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Vierzehntes Kapitel

Hier endet es gleich einem Weibermährchen.

Webster.

Als die ersten Eindrücke der Ueberraschung vorüber waren, fragte Wilfred von Ivanhoe den Großmeister, als den Kampfrichter, ob er männlich und rechtlich seine Pflicht in dem Kampfe gethan habe?

»Männlich und rechtlich ist sie gethan worden,« erwiederte der Großmeister; »ich erkläre daher das Mädchen für frei und schuldlos. – Die Waffen und der Leichnam des entseelten Ritters stehen zur Verfügung des Siegers.«

»Ich mag ihn seiner Waffen nicht berauben,« sagte der Ritter von Ivanhoe, »auch wünschte ich seinen Leichnam nicht beschimpft zu sehen. Er hat für das Christenthum gefochten; Gottes Hand, nicht menschliche Gewalt hat ihn heute zu Boden gestreckt. Aber laßt ihn im Stillen beerdigt werden, wie es sich ziemt für Einen, der in einem ungerechten Streite gefallen ist. – In Ansehung des Mädchens« –

Hier wurde er durch den Hufschlag von Rossen unterbrochen, welche so schnell und in solcher Anzahl herbeieilten, daß der Boden unter ihnen zu beben schien. Der schwarze Ritter sprengte in die Schranken. Ihn begleitete eine zahlreiche Menge Bewaffneter und mehrere Ritter in voller Rüstung.

»Ich komme zu spät!« sagte er um sich schauend. »Ich hatte Bois-Guilbert für mich ausersehen. Ivanhoe, war das Recht, solch ein Abenteuer zu übernehmen, da Du Dich kaum selbst im Sattel halten kannst?«

»Der Himmel,« versetzte Ivanhoe, »hat diesen stolzen Mann sich zum Opfer erkoren. Er sollte die Ehre nicht haben auf die Art zu sterben, wie Euer Wille war.«

»Friede mit ihm,« sagte Richard, indem er ernst auf den Leichnam schaute, »sei es, wie es wolle, er war ein tapferer Ritter und er ist in seiner Rüstung ächt ritterlich gestorben. Allein wir dürfen keine Zeit verlieren – Bohun, thue Deine Pflicht!«

Aus des Königs Gefolge trat sogleich ein Ritter hervor, und indem er seine Hand auf Albert Malvoisin's Schulter legte, sagte er: »Ich verhafte Dich wegen Hochverraths!«

Der Großmeister hatte bisher verwundert dagestanden über die Erscheinung so vieler Krieger. Jetzt sprach er:

»Wer ist es, der es wagt, einen Ritter des Tempels von Zion innerhalb des Umkreises seines eigenen Präceptoriums und in Gegenwart des Großmeisters selbst zu verhaften? Und auf wessen Befehl geschieht diese kühne Beleidigung?«

»Ich bewirke die Verhaftung,« versetzte der Ritter, »ich, Heinrich Bohun, Graf von Essex, Lord Großconnetable von England.«

»Und er verhaftet Malvoisin,« sagte der König, indem er sein Visir aufhob, »auf Befehl Richard Plantagenet's, der hier gegenwärtig ist. Conrad Mont Fichet, es ist gut für Dich, daß Du nicht mein geborner Unterthan bist. Aber Du, Malvoisin, Du stirbst nebst Deinem Bruder Philipp, ehe die Welt um acht Tage älter ist.«

»Ich widersetze mich dem Urtheile!« sagte der Großmeister.

»Stolzer Templer!« versetzte der König, »das kannst Du nicht, blicke auf und siehe die königliche Fahne Englands auf Deinen Thürmen, statt der des Tempels! Sei klug, Beaumanoir, und versuche keinen vergeblichen Widerstand! Deine Hand liegt in des Löwen Rachen!«

»Ich appellire nach Rom gegen Dich,« erwiederte der Großmeister, »wegen Anmaßung der Freiheiten und Vorrechte unsers Ordens.«

»Meinetwegen!« sagte der König, »aber um Deiner selbst willen mahne mich jetzt nicht daran. Löse Dein Kapitel auf und ziehe mit Deinen Gefährten nach dem nächsten Präceptorium, wenn Du eins finden kannst, welches sich noch keiner hochverrätherischen Verschwörung gegen den König von England schuldig gemacht hat. Oder willst Du bleiben, so theile unsere Gastfreundschaft und sei Zeuge unserer Gerechtigkeitspflege.«

»Soll ich ein Gast sein in dem Hause, wo ich befehlen sollte?« sagte der Templer; »nie, niemals! Kaplan, stimme an den Psalm: Quare fremuerunt gentes? Ritter, Knappen und Anhänger des heiligen Tempels, bereitet Euch dem Banner Beau-séant zu folgen!«

Der Großmeister sprach mit einer Würde, die Englands König selbst in Verlegenheit setzte, und seinen erstaunten und erschrockenen Anhängern Muth einflößte. Sie drängten sich um ihn her, wie die Schafe um den Wächterhund, wenn sie den Wolf heulen hören. Allein sie bewiesen keinesweges die Furchtsamkeit der Schafe, sondern man bemerkte finstere Stirnen und Blicke, welche mit Feindseligkeiten drohten, die sie nicht wagten in Worten zu äußern. Sie zogen sich in eine dunkle Linie von Speeren zusammen, aus welcher die weißen Mäntel der Ritter unter den schwarzen Kleidern ihrer Diener, wie die hellen Säume dunkler Wolken hervorschimmerten. Die Menge, welche ein lautes Geschrei des Mißfallens hatte hören lassen, schwieg und betrachtete stumm die furchtbare und erfahrne Schaar, die so unkriegerisch herausgefordert hatte, und scheu wich Alles vor ihr zurück.

Der Graf von Essex, als er die versammelte Macht vor sich sah, drückte seinem Rosse die Sporen in die Seiten und sprengte vor- und rückwärts, um seine Gefährten zu sammeln zum Widerstand gegen eine so furchtbare Schaar. Richard allein, gleich als liebe er die Gefahr, die seine Gegenwart erzeugt hatte, ritt langsam an der Fronte der Templer hinunter und rief: »Wie, Ihr Herren? Unter so tapfern Rittern will nicht einer eine Lanze mit Richard brechen? Ihr Herren des Tempels, Eure Damen müssen von der Sonne verbrannt sein, wenn Ihr sie nicht des Splitters einer Lanze werth haltet!«

Der Großmeister der Templer ritt auf diese Worte vor und sprach:

»Die Brüder des Tempels fechten nicht um so eitlen und profanen Zweckes willen, auch nicht mit Dir, Richard von England, soll in meiner Gegenwart ein Ritter eine Lanze brechen. Der Papst und die Fürsten Europa's mögen unsern Streit entscheiden, und ob ein christlicher Fürst wohlgethan hat, eine Sache zu verfechten, wie Du heute gethan hast. Unangegriffen entfernen wir uns, Niemanden angreifend. Deiner Ehre vertrauen wir die Waffen und Effekten des Ordens, die wir nicht mitnehmen können, und auf Dein Gewissen wälzen wir das Aergerniß und die Kränkung, die Du heute dem Christenthum zugefügt hast.«

Mit diesen Worten, und ohne eine Antwort zu erwarten, gab der Großmeister das Zeichen zum Aufbruch. Die Trompeter bliesen einen wilden Marsch nach orientalischer Art, als das gewöhnliche Signal der Templer zum Vorrücken. Sie bildeten ihren Nachtrab zu einer Marschkolonne und ritten langsamen Schritts fort, gleich als wollten sie zeigen, daß es nur der Wille ihres Großmeisters, keineswegs aber Furcht vor der ihnen gegenüberstehenden Macht sei, was sie zum Abzüge bewege.

»Bei der heiligen Jungfrau!« sagte König Richard, »es ist Schade, daß die Templer nicht so zuverlässig sind, als tapfer und disciplinirt.«

Die Menge, gleich einem furchtsamen Hunde, der erst bellt, wenn der Gegenstand, der ihn beleidigte, den Rücken gewandt hat, ließ ein schwaches Geschrei vernehmen, als die Schaar den Platz verließ.

Während des Lärms, den der Rückzug der Templer verursachte, sah und hörte Rebecca nichts von allem, was sie umgab. Sie lag fast bewußtlos in den Armen ihres alten Vaters, der sie endlich durch sein Zureden aus ihrer Betäubung erweckte.

»Laß uns gehen, meine theure Tochter,« sagte er, »mein wiedergefundener Schatz, laß uns gehen und uns dem edlen Jüngling zu Füßen werfen!«

»Nein, nein,« sagte Rebecca, »ich darf es jetzt nicht wagen, mit ihm zu reden. O, ich möchte mehr sagen, als –. Nein, mein Vater, laß uns augenblicklich diesen schrecklichen Ort verlassen.«

»Aber, liebste Tochter,« entgegnete Isaac, »ihn zu verlassen, der so weit hergekommen ist, als ein tapferer Mann mit Speer und Schild, sein eigenes Leben nicht achtend, um Deine Gefangenschaft zu lösen – und Du, Du die Tochter eines Volkes ihm ganz fremd – o, das ist ein Dienst, der dankbar erkannt werden muß.«

»Ja, ja, dankbar, demüthigst erkannt – das soll er werden, doch jetzt nicht, nur jetzt nicht! Um Deiner geliebten Rachel willen, schlage mir diese Bitte nicht ab – jetzt nicht«

»Aber,« sagte Isaac, noch immer in sie dringend, »sie werden uns für undankbarer als Hunde halten.«

»Siehst Du denn nicht, theurer Vater, daß König Richard zugegen ist, und daß« –

»Du hast Recht, meine gute, meine kluge Rebecca! Fort von hier! Fort von hier! – Er durstet nach Geld, gewiß, denn er ist erst aus Palästina und, wie man sagt, aus dem Gefängnisse zurückgekehrt – und einen Vorwand dazu wird er schon finden, weil ich mit seinem Bruder Johann verkehrt habe. Fort, laß uns von hinnen eilen!«

So zog er seine Tochter mit sich aus den Schranken fort und brachte sie, da er schon Pferde in Bereitschaft hatte, glücklich in das Haus des Rabbiners Nathan.

Kaum hatte sich die Jüdin, deren Schicksal das Hauptinteresse des Tages ausgemacht, unbemerkt entfernt, so wandte sich die Aufmerksamkeit des großen Haufens auf den schwarzen Ritter. Die Luft erscholl nun von dem Rufe: »Lange lebe Richard der Löwenherzige! Nieder mit den anwesenden Templern!«

»Ungeachtet dieser Lippentreue,« sagte Ivanhoe zu dem Grafen von Essex, »war es doch gut, daß der König die Vorsicht brauchte, Dich mitzunehmen, edler Graf, und noch einige Deiner treuen Begleiter.«

Der Graf lächelte und schüttelte den Kopf.

»Tapferer Ivanhoe, kennst Du denn unsern Herrn so wenig, daß Du ihn in Verdacht hast, eine so weise Vorsichtsmaßregel zu ergreifen? Ich wollte mich eben nach York begeben, da ich gehört hatte, daß Prinz Johann dort eine Partei bilde, da traf ich König Richard gleich einem irrenden Ritter hierhereilend, um blos mit seinem einzigen Arm das Abenteuer des Templers und der Jüdin zu enden. Ich schloß mich dann fast wider seinen Willen an ihn an.«

»Und was bringst Du Neues von York, tapferer Graf?« fragte Ivanhoe; »werden die Rebellen uns dort trotzen?«

»Nicht mehr als der Decemberschnee der Juliussonne trotzt,« sagte der Graf; »sie zerstreuen sich, und glaubst Du wohl, daß Johann uns selbst die Nachricht davon gebracht hat?«

»Der Verräther! der undankbare Verräther!« sagte Ivanhoe, »hat ihn Richard denn nicht ins Gefängniß werfen lassen?«

»O, er empfing ihn,« sagte der Graf, »als wenn sie sich nach einer Jagdpartie begegnet wären; und indem er auf uns und unsere Bewaffneten deutete, sagte er: Du siehst, Bruder, ich habe einige zornige Leute bei mir, Du thust am besten zu unserer Mutter zu gehen und dort zu bleiben, bis die Gemüther besänftigt sind.«

»Und das war Alles, was er sagte?« entgegnete Ivanhoe, »sollte man nicht behaupten, Richard fordere durch seine Milde selbst zur Verrätherei auf?«

»Ja,« sagte der Graf, »wie man sagen kann, derjenige fordere den Tod heraus, der mit einer gefährlichen, ungeheilten Wunde ein Gefecht zu bestehen unternimmt.«

»Der Scherz sei Dir verziehen, Graf,« sagte Ivanhoe, »allein bedenke, ich wagte nur mein eigenes Leben, allein Richard die Wohlfahrt seines Reichs!«

»Diejenigen,« versetzte der Graf, »welche sich ihre eigene Wohlfahrt nicht eben sehr angelegen sein lassen, bekümmern sich in der Regel auch nicht viel um die Anderer. Aber laß uns zum Schlosse eilen, denn Richard will einige der untergeordneten Mitglieder der Verschwörung bestrafen, obgleich er ihrem Anführer verziehen hat.«

Aus den gerichtlichen Untersuchungen, welche bei dieser Gelegenheit geführt wurden, scheint so viel zu erhellen, daß Moritz de Bracy über das Meer entkam und in die Dienste Philipp's von Frankreich trat, während Philipp von Malvoisin und sein Bruder Albert, der Präceptor von Templestowe, hingerichtet wurden. Waldemar Fitzurse, obgleich die Seele der Verschwörung, kam mit der Verbannung davon.

Kurz nach dem erwähnten Zweikampfe wurde Cedric der Sachse an Richards Hof beschieden, der sich zu York aufhielt. Cedric schüttelte zwar den Kopf zu dieser Botschaft, fand sich aber doch ein. In der That hatte auch Richards Rückkehr jede Hoffnung in ihm erstickt, die sächsische Dynastie in England wieder hergestellt zu sehen; denn so bedeutend auch der Anhang der Sachsen bei einem bürgerlichen Kriege gewesen sein möchte, so war es doch klar, daß sie nichts ausrichten konnten unter der unbestrittenen Herrschaft Richards, zumal da er durch seine persönlichen Eigenschaften und seinen kriegerischen Ruhm die Herzen des Volkes gewonnen hatte, wenn auch seine Regierung selbst bald zu nachsichtig war, bald sich zu sehr zum Despotismus hinneigte.

Athelstane gab die Bewerbung um Rowena's Hand auf, und beschäftigte sich in der ersten Zeit nach seiner Auferstehung aus dem Grabe mit der Bestrafung der Mönche, die ihn lebendig beerdigt hatten.

Kaum war Cedric sieben Tage am Hofe gewesen, als er auch schon seine Einwilligung zur Vermählung seiner Mündel Rowena mit seinem Sohne Wilfred von Ivanhoe gegeben hatte.

Die Trauung unseres Helden wurde in einem der erhabensten Tempel, dem Münster zu York, gefeiert. Der König selbst wohnte ihr bei. Die Kirche entfaltete dabei all den Glanz in ihren Feierlichkeiten, den die römische noch jetzt mit so günstigem Erfolge zu benutzen weiß.

Gurth, stattlich ausstaffirt, folgte seinem jungen Herrn, dem er so treu gedient hatte, als Knappe, und der großmüthige Wamba trug an diesem Tage eine neue Kappe und einen ungeheuren Schmuck von silbernen Glöckchen. So wie sie Wilfreds Unglück und Gefahren redlich getheilt hatten, blieben sie auch im Glück seine Theilnehmer und Gefährten.

Außer diesem Dienergefolge wurde diese Hochzeit auch verherrlicht durch den Besuch vornehmer Normänner und Sachsen, die den allgemeinen Jubel der niedern Stände theilten, welche in dieser Verbindung ein Pfand künftigen Friedens zwischen zwei Geschlechtern erblickten, die sich seit der Zeit so vollkommen vermischt haben, daß sich kein Unterschied mehr erkennen läßt. Cedric lebte noch so lange, die Annäherung dieser Vereinigung zu bemerken; allein erst unter der Regierung Eduards des Dritten wurde die vermischte Sprache, die jetzt Englisch heißt, am Hofe zu London gesprochen, so wie auch erst von der Zeit an der feindliche Unterschied zwischen Normannen und Sachsen gänzlich verschwunden zu sein scheint.

Am zweiten Morgen nach ihrem Hochzeitstage wurde der Lady Rowena von ihrer Zofe Elgitha gemeldet, daß ein junges Mädchen da sei, welches mit ihr ohne Zeugen zu sprechen wünsche. Rowena wunderte sich darüber, wurde aber neugierig, ließ das Mädchen hereinkommen und befahl ihren Leuten, sich zu entfernen.

Die Fremde trat ein – eine edle, imposante Gestalt. Der lange weiße Schleier, der sie umfloß, beschattete mehr die Anmuth und Majestät ihres Wesens, als daß er sie verhüllte. Ihr Benehmen war höchst achtungsvoll, doch ohne den mindesten Schatten von Furcht, oder das Bestreben, sich Rowena's Gunst zu erwerben. Rowena war stets bereit, fremde Ansprüche anzuerkennen und fremde Gefühle zu theilen. Sie stand auf, und würde sogleich die liebenswürdige Fremde zu einem Sitze geführt haben, allein sie sah Elgitha an, und äußerte abermals den Wunsch, mit Lady Rowena allein zu reden. Elgitha war nicht so bald, wenn auch ungern verschwunden, als zum Erstaunen der Lady von Ivanhoe die schöne Besuchende sich auf ein Knie vor ihr niederließ, ihre Hand vor die Stirn legte, dann das Haupt zur Erde beugte, und trotz Rowena's Widerstand, den gestickten Saum ihres Kleides küßte.

»Wozu das?« fragte die überraschte junge Frau; »warum beweiset Ihr mir eine so ungewöhnliche Verehrung?«

»Weil ich Euch, Lady von Ivanhoe,« sagte Rebecca aufstehend und ihre gewohnte ruhige Würde wieder annehmend, gesetzlich und ohne Zurückweisung die Schuld der Dankbarkeit abtragen kann, die mich dem Ritter von Ivanhoe verbindet. Ich bin – verzeiht die Kühnheit, womit ich Euch die Huldigung nach der Sitte meiner Nation darbringe – ich bin die unglückliche Jüdin, für die Euer Gemahl in den Schranken von Templestowe sein Leben wagte.«

»Mädchen,« sagte Rowena, »Wilfred von Ivanhoe hat an jenem Tage nur in geringem Maße Eure unermüdete Theilnahme bei Pflege und Heilung seiner Wunden und in seinem Unglücke vergolten. Sprich, kann ich, kann er Dir in etwas dienen?«

»Nein,« versetzte Rebecca ruhig, »doch bitte ich Euch, ihm mein dankbares Lebewohl zu bringen.«

»Ihr wollt also England verlassen?« sagte Rowena, die sich kaum von dem Erstaunen über diesen seltsamen Besuch erholen Konnte.

»Ich verlasse es, Lady, ehe der Mond wieder wechselt; mein Vater hat einen Bruder, der bei Mahomed Boabdil, dem Könige von Grenada, in großer Gunst steht. Dorthin gehen wir, des Friedens und Schutzes sicher, gegen Zahlung eines Tributs, den die Muhamedaner von unsern Volke zu fordern pflegen.«

»Und seid Ihr denn nicht auch so geschützt in England?« sagte Rowena. »Mein Gemahl steht bei dem Könige in Gunst, der König selbst ist gerecht und edelmüthig.«

»Lady,« sagte Rebecca, »daran zweifle ich nicht; aber Englands Volk ist ein stolzes Geschlecht, immer mit ihren Nachbarn, oder unter sich selbst uneinig, und stets bereit, das Schwert einander in die Seite zu stoßen. Das ist kein sicherer Aufenthalt für die Kinder meines Volkes. Ephraim ist eine muthlose Taube – Isaschar ein gedrückter Sclav, der zwischen zwei Lasten einherschreitet. In keinem Lande des Krieges und Blutes, umgeben von feindlichen Nachbarn und durch innern Zwiespalt zerrissen, kann Israel hoffen, auf seiner Wanderung zu rasten.«

»Aber Du, Mädchen,« sagte Rowena, »Du hast doch gewiß nichts zu fürchten! Sie, die am Krankenbette Ivanhoe's als Arzt und Pflegerin wachte, sie kann nichts zu fürchten haben in England, wo Sachsen und Normannen sich wetteifernd bemühen werden, ihr die meiste Ehre zu beweisen.«

»Eure Rede ist schön,« entgegnete Rebecca, »und Eure Absicht noch schöner. Aber es kann nicht sein – eine Kluft ist zwischen uns befestigt. Unsere Geburt, unser Glaube verbietet uns, sie zu überschreiten. So lebt denn wohl! Doch ehe ich scheide, gewährt mir noch eine Bitte! Der bräutliche Schleier bedeckt Dein Angesicht, erhebe ihn, und laß mich das Gesicht schauen, von dem der Ruf so bewundernd spricht.«

»Es ist des Anschauens kaum werth, allein ein Gleiches von meinem Gaste erwartend, hebe ich den Schleier auf.«

Sie that es, und theils im Bewußtsein ihrer Schönheit, theils aus Schaam, erröthete sie dergestalt, daß Wangen, Stirn, Nacken und Busen wie mit Purpur übergossen waren. Rebecca erröthete gleichfalls, allein es war nur eine vorübergehende Empfindung, und bald von höheren Gefühlen ergriffen, entschwand es aus ihren Zügen wie die Purpurwolke ihre Farbe verliert, wenn die Sonne unter den Horizont versinkt.

»Lady,« sagte sie, »das Benehmen, welches Ihr mir gezeigt habt, wird lange in meinem Gedächtnisse bleiben. Anmuth und Güte sind damit vereinigt, und wenn sich ein Anstrich von dem Stolze und der Eitelkeit der Welt mit einem solchen Ausdrucke von Liebenswürdigkeit vermischen sollte, wie mögen wir tadeln, daß das, was von der Erde stammt, die Farbe seines Ursprungs trägt? Lange werde ich Euer Gesicht nicht vergessen, und gebe Gott, daß ich meinen edlen Befreier verlasse, vereinigt mit« –

Sie stockte – ihre Augen füllten sich mit Thränen. Schnell aber trocknete sie dieselben und antwortete auf Rowena's besorgliche Erkundigung nach ihrem Befinden: »Ich befinde mich wohl, Mylady, ganz wohl; aber mein Herz schwillt mir im Busen, wenn ich an Torquilstone und an die Schranken von Templestowe denke! Lebt wohl! – Doch einer, der geringste Theil meiner Pflicht ist noch unvollbracht. Nehmt dieses Kästchen, und erschreckt nicht über seinen Inhalt.«

Rowena öffnete das kleine, mit Silber beschlagene Kästchen, und erblickte einen Halsschmuck und Ohrgehänge von Diamanten von unermeßlichem Werthe.

»Unmöglich,« sagte sie, das Kästchen zurückgebend, »ein Geschenk von solchem Werthe darf ich nicht annehmen.«

»O, nehmt es doch,« versetzte Rebecca; »Ihr habt Macht, Rang, Einfluß; wir haben Reichthum, die Quelle sowohl unserer Kraft, als unserer Schwäche; der Werth dieser Spielsachen, auch zehnfach erhöht, würde nicht halb so viel auszurichten vermögen, als Euer leisester Wunsch; Euch ist daher diese Gabe von geringer Bedeutung, mir aber von noch geringerer. Laßt mich nicht glauben, daß Ihr so niedrig von meinem Volke denkt, wie der gemeine Haufe Eurer Landsleute; denkt Ihr auch, daß ich diese flimmernden Steine höher schätze, als meine Freiheit? Oder daß mein Vater sie nur der Rede werth hält, in Vergleich mit der Ehre seines einzigen Kindes? Nehmt sie, Lady, mir sind sie ohne Werth, denn nie werde ich wieder Edelsteine tragen.«

»Seid Ihr denn so unglücklich?« fragte Rowena, ergriffen von der Art, womit Rebecca diese letzten Worte aussprach. »O, bleibt bei uns! Der Rath heiliger Männer wird Euch von Eurem unglücklichen Gesetze befreien, und ich will Eure Schwester sein!«

»Nein, Lady,« entgegnete Rebecca mit derselben sanften Schwermuth in ihrem schönen Gesicht und ihrer milden Stimme, »das kann nicht geschehen. Ich kann den Glauben meiner Väter nicht wechseln wie ein Kleid, das nicht für das Klima paßt, unter dem ich wohnen will, und unglücklich, Lady, werde ich nicht sein. Er, dem ich mein künftiges Leben weihe, wird mein Tröster sein, wenn ich seinen Willen thue.«

»Habt Ihr denn Klöster, in deren eins Ihr Euch zu begeben gedenkt?« fragte Rowena.

»Nein, Mylady,« sagte die Jüdin, »aber unter unserem Volke hat es seit Abrahams Zeiten Frauen gegeben, welche ihre Gedanken dem Himmel weihten, und ihre Handlungen der Menschenliebe; sie pflegten den Kranken, speisten den Hungrigen und trösteten den Elenden. Unter diese soll Rebecca gezählt werden. Das sage Deinem Herrn, wenn er nach dem Schicksal derjenigen fragen sollte, deren Leben er einst rettete.«

Es war ein unwillkürliches Beben in Rebecca's Stimme, und eine Zartheit in ihrem Tone, die vielleicht mehr verriethen, als sie wünschte. Sie eilte nun, von Rowena Abschied zu nehmen.

»Lebt wohl, lebt wohl,« sagte sie. »Möge der, welcher Juden und Christen schuf, seine schönsten Segnungen über Dich ausschütten. Das Schiff, welches uns von hier tragen soll, möchte vielleicht unter Segel gehen, ehe wir den Hafen erreichen können.«

So schlüpfte sie aus dem Zimmer und ließ Rowena in Erstaunen zurück, gleich als sei ein Traumgesicht bei ihr vorübergegangen. Die sächsische Schöne erzählte die sonderbare Unterredung ihrem Gemahl, auf dessen Gemüth sie einen tiefen Eindruck machte. Er lebte lang und glücklich mit Rowena, denn Beide waren einander mit der reinsten Liebe zugethan, welche sehr vermehrt wurde durch das Andenken an die Schwierigkeiten, die sich ihrer Verbindung entgegengestellt hatten. Indessen würde es vermessen sein zu fragen, ob die Erinnerung an Rebecca's Schönheit sich nicht öfter bei ihm erneute, als der schöne Sprößling Alfreds es gern gesehen.

Ivanhoe zeichnete sich in Richards Diensten bedeutend aus und erhielt fernere Beweise seiner königlichen Gunst. Er würde sich wohl noch höher aufgeschwungen haben, hätte nicht der frühe Tod Richards vor dem Schlosse Chaluz bei Limoges dies verhindert. Mit dem Leben eines edelmüthigen, aber feurigen und romantischen Monarchen scheiterten alle Pläne, die sein Ehrgeiz und sein Edelmuth gebildet hatten, und auf ihn lassen sich mit geringer Veränderung die Verse anwenden, welche Johnson auf Karl den Zwölften von Schweden dichtete:

Entschieden ward sein Loos auf fremdem Strand
Durch eine kleine Burg und niedre Hand;
Erschrocken staunt die Welt den Namen an,
Stoff gibt er zur Moral und zum Roman.

 

Ende des dritten und letzten Theils.


Druck der C. Hoffmann'schen Officin in Stuttgart.


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