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Dreizehntes Kapitel.

Wie kommt es, daß mich jeder Ton erschreckt?

Macbeth.

»Ich bitte um eine kurze Unterredung mit Euch.« Diese Worte waren an sich einfach, doch Lord Leicester befand sich in so fieberhaftem Zustande, daß die gewöhnlichsten Ereignisse ihm von beunruhigender Wichtigkeit zu sein schienen, und er drehte sich hastig um, die Person zu betrachten, welche gesprochen hatte. Es war nichts Merkwürdiges in dem Aeußern des Redenden zu sehen; er trug ein schwarzseidenes Wams, einen kurzen Mantel und eine schwarze Maske vor dem Gesicht; denn es schien, als wäre er mit unter dem Maskenzuge gewesen, obgleich er keine bemerkenswerthe Verkleidung trug.

»Wer seid Ihr, und was wollt Ihr von mir?« fragte Leicester, nicht ohne seinen verwirrten Gemüthszustand zu verrathen.

»Nichts Böses, Mylord,« antwortete die Maske, »sondern viel Gutes und Ehrenvolles, wenn Ihr meine Absicht richtig versteht; doch ich muß allein mit Euch reden.«

»Ich kann mit keinem namenlosen Fremden reden,« antwortete Leicester, der bei dem Gesuche des Fremden Etwas befürchtete, obgleich er nicht wußte, was es war, – »und Die, welche mir bekannt sind, müssen eine passendere Zeit zur Unterredung wählen.«

Er wollte forteilen, doch die Maske hielt ihn zurück.

»Die, welche mit Ew. Herrlichkeit von Etwas reden, wobei Eure Ehre betheiligt ist, haben ein Recht auf Eure Zeit, welche andere Beschäftigung Ihr auch darüber versäumen mögt.«

»Wie! meine Ehre? wer wagt sie anzutasten?« fragte Leicester.

»Eure eigene Handlungsweise allein kann Veranlassung dazu geben, Mylord, und das ist der Gegenstand, worüber ich mit Euch reden wollte.«

»Ihr seid unverschämt,« sagte Leicester, »und mißbraucht die gegenwärtige Gastfreiheit, die mich verhindert, Euch zu bestrafen. Sagt mir Euern Namen.«

»Edmund Tressilian aus Cornwall,« antwortete die Maske; »meine Zunge ist durch ein Versprechen auf vierundzwanzig Stunden gebunden gewesen, – der Zeitraum ist vorüber, – ich rede jetzt, und thue Ew. Herrlichkeit die Gerechtigkeit an, mich zuerst an Euch zu wenden.«

Leicester stutzte, als er die Stimme des Mannes vernahm, den er am meisten haßte, und kaum hatte er Selbstbeherrschung genug, ihm nicht den Dolch in's Herz zu stoßen. Um aber seiner Rache desto gewisser zu sein, mäßigte er sich, und antwortete in einem Tone, der wegen der Anstrengung, seine Leidenschaft zu bändigen, kaum hörbar war: »Und was wünscht Herr Edmund Tressilian von mir?«

»Gerechtigkeit, Mylord,« antwortete Tressilian ruhig, aber fest.

»Gerechtigkeit?« sagte Leicester, »daran haben alle Menschen ein Recht, – Ihr ganz besonders, Herr Tressilian, und könnt versichert sein, daß sie Euch zu Theil werden soll.«

»Ich erwarte nichts weniger von Eurem Edelmuthe,« antwortete Tressilian; »doch die Zeit drängt, und ich muß heute Abend mit Euch reden. Darf ich Euch in Eurem Zimmer aufwarten?«

»Nein,« antwortete Leicester finster, »nicht unter einem Dache, und noch dazu unter meinem eigenen. – Wir wollen uns unter freiem Himmel treffen.«

»Ihr seid aufgebracht, oder verstimmt, Mylord,« versetzte Tressilian; »doch ist kein Grund dazu vorhanden. Der Ort ist mir gleichgiltig, daher schenkt mir eine halbe Stunde von Eurer Zeit.«

»Eine kürzere Zeit wird hoffentlich hinreichen,« antwortete Leicester. »Trefft mich am Eingange des Gartens, sobald sich die Königin auf ihr Zimmer zurückgezogen hat.«

»Genug,« sagte Tressilian, und entfernte sich, während eine Art von Entzücken sich des Grafen zu bemächtigen schien.

»Endlich ist mir der Himmel günstig,« sagte er, »und hat den Elenden in meine Macht gegeben, der mich mit solcher Schande gebrandmarkt, – der mir diese grausame Qual auferlegt hat. – Jetzt an meine Aufgabe! – Ich werde jetzt nicht unter ihrer Last erliegen, da mir die Mitternacht spätestens Rache bringt.«

Während diese Gedanken Leicesters Geist erfüllten, ging er wieder durch das Gedränge, welches ihm bereitwillig Platz machte; doch neue Qualen erwarteten ihn, sobald er wieder zu Elisabeth kam.

»Ihr kommt zur rechten Zeit, Mylord,« sagte sie, »um einen Streit zwischen uns Damen zu entscheiden. Sir Richard Varney hat Uns um die Erlaubniß gebeten, mit seiner kranken Gattin aus dem Schlosse abzureisen; wie er sagt, hat er Eure Erlaubniß dazu, und kann auch die Unsrige erhalten. Gewiß wollen Wir ihn nicht von der zärtlichen Sorgfalt für diese arme junge Person abhalten, – doch müßt Ihr wissen, daß Sir Richard Varney heute von Unseren Hofdamen so bezaubert worden ist, daß Unsere Herzogin von Rutland sagt, er werde sein armes wahnsinniges Weib nicht weiter, als bis zum See bringen, und sie hineinstürzen, um den krystallenen Palast zu bewohnen, wovon die bezauberte Nymphe Uns erzählte, und als fröhlicher Wittwer zurückkehren, seine Thräne trocknen, und sich unter Unserem Gefolge eine neue Lebensgefährtin wählen. Was sagt Ihr dazu, Mylord? – Wir haben Varney unter zwei oder drei verschiedenen Verkleidungen gesehen, – Ihr müßt seine eigentlichen Anlagen am Besten kennen, – haltet Ihr ihn für fähig, seiner Dame einen solchen Schurkenstreich zu spielen?«

Leicester war verwirrt, doch die Gefahr war dringend und eine Antwort durchaus nothwendig. »Die Damen,« sagte er, »denken zu geringe von Einer ihres Geschlechtes, indem sie annehmen, daß sie ein solches Schicksal könne verdient haben, oder zu schlecht von dem unsrigen, um glauben zu können, daß ihr diese Strafe sonst würde auferlegt werden.«

»Hört mich an, meine Damen,« sagte Elisabeth, »gleich Allen seines Geschlechtes möchte er ihre Grausamkeit dadurch entschuldigen, daß er uns Leichtsinn zuschreibt.«

»Sagt nicht uns, gnädigste Frau,« versetzte der Graf, »geringere Weiber erleiden wohl gleich den unbedeutenderen Himmelslichtern Umwälzungen und Wandlungen, doch wer sollte der Sonne oder Elisabeth Veränderlichkeiten zuschreiben?«

Gleich darauf nahm die Unterhaltung eine weniger gefährliche Wendung, und Leicester sprach mit so viel Geist, so schwer es ihm auch wurde, daß Elisabeth sich erst nach Mitternacht von der Gesellschaft trennte, was bei ihrer regelmäßigen Zeiteintheilung ein ungewöhnlicher Umstand war. Ihre Entfernung gab natürlich das Zeichen zum allgemeinen Aufbruche. Der unglückliche Besitzer des Schlosses zog sich mit ganz verschiedenen Gedanken zurück. Er sagte dem Diener, der ihm aufwartete, er möge augenblicklich Varney auf sein Zimmer schicken. Der Bote kehrte nach einiger Zeit mit der Nachricht zurück: Sir Richard Varney habe vor einer Stunde das Schloß verlassen. Er habe seinen Weg aus dem Hinterthore genommen, und noch drei Personen bei sich gehabt, wovon die eine in einer von Pferden getragenen Sänfte fortgeführt worden.

»Wie kam es, daß er das Schloß verließ, nachdem die Thore besetzt waren?« fragte Leicester; »ich glaubte, er würde erst mit Tagesanbruch abreisen.«

»Er gab genügende Gründe an, wie ich höre,« sagte der Diener, »und zeigte der Wache Ew. Herrlichkeit Siegelring vor.«

»Es ist wahr,« sagte der Graf; »doch er ist zu hastig gewesen. – Ist noch einer von seinen Dienern zurück?«

»Michael Lambourne, Mylord,« sagte der Bediente, »war nicht zu finden, als Sir Richard Varney abreiste, und sein Herr war sehr aufgebracht über seine Abwesenheit. Ich sah ihn eben jetzt sein Pferd satteln, um seinem Herrn nachzureiten.«

»Laß ihn augenblicklich hieher kommen,« sagte Leicester, »ich habe eine Botschaft an seinen Herrn.«

Der Bediente verließ das Zimmer, und Leicester ging eine Zeitlang in tiefem Nachdenken auf und ab. »Varney ist zu eifrig, zu dringend,« sagte er. »Ich glaube, er liebt mich, doch er hat seine eigenen Zwecke zu verfolgen. Wenn ich steige, steigt er mit, und er hat sich bereits zu begierig gezeigt, mich von dem Hindernisse zu befreien, welches zwischen mir und der Königswürde zu stehen scheint. Aber ich will diese Schande nicht ertragen. Sie soll bestraft werden, doch soll es mit mehr Ueberlegung geschehen. Ich fühle schon im Voraus, daß übergroße Eile die Flammen der Hölle in meinem Busen entzünden würde. Nein, – ein Schlachtopfer auf ein Mal ist genug, und dieses wartet bereits auf mich.«

Er ergriff die Feder und schrieb hastig folgende Worte:

 

»Sir Richard Varney!

Wir haben beschlossen, die Eurer Sorgfalt anvertraute Sache noch zu verschieben, und befehlen Euch strenge an, in Betreff Unserer Gräfin nicht weiter zu gehen, bis auf ferneren Befehl. Wir befehlen Euch ebenfalls, augenblicklich nach Kenilworth zurückzukehren, sobald Ihr das Anvertraute sicher an Ort und Stelle gebracht habt. Doch sollte Euch das länger aufhalten, als Wir glauben, so befehlen Wir Euch, Unsern Siegelring durch einen zuverlässigen und schnellen Boten zurückzusenden, da Wir von demselben Gebrauch machen müssen. Indem Wir die genaue Befolgung dieses Befehls von Euch erwarten, empfehlen Wir Euch Gottes Obhut, und verbleiben Euer guter Freund und Herr

Robert Leicester.«

 

Als Leicester diesen Brief geschrieben und versiegelt hatte, trat Michael Lambourne in Stiefeln und Reitkleid, welches mit einem breiten Schwertgürtel umgeben war, und eine Filzmütze, gleich der eines Couriers in der Hand haltend, in's Zimmer, nachdem ein Bedienter ihn angemeldet hatte.

»Worin besteht Dein Dienst?« fragte der Graf.

»Ich bin Stallmeister von Ew. Herrlichkeit Stallmeister,« antwortete Lambourne mit seiner gewohnten Zuversicht.

»So halte Deine Zunge im Zaume,« sagte Leicester; »die Scherze, die sich in Sir Richard Varney's Gegenwart ziemen, passen nicht in der meinigen. Wie bald wirst Du Deinen Herrn einholen?«

»In einer Stunde, Mylord, wenn Mann und Pferd nichts zustößt,« sagte Lambourne, dessen Benehmen von einem Anflug der Vertraulichkeit zur tiefsten Unterwürfigkeit überging. Der Graf maß ihn vom Kopf bis zu den Füßen mit den Augen.

»Ich habe von Dir gehört,« sagte er; »die Leute sagen, Du seiest schnell in Deinem Dienste, aber zu sehr dem Trinken ergeben, als daß man Dir etwas Wichtiges anvertrauen könne.«

»Mylord,« sagte Lambourne, »ich bin Soldat, Seemann, Reisender und Abenteurer gewesen, und in solchen Verhältnissen erfreut man sich des heutigen Tages, weil man auf Morgen keine Sicherheit hat. Obgleich ich meine Mußestunden vielleicht übel anwende, so habe ich doch nie die Pflicht versäumt, die ich meinem Herrn schuldig war.«

»So thu' es auch in diesem Falle,« sagte Leicester, »und Du sollst dafür belohnt werden. Ueberliefere diesen Brief schnell und sorgfältig Sir Richard Varney's Händen.«

»Geht mein Auftrag nicht weiter?« fragte Lambourne.

»Nein,« antwortete Leicester; »doch es liegt mir viel daran, daß dies sorgfältig und eilig geschehe.«

»Ich will weder Sorgfalt noch Pferdefleisch schonen,« antwortete Lambourne, indem er sich sogleich entfernte. »Dies ist also das Ende meiner Privataudienz, wovon ich so viel hoffte,« murmelte er bei sich selber, als er durch die lange Gallerie und die Hintertreppe hinunterging. »Zum Henker! ich glaubte, der Graf bedürfe meiner zu einer geheimen Intrigue, und Alles läuft endlich darauf hinaus, daß ich einen Brief besorgen soll! Wohlan, sein Wille soll geschehen, und wie seine Herrlichkeit richtig sagt, kann es mir ein ander Mal zu Statten kommen. Das Kind muß kriechen, ehe es gehen lernt, und so muß es auch der angehende Hofmann machen. Indessen will ich doch einen Blick in diesen Brief thun, den er so nachlässig versiegelt hat.« – Als er dies gethan, klatschte er entzückt in die Hände und rief: »Die Gräfin – die Gräfin! ich habe das Geheimniß, welches mich erheben, oder zu Grunde richten wird. – Aber komm heraus, Bayard,« setzte er hinzu, indem er sein Pferd auf den Hofplatz führte, »denn meine Sporen müssen sogleich mit Deinen Seiten Bekanntschaft machen.«

Hierauf ritt Lambourne zum Hinterthore hinaus, um Sir Richard die erhaltene Botschaft zu überbringen, während welcher Zeit Leicester seinen prachtvollen Anzug mit einem sehr einfachen vertauschte, einen Mantel umwarf, eine Lampe in die Hand nahm, und durch einen geheimen Verbindungsgang zu einer kleinen versteckten Nebenthür gelangte, die in der Nähe des Gartens auf den Hofplatz führte. Er war ruhiger und bedächtiger geworden, und seine Betrachtungen lauteten folgendermaßen:

»Man hat mich schwer beleidigt, doch ich habe die augenblickliche Rache, die in meiner Gewalt war, beschränkt und gehemmt. Aber soll die Verbindung mit diesem falschen Weibe eine bindende Fessel für mich bleiben, um mich auf der edlen Laufbahn anzuhalten, wozu meine Bestimmung mich auffordert? Nein, – es gibt noch andere Mittel, dergleichen Bande zu lösen, ohne darum die Saiten des Lebens zerreißen zu müssen. Vor Gott bin ich nicht mehr durch die Vereinigung gebunden, die sie gebrochen hat. Königreiche sollen uns trennen, – Meere zwischen uns rauschen, und in ihren Wogen, die ganze Flotten verschlungen haben, soll allein dieses tödtliche Geheimniß aufbewahrt werden.«

Durch solche Gedanken suchte Leicester sein Gewissen mit den Racheplänen zu versöhnen, die er in seine ganze Handlungsweise eingewebt hatte, so daß er fast nicht im Stande war, sie aufzugeben, bis ihm endlich seine Rache als Gerechtigkeit und selbst als edle Mäßigung erschien.

Während der Graf beim hellen Mondscheine auf dem freien Platze vor dem Garten auf und abging, ohne jedoch Etwas zu sehen, was einer menschlichen Gestalt glich, sagte er weiter zu sich selbst:

»Mein Edelmuth hat mir einen Possen gespielt, daß ich diesen Schurken habe entfliehen lassen. Vielleicht ist er gegangen, die Ehebrecherin zu befreien, die nur von so Wenigen begleitet ist.«

Doch plötzlich sah er eine menschliche Gestalt unter dem Bogengange hervorkommen, und auf ihn zugehen.

»Soll ich zustoßen, ehe ich diese verhaßte Stimme höre?« dachte Leicester, indem er nach seinem Schwerte griff. »Aber nein! ich will sehen, wohin sich diese schändliche Intrigue wendet. Ich will die Wendungen der eckelhaften Schlange beobachten, ehe ich meine Kraft anwende, sie zu zerdrücken.«

Er ließ sein Schwert wieder los, und ging langsam auf Tressilian zu, indem er sich so viel als möglich zu fassen bemüht war, bis sie einander gegenüber standen.

Tressilian machte eine tiefe Verbeugung, welche der Graf mit hochmüthigem Kopfnicken und den Worten erwiderte: »Ihr suchtet eine geheime Unterredung mit mir, mein Herr, – hier bin ich, um Euch anzuhören.«

»Mylord,« sagte Tressilian, »ich bin so sehr bei dem interessirt, was ich zu sagen habe, und so begierig, ein geduldiges und günstiges Gehör zu finden, daß ich mich so weit herablassen will, mich wegen Alles dessen zu entschuldigen, was Ew. Herrlichkeit gegen mich haben mögen. Ihr haltet mich für Euren Feind?«

»Habe ich nicht hinreichende Veranlassung dazu?« antwortete Leicester, als er bemerkte, daß Tressilian auf eine Antwort wartete.

»Ihr thut mir Unrecht, Mylord. Ich bin ein Freund, aber weder ein Anhänger noch ein Parteigänger des Grafen von Sussex, den die Hofleute Euren Nebenbuhler nennen, und schon seit langer Zeit habe ich aufgehört, Höfe und Hofintriguen für mein Temperament und meinen Charakter geeignet zu halten.«

»Ohne Zweifel, mein Herr,« antwortete Leicester; »es gibt andere Beschäftigungen, die eines Gelehrten würdiger sind, und für einen solchen hält man Herrn Tressilian, – die Liebe hat so gut ihre Intriguen wie der Ehrgeiz.«

»Ich bemerke, Mylord,« entgegnete Tressilian, »daß Ihr viel Gewicht auf meine frühere Neigung zu der jungen unglücklichen Person legt, von der ich reden will, und vielleicht glaubt, daß ich die Sache mehr als Nebenbuhler, denn der Gerechtigkeit wegen, fortsetze.«

»Es liegt nichts daran, was ich denke,« sagte der Graf; »fahrt fort! Ihr habt bis jetzt einzig und allein von Euch geredet. So wichtig auch dieser Gegenstand sein mag, so liegt mir doch nicht so viel daran, daß ich deshalb meine Ruhe aufschieben sollte, um davon reden zu hören. Erspart mir die Vorrede, mein Herr, und sprecht von der Sache, wenn Ihr mir wirklich Etwas zu sagen habt, was mich betrifft. Wenn Ihr zu Ende seid, werde ich Euch ebenfalls Etwas mitzutheilen haben.«

»Ohne Vorrede also, Mylord,« antwortete Tressilian. »Da das, was ich zu sagen habe, Ew. Herrlichkeit Ehre betrifft, so werdet Ihr Eure Zeit nicht verschwendet halten, indem Ihr es anhört. Ich habe Ew. Herrlichkeit in Betreff der unglücklichen Emma Robsart, deren Geschichte Euch nur zu gut bekannt ist, eine Bitte vorzulegen. Ich bedaure aufrichtig, nicht sogleich diesen Schritt gethan, und Euch zum Richter zwischen mir und dem Schurken aufgefordert zu haben, von dem sie beleidigt worden ist. Mylord, sie befreite sich aus einem ungesetzlichen und gefährlichen Zustande der Gefangenschaft, indem sie den Wirkungen ihrer Vorstellungen auf ihren unwürdigen Gatten vertraute und mir das Versprechen abdrang, nicht eher ihretwegen einen Schritt zu thun, bis sie sich selber bemüht habe, ihn zur Anerkennung ihrer Rechte zu bewegen.«

»Ha!« sagte Leicester, »bedenkt Ihr, mit wem Ihr redet?«

»Ich rede von ihrem unwürdigen Gatten, Mylord,« wiederholte Tressilian, »und meine Achtung vor Euch kann keinen milderen Ausdruck finden. Die unglückliche junge Dame ist an einem verborgenen Orte dieses Schlosses untergebracht, wenn nicht gar an einem Orte, der besser zu den schlechten Absichten ihres Gatten paßt. Dem muß abgeholfen werden, Mylord, – ich sage dies als Bevollmächtigter ihres Vaters, – diese unglückliche Heirath muß in Gegenwart der Königin anerkannt und bewiesen, und die Dame sogleich in Freiheit gesetzt werden. Und erlaubt mir zu sagen, daß dies Eurer Herrlichkeit Ehre besonders angeht.«

Der Graf stand da, erstaunt über die Kälte, mit der Tressilian die Sache Emma's führte, als sei sie ein unschuldiges Weib. »Ich habe Euch ohne Unterbrechung angehört, Herr Tressilian,« faßte er, »und ich danke Gott, daß meine Ohren bis dahin noch nie von den Worten eines so frechen Schurken berührt wurden. Es paßt eher für die Peitsche des Henkers, Euch zu züchtigen, als für das Schwert eines Edelmannes; aber doch – Schurke, zieh und vertheidige Dich!«

Als er die letzten Worte sprach, ließ er seinen Mantel fallen, schlug Tressilian mit der Scheide seines Schwertes, zog es dann und stellte sich zum Angriffe. Tressilian war Anfangs über seine Wuth bestürzt, doch wurde durch diese Behandlung sein Zorn entflammt, und er dachte an nichts weiter, als an den bevorstehenden Kampf. Sie hatten schon mehrere Minuten gefochten, ohne daß Einer von Beiden eine Wunde erhielt, als man plötzlich Stimmen unter dem Säulengange hörte, welcher den Eingang zu der Terrasse bildete, und es kamen mehrere Männer hastig auf sie zugeschritten. »Wir werden unterbrochen,« sagte Leicester zu seinem Gegner; »folgt mir.«

Zu gleicher Zeit sagte eine Stimme unter dem Säulengange: »Der Narr hat Recht, – sie fechten wirklich hier.«

Leicester zog Tressilian in ein Versteck hinter einem Springbrunnen, welches dazu diente, sie zu verbergen, während sechs Leute von der königlichen Garde den mittlern Gang dahinschritten, indem sie Einen zu den Uebrigen sagen hörten: »Wir werden sie doch heute Abend nicht finden unter diesen Eichhörnchenkäfigen und Kaninchenlöchern, doch wenn wir sie nicht treffen, ehe wir das andere Ende erreichen, so wollen wir eine Schildwache an den Eingang stellen, damit wir sie morgen sicher haben.«

»Eine hübsche Geschichte,« sagte ein Anderer, »so ganz in der Nähe der Königin, ja, so zu sagen, in ihrem Palaste selber, das Schwert zu ziehen! – Zum Henker! es müssen ein Paar arme betrunkene Spieler sein, die mit einander in Streit gerathen sind, – es wäre Schade, wenn wir sie fänden, – es steht die Strafe des Handabhauens darauf, nicht wahr? – Es wäre hart, eine Hand zu verlieren, weil man ein Stück Stahl in die Hand genommen, welches einem so natürlich in den Weg kommt.«

»Du bist selber ein Raufbold, Georg,« sagte ein Anderer; »nimm Dich in Acht, denn das Gesetz ist nicht gelinder, als Du sagtest.«

»Ja,« sagte der Erstere, »wenn die Handlung nicht vielleicht milder ausgelegt wird; denn Du weißt, dieser Palast gehört nicht der Königin, sondern dem Grafen von Leicester.«

»Nun, darum könnte die Strafe eben so strenge sein,« sagte ein Anderer; »denn so gut, wie unsere gnädige Gebieterin, Gott erhalte sie, Königin ist, so gut ist der Graf von Leicester König.«

»Still, Du Schurke,« sagte ein Dritter, »Du weißt ja nicht, wer uns vielleicht zuhört.«

Sie gingen weiter, suchten aber sehr nachlässig und schienen mehr mit ihrer Unterhaltung beschäftigt, als geneigt, die Personen zu entdecken, welche die nächtliche Störung verursacht hatten.

Sobald sie über die Terrasse gegangen waren, gab Leicester Tressilian ein Zeichen, ihm zu folgen, worauf Beide unbemerkt durch den Säulengang entkamen. Er führte Tressilian zu dem Mervynthurme, wo er jetzt wieder einquartiert war, und sagte zu ihm, ehe er sich von ihm trennte: »Wenn Du Muth hast, den unterbrochenen Streit fortzusetzen und zu beenden, so halte Dich in meiner Nähe, wenn morgen der Hof auseinander geht, – wir werden Zeit dazu finden, und ich will Dir ein Zeichen geben, wenn die Gelegenheit günstig ist.«

»Mylord,« sagte Tressilian, »zu einer andern Zeit würde ich Euch um den Grund gefragt haben, weshalb Ihr so heftig gegen mich aufgebracht seid. Doch Ihr habt mir einen Schlag auf die Schulter versetzt, welcher Schimpf nur durch Blut kann ausgelöscht werden, und ständet Ihr so hoch, wie Eure stolzesten Wünsche Euch je getragen, so müßte ich wegen meiner verwundeten Ehre Genugthuung von Euch haben.«

So trennten sie sich von einander, doch für Leicester waren die Abenteuer dieser Nacht noch nicht geendet. Er war genöthigt, am Saintlowe-Thurme vorbeizugehen, um zu dem geheimen Gange zu kommen, der zu seinen eigenen Zimmern führte, und am Eingange desselben begegnete ihm Lord Hunsdon halb angekleidet, mit einem bloßen Schwerte unter dem Arm.

»Seid Ihr auch von diesem Lärm erwacht, Graf Leicester?« fragte der alte Soldat. »In Eurem Schlosse ist es in der Nacht ebenso unruhig, wie am Tage. Vor zwei Stunden wurde ich durch das Geschrei der armen wahnsinnigen Lady Varney erweckt, die ihr Gemahl mit Gewalt hinwegführte. Ich versichere Euch, hätte er nicht Eure und der Königin Vollmacht gehabt, ich hätte mich wahrhaftig ins Spiel gemengt, und Eurem Varney da eins über den Kopf versetzt; und nun ist hier im Garten Streit.«

Der erste Theil der Rede des alten Mannes war ein Messerstich für das Herz des Grafen; auf den zweiten antwortete er, daß er selber das Schwertgeklirr gehört habe und heruntergekommen sei, um Die zur Ordnung zu bringen, welche in der Nähe der Königin so unverschämt gewesen.

Hunsdon bat den Grafen, ihn in den Garten zu begleiten, wo er die Gardisten wegen ihrer erfolglosen Nachsuchung wacker ausschalt. Als Leicester endlich seiner los war, trat er in den geheimen Gang, nahm die Lampe, die er dort zurückgelassen hatte, und fand bei dem erlöschenden Lichte derselben den Weg zu seinen eigenen Zimmern.



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