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Sechstes Kapitel.

Dieß passet wahrlich für den Monat März,
Wo Hasen toll sind. Redet mir vernünftig,
Gebt kalte Grunde an, oder ich hebe
Die Sitzung auf.

Beaumont und Fletcher.

Es ist keinesweges unsere Absicht, die Festlichkeiten zu Kenilworth umständlich zu beschreiben, nach Art des am Schlusse des letzten Kapitels erwähnten Herrn Robert Laneham in seinem Berichte über die Unterhaltungen zu Kenilworth. Es wird hinreichend sein, zu sagen, daß die Königin während des glänzenden Feuerwerks durch den Mortimerthurm in den großen Hof von Kenilworth durch heidnische Götter und Helden des Alterthums dahin ritt, welche ihr auf den Knieen Geschenke und Glückwünsche darbrachten. Endlich gelangte sie zu der großen Halle des Schlosses, zu ihrem Empfange mit den reichsten seidenen Tapeten behangen, während sich sanfte und liebliche musikalische Töne hören ließen, und wohlriechende Fackeln ein helles Licht verbreiteten. Am obern Ende des glänzenden Gemaches befand sich ein königlicher Thron, von einem prächtigen Baldachin überschattet, und daneben war eine Thüre, die zu einer langen Zimmerreihe führte, mit der äußersten Pracht für die Aufnahme der Königin und ihrer Damen ausgeschmückt.

Nachdem der Graf von Leicester die Königin zu dem Throne hingeführt und sie sich niedergesetzt hatte, kniete er vor ihr nieder und küßte ihre Hand, die sie ihm hinreichte, mit einer Miene, worin romantische und respectvolle Galanterie glücklich mit demüthigem Gehorsam vereint war, und er dankte ihr in Ausdrücken der innigsten Ergebenheit für die höchste Ehre, die eine Herrscherin einem Unterthan nur gewähren könne. Als er vor ihr kniete, sah er so schön aus, daß Elisabeth sich versucht fühlte, die Scene etwas mehr zu verlängern, als eigentlich nöthig war; und als sie ihn wieder aufrichtete, fuhr sie ihm so dicht mit der Hand über den Kopf, daß sie beinahe sein langes, lockiges und parfümirtes Haar berührte, mit einer Bewegung der Zärtlichkeit, welche anzudeuten schien, daß sie aus dieser Bewegung eine Liebkosung machen würde, wenn sie es nur wage.

Endlich erhob sie ihn, worauf er sich neben den Thron stellte, und ihr die verschiedenen Vorbereitungen erklärte, die er zu ihrer Unterhaltung und Bequemlichkeit gemacht, und welche sämmtlich ihre gnädige Billigung erhielten. Dann bat der Graf Ihre Majestät um Erlaubniß, daß er und die Cavaliere, die sie während der Reise begleitet hätten, sich auf einige Minuten zurückziehen dürften, um eine andere Kleidung anzulegen, die besser für diese Gelegenheit passe, während jene würdigen Herren, wie Varney, Blount, Tressilian und Andere, die sich bereits umgezogen, die Ehre haben würden, Ihr im Audienzzimmer aufzuwarten.

»So sei es, Mylord,« antwortete die Königin; »Ihr könntet sehr gut ein Theater einrichten, da Ihr die Rollen doppelt besetzen könnt. Wir selber werden diesen Abend Eure Höflichkeiten nur auf bäuerische Weise empfangen können, da es nicht Unsere Absicht ist, Unsern Anzug zu verändern, und Wir in der That etwas ermüdet sind von der Reise, die bei dem Zudrange Unseres guten Volkes etwas langsam vor sich gegangen ist, obgleich die Liebe, welche sie Unserer Person gezeigt haben, dieselbe zu gleicher Zeit angenehm gemacht hat.«

Nachdem Leicester diese Erlaubniß erhalten hatte, zog er sich zurück, und ihm folgten diejenigen Cavaliere, welche die Königin persönlich nach Kenilworth begleitet hatten. Die Cavaliere, welche ihnen vorangeritten waren, und sich demnach zu der Feierlichkeit angezogen hatten, blieben im Audienzsaal. Da aber die meisten von nicht hohem Range waren, so hielten sie sich in ehrerbietiger Entfernung von dem Throne, welchen Elisabeth einnahm. Das scharfe Auge der Königin erkannte bald Raleigh unter ihnen, nebst einigen Andern, die ihr persönlich bekannt waren, worauf sie ihnen gleich ein Zeichen gab, sich zu nähern, und sie sehr gnädig anredete. Besonders Raleigh wurde sehr huldreich empfangen, da sie sich des Abenteuers mit seinem Mantel und dem Verse erinnerte. An diesen wendete sie sich auch am häufigsten, um sich nach dem Namen und Rang der gegenwärtigen Personen zu erkundigen. Diese theilte er ihr auf bestimmte Weise mit, und nicht ohne gut gelaunte Satyre, worüber sich Elisabeth sehr zu ergötzen schien. »Und wer ist der bäurische Kerl dort?« sagte sie, indem sie Tressilian anblickte, dessen beschmutzte Kleidung seine schöne Gestalt sehr unvortheilhaft darstellte.

»Ein Dichter, Ihre Majestät,« versetzte Raleigh.

»Ich hätte dies aus seiner nachlässigen Kleidung schließen können,« sagte Elisabeth. »Ich habe Dichter gekannt, die so gedankenlos waren, ihren Mantel in den Rinnstein zu werfen.«

»Da muß die Sonne gerade ihre Augen und ihren Verstand geblendet haben,« antwortete Raleigh.

Elisabeth lächelte, und fuhr fort: »Ich fragte Euch nach dem Namen jenes unordentlichen Burschen, und Ihr habt mir nur seine Profession genannt.«

»Tressilian ist sein Name,« sagte Raleigh mit innerem Widerstreben, denn er sah in der Art, wie sie Notiz von ihm nahm, nichts Günstiges für seinen Freund.

»Tressilian!« antwortete Elisabeth. »O, das ist ja der Menelaus unseres Romans. Er ist auf eine Weise gekleidet, die seine schöne und ungetreue Helena einigermaßen entschuldigt. Und wo ist Farnham, oder wie er heißen mag, – ich meine Lord Leicesters Dienstmann – der Paris dieses Romans aus Devonshire.«

Mit noch größerem Widerwillen nannte Raleigh Varney, und zeigte auf ihn. Für Varney hatte der Schneider alles Mögliche gethan, um sein Aeußeres angenehm zu machen; und wenn ihm auch keine Grazie eigen war, so besaß er doch einen gewissen Tact, der dieselbe ersetzte.

Die Königin wendete ihr Auge von dem Einen auf den Andern: »Dieser poetische Herr Tressilian ist ohne Zweifel zu gelehrt, um sich zu erinnern, in wessen Gegenwart er sich befindet, und gehört wahrscheinlich zu Denen, von welchen Gottfried Chaucer witzig sagt: die weisesten Gelehrten sind nicht immer die weisesten Männer. Ich erinnere mich, daß Varney ein glattzüngiger Schurke ist. Vielleicht hatte diese schöne Ungetreue Gründe, ihr Wort zu brechen.«

Raleigh wagte nicht, hierauf zu antworten, da er einsah, wie wenig Vortheil es Tressilian bringen würde, wenn er der Königin widerspreche; auch wußte er nicht, ob es nicht das Beste sein würde, wenn sie vermöge ihrer Macht diese Sache auf einmal beende, auf die Tressilians Gedanken, wie es ihm schien, mit solcher Hartnäckigkeit gerichtet waren. Während diese Betrachtungen durch seinen Kopf gingen, wurde die Thür am untern Ende der Halle geöffnet, und Leicester trat ein, von seinen Verwandten und Anhängern begleitet.

Der Graf war jetzt ganz weiß gekleidet. Seine Schuhe waren von weißem Sammet, seine Strümpfe von weißer Seide, seine Beinkleider von weißem Sammet mit Silberstoff besetzt; sein Wams von Silberstoff, seine Weste von weißem Sammet mit Silber und Samenperlen gestickt; sein Gürtel und die Scheide seines Schwertes von weißem Sammet mit goldenen Schnallen; sein Dolch und Schwert mit goldenen Griffen versehen. Darüber trug er ein weites Gewand von weißer Seide mit einem goldgestickten Besatze, der einen Fuß breit war. Das Halsband des Hosenbandordens, und das blaue Hosenband selber um sein Knie vollendeten den Anzug des Grafen von Leicester, wozu seine schöne Gestalt, seine anmuthigen Bewegungen, die schöne Proportion seines Körpers und Gesichtes so vortrefflich paßte, daß Alle, die ihn sahen, ihn für den schönsten Mann erklärten, den sie je gesehen. Auch Sussex und die übrigen Cavaliere waren reich gekleidet, doch Leicester übertraf sie Alle in Hinsicht des Glanzes und der Anmuth.

Elisabeth empfing ihn mit großer Güte. »Wir haben eine Handlung der königlichen Gerechtigkeit auszuüben,« sagte sie. »Es ist eine Handlung, die Uns als Weib, sowie auch als Mutter und Schützerin des englischen Volkes interessirt.«

Ein unwillkürlicher Schauder überlief Leicester, als er sich tief verbeugte, und seine Bereitwilligkeit aussprach, ihre königlichen Befehle zu empfangen. Eine ähnliche Anwandlung empfand Varney, der an jenem Abend seine Blicke selten von seinem Patron abwendete, und aus der geringen Veränderung seiner Züge sogleich erkannte, wovon die Königin redete. Doch Leicester faßte sich bald, und als Elisabeth hinzusetzte: »Wir reden von der Angelegenheit Varney's und Tressilians – ist die Dame hier, Mylord?« da antwortete er sogleich: »Nein, gnädigste Königin.«

Elisabeths Augenbrauen zogen sich zusammen, und ihre Lippen schlossen sich. »Unsere Befehle waren streng und bestimmt, Mylord,« war ihre Antwort.

»Und würden auch befolgt worden sein, gnädigste Lehensherrin,« antwortete Leicester, »wenn sie in der Form des leisesten Wunsches ausgesprochen wären. Varney, tritt vor – dieser Herr wird Ihre Majestät von der Ursache benachrichtigen, warum die Dame« – doch konnte er seine rebellische Zunge nicht bewegen, die Worte seine Gattin auszusprechen – »nicht in Eurer königlichen Gegenwart erscheinen kann.«

Varney trat vor und sagte, was er auch fest glaubte, daß die Vorgeforderte – denn auch er wagte nicht, sie in Leicesters Gegenwart seine Gattin zu nennen – durchaus nicht im Stande sei, Ihrer Majestät aufzuwarten.

»Hier,« sagte er, »sind Zeugnisse von einem sehr gelehrten Arzte, dessen Geschicklichkeit und Redlichkeit Mylord von Leicester wohl bekannt sind, sowie auch von einem ehrlichen und frommen Protestanten, einem glaubwürdigen Manne, Namens Anton Foster, in dessen Hause sie sich derzeit befindet, daß sie gegenwärtig an einer Krankheit leidet, die es ihr unmöglich macht, aus der Gegend von Oxford bis hieher zu reisen.«

»Das ändert die Sache,« sagte die Königin, indem sie die Zeugnisse in die Hand nahm und durchlas; »laßt Tressilian vortreten. – Herr Tressilian, Wir nehmen großen Antheil an Eurer Lage, besonders da Ihr diese Emma Robsart, oder Varney, aufrichtig zu lieben scheint. Obgleich Unsere Macht durch Gottes Gnade, und vermöge des willigen Gehorsams Unseres liebenden Volkes nicht geringe ist, so gibt es doch Dinge, die sie nicht zu beseitigen vermag. Zum Beispiel vermögen Wir nicht der Neigung eines eigensinnigen jungen Mädchens zu gebieten, oder sie zu veranlassen, Verstand und Gelehrsamkeit mehr zu lieben, als das schöne Wams eines Hofmannes; auch können wir nicht der Krankheit gebieten, woran diese Dame leidet, die vermöge einer solchen Unpäßlichkeit nicht im Stande ist, in Unserer Gegenwart zu erscheinen, wie Wir gefordert hatten. Hier sind die Zeugnisse des Arztes, welcher sie behandelt, und des Herrn, in dessen Hause sie sich aufhält.«

»Mit Erlaubniß Ihrer Majestät,« sagte Tressilian hastig, der bei der Unruhe wegen der Folgen des Betruges wenigstens zum Theil das Versprechen vergaß, welches er Emma Robsart gegeben, »die Zeugnisse enthalten nicht die Wahrheit.«

»Wie, Herr!« rief die Königin, »Ihr bezweifelt das Wort des Grafen von Leicester? Doch Wir wollen Euch anhören. In Unserem Audienzzimmer soll der Niedrigste Unserer Unterthanen gegen den Stolzesten gehört werden, und der Unbekannteste gegen den Berühmtesten; daher sollt Ihr die Freiheit haben, zu reden; aber hütet Euch, Etwas zu sagen, was Ihr nicht beweisen könnt. Seht selber diese Zeugnisse an, und sagt frei heraus, ob Ihr die Wahrheit derselben anfechten könnt, und aus welchen Gründen.«

Als die Königin sprach, fiel Tressilian sein Versprechen ein, und alle die Folgen, die daraus entstehen könnten, wenn er es verriethe; und während er seine natürliche Neigung überwand, das für eine Lüge zu erklären, was nach dem Zeugnisse seiner Sinne eine solche war, zeigte er sich vermöge seiner Unentschlossenheit in sehr ungünstigem Lichte vor Elisabeth und allen Gegenwärtigen. Er schlug die Papiere mehrmals um, als könne er den Inhalt derselben nicht verstehen, worauf die Königin ungeduldig ausrief: »Wie Wir gehört haben, seid Ihr ein ausgezeichneter Gelehrter, doch scheint Ihr Geschriebenes schwer lesen zu können. – Was sagt Ihr, sind diese Zeugnisse wahr oder falsch?«

»Ihre Majestät fordern mich auf, über ein Zeugniß zu entscheiden, welches von Denen als wahr sollte bewiesen werden, zu deren Vertheidigung es dient,« sagte Tressilian in großer Verwirrung, der ein Zeugniß nicht als wahr anerkennen wollte, welches er später würde zurückweisen müssen, und zugleich sein Emma gegebenes Wort halten wollte, um ihr Zeit zu lassen, ihre Sache auf ihre eigene Weise zu führen.

»Ei, Tressilian, du bist ebenso kritisch, wie du poetisch bist,« sagte die Königin, indem sie ihn mit Mißfallen ansah; »mich dünkt, diese Beweise, welche in Gegenwart des edlen Grafen vorgelegt werden, dem dies Schloß gehört, und welcher seine Ehre für die Richtigkeit derselben verbürgt, sollten auch dir genügen. Aber da du auf so förmliche Weise zu Werke gehen willst – Varney, oder vielmehr Mylord von Leicester, denn es wird jetzt Eure Angelegenheit, welchen Beweis habt Ihr, daß diese Zeugnisse richtig sind?«

Diese absichtslos gesprochenen Worte machten einen tiefen Eindruck auf den Grafen, und Varney beeilte sich statt seiner zu antworten: »Mit Ihrer Majestät Erlaubniß, der junge Graf von Oxford, welcher hier gegenwärtig ist, kennt Herrn Anton Foster persönlich, sowie auch seine Handschrift.«

Der Graf von Oxford, ein junger Verschwender, dem Foster mehr als einmal gegen hohe Zinsen Geld geliehen hatte, bezeugte auf Befragen, daß er ihn als einen reichen und unabhängigen Gutsbesitzer kenne, und daß das vorgezeigte Zeugniß von seiner Hand sei.

»Und wer spricht für des Doctors Zeugniß?« sagte die Königin. »Mich dünkt, Alasco ist sein Name.«

Masters, der Leibarzt der Königin, bezeugte, daß er sich mehrmals mit Doctor Alasco berathen habe, und sprach von ihm als von einem Manne, der außerordentliche Gelehrsamkeit und geheime Kenntnisse besitze. In dieses Lob stimmten der Graf von Huntingdon, Graf Leicesters Schwager, und die alte Gräfin von Rutland ein, und Beide erinnerten sich der zierlichen italienischen Handschrift, in welcher er seine Recepte zu schreiben pflegte, und die mit dem vorgezeigten Zeugnisse vollkommen übereinstimmte.

»Und nun, Herr Tressilian, ist diese Sache hoffentlich geendet,« sagte die Königin. »Noch ehe dieser Abend zu Ende ist, wollen Wir Etwas thun, um den alten Sir Hugh Robsart mit dieser Heirath zu versöhnen. Ihr seid etwas über Eure Pflicht hinaus gegangen; doch Wir müßten kein Weib sein, hätten wir nicht Mitleid mit den Wunden, welche wahre Liebe schlägt; so verzeihen Wir Euch denn Eure Kühnheit und Eure ungeputzten Stiefeln, deren Geruch ungeachtet der Parfümerien des Grafen von Leicester unangenehm geworden.«

So sprach Elisabeth, deren feiner Geruch zu ihren charakteristischen Eigenschaften gehörte, was sich noch viel später zeigte, als sie Essex wegen einer ähnlichen Beschuldigung gegen seine Stiefeln aus ihrer Gegenwart vertrieb.

Jetzt hatte sich Tressilian gesammelt, so erstaunt er auch Anfangs über die Lüge gewesen war, die man ihm ungeachtet des Zeugnisses seiner Sinne hatte aufdringen wollen. Er eilte vorwärts, kniete nieder, und faßte den Saum des königlichen Gewandes. »So wahr Ihr eine Christin seid,« sagte er, »so wahr Ihr eine gekrönte Königin seid, um unparteiische Gerechtigkeit unter Euren Unterthanen auszuüben – so wahr Ihr vor der letzten Schranke, wo wir Alle von unsern Thaten Rechenschaft ablegen müssen, gehört zu werden hofft, gewährt mir eine kleine Bitte! Entscheidet diese Sache nicht so hastig. Gebt mir nur vierundzwanzig Stunden Zeit, und nach Verlauf derselben will ich ein Zeugniß vorbringen, welches genugsam beweisen soll, daß diese Zeugnisse, worin angegeben wird, daß diese unglückliche Dame zu Oxfordshire krank liege, so falsch sind wie die Hölle!«

»Laßt meine Schleppe los, Herr!« sagte Elisabeth, die über seine Heftigkeit erschrak, obgleich sie zu viel von der Löwennatur an sich hatte, um sich zu fürchten; »dieser Kerl muß verrückt sein – mein Pathe Harrington muß ihn mit in seinen rasenden Roland bringen! – Und doch liegt etwas Seltsames in der Heftigkeit dieser Forderung. – Rede, Tressilian, was wirst Du thun, wenn du nach Verlauf dieser vierundzwanzig Stunden nicht im Stande bist, eine so feierlich bewiesene Thatsache, wie die Krankheit dieser Dame, zu widerlegen?«

»Ich will meinen Kopf auf den Block legen,« antwortete Tressilian.

»Pah!« versetzte die Königin. »Gott's Licht! du redest wie ein Narr. Fällt denn in England je ein Kopf anders, als nach dem Urtheilspruch des englischen Gesetzes? – Ich frage dich, Mann, – wenn du Verstand hast, mich zu verstehen, – willst du mir, wenn dir dieser dein unwahrscheinlicher Versuch mißlingt, einen guten und genügenden Grund angeben, warum du ihn unternimmst?«

Tressilian schwieg, und war wieder unschlüssig, weil er sich überzeugt hielt, daß wenn Emma sich während der geforderten Zeit mit ihrem Gemahl wieder aussöhnen sollte, er ihr in diesem Falle den schlimmsten Dienst leisten werde, indem er Elisabeth nochmals die ganzen Verhältnisse wieder vorlegte, und zeigte, wie die kluge und weise Fürstin durch falsche Zeugnisse hintergangen sei. Diese Schwierigkeit setzte ihn nochmals in große Verlegenheit. Er schwieg, schlug die Augen nieder, und als die Königin ihre Frage mit strengem Ausdruck und funkelnden Augen wiederholte, sagte er stotternd: es könne sein – er könne es nicht bestimmt sagen, ob er unter gewissen Umständen die Gründe erklären könne, wonach er handle.

»Nun, bei der Seele König Heinrichs,« sagte die Königin, »dieß muß entweder vollkommener Wahnsinn, oder Schurkerei sein! – Du siehst, Raleigh, die dichterische Begeisterung deines Freundes paßt nicht für Unsere Gegenwart. Führe ihn hinweg, und befreie Uns von ihm, oder es wird schlimm um ihn stehen; denn diese Gedankenflüge eignen sich nur etwa für den Parnaß, oder für das St. Lukashospital. Aber komm du selber sogleich zurück, sobald er in sicherem Gewahrsam ist. – Ich wünschte doch diese Schönheit zu sehen, die eine solche Verwirrung in dem Gehirn eines weisen Mannes hervorzubringen vermochte.«

Tressilian versuchte wieder die Königin anzureden, als Raleigh in Folge der erhaltenen Befehle dazwischen trat, und ihn mit Blount's Hülfe aus der Halle führte, wo er bemerkte, daß seine Gegenwart der Sache mehr schade als nütze.

Als sie das Vorzimmer erreicht hatten, bat Raleigh Blount, er möge Tressilian sicher in die dem Grafen von Sussex und seinen Begleitern angewiesenen Zimmer führen, und ihn im Nothfall bewachen lassen.

»Diese übertriebene Leidenschaft,« sagte er, »und wie es scheint, die Nachricht von der Krankheit der Dame, haben seinen trefflichen Verstand gänzlich in Verwirrung gebracht. Doch es wird vorübergehen, wenn er ruhig gehalten wird. Nur laß ihn auf keinen Fall wieder heraus, denn das Mißfallen Ihrer Majestät hat er sich bereits in hohem Grade zugezogen, und würde sie so sehr reizen, daß sie ihn an einem schlimmeren Orte unterbringen und strengere Wächter über ihn setzen würde.«

»Ich dachte mir schon, daß er wahnsinnig sei,« sagte Nikolaus Blount, indem er auf seine rothen Beinkleider und gelben Rosen niederblickte, »als ich ihn in diesen verdammten Stiefeln sah, deren Gestank ihre Nase so unangenehm berührte. – Ich will ihn sicher unterbringen, und dann sogleich wieder bei Euch sein. – Aber Walter, fragte die Königin, wer ich sei? – Mir kam es vor, als blicke sie mich an.«

»Ei wohl, zwanzig Blicke warf sie dir zu,« versetzte Raleigh, »und ich sagte ihr, daß du ein tapferer Soldat seist, und ein – aber um Gotteswillen, führe Tressilian hinweg.«

»Sogleich,« sagte Blount; »aber mich dünkt, dieses Hofleben ist doch kein so schlimmer Zeitvertreib. Wir werden dadurch emporkommen, Walter, mein wackerer Junge. Du sagtest, ich sei ein guter Soldat und ein – was sagtest du weiter, lieber Walter?«

»Und ein ungeheurer Dummkopf. – Um Gottes willen, geh.«

Ohne weiteren Widerstand folgte Tressilian ihm in Raleighs Wohnung, wo er in ein kleines Rollbett gelegt wurde, welches in der Garderobe stand und für einen Bedienten bestimmt war. Er sah nur zu klar ein, daß alle Vorstellungen vergebens sein würden, um ihm die Hülfe und Theilnahme seiner Freunde zu verschaffen, bis der Zeitraum vorüber sei, während dessen er sich verbindlich gemacht hatte, unthätig zu bleiben.

Nur mit großer Schwierigkeit und durch die geduldigsten und mildesten Vorstellungen, die er Blount machte, entging er der Kränkung, zwei von Sussex' rüstigen Leuten zur Bewachung im Zimmer zu haben. Endlich aber, als Blount ihn in's Bett gebracht, den Stiefeln einige heftige Stöße versetzt, und sie verflucht hatte, die er als ein Symptom, wenn auch nicht als die Veranlassung zu der Krankheit seines Freundes betrachtete, begnügte er sich damit, die Thüre hinter dem unglücklichen Tressilian zu verschließen.



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