. Der Brief war verloren, soviel war gewiß, ungeachtet der Entschuldigung, die er vorbrachte, um Tressilian zu besänftigen. Er war verloren, und konnte in unrechte Hände fallen und dann eine Entdeckung der ganzen Intrigue herbeiführen, in die er verwickelt gewesen; auch sah Wayland keinen großen Vortheil darin, wenn dieselbe geheim blieb. Ueberdies fühlte er sich durch Tressilians Ausbruch der Ungeduld tief verletzt.

»Nein, wenn ich mit solcher Münze für Dienste bezahlt werden soll, wobei mein Hals in Gefahr ist, so wird es Zeit, daß ich mich vorsehe. Hier habe ich eine Todsünde begangen, soviel ich weiß, denn der Herr dieses stattlichen Schlosses ist so mächtig, daß er mit einem Worte mein Leben enden kann, so wie man ein Pfennigslicht ausbläst. Und Alles das einer wahnsinnigen Dame und eines schwermüthigen Cavaliers wegen, der beim Verlust eines zusammengelegten Stück Papiers sogleich mit der Hand nach seinem Dolche fährt und bei Tod und Teufel flucht! – Dann ist noch der Doctor da und Varney – ich will mich vor der ganzen Rotte hüten – das Leben ist theurer als Gold – ich will diesen Augenblick entfliehen, obgleich ich meine Belohnung im Stiche lasse.«

Diese Betrachtungen waren natürlich genug für einen Geist, wie der Waylands war, der sich viel tiefer, als er erwartet hatte, in eine geheimnißvolle Intrigue verwickelt sah, in welcher die Schauspieler kaum zu wissen schienen, wie sie zu handeln hatten. Und doch, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, müssen wir sagen, daß das Mitleid für die verlassene unglückliche Dame seiner persönlichen Furcht einigermaßen das Gleichgewicht hielt.

»Ich kümmere mich nicht im Geringsten um Herrn Tressilian,« sagte er; »ich habe mehr für ihn gethan, als ausgemacht war, und dieses irrende Fräulein in seinen Bereich gebracht, so daß er jetzt sich selber um sie bekümmern kann. Doch ich fürchte, dieses arme Wesen ist in großer Gefahr wegen dieser stürmischen Geister. Ich will in ihr Zimmer und ihr das Mißgeschick des Briefes mittheilen, damit sie einen andern schreiben kann, wenn sie Lust hat. Es wird ihr nicht an einem Boten fehlen, denke ich, wo so viele Lakaien sind, um ihrem Herrn einen Brief zu überbringen. Auch will ich ihr sagen, daß ich das Schloß verlasse, indem ich sie Gottes Schutz, ihrer eigenen Leitung und Herrn Tressilians Sorgfalt empfehle. – Vielleicht erinnert sie sich des mir angebotenen Ringes, den ich wahrhaftig wohl verdient habe; doch sie ist ein liebenswürdiges Wesen – und zum Henker mit dem Ringe! ich will ihr darum nicht böse werden. Wenn es mir schlimm geht in dieser Welt wegen meiner guten Natur, so wird es mir in der andern Welt desto besser gehen. – Nun also zu der Dame und dann auf die Landstraße.«

Mit dem verstohlenen Schritte und dem argwöhnischen Auge der Katze, die ihrer Beute nachschleicht, machte sich Wayland wieder auf den Weg zu dem Zimmer der Gräfin, schlich an der Seite der Höfe und Gänge dahin und bemühte sich, der Beobachtung zu entgehen. Auf diese Weise gelangte er durch den äußeren und inneren Hof, sowie auch zu dem großen Eingange, der zu der Wendeltreppe führte, auf welcher man zu den Zimmern des Mervynthurmes gelangte.

Der Künstler wünschte sich Glück, den verschiedenen Gefahren dieser Reise entgangen zu sein, und war eben im Begriff, die Treppe hinauf zu steigen, von welcher er immer zwei Stufen zugleich überschritt, als er bemerkte, daß der Schatten eines Mannes, der in einer halb geöffneten Thüre stand, die entgegengesetzte Wand der Wendeltreppe verdunkelte. Wayland zog sich vorsichtig wieder in den innern Hofplatz zurück, schritt dort etwa eine Viertelstunde auf und ab, welche Zeit ihm wenigstens viermal so lang erschien, und kehrte dann in der Hoffnung zu dem Thurme zurück, der Horcher werde jetzt verschwunden sein. Er stieg bis zu der verdächtigen Stelle hinauf – es war kein Schatten an der Wand zu sehen – er stieg noch einige Stufen weiter – die Thür war noch halb geöffnet, und er war unschlüssig, ob er weiter gehen, oder sich zurückziehen solle, als dieselbe plötzlich weit geöffnet wurde und Michael Lambourne auf den überraschten Wayland losfuhr: »Wer zum Teufel bist Du? Und was thust Du in diesem Theile des Schlosses? Komm in dies Zimmer!«

»Ich bin kein Hund, um nach Jedermanns Pfeife zu tanzen,« sagte der Künstler, welcher eine Zuversicht annahm, die das Beben seiner Stimme Lügen strafte.

»Ei, was Du sagst,« entgegnete Lambourne. »Komm her, Lorenz Staples.«

Ein ungeheurer, mißgestalteter und boshaft aussehender Kerl, etwa sechs Fuß hoch, zeigte sich in der Thür und Lambourne fuhr fort: »Wenn Dir dieser Thurm so sehr gefällt, mein Freund, so sollst Du auch das Fundament desselben sehen, zwölf Fuß unterhalb des Sees und bewohnt von einigen hübschen Kröten, Schlangen und dergleichen, die Dir vortrefflich die Zeit vertreiben werden. Daher frage ich Dich noch einmal in allem Ernste, wer Du bist und was Du hier thust?«

»Wenn die Gefängnißthüre sich einmal hinter mir schließt,« dachte Wayland, »so bin ich ein verlorener Mann.« – Er antwortete daher unterwürfig, er sei der arme Gaukler, dem Lambourne am vorigen Tage im Neatherlygrunde begegnet sei.

»Und welche Gauklerkünste wolltet Du in diesem Thurme spielen? Deine Bande,« sagte Lambourne, »ist drüben in den Clintons-Gebäuden untergebracht.«

»Ich kam hieher, um meine Schwester zu besuchen,« sagte der Gaukler, »die sich droben in Herrn Tressilians Zimmer aufhält.«

»Aha!« sagte Lambourne lächelnd, »das ist wahr – bei meiner Ehre, für einen Fremden macht es sich Herr Tressilian bei uns ganz bequem. – Höre, Bursche, dies ist eine köstliche Anekdote von dem heiligen Herrn Tressilian, und sie wird manchen Leuten eben so willkommen sein, wie mir eine Börse mit Goldstücken. Höre, Bursche,« fuhr er fort, indem er Wayland anredete, »Du mußt dem Häschen keinen Wink geben, sich wegzustehlen – wir müssen es im Lager fangen. Nun fort mit Deinem kläglichen Gesichte, oder ich werfe Dich aus dem Fenster des Thurmes und versuche, ob Deine Gauklerkünste Dir die Knochen ganz erhalten werden.«

»Ich hoffe, Euer Gnaden werden nicht so hartherzig sein,« sagte Wayland; »arme Leute wollen auch leben. Euer Gnaden werden mir doch erlauben, mit meiner Schwester zu reden?«

»Schwester von Adams Seite, vermuthe ich,« sagte Lambourne; »oder wenn es anders ist, bist Du um so mehr ein Schurke. Aber Schwester, oder nicht, Du stirbst, wenn Du noch einmal wieder in diesen Thurm zu gelangen suchst. Dolch und Tod! ich lasse Dich aus dem Schlosse bringen, denn Du treibst noch andere Geschäfte, als Deine Gauklerkunst.«

»Mit Euer Gnaden Erlaubniß,« sagte Wayland; »ich spiele diesen Abend auf dem See die Rolle des Arion.«

»Beim heiligen Christoph, ich will sie selber spielen,« sagte Lambourne – »Orion nennst Du ihn? – Ich will den Orion spielen und das Siebengestirn noch dazu. Komm mit, denn Du bist ein Schurke – folge mir! – oder halt, Lorenz, bringe Du ihn mit.«

Lorenz ergriff den Gaukler, der sich nicht widersetzte, am Kragen, während Lambourne mit hastigen Schritten zu demselben Hinterthore voranging, durch welches Tressilian in das Schloß zurückgekehrt, und welches nicht weit vom Mervynthurme entfernt war.

Während sie mit raschen Schritten den Raum zwischen dem Thurme und dem Thore zurücklegten, strengte Wayland vergebens sein Gehirn an, um Etwas zu erdenken, was der unglücklichen Dame nützen könne, für die er, ungeachtet seiner eigenen drohenden Gefahr, große Theilnahme empfand. Doch als er aus dem Schlosse geworfen und von Lambourne mit einem furchtbaren Fluche benachrichtigt wurde, daß unmittelbarer Tod die Folge sein würde, wenn er wiederkomme, da erhob er Hände und Augen zum Himmel, als wollte er Gott zum Zeugen rufen, daß er die Verfolgte auf's Aeußerste vertheidigt habe; dann wendete er den stolzen Thürmen von Kenilworth den Rücken und ging sich einen demüthigeren und sicherern Zufluchtsort zu suchen.

Lorenz und Lambourne sahen Wayland eine kurze Zeit nach, wendeten sich dann um, zu ihrem Thurme zurückzukehren, als der Erstere seinen Gefährten so anredete: »Glaube mir niemals wieder, Lambourne, wenn ich den Grund errathen kann, warum Du diesen armen Kerl aus dem Schlosse getrieben hast, gerade, wo er eine Rolle in dem jetzt beginnenden Schauspiel übernehmen sollte, und Alles das einer Dirne wegen.«

»Ah, Lorenz,« versetzte Lambourne, »Du denkst an Hannchen Jugges aus Slingdon und hast Mitleid mit der menschlichen Schwachheit. Aber Muth, mein höchst edler Herzog und Herr des Burgverließes, Du bist in dieser Sache so von Finsterniß umhüllt, wie in Deinen eigenen Kerkern. Mein höchst verehrter Herr der Niederlande von Kenilworth, so wisse denn, daß unser höchst achtbarer Herr Richard Varney für ein Loch in Tressilians Wams so viel geben würde, daß wir fünfzig Nächte dafür zechen könnten, mit der vollsten Erlaubniß, dem Haushofmeister zu sagen, er möge sich entfernen, wenn er käme, uns bei unserem Gelage zu stören.«

»Das ist freilich eine andere Sache,« sagte Lorenz Staples, der Oberwächter, oder, wie er genannt wurde, Oberkerkermeister des Schlosses Kenilworth; »doch wie willst Du es anfangen, da Du beim Einzug der Königin abwesend sein wirst, denn ich glaube, Du mußt Deinen Herrn dorthin begleiten?«

»Du, mein ehrlicher Fürst der Gefängnisse, mußt in meiner Abwesenheit Wache halten. Laß Tressilian hinein, wenn er will; laß aber Niemand wieder heraus. Sollte das Dämchen selber hinaus wollen, wie es nicht unwahrscheinlich ist, so treibe sie mit rauhen Worten zurück – sie ist bei alledem nur eine arme Schauspielerdirne.«

»Nun da könnte ich ja das eiserne Pförtchen hinter ihr verschließen, welches sich außerhalb der doppelten Thür befindet, und so hätten wir sie ohne weitere Umstände gefangen.«

»Dann wird Tressilian nicht zu ihr kommen können,« sagte Lambourne, nachdem er einen Augenblick nachgedacht. »Doch es thut nichts, sie wird in seinem Zimmer entdeckt werden, und das ist Alles einerlei. – Aber bekenne, Du alter fledermausäugiger Gefangenwärter, daß Du Dich fürchtest, allein in dem Mervynthurme zu wachen.«

»Was die Furcht betrifft, Herr Lambourne,« sagte der Mann, »so gilt mir die nicht so viel, als wenn ich einen Schlüssel umdrehe; doch man hat seltsame Dinge in diesem Thurme gesehen und gehört. – Als Ihr vor kurzer Zeit in Kenilworth wart, habt Ihr gehört, daß der Geist Arthurs ap Mervyn erschienen ist. Er war ein wilder Häuptling, der von dem wüthenden Lord Mortimer gefangen genommen, und in demselben Thurme ermordet wurde, der noch jetzt seinen Namen führt.«

»O! ich habe die Geschichte fünfhundertmal gehört,« sagte Lambourne, »und wie der Geist immer am meisten schreit, wenn man Lauch und Hafermehl kocht, oder Käse in der Küche röstet. Santo Diavolo! halte Deine Zunge im Zaum, Mann, ich weiß die ganze Geschichte.«

»So klug Du Dich auch machen willst, so weißt Du sie doch nicht,« sagte der Schließer. »Ha, es ist ein schreckliches Ding, einen Gefangenen zu morden! – Du, der Du wohl einem Manne in einer dunklen Straße einen Stoß versetzen würdest, weißt nichts davon. Einem aufrührerischen Kerl einen Schlag mit dem Schlüsselbunde auf den Kopf geben, und ihn so zur Ruhe bringen, das nenne ich nur gute Ordnung in dem Gefängniß halten; aber das Schwert ziehen, und ihn erschlagen, wie es mit diesem walisischen Lord geschah, das macht, daß sein Geist umgeht, und das Gefängniß auf einige hundert Jahre für jeden anständigen Gefangenen unbewohnbar wird. Ich habe vor meinen armen Gefangenen Achtung, und würde die verehrten Herren, welche vom Straßenraub gelebt, oder Mylord von Leicester beleidigt haben, lieber fünfzig Fuß unter den Boden bringen, als sie in jenem oberen Gemache einschließen, welches man Mervyns Zimmer nennt. Bei dem gefesselten heiligen Petrus! ich wundere mich, daß mein edler Lord, oder Herr Varney dort Gäste unterbringen; und wenn dieser Herr Tressilian Jemand finden konnte, um ihm Gesellschaft zu leisten, besonders wenn es ein hübsches Mädchen ist, so thut er wahrlich recht daran.«

»Ich sage Dir, Du bist ein Esel,« sagte Lambourne, indem er in das Zimmer des Gefangenwärters trat. »Geh, und verschließe die Thüre auf der Treppe, und kümmere Dich nicht um Geister. – Gib mir einen Becher Wein, Mann, jener Schurke hat mich etwas in Schweiß gebracht.«

Während Lambourne einen Zug aus der Flasche that, ohne sich des Bechers zu bedienen, fuhr der Wärter fort, seinen Glauben an die überirdische Welt auszusprechen.

»Du bist erst wenige Stunden im Schlosse, Lambourne, und die ganze Zeit über so betrunken gewesen, daß Du taub, stumm und blind warst. Doch wir würden Dich weniger prahlen hören, brächtest Du eine Nacht beim Vollmond mit uns zu; denn dann ist der Geist am geschäftigsten, und ganz besonders, wenn der Wind aus Nordwest pfeift, wenn hin und wieder etwas Regen fällt, und sich ein ferner Donner hören läßt. Zum Henker! welches Krachen und Klirren, welches Stöhnen und Heulen hört man zu solcher Zeit im Mervyn-Zimmer, gerade als wenn es über unsern Köpfen wäre, und selbst zwei Quart Branntwein sind nicht im Stande gewesen, meine Burschen und mich bei einander zu halten.«

»Pah, Mann!« versetzte Lambourne, den der letzte Zug aus der Flasche in eine andere Stimmung brachte, »Du redest, und weißt nichts von Geistern. Niemand weiß etwas Genaueres von ihnen; kurz, je weniger man davon sagt, desto besser. Einige glauben an das Eine, Andere an etwas Anderes – es ist Alles nur Einbildung. Es gibt einen großen Lord – wir wollen seinen Namen übergehen, Lorenz, – der glaubt an die Sterne und den Mond, an die Planeten und ihre Bahnen u. s. w., und daß sie ausschließlich zu seinem Nutzen funkeln. – Aber davon verstehst Du nichts, ehrlicher Lorenz – reiche mir die Flasche noch ein Mal.«

»Wahrhaftig, wenn Du noch mehr trinkst, Michael,« sagte der Gefangenwärter, »so wirst Du nicht im Stande sein, den Arion zu spielen, oder Deinem Herrn an einem so feierlichen Abende aufzuwarten. Ich erwarte jeden Augenblick die große Glocke auf dem Mortimer-Thurme zu hören, als Zeichen der Ankunft unserer Königin.«

Lambourne trank, während Staples ihm Vorstellungen machte, setzte dann die Flasche, welche beinahe geleert war, mit einem tiefen Seufzer nieder, und sagte in leisem Tone, welcher bald in einen lauten überging: »Denke nicht daran, Lorenz – wenn ich betrunken bin, wird Varney mich wieder nüchtern machen. Doch wie gesagt, denk' nicht daran, ich weiß mich schon im Trinken zu mäßigen. Ueberdies gehe ich als Orion zu Wasser und würde mich erkälten, wenn ich nicht vorher einen guten Trunk thäte. Ich sollte nicht Orion spielen können! Wir wollen sehen, ob der beste Schreier, der je für zwölf Pfennige seine Lunge anstrengte, mich überschreien wird. Wie wäre es, wenn ich mich ein wenig verkleidete? – Warum sollte diesen Abend irgend Jemand nüchtern sein? Beantworte mir das – es ist Unterthanenpflicht, lustig zu sein – und ich sage Dir, es gibt Leute im Schlosse, die, wenn sie betrunken nicht lustig sind, auch nüchtern nicht lustig sein werden – ich nenne keinen Namen, Lorenz. Aber Deine Sectflasche bringt mich in heitere Laune. Es lebe die Königin Elisabeth! – Es lebe der edle Leicester! – Es lebe der würdige Herr Varney! – Es lebe Michael Lambourne, der sie Alle um seinen Finger wickeln kann!«

Mit diesen Worten ging er die Treppe hinunter, und quer über den innern Hofplatz.

Der Gefangenwärter sah ihm nach, schüttelte den Kopf, und während er die Thür auf der Treppe verschloß, die es unmöglich machte, höher zu steigen, als bis zu dem Stockwerk, welches sich unmittelbar unter Tressilians Zimmer befand, hielt er folgendes Selbstgespräch: »Es ist eine gute Sache, ein Günstling zu sein – ich hätte beinahe meinen Dienst verloren, weil Herr Varney an einem kalten Morgen glaubte, ich rieche nach Branntwein; und dieser Bursche kann so betrunken wie ein Schwein vor ihm erscheinen, ohne doch einen Verweis zu bekommen. Bei alledem aber ist er ein verflucht gewitzigter Bursche, und man kann nur zur Hälfte verstehen, was er sagt.«



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