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Fünftes Kapitel.

Erweckt den Tiger der hyrcan'schen Wüste,
Kämpft mit dem Löwen, welcher halb verhungert,
Um seine Beute, lieber als zu wecken
Des wilden Fanatismus schlummernd Feuer.

Anonymus.

Unsere Erzählung kehrt jetzt zu Isaac von York zurück. – Mit einem Maulthier, welches das Oberhaupt der Geächteten ihm geliehen, und von zwei rüstigen Yeomen begleitet, die ihm als Schutzwache und Führer dienten, hatte sich der Jude zu dem Präceptorium zu Templestowe auf den Weg gemacht, um die Auslösung seiner Tochter zu betreiben. Das Präceptorium war nur eine Tagereise von dem zerstörten Schlosse Torquilstone entfernt, und der Jude hatte gehofft, es noch vor Anbruch der Nacht zu erreichen. Als er aus dem Walde kam, entließ er seine Führer, nachdem er sie mit einem Silberstück belohnt hatte, und setzte seinen Weg so rasch fort, als es seine Müdigkeit gestattete. Doch seine Kraft verließ ihn gänzlich, als er noch vier Meilen von Templestowe entfernt war, auch empfand er heftige körperliche Schmerzen, so daß er sich genöthigt sah, in einem kleinen Marktflecken zu bleiben, wo ein jüdischer Rabbiner wohnte, welcher in der Arzneikunst sehr erfahren, und mit dem Isaac sehr wohl bekannt war. Nathan Ben Israel empfing seinen leidenden Landsmann mit der Freundlichkeit, welche das Gesetz vorschreibt, und welche die Juden gegen einander ausübten. Er bestand darauf, daß er sich zur Ruhe begeben solle, und wendete alle damals gewöhnlichen Mittel an, um den Fortgang des Fiebers zu hemmen, welches Schreck, Ermüdung, schlechte Behandlung und Kummer dem armen alten Juden zugezogen hatten.

Am nächsten Morgen, als Isaac sagte, er wolle aufstehen und seine Reise fortsetzen, machte ihm Nathan als Wirth und Arzt Gegenvorstellungen. Doch Isaac theilte ihm den Zweck seiner Reise mit, und sagte, wenn es ihm auch das Leben koste, so müsse er noch an dem Morgen nach Templestowe abreisen.

Nathan theilte ihm dagegen die Nachricht mit, daß der Großmeister der Templer, Lucas Beaumanoir, im Präceptorium zu Templestowe angekommen sei, welches für sein Vorhaben günstig sein könne.

Isaac sagte demnach seinem Freunde Lebewohl, und etwa in einer Stunde kam er zu Templestowe an. Er verweilte am Thor, um zu bedenken, auf welche Weise er am besten Eintritt erhalten könne; denn er wußte sehr wohl, daß der wiederauflebende Fanatismus des Ordens für seinen unglücklichen Stamm nicht weniger gefährlich sei, als für die Ausgelassenheit der Mitglieder desselben.

Mittlerweile ging Lucas Beaumanoir in einem kleinen Garten auf und ab, der zum Präceptorium gehörte, und hielt eine traurige und vertraute Unterredung mit einem Bruder seines Ordens, der in seiner Gesellschaft aus Palästina gekommen war.

Der Großmeister war ein Mann von vorgerückten Jahren, wie sein langer grauer Bart bezeugte, und die langen grauen Augenbrauen, welche die Augen beschatteten, deren Feuer aber keineswegs die Jahre im Stande gewesen waren auszulöschen. Seine finstern Züge bezeichneten ihn als einen gefürchteten Krieger, und sein geistlicher Stolz als einen bigotten Büßer. Er war von hohem Wuchse, und sein Gang, von Jahren und Anstrengungen nicht niedergedrückt, war stattlich und gerade. Sein weißer Mantel war streng nach der vorgeschriebenen Form geschnitten; er war genau für seine Statur gemacht, und zeigte auf der linken Schulter das dem Orden eigenthümliche achteckige Kreuz aus rothem Tuche. Kein Hermelin oder dergleichen zierte seine Kleidung, sondern in Hinsicht auf sein Alter, und als Großmeister trug er sein Gewand mit dem zartesten Lammsfelle gefüttert und besetzt, die Wolle war nach außen gekehrt. In der Hand trug er den eigenthümlichen abacus oder Amtsstab, womit die Templer oft abgebildet werden, und der am obern Ende eine runde Platte zeigte, auf die das Ordenskreuz eingegraben war, umgeben von einem Zirkel oder Wappensaume, wie es die Heraldiker nennen. Sein Gefährte trug fast in Allem dieselbe Kleidung, nur zeigte er durch seine Rücksichten gegen seinen Obern, daß keine andere Gleichheit zwischen ihnen bestehe. Der Präceptor, denn das war er, ging nicht in einer Linie mit dem Großmeister, sondern gerade so weit hinter ihm, daß Beaumanoir mit ihm reden konnte, ohne sich umzuwenden.

»Conrad,« sagte der Großmeister, »theurer Gefährte meiner Schlachten und Mühen, Deiner treuen Brust allein kann ich meinen Gram und Kummer vertrauen. Dir allein kann ich sagen, wie ich bei meinem Eintritte in dieses Reich gewünscht habe, neben meinen Brüdern zu schlummern, unter den Gewölben der Tempelkirche in jener stolzen Hauptstadt. Du weißt, Bruder, wie streng ich stets gelebt, wie genau ich die Vorschriften unseres heiligen Ordens befolgt habe, wie diese Strenge das Mark meiner Gebeine verzehrt hat. – Denke Dir, was ich empfinden muß bei dem Anblick all der Ausschweifungen, in denen ich die Brüder unseres Bundes hier versunken sehe! – Ja, aber ich will den Tempel wieder reinigen und alle verunreinigten Steine des großen Baues ausstoßen, damit nirgends Ansteckung hafte!«

»Aber bedenkt, ehrwürdiger Vater,« sagte Mont Fichet, »die Ansteckung ist durch Zeit und Gewohnheit schon tief eingewachsen. Seid daher behutsam in Eurer gerechten und weisen Reform.«

»Nein, Mont Fichet, sie muß durchgreifend und plötzlich sein. Der Orden steht auf dem Punkte der Entscheidung seines Schicksals; die Mäßigkeit, Selbstbeherrschung und Frömmigkeit unserer Vorfahren schaffte uns mächtige Freunde; unsere Anmaßung, unser Reichthum, unsere Schwelgerei hat uns mächtige Feinde erweckt. Wir müssen diese Reichthümer von uns werfen, welche eine Versuchung für die Fürsten sind – wir müssen die Anmaßung ablegen, die sie beleidigt – wir müssen die ausschweifenden Sitten verbessern, welche der ganzen Christenheit zum Aergerniß dienen! Oder – gedenke meiner Worte – der Orden des Tempels wird zerstört werden – und seine Stätte selbst wird nicht mehr bekannt sein unter den Völkern.«

»Möge Gott ein solches Unheil abwenden!« sagte der Präceptor.

»Amen!« versetzte der Großmeister feierlich, »aber wir müssen uns auch seiner Hülfe würdig machen.«

In diesem Augenblick trat ein Knappe in einem abgetragenen Kleide – denn die Aspiranten des Ordens trugen während ihres Noviziats die abgelegten Kleider der Ritter – in den Garten, und indem er sich demuthsvoll vor dem Großmeister neigte, blieb er schweigend stehen, und erwartete die Erlaubniß, seinen Auftrag mitzutheilen.

»Ist es nicht schicklicher,« sagte der Großmeister, »diesen Damian in das Gewand christlicher Demuth gekleidet zu sehen, und schweigend, ehrerbietig vor seinem Obern, als vor ein paar Tagen, wo der Thor in einem gestickten Wamse erschien, so bunt und stolz wie ein Papagei? Sprich, Damian, wir erlauben es Dir – was hast Du vorzubringen?«

»Ein Jude steht vor dem Thor, edler und ehrwürdiger Vater,« sagte der Knappe, »der mit dem Bruder Brian de Bois-Guilbert zu reden wünscht.«

»Du hast Recht gethan, mir Kenntniß davon zu geben,« sagte der Großmeister; »in unserer Abwesenheit ist ein Präceptor nur ein gewöhnliches Mitglied unseres Ordens, das nicht nach eigenem Belieben gehen kann, wohin es will, sondern nach dem des Meisters.« – Und zu seinem Gefährten sich wendend, setzte er hinzu: »Es liegt mir viel daran, das Benehmen dieses Bois-Guilbert kennen zu lernen.«

»Der Ruf nennt ihn brav und tapfer,« sagte Conrad.

»Und nennt ihn mit Recht so,« sagte der Großmeister; »in unserer Tapferkeit allein sind wir von unsern Vorfahren, den Helden des Kreuzes, nicht ausgeartet. Allein Bruder Brian kam in den Orden als ein unzufriedener, eigenwilliger Mensch, aufgereizt, wie ich glaube, unsere Gelübde anzunehmen und der Welt zu entsagen, nicht in Aufrichtigkeit des Herzens, sondern als Einer, den ein leichtes Mißvergnügen zur Reue getrieben hat. Seitdem ist er ein thätiger Aufrührer, Unruhestifter und Anführer derer geworden, die unser Ansehen bestreiten und anfechten, nicht bedenkend, daß die Regierung dem Meister verliehen ist durch das Symbol des Stabes und der Ruthe, des Stabes, um den Schwachen zu stützen, der Ruthe, um die Fehler der Irrenden zu strafen. – Damian,« fuhr er fort, »führe den Juden vor uns.«

Der Knappe entfernte sich mit tiefer Ehrfurcht und kehrte nach einigen Minuten mit dem Juden von York zurück. Kein nackter Sclav, wenn er vor einen mächtigen Fürsten geführt wird, kann sich seinem Throne mit tieferer Ehrerbietung und mehr Angst nähern, als der Jude in Gegenwart des Großmeisters empfand. Als er sich ihm bis auf drei Schritte genähert hatte, machte Beaumanoir ein Zeichen mit dem Stabe, daß er nicht weiter kommen solle. Der Jude kniete nun nieder und küßte die Erde zum Zeichen der Verehrung, dann erhob er sich und trat vor die Templer, die Hände über die Brust gefaltet, den Kopf gesenkt, mit der vollen Unterwürfigkeit orientalischer Knechtschaft.

»Damian,« sagte der Großmeister, »entferne Dich, sei aber bereit, auf unsern Ruf sogleich wieder zu erscheinen. Laß Niemand in den Garten, bis wir es erlauben.« – Der Knappe verbeugte sich und ging. »Jude,« fuhr nun der hohe Greis fort, »sich' mich an! Es schickt sich nicht für unsern Stand, eine lange Unterredung mit Dir zu halten, auch pflegen wir Worte und Zeit an Niemand zu verschwenden. Sei daher kurz in Deinen Antworten auf die Fragen, die wir an Dich richten werden, und rede zugleich die Wahrheit; denn wenn Deine Zunge falsch gegen mich ist, so wird sie Dir aus dem Halse gerissen.«

Der Jude wollte erwidern, doch der Großmeister fuhr fort:

»Still, Ungläubiger! Nicht ein Wort in unserer Gegenwart, außer den Antworten auf unsere Fragen. Was hast Du für ein Geschäft mit unserm Bruder Brian de Bois-Guilbert?«

Isaac konnte kaum athmen vor Schreck und Verlegenheit. Wollte er seine Angelegenheit vortragen, so konnte dies so ausgelegt werden, als wollte er den Orden beschimpfen, und doch, wenn er dies nicht that, welche Hoffnung konnte er haben, seiner Tochter Befreiung zu bewirken? Beaumanoir bemerkte seine tödtliche Angst, und ließ sich herab, ihm einige Beruhigung zu gewähren.

»Du hast nichts zu fürchten für Deine elende Person, Jude,« sagte er, »wenn Du nur in Allem der Redlichkeit Dich befleißigst. Ich frage Dich nochmals nach Deinem Geschäft mit Brian de Bois-Guilbert.«

»Ich bin der Ueberbringer eines Briefes an diesen edlen Ritter,« stammelte der Jude, »von dem Prior Aymer aus der Abtei Jorvaulx.«

»Sagt' ich's nicht, es sind schlechte Zeiten, Conrad,« bemerkte der Großmeister; »ein Cisterzienserabt sendet einen Brief an einen Krieger des Tempels, und kann keinen bessern Boten finden, als einen ungläubigen Juden! – Gib mir den Brief!«

Mit zitternden Händen legte der Jude die Falten seiner arameischen Mütze auseinander, wo er der größern Sicherheit wegen die Schreibtafel verborgen, worin der Prior den Brief geschrieben hatte, und eben war er im Begriff, mit ausgestreckter Hand und gekrümmtem Leibe sich zu nähern, und den Brief in den Bereich des grimmigen Fragers zu bringen, als der Großmeister rief: »Zurück, Du Hund! ich berühre nie Ungläubige, außer mit dem Schwerte. Conrad! nimm Du den Brief von dem Juden und gib ihn mir!«

Als Beaumanoir die Schreibtafel erhalten hatte, besah er das Aeußere auf's Genaueste, und wollte dann den Faden ablösen, womit sie zusammengebunden war. »Ehrwürdiger Vater,« sagte Conrad mit vieler Ehrfurcht dazwischen redend, »willst Du das Siegel erbrechen?«

»Warum nicht?« versetzte Beaumanoir mit gerunzelter Stirn; »steht denn nicht im zweiundvierzigsten Kapitel de lectione litterarum, daß ein Templer keinen Brief empfangen soll, selbst nicht von seinem Vater, ohne ihn dem Großmeister mitzutheilen und in seiner Gegenwart zu lesen?«

Eilig durchlief er nun den Brief mit dem Ausdruck des Erstaunens und Entsetzens; er durchlas ihn nochmals langsamer, dann hielt er ihn mit der einen Hand Conraden hin, während er ihn mit der andern leicht berührte, und rief: »Das ist ein schöner Stoff zu einem Schreiben eines Christen an den andern, und Beide sind Mitglieder, und zwar nicht unansehnliche Mitglieder, geistlicher Brüderschaften. Wann,« setzte er feierlich hinzu, indem er zum Himmel aufblickte, »wann wirst Du kommen, mit Deiner Schwinge die Tenne zu reinigen?«

Mont Fichet nahm den Brief aus den Händen seines Obern und war im Begriff ihn zu lesen. »Lies ihn laut, Conrad,« sagte der Großmeister, »und Du, Jude, gib genau Achtung, denn wir werden Dich darüber befragen.«

Conrad las nun den Brief, welcher folgendermaßen lautete:

 

»Aymer, durch Gottes Gnade Prior des Cisterzienserklosters der heiligen Maria von Jorvaulx wünscht Sir Brian de Bois-Guilbert, Ritter des heiligen Tempelordens, Gesundheit nebst den Gaben des König Bacchus und der Mylady Venus in Fülle! Unsere gegenwärtige Lage betreffend, theurer Bruder, so sind wir als Gefangener in den Händen einiger gesetz- und gottlosen Menschen, welche sich nicht entblödet haben, sich unserer Person zu bemächtigen und Lösung dafür zu fordern, wobei wir auch Front-de-Boeuf's Unglück erfahren haben, und daß Du mit der schönen jüdischen Zauberin, deren schwarze Augen Dich in Fesseln gelegt haben, entkommen bist. Wir freuen uns zwar herzlich über Deine Rettung, dessen ungeachtet aber bitten wir Dich auf Deiner Hut zu sein in Ansehung dieser zweiten Hexe von Endor; denn wir haben privatim erfahren, daß Euer Großmeister, der sich nicht viel um rothe Wangen und schwarze Augen kümmert, von der Normandie herüberkommen wird, Eurer Lust ein Ziel zu setzen, und Eure Missethaten zu züchtigen. Daher bitten wir Dich herzlich, auf der Hut zu sein, wie die heilige Schrift sagt: Invenientur vigilantes. Da mich nun der reiche Jude, ihr Vater, ersucht hat, ihm einen Brief mitzugeben, so thue ich es hiemit, und ermahne Dich ernstlich, das Mädchen auf Lösegeld zu setzen, denn er wird Dir so viel zahlen, daß Du Dir dafür fünfzig Mädchen viel sicherer verschaffen kannst. Ich hoffe, Du wirst mir schon auch meinen Antheil davon zukommen lassen, wenn wir lustig zusammen sind, als treue Brüder, und auch des Weines nicht vergessen; denn es sagt der Text: Vinum laetificat cor hominis.

Lebe denn wohl bis zu froher Zusammenkunft. – Gegeben in dieser Diebshöhle in der Morgenstunde,

Aymer, Prior von Jorvaulx.

Postscriptum. Deine goldene Kette hat nicht lange bei mir ausgehalten, ein geächteter Wilddieb trägt sie am Halse, und es hängt seine kleine Pfeife daran, womit er seine Hunde ruft.«

 

»Was sagst Du dazu, Conrad?« begann jetzt der Großmeister – »Diebshöhle? für einen solchen Abt ist eine Diebshöhle ein passender Aufenthalt. Kein Wunder, daß die Hand Gottes schwer auf uns liegt, und daß im heiligen Lande ein Ort nach dem andern verloren geht. – Und was meint er denn mit der Hexe von Endor?« fragte er ein wenig abseits seinen Vertrauten.

Conrad war vielleicht aus Erfahrung etwas besser mit der Sprache der Galanterie bekannt, als sein Vorgesetzter, und erklärte die Stelle, die der Großmeister nicht verstand, für eine Redensart, deren sich weltlich gesinnte Leute gegen ihre Geliebten bedienten; doch diese Erklärung genügte dem bigotten Beaumanoir nicht.

»Dahinter steckt mehr, als Du vermuthest, Conrad; Deine Einfalt durchdringt diesen Abgrund der Verworfenheit nicht. Diese Rebecca von York wurde von jener Miriam erzogen, von der Du wohl gehört hast. Der Jude wird es Dir sogleich selber bekennen.«

Nun wendete er sich zu Isaac und sagte laut: »Deine Tochter ist also in Gefangenschaft bei Brian de Bois-Guilbert?«

»Ja, ehrwürdiger, tapferer Herr,« stammelte der arme Isaac, »und welches Lösegeld auch immer von einem armen Manne gefordert werden mag« –

»Schweig!« sagte der Großmeister. »Diese Deine Tochter übt die Heilkunst aus, nicht wahr?«

»Ja, gnädiger Herr,« antwortete der Jude mit mehr Zuversicht; »und Ritter und Landmann, Knappe und Vasall werden das Geschenk segnen, welches ihr der Himmel mit dieser Kunst gemacht hat. O, wie Mancher muß es bezeugen, daß er nur durch ihre Kunst wieder hergestellt worden ist, nachdem alle andere menschliche Hülfe vergebens gewesen. Der Segen des Gottes Jakobs ruht sichtbar auf ihr.«

Beaumanoir wandte sich mit grimmigem Lächeln an Mont Fichet. »Siehst Du, Bruder,« sagte er, »die Lockungen des Alles verschlingenden Feindes? Siehst Du die Netze, womit er die Seelen umgarnt, indem er ihnen einen kurzen Zeitraum irdischen Lebens für ihre Seligkeit anbietet? Sehr richtig sagt unsere geheiligte Ordensregel: Semper percutiatur leo vorans. – Auf den Löwen! Nieder mit dem Zerstörer!« rief er, und schwang dabei seinen geheimnißvollen Stab, gleichsam als wolle er sich damit gegen die Macht der Finsterniß schützen. Dann fuhr er zum Juden gewendet fort: »Gewiß bewirkt Deine Tochter ihre Kuren durch Worte und Siegel und allerlei kabbalistische Geheimnisse?«

»Nein, verehrter und tapferer Ritter,« entgegnete Isaac, »sondern durch einen Balsam von bewundernswürdiger Kraft.«

»Woher hat sie das Geheimniß?« fragte Beaumanoir.

»Von Miriam,« entgegnete der Jude widerstrebend, »einer weisen Matrone unseres Stammes.«

»Ha, falscher Jude!« sagte der Großmeister, »also von der Hexe Miriam, deren Zaubereien in allen Christenlanden mit Abscheu und Verwünschungen genannt werden?« – Bei diesen Worten bekreuzte sich der Großmeister. – »Ihr Körper wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, und ihre Asche in alle vier Winde zerstreut! Und so geschehe mit mir und meinem Orden, wenn ich nicht ebenso an ihrem Zögling thue, und noch mehr! Ich will sie lehren, Zauberformeln aussprechen über die Streiter des heiligen Tempels! Sogleich jage den Juden aus dem Thore, Damian, und schieß ihn nieder, wenn er sich widersetzt oder umkehrt. Mit seiner Tochter werden wir verfahren, wie es das christliche Gesetz und unser heiliges Amt befiehlt.«

Der arme Isaac wurde nun sogleich fortgetrieben, und alle seine Bitten und Anerbietungen blieben ungehört und unbeachtet. Er konnte nichts Besseres thun, als nach der Wohnung des Rabbiners zurückkehren und versuchen, ob er durch seine Vermittelung erfahren könne, was mit seiner Tochter vorgenommen werden solle. Bis dahin hatte er für ihre Ehre gefürchtet, jetzt zitterte er auch für ihr Leben. Inzwischen befahl der Großmeister, daß der Präceptor von Templestowe vor ihm erscheinen solle.



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