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Achtes Kapitel.

– Hier werf ich hin mein Pfand,
Um es an Dir bis auf das Aeußerste
Des kriegerischen Wagens zu beweisen.

Richard der Zweite.

Selbst Lucas Beaumanoir wurde durch Rebecca's Benehmen sehr gerührt. Er war von Natur eigentlich weder ein grausamer noch sehr strenger Mann, allein ohne starke Leidenschaften und mit einem hohen, wenn auch mißverstandenen Begriffe von Pflicht, hatte sein Gemüth allmählig durch das ascetische Leben, welches er führte, eine gewisse Härte angenommen, welche noch vermehrt wurde durch das hohe Amt, welches er bekleidete, und die vermeinte Nothwendigkeit den Unglauben zu unterjochen und die Ketzerei auszurotten, was er als seine dringendste Pflicht betrachtete. Seine Gesichtszüge verloren sehr von ihrer gewöhnlichen Strenge, als er das schöne Wesen anblickte, welches ganz allein, ohne Freunde, sich mit so viel Verstand und Muth vertheidigte. Er bekreuzte sich zweimal, da er nicht recht wußte, wem er die ungewohnte Besänftigung eines Herzens zuschreiben solle, welches bei solchen Gelegenheiten dem Stahl an Härte zu gleichen schien. Endlich sprach er:

»Mädchen, wenn das Mitleid, welches ich für Dich fühle, aus dem Einflusse Deiner bösen Künste auf mein Herz entspringt, so ist Deine Schuld sehr groß. Doch ich schreibe es lieber den sanftern Gefühlen der Natur zu, die es schmerzlich verwundet, daß eine so schöne Form ein Gefäß der Verworfenheit sein sollte. Bereue, meine Tochter! Bekenne Deine Zaubereien, wende Dich von dem Bösen, umfasse dieses Zeichen, und Alles soll gut werden mit Dir jetzt und künftig. Zu irgend einer Schwesterschaft des strengsten Ordens sollst Du Zeit haben zu Gebet und Buße, und zu jener Reue, die man nie bereut. Thue dies und lebe! Was hat denn das Gesetz Mosis für Dich gethan, daß Du dafür sterben solltest?«

»Es war das Gesetz meiner Väter,« entgegnete Rebecca, »es wurde unter Donner und Sturm auf dem Berge Sinai in einer Wolke und im Feuer gegeben. Das glaubt Ihr doch, wenn Ihr Christen seid? Aber Ihr sagt, es sei widerrufen worden, doch meine Lehrer haben mir das nicht gelehrt.«

»Laßt unsern Kaplan vortreten,« sagte Beaumanoir, »und die hartnäckige Ungläubige lehren« –

»Verzeiht meine Unterbrechung,« entgegnete Rebecca sanft, »ich bin ein Weib, und nicht geschickt für meine Religion mit Worten zu streiten, aber ich kann für sie sterben, wenn es Gottes Wille ist. Laßt mich Eure Antwort auf meine Forderung eines Kämpfers wissen.«

»Gebt mir den Handschuh,« sagte Beaumanoir. Er blickte das seine Gewirk an, und die zarten kleinen Finger, und sprach dann: »Ein sehr schwaches, gebrechliches Pfand für einen so tödtlichen Zweck! Siehst Du, Rebecca, wie sich Dein kleiner leichter Handschuh verhält zu unsern schweren stählernen Handschuhen, so Deine Sache zu der des Tempels, denn es ist unser Orden, den Du herausforderst.«

»Werft meine Unschuld in die Wagschale,« antwortete Rebecca, »und der seidene Handschuh wird den von Eisen aufwiegen.«

»Du beharrst also bei der Weigerung, Deine Schuld zu bekennen, so wie bei Deiner kühnen Ausforderung?«

»Ich beharre dabei, edler Herr,« sagte Rebecca.

»So sei es denn, im Namen des Himmels!« entgegnete der Großmeister, »und möge Gott das Recht ans Licht bringen!«

»Amen,« versetzten die Präceptoren, und das Wort hallte dumpf in der ganzen Versammlung wieder.

»Brüder,« sagte Beaumanoir, »Ihr werdet meinen, daß wir diesem Weibe die Wohlthat der Entscheidung durch den Zweikampf hätten versagen können; doch obgleich Jüdin und Ungläubige, ist sie ja auch eine Fremde und Vertheidigungslose, und Gott verbietet, wenn sie die Wohlthat unserer milden Gesetze in Anspruch nimmt, ihr diese zu versagen. Ueberdies sind wir eben sowohl Ritter und Krieger, als Diener der Religion, und es wäre eine Schande für uns, unter irgend einem Vorwande einen Zweikampf auszuschlagen. So steht jetzt die Sache. Rebecca, die Tochter Isaac's von York, ist durch viele und verdächtige Umstände der Zauberei beschuldigt, welche sie an der Person eines edlen Ritters unseres heiligen Ordens verübt haben soll, und sie hat zum Beweise ihrer Unschuld auf einen Zweikampf angetragen. Wem, verehrte Brüder, meint Ihr, sollen wir dieses Pfand des Kampfes überliefern, indem wir ihn zugleich zu unserm Kämpfer auf dem Felde der Entscheidung ernennen?«

»Dem Brian de Bois-Guilbert, den es hauptsächlich betrifft,« sagte der Präceptor von Grodarlike, »und der überdies auch am Besten weiß, wie sich die Wahrheit dieser Sache verhält.«

»Wenn nun aber,« sagte der Großmeister, »unser Bruder Brian unter dem Einflusse einer Bezauberung steht? – Wir sprechen blos der Vorsicht wegen, denn keinem Arm unseres heiligen Ordens würden wir diese, oder selbst eine noch wichtigere Angelegenheit mit mehr Vertrauen übertragen.«

»Ehrwürdiger Vater,« versetzte der Präceptor von Grodarlike, »kein Zauber kann einem Kämpfer etwas anhaben, der sich zum Gottesurtheil stellt.«

»Du hast Recht, Bruder,« sagte der Großmeister. »Albert Malvoisin, übergib dieses Pfand des Kampfes dem Brian de Bois-Guilbert! Wir geben Dir den Auftrag, Bruder,« fuhr er zu Bois-Guilbert gewendet fort, »männlich Deinen Kampf zu bestehen, und nicht zweifeln, daß die gute Sache siegen werde. Und Dir, Rebecca, bestimmen wir von heute an den dritten Tag, um einen Kämpfer aufzufinden.«

»Ein kurzer Zeitraum,« erwiederte Rebecca, »für eine Fremde, und Eine von anderm Glauben, um Jemand zu suchen, der Leib und Leben im Kampf für ihre Sache wagt.«

»Wir können ihn nicht verlängern,« sagte der Großmeister, »denn der Kampf muß in unserer Gegenwart gefochten werden, und mehrere wichtige Geschäfte rufen uns am vierten Tage von hier ab.«

»So geschehe denn Gottes Wille!« sagte Rebecca, »ich vertraue auf Ihn, für den ein Augenblick zur Rettung eben so viel ist wie ein Jahrhundert!«

»Wohl gesprochen, Mädchen,« sagte Beaumanoir; »doch wir kennen auch den sehr wohl, der sich in einen Engel des Lichts zu verkleiden weiß. Es bleibt noch übrig, den Platz zum Kampfe, und wenn es sein soll, zur Hinrichtung zu bestimmen! Wo ist der Präceptor dieses Hauses?«

Albert Malvoisin hielt noch immer Rebecca's Handschuh in der Hand und sprach sehr ernstlich, aber ganz leise mit Bois Guilbert.

»Wie?« sagte der Großmeister, »will er das Pfand nicht annehmen?«

»Er will – er hat es angenommen, ehrwürdiger Vater,« sagte Malvoisin, indem er den Handschuh unter seinen eigenen Mantel steckte. »Zum Kampfplatz halte ich für den passendsten die Schranken von St. Georg, die dem Präceptorium angehören, und von uns zu kriegerischen Uebungen benutzt zu werden pflegen.«

»So sei es denn,« sagte der Großmeister; »Rebecca, in diesen Schranken mußt Du Deinen Kämpfer stellen, und wenn Du es nicht thust, oder wenn Dein Kämpfer unterliegt, mußt Du den Tod der Zauberin sterben, nach dem Urtheil. Laßt uns diesen Urtheilsspruch bekannt machen und ausrufen, damit sich Niemand mit Unwissenheit entschuldigen könne.«

Einer von den Kaplanen, die dem Kapitel als Schreiber dienten, trug sogleich den Befehl in ein großes Buch ein, welches die Verhandlungen der Tempelritter bei feierlichen Versammlungen enthielt, und als er dies beendet hatte, las der andere das Urtheil des Großmeisters mit lauter Stimme vor, welches zugleich aus dem Französischen ins Angelsächsische übersetzt wurde.

»Amen!« sagte der Großmeister, und das Wort tönte rings im Echo wieder. Rebecca sprach nicht, sondern blickte zum Himmel und blieb mit gefalteten Händen eine Minute lang in dieser Stellung. Dann bat sie bescheiden den Großmeister, daß er ihr eine Gelegenheit verschaffen möge, sich mit ihren Freunden in Verbindung zu setzen, um ihnen ihre Absicht kund zu thun, und sich, wo möglich, einen Kämpfer für ihre Sache zu verschaffen.

»Das ist gerecht und gesetzmäßig,« sagte der Großmeister, »wähle Dir einen Boten, dem Du vertrauen magst, und er soll frei in Dein Gefängniß gelassen werden.«

»Ist denn Niemand hier,« sagte Rebecca, »der aus Liebe zur guten Sache oder um reichen Lohn sich zum Boten eines unglücklichen Geschöpfs hergeben will?«

Alles schwieg, denn Niemand hielt es für sicher, in des Großmeisters Gegenwart irgend ein Interesse an der verläumdeten Gefangenen zu verrathen, damit er nicht der Hinneigung zum Judenthum auch nur entfernt verdächtig werden möchte.

Rebecca stand einen Augenblick in unbeschreiblicher Angst da, dann rief sie aus: »Ist es wirklich so? In England, in England bin ich des einzigen Mittels der Rettung beraubt, aus Mangel an Menschlichkeit, die man sonst dem niedrigsten Verbrecher nicht zu verweigern pflegt?«

Endlich erwiederte Higg, der Sohn Snell's: »Zwar bin ich nur ein verstümmelter Mann, allein daß ich mich doch einigermaßen wieder bewegen kann, verdanke ich ihrer milden Hülfe. Ich will Deine Botschaft ausrichten,« sagte er zu Rebecca, »so gut es ein Krüppel vermag.«

»Gott regiert Alles,« sagte Rebecca; »er kann Juda's Gefangenschaft durch das schlechteste Werkzeug enden. Um seine Botschaft auszurichten, ist die Schnecke ein so sicherer Bote als der Falke. Suche Isaac von York auf, hier ist, wovon Mann und Roß bezahlt werden können, und übergib ihm dies Blatt – gewiß wird ein Kämpfer für mich sich erheben!«

Der Mann nahm das Blatt, welches nur einige hebräische Zeilen enthielt. Manche aus der Menge widerriethen ihm, sich mit einem so verdächtigen Papier zu befassen, doch Higg war entschlossen im Dienst seiner Wohlthäterin. »Sie hat meinen Leib gerettet,« sagte er, »sie wird, das glaube ich gewiß, meine Seele nicht in Gefahr bringen wollen. Ich werde mir meines Nachbar Buthen's Klepper borgen, und dann bin ich in York so schnell es Mann und Pferd vermögen.«

Allein er durfte nicht einmal so weit reiten, denn ungefähr eine Viertelstunde von dem Thor des Präceptoriums begegneten ihm zwei Reiter, die er an ihren hohen gelben Mützen und ihrer Kleidung sogleich für Juden erkannte. Als er noch näher kam, erkannte er den Einen für Isaac von York. Der Andere war der Rabbiner Ben Samuel, und Beide hatten sich so nahe an das Präceptorium gewagt, weil sie gehört hatten, daß der Großmeister ein Kapitel wegen des Prozesses gegen eine Zauberin zusammenberufen habe.

Der Rabbiner suchte Isaac zu trösten und ihm seine schlimmen Ahnungen auszureden, als Higg dem Isaac das Blatt hinreichte. So wie Isaac aber dasselbe anblickte, sank er von seinem Maulthiere und lag da, wie ein Sterbender.

Der Rabbiner stieg sogleich von seinem Thiere und wollte schleunigst seine Kunst anwenden, als Isaac sich von selbst wieder zu erholen begann. Doch jetzt riß er sich die Mütze vom Kopfe und streute Staub auf sein graues Haar.

»Kind meines Kummers!« rief er, »wohl solltest Du Benoni heißen, statt Rebecca. Warum muß Dein Tod meine grauen Haare in die Grube bringen, bis ich in der Bitterkeit meines Herzens Gott fluche und sterbe?«

»Bruder,« sagte der Rabbiner in großem Erstaunen, »Du bist ein Vater in Israel und stößest solche Worte aus? Ich glaube gewiß, das Kind Deines Hauses lebt noch.«

»Ja, ja, sie lebt,« versetzte Isaac, »allein wie Daniel in der Löwenhöhle. Sie ist gefangen bei jenen Belialskindern, und sie werden ihrer nicht schonen. Ach, sie war ein Kranz von grünen Palmen um mein graues Haupt! Und sie mußte nun verwelken in einer Nacht, gleich einem Kürbis des Jonas! Kind meiner Liebe! Kind meines Alters! O Rebecca, Rachel's Tochter! Der dunkle Schatten des Todes hat Dich umhüllt!«

»Aber lies doch das Blatt!« sagte der Rabbiner, »vielleicht finden wir noch einen Weg der Rettung auf.«

»Lies Du, Bruder,« sagte Isaac, »denn meine Augen sind Wasserquellen.«

Hierauf las der Rabbiner Rebecca's Brief, worin sie ihren Vater von ihrer Lage benachrichtigte und ihn bat, Wilfred von Ivanhoe aufzusuchen, um durch dessen Vermittelung vielleicht einen Kämpfer zu erhalten, da er, seiner noch nicht ganz geheilten Wunden wegen, nicht im Stande sei, selber zu kämpfen.

Nachdem Isaac wieder seinem Schmerze Raum gegeben, rieth ihm Ben Samuel Ivanhoe aufzusuchen, da dieser vielleicht den König Richard bewegen könne, der beabsichtigten Hinrichtung seiner Tochter Einhalt zu thun. Hierauf trennten sie sich und überließen es dem Boten wieder nach Templestowe zurückzukehren.



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