Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel

So schwer sei Mowbray's Sünd' in seiner Brust,
Daß sie des kühnen Rosses Rücken breche,
Und köpflings in die Schranken werf' den Reiter,
Vom Rachestrahl getroffen.

Richard der Zweite.

Der Schauplatz unserer Geschichte wird nun wieder die Umgebung des Schlosses oder Präceptoriums von Templestowe, um die Zeit, wo die blutige Entscheidung um Rebecca's Leben und Tod fallen sollte. Es war ein Anblick des regsten Lebens, gleich als hätte die ganze Nachbarschaft ihre Einwohner zu einem ländlichen Feste ausgeschüttet. Indessen ist die Neigung zum Anblick von Blut und Tod keinesweges jenen finstern Zeitaltern allein eigen, ob sie gleich durch die gladiatorischen Auftritte von Zweikämpfen und Turnieren an das Schauspiel gewöhnt waren, einen tapfern Mann durch die Hand eines andern fallen zu sehen.

Die Augen eines großen Theils der Zuschauer waren daher auf das Thor des Präceptoriums gerichtet, um die Prozession genau mit anzusehen, indeß ein noch größerer bereits den zu dem Orte gehörigen Turnierplatz umringt hatte. Dieser Platz war auf einem Stück Land eingerichtet, das zu dem Präceptorium gehörte, und zu den kriegerischen und ritterlichen Uebungen, die hier vorgenommen werden sollten, sorgfältig geebnet worden. Er bildete die oberste Fläche einer sanften Anhöhe, war rings mit einem Pfahlwerke umgeben, und da die Templer gern Zuschauer bei ihren ritterlichen Festen hatten, auch mit Gallerien und Bänken zur Bequemlichkeit der Zuschauer recht passend versehen.

Bei der gegenwärtigen Gelegenheit war am östlichen Ende ein Thron für den Großmeister errichtet und mit Ehrensitzen für die Präceptoren und Ritter des Ordens umgeben worden. Ueber denselben wehte die heilige Fahne, welche Le beau seant hieß, so wie auch dieses Wort das Feldgeschrei der Templer war.

An dem entgegengesetzten Ende der Schranken befand sich ein Haufen Reisholz um einen großen Pfahl gelegt, der fest im Boden steckte, so daß nur ein Platz noch übrig blieb für das Schlachtopfer, welches hier verzehrt werden sollte. An dem Pfahle selbst hingen Ketten, womit dieses festgebunden wurde. Neben diesem Apparat des Todes standen vier schwarze Sklaven, deren afrikanische Farbe und Gesichter, damals in England nur wenig bekannt, die staunende Menge mit Schrecken erfüllte, indem sie auf dieselben wie auf böse Geister blickte, welche mit bei dem höllischen Werke gebraucht werden sollten. Diese Menschen regten sich nicht, außer zuweilen, unter Leitung eines Andern, der ihr Oberhaupt zu sein schien, um die angeschafften Brennstoffe zu ordnen und zurecht zu legen. Sie schauten gar nicht auf die Menge hin, ja sie schienen überhaupt für gar nichts weiter Sinn zu haben, als für die Vollziehung dessen, was ihnen befohlen war. Und wenn sie, mit einander selbst sprechend, ihre dicken Lippen öffneten und ihre weißen Zähne zeigten, gleich als ob sie sich der Vorstellung des bevorstehenden Trauerspiels freuten, konnten sich die Umstehenden kaum enthalten dienstbare Geister in ihnen zu sehen, mit denen die Zauberin wirklich Umgang gepflogen habe, und welche, da dieser nun vorüber, bereit wären, bei ihrer schrecklichen Strafe hülfreiche Hand zu leisten. Man flüsterte sich gegenseitig zu und erzählte sich alle die Thaten, welche der Satan während dieser geschäftvollen und unglücklichen Periode vollbracht habe, wobei denn natürlich auf Rechnung des Teufels weit mehr gesetzt wurde, als ihm gehörte.

»Habt Ihr nicht gehört, Vater Dennet,« sagte ein Bauer zu einem andern, der schon ziemlich bejahrt war, »daß der Teufel den großen sächsischen Than, den Athelstane von Coningsburgh, leibhaftig geholt hat?«

»Ja wohl, er hat ihn aber wieder gebracht, durch Gottes und des heiligen Dunstan's Hülfe.«,

»Wie?« sagte ein junger, munterer Gesell in einem grünen Rock mit Gold gestickt, der einen rüstigen Burschen hinter sich stehen hatte, welcher auf seinem Rücken eine Harfe trug, wodurch sich der Beruf des erstern deutlich genug aussprach. Der Minstrel schien von nicht gemeinem Stande, denn außer dem Glanze seines reich gestickten Kleides trug er noch um seinen Hals eine silberne Kette, an welcher der Schlüssel hing, womit er seine Harfe zu stimmen pflegte. An seinem rechten Arme erblickte man ein silbernes Schild, das, statt wie gewöhnlich das Unterscheidungszeichen des Barons zu zeigen, zu dessen Familie er gehörte, bloß mit dem eingegrabenen Worte: Sherwood bezeichnet war. »Was meint Ihr denn damit?« sagte der Minstrel, indem er sich in die Unterhaltung der Landleute mischte; »ich kam hierher, um einen Stoff für meine Kunst zu suchen, und bei unserer Frau, es sollte mich freuen zwei zu finden.«

»Es ist ganz erwiesen,« sagte der ältere Landmann, »daß, nachdem Athelstane von Coningsburgh vier Wochen todt gewesen« –

»Das ist unmöglich,« versetzte der Minstrel, »ich sah ihn ja lebend bei dem Turniere zu Asbby de la Zouche« –

»Und doch war er todt, oder als todt weggetragen,« sagte der jüngere Landmann, »denn ich hörte ja die Mönche von St. Edmund's ihm die Todtenlieder singen, überdies gab es auch ein ansehnliches Fest- und Trauermahl auf dem Schlosse Coningsburgh, und dahin bin ich auch gegangen, doch nur des Mabel Parklin's wegen, der« –

»Ja, ja, er war todt,« sagte der Alte den Kopf schüttelnd, »und das war um so betrübter, da das alte sächsische Blut« –

»Eure Geschichte, Eure Geschichte, Ihr Herren,« sagte der Minstrel etwas ungeduldig.

»Ja, ja, gebt uns doch die Geschichte,« sagte ein wohlbeleibter Mönch, der ihnen zur Seite stand und sich auf einen Knittel stützte, der das Mittel hielt zwischen einem Pilgerstabe und einem Kampfstocke, und wahrscheinlich bei Gelegenheit zu beiden diente. »Eure Geschichte,« sagte der Mönch, »macht schnell, wir haben keine Zeit zu verlieren.« Nun begann der Landmann die Erzählung von Athelstane's Auferstehung, wie sie die Leser schon kennen, welche dem Minstrel Allan a Dale sehr gefiel, so daß er sie in Reime zu bringen Willens war, dem Mönche aber keinesweges, denn er kam selbst darin vor, da er es gewesen, der mit dem Sakristan sich gütlich gethan, als Athelstane zu ihnen mit den Ketten eingetreten war. Die in dem Leser früher vielleicht erwachte Vermuthung, daß dieser Mönch der Bruder Tuck gewesen oder der Eremit von Copmanhurst, bestätigte sich auch als gegründet, denn er gab sich eben dem Minstrel zu erkennen, als die große Glocke auf der Kirche des heiligen Michael von Templestowe, einem ehrwürdigen Gebäude, welches unweit des Präceptoriums in einem kleinen Flecken lag, ihre Unterhaltung unterbrach. Die Töne folgten so schnell auf einander, daß kaum einer verklungen war, als der andere schon erscholl, und das Echo keinen bestimmt wiederholen konnte. Alle Herzen wurden davon als dem Zeichen der bevorstehenden ernsten Feierlichkeit auf's Tiefste ergriffen, und jedes Auge wandte sich nach dem Präceptorium, den Großmeister, den Kämpfer und die Angeklagte erwartend.

Endlich fiel die Zugbrücke, die Pforten öffneten sich, und es erschien ein Ritter, die große Ordensfahne tragend; ihm voraus ritten sechs Trompeter, und sein Gefolge bildeten die Ritter, Präceptoren, zwei und zwei, der Großmeister zuletzt auf einem stattlichen Rosse, dessen Geschirr höchst einfach war. Ihm folgte unmittelbar Brian de Bois-Guilbert in glänzender Rüstung von Kopf bis zum Fuß, doch ohne Lanze, Schild und Schwert, welche von seinen zwei Knappen ihm nachgetragen wurden. Auf seinem Gesichte, wenn gleich zum Theil durch eine lange Feder beschattet, die von seinem Barette herunterfloß, las man einen Ausdruck von mancherlei heftigen Leidenschaften, worunter jedoch Stolz besonders mit Unentschlossenheit zu kämpfen schien. Er sah gespenstisch bleich aus, gleich als habe er mehrere Nächte nicht geschlafen, indeß regierte er sein muthiges Roß mit der gewohnten Zierlichkeit und Geschicklichkeit. Sein Ansehen verrieth im Ganzen etwas Großes und Ehrfurchterweckendes; allein wenn man ihn genauer ansah, entdeckte man bald in seinen finstern Zügen Etwas, wovon sich gern der Blick abwenden mochte.

Auf einer Seite ritt Conrad von Mont Fichet und auf der andern Albert von Malvoisin, welche die gewöhnlichen Pathen des Kämpfers waren. Sie waren in ihren Friedenskleidern, der weißen Ordenstracht. Hinter ihnen kamen andere Ritter des Tempels vom niedern Range, mit einem langen Gefolge von Knappen und Pagen, in schwarzer Kleidung, als Aspiranten auf die Ehre einst auch Ritter des Ordens zu werden. Auf diese Neophyten folgte eine Wache von Fußvolk in derselben Kleidung, und unter ihnen erblickte man die bleiche Gestalt der Angeklagten, welche mit langsamen, aber festen Schritten dem Schauplatze ihres Schicksals entgegenging. Sie war aller ihrer Zierden beraubt, damit nicht vielleicht ein Amulet darunter sein möchte, das, wie man meinte, Satanas solchen Schlachtopfern zu geben pflege, um sie auch unter der Tortur der Macht der Beichte zu entziehen. Statt ihres morgenländischen Schmuckes trug sie ein einfaches, weißes Kleid von der einfachsten Form; allein in ihrem Blicke lag eine solche Mischung von Muth und Ergebung, daß sie auch in diesem Anzuge und ohne allen Putz, als ihr langes, schwarzes Haar, jedem Auge Thränen entlockte, das auf ihr weilte, und die verhärtetste Bigotterie bedauerte das Schicksal eines so herrlichen Geschöpfes, welches in ein Gefäß des Zorns und in eine Sklavin des Teufels verwandelt worden war.

Ein Haufe niederer Personen, welche zum Präceptorium gehörten, folgten dem Schlachtopfer, alle in der größten Ordnung mit gefalteten Händen, den Blick am Boden geheftet.

Dieser Zug bewegte sich langsam nach der kleinen Erhöhung, auf deren Fläche die Schranken sich befanden, und beim Eintritt in dieselben ging man einmal in denselben herum von der Rechten zur Linken, und hielt an, als der Kreis beschlossen war. Es entstand ein augenblickliches Geräusch, als der Großmeister und alle seine Begleiter, den Kämpfer und seine Pathen ausgenommen, von ihren Pferden stiegen, welche dann sogleich durch die dazu bestellten Knappen aus den Schranken gebracht wurden.

Die unglückliche Rebecca wurde zu dem schwarzen Stuhle geführt, der dicht an dem Scheiterhaufen stand. Beim ersten Blicke auf diesen furchtbaren Ort, wo Vorbereitungen gemacht waren, gleich entmuthigend für den Geist, als schmerzlich für den Körper, schauderte sie zusammen und schloß die Augen, indem sie wahrscheinlich innerlich betete, da ihre Lippen sich bewegten, ohne daß man ein Wort vernahm. In dem Zeitraume von einer Minute öffnete sie jedoch die Augen wieder und blickte entschlossen auf den Holzstoß, gleich als wollte sie ihren Geist mit diesem Gegenstande befreunden, dann aber wandte sie langsam und natürlich ihr Haupt abwärts.

Unterdessen hatte der Großmeister seinen Sitz eingenommen, und als die Ritterschaft seines Ordens um und hinter ihm sich niedergelassen hatte, jedes Glied nach seinem Range, verkündete eine lange und laute Fanfare der Trompeten, daß sich der Gerichtshof zum Spruche geordnet habe. Malvoisin trat nun als des Kämpfers Pathe vor, und legte den Handschuh der Jüdin als Pfand des Kampfes zu den Füßen des Großmeisters.

»Tapferer Herr und ehrwürdiger Vater,« sagte er, »hier steht der gute Ritter Brian de Bois-Guilbert, Präceptor des Tempelordens, der durch Annahme des Kampfpfandes, welches ich hier zu Eurer Hochwürden Füße lege, sich verbunden hat, am heutigen Tage seine Pflicht im Kampfe zu thun und zu bewähren, daß dieses Judenmädchen, Namens Rebecca, das Urtheil von Rechtswegen verdient hat, welches in dem Kapitel des heiligen Ordens des Tempels von Jerusalem über sie gesprochen worden, und das sie zum Tode als Zauberin verdammt hat. – Hier steht er, sage ich, ritterlich und ehrenvoll den Kampf zu beginnen, wenn es so Euer heiliger Wille ist.«

»Hat er den Eid geleistet,« sagte der Großmeister, »daß sein Streit gerecht und ehrenvoll ist? Man bringe das Crucifix her!«

»Hochwürdiger Herr und Vater!« versetzte Malvoisin schnell, »unser Bruder hat bereits die Wahrheit seiner Anklage in die Hand des guten Ritters Conrad von Mont Fichet beschworen; anders darf er nicht vereidet werden, da seine Gegnerin eine Ungläubige ist und keinen Eid leisten kann.«

Diese Erklärung wurde zu Albert's großer Freude befriedigend gefunden; denn der schlaue Ritter hatte die Schwierigkeit oder vielmehr Unmöglichkeit vorausgesehen, Brian de Bois-Guilbert dahin zu bringen, daß er einen solchen Eid im Angesichte der Versammlung leistete, daher hatte er diese Entschuldigung erfunden, um jener Nothwendigkeit auszuweichen.

Nachdem der Großmeister Albert de Malvoisin's Entschuldigung angenommen hatte, befahl er dem Herolde vorzutreten und seine Pflicht zu thun. Die Trompeten ertönten abermals und ein vortretender Herold machte Folgendes bekannt: »Hört, hört, hört! Hier steht der gute Ritter Sir Brian de Bois-Guilbert, bereit zu kämpfen mit jedem freigebornen Ritter, welcher den der Jüdin Rebecca zugestandenen und von ihr angenommenen Kampf bestehen will, in Betracht, daß sie selbst nicht gesetzmäßig sich dazu stellen kann. Einem solchen Kämpfer bewilligt der tapfere und ehrwürdige, hier anwesende Großmeister freies Feld, gleiche Theilung von Sonne und Wind und was sonst Alles zu einem rechtlichen Kampfe gefordert wird!«

Die Trompeten erschollen von Neuem, und dann erfolgte eine Todtenstille von mehrern Minuten.

»Es erscheint kein Kämpfer auf den Ruf,« sagte der Großmeister. »Geh, Herold, und frage sie, ob sie noch auf Jemand wartet, der für sie in ihrer Sache fechten wird?« Der Herold begab sich zu dem Stuhle, worauf Rebecca saß, und Bois-Guilbert, der schnell den Kopf seines Rosses, allem Winken von Seiten Malvoisin's und Mont Fichet's zum Trotz, nach jenem Ende der Schranken wandte, stand eben so schnell, als der Herold an Rebecca's Stuhle.

»Ist dies der Regel gemäß und dem Gesetze des Kampfes?« fragte Malvoisin, den Großmeister anblickend.

»Es ist es,« versetzte Beaumanoir, »denn in dieser Berufung auf das Urtheil Gottes können wir den Parteien nicht verbieten, diejenige Gemeinschaft mit einander zu haben, welche am geschicktesten ist, die Wahrheit ans Licht zu bringen.«

Unterdessen sprach der Herold zu Rebecca folgendermaßen: »Mädchen, der ehrwürdige und verehrte Großmeister fragt Dich, ob Du einen Kämpfer für Deine Sache hast, heute den Kampf zu beginnen, oder ob Du Dich als gerecht verurtheilt bekennst zu der verdienten Strafe?«

»Sage dem Großmeister,« erwiederte Rebecca, »daß ich meine Unschuld behaupte und mich nicht für gerecht verurtheilt halten kann, wenn ich nicht an meinem eigenen Blute schuldig sein will. Sage ihm, daß ich einen solchen Aufschub fordere, als ihm die Gesetze zu ertheilen erlauben, um zu sehen, ob nicht Gott, der seine Hülfe oft in der äußersten Gefahr kund gibt, auch mir einen Retter erwecken wird; und ist dieser äußerste Zeitraum verflossen, dann geschehe sein heiliger Wille!«

Der Herold entfernte sich, um dem Großmeister diese Antwort zu überbringen.

»Gott verhüte,« sagte Lucas Beaumanoir, »daß Jude oder Heide uns der Ungerechtigkeit anklagen sollte! Bis die Schatten von Westen nach Osten reichen, wollen wir warten, ob ein Kämpfer erscheint für dieses unglückliche Weib. Ist der Tag so weit vorüber, dann laßt sie sich zum Tode bereiten.«

Der Herold meldete Rebecca diesen Ausspruch des Großmeisters, welche unterwürfig ihr Haupt neigte, ihre Arme faltete und auf zum Himmel blickte, indem sie die Hülfe von oben zu erwarten schien, welche sie von Menschen sich kaum versprechen durfte. Während dieser schrecklichen Pause schlug die Stimme Bois-Guilbert's an ihr Ohr – es war zwar nur ein Lispeln, allein es regte sie stärker auf, als die Aufforderung des Herolds gethan hatte.

»Rebecca,« sagte der Templer, »hörst Du mich?«

»Ich habe keinen Theil an Dir, grausamer, hartherziger Mann,« sagte das unglückliche Mädchen.

»Aber verstehst Du denn auch meine Worte?« sagte der Templer, »denn der Klang meiner Stimme ist meinen eigenen Ohren furchtbar. »Kaum weiß ich, auf welchem Boden wir stehen, und warum sie uns hierher gebracht haben. – Dieser Turnierplatz – dieser Stuhl – dieser Holzstoß – Ich kenne wohl ihren Vorsatz und doch scheint es mir nichts Wirkliches. – Nein, nur das schreckliche Bild eines Traumes, der meine Sinne mit entsetzlichen Erscheinungen täuscht, aber meinen Verstand nicht überzeugt.«

»Mein Geist und meine Sinne täuschen mich nicht,« versetzte Rebecca, »sie sagen mir, daß dieser Holzstoß bestimmt ist, meinen irdischen Körper zu verzehren, und mir einen schmerzlichen aber kurzen Uebergang zu einer bessern Welt zu bereiten.«

»Träume, Rebecca, Träume!« erwiederte der Templer, »eitle Trugbilder, verworfen von der Weisheit eurer eigenen weisen Sadducäer! Höre mich, Rebecca,« fuhr er mit Lebhaftigkeit fort, »eine bessere Zuflucht für Leben und Freiheit bietet sich dar, als jene Buben sich träumen lassen. Steige hinter mir auf mein Roß, das beste, das je einen Reiter trug. Ich gewann es im Zweikampfe mit dem Sultan von Trebizond; besteige es hinter mir, sage ich, und in einer kleinen Stunde sind wir aller Verfolgung und Nachsetzung entkommen! Eine neue Welt der Freude öffnet sich Dir, mir eine neue Laufbahn des Ruhms! Laß sie dann ein Urtheil sprechen, das ich verachte, und meinen Namen vertilgen aus dem Verzeichniß mönchischer Sklaven! Jeden Flecken, den sie auf meinen Wappenschild zu dringen wagen, will ich mit Blut abwaschen.«

»Versucher,« sagte Rebecca, »entferne Dich! Nicht in dieser äußersten Gefahr sollst Du mich auch nur ein Haar breit von meiner Stelle bringen. Von Feinden umgeben, halte ich Dich doch für meinen schrecklichsten und verderblichsten – entferne Dich, im Namen Gottes!«

Albert Malvoisin, beunruhigt über die lange Dauer ihrer Unterredung, trat jetzt hinzu, um sie zu unterbrechen.

»Hat das Mädchen ihre Schuld anerkannt?« fragte er de Bois-Guilbert, »oder beharrt sie entschlossen bei ihrem Läugnen?«

»Entschlossen ist sie,« sagte Bois-Guilbert.

»Dann,« sagte Malvoisin, mußt Du, edler Bruder, Deinen Platz wieder einnehmen, um den Ausgang zu erwarten. Die Schatten wechseln auf der Scheibe des Sonnenzeigers! Komm, tapferer Freund, komm, Du Hoffnung unseres heiligen Ordens und bald dessen Oberhaupt!«

Indem er dies mit besänftigendem Tone sprach, legte er die Hand an den Zügel des Rosses, gleich als wolle er den Ritter selbst zurückführen.

»Falscher Bube! was willst Du mit der Hand an dem Zügel meines Rosses?« sagte Sir Brian, sehr aufgebracht, und indem er des Gefährten Hand fortschleuderte, ritt er selbst an das unterste Ende der Schranken zurück.

»Es ist noch Muth in ihm,« sagte Malvoisin abseits zu Mont Fichet, »wäre er nur recht geleitet, aber, gleich dem griechischen Feuer, verbrennt er Alles, was ihm nahe kommt.«

Zwei Stunden waren die Richter nun schon in den Schranken gewesen, und hatten umsonst auf die Erscheinung eines Kämpfers gewartet.

»Kein Wunder,« sagte der Bruder Tuck, »da sie eine Jüdin ist, und doch bei meinem Orden, es ist hart, daß ein so junges, schönes Geschöpf umkommen soll, ohne daß ein Streich zu ihrer Rettung geführt wird, wäre sie auch zehnmal eine Hexe; wenn sie nur wenigstens eine Christin wäre, so sollte mein Kampfstock selbst auf der Stahlhaube des stolzen Templers tanzen, ehe die Sache so weit käme.«

Man glaubte nunmehr allgemein, daß Niemand für eine der Zauberei beschuldigte Jüdin in die Schranken treten wolle, und die Ritter, von Malvoisin aufgereizt, flüsterten einander schon zu, daß es nun Zeit sei, Rebecca ihres Pfandes für verlustig zu erklären. In diesem Augenblicke erschien ein Ritter, der im vollen Rosseslaufe auf den Ort zueilte, wo die Schranken sich befanden. Hundert Stimmen riefen sogleich: »Ein Kämpfer! Ein Kämpfer!« und aller Vorurtheile spottend, begrüßte man ihn laut und freudig, als er in die Schranken selbst einritt. Allein ein zweiter Blick auf ihn war hinreichend, die Hoffnung zu zerstören, welche sein Erscheinen erregt hatte. Denn sein Roß, das mehrere Meilen in höchster Eil zurückgelegt haben mochte, war ganz erschöpft, und der Reiter, so kühn er sich in den Schranken zeigte, schien sich doch kaum im Sattel halten zu können.

Den Aufforderungen des Herolds, der ihn um Rang, Namen und Absicht fragte, antwortete der Fremde schnell und kühn: »Ich bin ein guter und edler Ritter, und hierher gekommen, um mit Schwert und Lanze den gerechten und gesetzmäßigen Streit dieses Mädchens, Rebecca, Tochter Isaac's von York, auszufechten; zu behaupten, daß das gegen sie ausgesprochene Urtheil falsch und unwahr sei, und den Sir Brian de Bois-Guilbert als einen Verräther, Mörder und Lügner auszufordern; das will ich auf diesem Platze mit meinem Körper gegen ihn beweisen, durch Hülfe Gottes, unserer Frau, und des heiligen Georg!«

»Der Fremde,« sagte Malvoisin, »muß erst beweisen, daß er ein guter Ritter ist und von edler Abkunft; der Tempel sendet keinen Streiter gegen namenlose Männer.«

»Mein Name,« versetzte der Ritter, indem er das Visir aufschlug, »ist vielleicht bekannter, und meine Abkunft reiner als Deine eigene, Malvoisin! Ich bin Wilfred von Ivanhoe!«

»Mit Dir fechte ich nicht,« sagte der Templer mit ganz veränderter, hohler Stimme, »laß Deine Wunden erst heilen, suche Dir ein besseres Roß, dann werde ich es vielleicht meiner würdig finden, Deinen prahlerischen Ton zu züchtigen.«

»Ha, stolzer Templer,« sagte Ivanhoe, »hast Du denn vergessen, daß Du zweimal vor dieser Lanze darnieder gesunken bist? Denke an die Schranken von Acre, denke an den Waffengang zu Ashby! Denke an Deine stolze Prahlerei in den Hallen von Rotherwood und die Verpfändung Deiner goldenen Kette gegen mein Reliquienkästchen, daß Du mit Wilfred von Ivanhoe kämpfen wolltest, um Deine verlorene Ehre wieder zu erhalten! Bei diesem Kästchen und dem heiligen Inhalte desselben, ich werde Dich, Templer, öffentlich und an jedem Hofe Europa's, in jedem Präceptorium Deines Ordens als einen Feigen bezeichnen, wenn Du Dich nicht unverzüglich zum Kampfe stellst.«

Bois-Guilbert wandte sich unentschlossen nach Rebecca, und dann rief er mit einem stolzen Blick auf Ivanhoe: »Sächsischer Hund, ergreif Deine Lanze, und bereite Dich zum Tode, den Du Dir selbst zugezogen hast!«

»Gestattet mir der Großmeister den Kampf?« fragte Ivanhoe.

»Ich kann Dein Begehren nicht weigern,« sagte dieser, »vorausgesetzt, daß das Mädchen Dich als ihren Kämpfer annimmt. Indeß wünschte ich, Du hättest eine bessere Veranlassung zum Kampfe. Ein Feind unsers Ordens bist Du zwar stets gewesen, indessen möchte ich doch auf eine ehrende Weise mit Dir zusammengekommen sein.«

»Es ist ein Gottesurtheil!« sagte Ivanhoe. »Gottes Schutze empfehle ich mich! Rebecca,« rief er nun, nach dem Stuhle hinreitend, »nimmst Du mich zu Deinem Kämpfer an?«

»Ja,« versetzte sie mit einer Bewegung, die selbst die Todesfurcht in ihr nicht hatte hervorbringen können, »ja, ich nehme Dich an als den Kämpfer, den der Himmel mir gesendet. Aber nein, – nein! Deine Wunden sind ja noch nicht geheilt! Kämpfe nicht mit dem stolzen Manne, warum solltest Du so untergeben?«

Allein Ivanhoe stand schon auf seinem Platze, hatte sein Visir geschlossen und seine Lanze ergriffen. Bois-Guilbert that dasselbe. Sein Knappe aber bemerkte, als er ihm das Visir schloß, daß sein Gesicht, das, aller Bewegungen ungeachtet, die sein Gemüth erschüttert hatten, den ganzen Morgen äußerst blaß gewesen war, jetzt plötzlich mit einer dunkeln Röthe bedeckt wurde.

Als der Herold sah, daß sich jeder Kämpfer auf seinem Platze befand, ließ er seine Stimme erschallen und rief dreimal: » Feites vos devoirs, preux Chevaliers!« (Thut Eure Pflicht, tapfre Ritter!) Hierauf begab er sich auf eine Seite der Schranken und verkündete, daß Niemand, bei Strafe augenblicklichen Todes, weder durch Wort und Ruf, noch durch Handlung sich in das Gefecht mischen oder dasselbe stören sollte. Der Großmeister, der das Pfand des Kampfes, Rebecca's Handschuh, in der Hand hielt, warf ihn nun in die Schranken, und ließ das bedeutende Wort als Zeichen erschallen: » Laissez aller!«

Die Trompeten erklangen und die Ritter sprengten in vollem Lauf gegen einander. Ivanhoe's erschöpftes Roß und sein nicht minder erschöpfter Reiter sanken, wie Jedermann vermuthet hatte, von der Lanze und dem kraftvollen Rosse des Templers zu Boden. Diesen Ausgang hatte Jedermann erwartet; allein, obgleich Ivanhoe's Lanze den Schild des Bois-Guilbert kaum berührt hatte, so wankte doch dieser Kämpfer, zum Erstaunen Aller, welche es sahen, im Sattel, verlor die Bügel und stürzte nieder.

Ivanhoe, der sich schnell unter dem gefallenen Rosse wieder erhoben hatte, stand schon aufrecht und hatte zum ferneren Kampfe das Schwert gezogen; allein sein Gegner stand nicht wieder auf. Wilfried setzte ihm den Fuß auf die Brust und die Spitze seines Schwertes an die Kehle und befahl ihm sich zu ergeben oder auf der Stelle zu sterben. Bois-Guilbert antwortete nicht.

»Tödtet ihn nicht, Herr Ritter,« rief der Großmeister, »ohne Beichte und Absolution, tö dtet nicht Seele und Leib zugleich. Wir erklären ihn für besiegt.«

Er stieg nun in die Schranken hinab, und befahl dem besiegten Kämpfer den Helm abzunehmen. Seine Augen waren geschlossen, und die dunkle Röthe lag noch auf seinem Gesichte. Als nun alle mit Erstaunen ihn betrachteten, öffneten sich die Augen wieder, allein ihr Blick war stier und ausdruckslos. Die Röthe verschwand und Todesblässe trat an die Stelle derselben. Unbeschädigt von der Lanze des Feindes, war er gefallen, ein Opfer seiner eigenen unbezähmbaren Leidenschaften.

»Das ist ein wahrhaftes Gottesurtheil,« sagte der Großmeister aufwärts blickend: » Fiat voluntas tua



 << zurück weiter >>