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Drittes Kapitel.

– Wie geht's der Blume unsrer Krieger
Dem Titus Lartius?

Marcius. Wie einem Mann,
Der Einige zum Tod' verurtheilt, zur
Verbannung Andre, Ein'ge auf Lösegeld
Frei läßt, Ein'ge bedauert, Andern droht.

Coriolan.

Das Gesicht und Benehmen des gefangenen Abtes zeigte eine seltsame Mischung von beleidigtem Stolze, erzwungenem Spott und physischem Schrecken.

»Ei, ihr Herren,« sagte er in einem Tone, in dem alle drei Bewegungen sich vereinten, »was ist das für eine Ordnung unter euch? Seid ihr Türken oder Christen, die ihr einen Mann der Kirche so behandelt? Wißt ihr, was das heißt, manus imponere in servos Domini? Ihr habt meine Felleisen geplündert – meinen kostbaren Spitzenkragen zerrissen, der einen Cardinal geziert hätte! Ein Anderer an meiner Stelle wäre gleich mit seinem excommunicabo vos bei der Hand gewesen; doch ich bin milde, und wenn ihr meine Zelter wieder vorführen laßt, meine Brüder frei laßt, meine Felleisen herausgebt, in aller Eile hundert Kronen auszahlt, um zu Messen am Hochaltäre der Abtei zu Jorvaulx verwendet zu werden, und das Gelübde ablegt, bis nächste Pfingsten kein Wildpret zu essen, so mögt ihr vielleicht wenig mehr von dieser tollen Posse hören.«

»Heiliger Vater,« sagte das Oberhaupt der Geächteten, »es thut mir leid, daß Ihr von irgend einem meiner Leute eine solche Behandlung erfahren habt, die Euren väterlichen Tadel veranlaßt.«

»Behandlung!« wiederholte der Priester, durch den milden Ton des Anführers ermuthigt; »es war eine Behandlung, die für keinen Hund von guter Rasse paßte – viel weniger für einen Christen – viel weniger für einen Priester – und am allerwenigsten für den Prior der heiligen Klostergemeinschaft von Jorvaulx. Hier ist ein profaner und betrunkener Minstrel, genannt Allan a Dale – nebulo quidam – der mir mit körperlicher Strafe gedroht hat – ja selbst mit dem Tode, wenn ich nicht fünfhundert Kronen Lösegeld zahle, außer alle den Schätzen, die er mir bereits geraubt hat – goldene Ketten und Ringe von unschätzbarem Werthe, außer dem, was zerbrochen und verdorben ist unter ihren rohen Händen.«

»Es ist unmöglich, daß Allan a Dale einen Mann von Eurem ehrwürdigen Charakter so sollte behandelt haben,« versetzte der Hauptmann.

»Es ist so wahr, wie das Evangelium des heiligen Nicodemus,« sagte der Prior; »er schwur mit manchem furchtbaren nordischen Fluche, daß er mich an dem höchsten Baume im Walde aufhängen wollte.«

»That er das wirklich? Ja, dann glaube ich, ehrwürdiger Vater, würde es besser sein, seine Forderung zu befriedigen, denn Allan a Dale ist wahrlich der Mann, der sein Wort hält, wenn er es einmal gegeben.«

»Ihr scherzt nur mit mir,« sagte der erstaunte Prior mit erzwungenem Lachen; »und ich liebe einen guten Scherz von ganzem Herzen. Aber, ha! ha! ha! wenn der Spaß die ganze lange Nacht gewährt hat, so ist es wohl Zeit am Morgen ernsthaft zu sein.«

»Ich bin auch so ernsthaft wie ein Beichtvater,« versetzte der Anführer, »Ihr müßt ein rundes Lösegeld zahlen, Herr Prior, oder Euer Kloster wird bald zu einer neuen Wahl zusammenberufen werden.«

»Ihr nennt Euch Christen und führt eine solche Sprache gegen einen Geistlichen?« sagte der Prior.

»Christen,« antwortete der Geächtete, »gewiß sind wir das, und haben überdies noch Geistliche unter uns. Laßt unsern wackern Kaplan vortreten, und diesem ehrwürdigen Vater den Text auslegen, der sich auf diese Sache bezieht.«

Der Eremit, halb betrunken, halb nüchtern, zog rasch sein Mönchsgewand über seinen grünen Rock, stoppelte so viel Latein zusammen – als er noch von frühern Zeiten her im Gedächtniß hatte, und sagte: »Heiliger Vater, Deus faciat salvam benignitatem vestram – Ihr seid willkommen in diesem grünen Walde.«

»Was ist dies für eine profane Mummerei?« sagte der Prior. »Freund, wenn Du in der That der Kirche angehörst, so wäre es eine bessere Handlung, mir zu zeigen, wie ich aus den Händen dieser Leute entkommen kann, als daß Du Dich bückst und grinsest gleich einem Tänzer beim Maienfest.«

»Wahrhaftig, Vater,« sagte der Mönch, »ich weiß nur eine Art, wie Du entkommen kannst. Heute ist St. Andreastag, da nehmen wir unsere Zehnten ein.«

»Doch nicht von der Kirche, hoffentlich, mein guter Bruder?« sagte der Prior.

»Von der Kirche und von Laien,« sagte der Mönch; »und darum, Herr Prior, facite vobis amicos de Mammone iniquitatis – machet Euch Freunde durch den ungerechten Mammon, denn keine andere Freundschaft wird Euch etwas nützen.«

»Ich liebe einen lustigen Waidmann von Herzen,« sagte der Prior, seinen Ton sanfter stimmend; »ei, Ihr müßt nicht zu hart mit mir verfahren – ich verstehe mich auf's Waidwerk, kann das Horn klar und lustig blasen, und Hallo rufen, daß jede Eiche wiederhallt – ei, Ihr müßt nicht zu hart mit mir verfahren.«

»Gebt ihm ein Horn,« sagte der Geächtete; »wir wollen seine Geschicklichkeit auf die Probe stellen, deren er sich rühmt.«

Der Prior Aymer blies demnach ein Stück auf dem Horn. Der Hauptmann schüttelte den Kopf.

»Herr Prior,« sagte er, »Du blasest ein munteres Stück, aber das macht Dich noch nicht frei. – Ueberdies finde ich, daß Du Einer von denen bist, der die altenglischen Hornnoten durch französisches Geschnörkel und Getriller verdirbt. – Prior, wegen des letzten Stücks mußt Du noch fünfzig Kronen Lösegeld mehr zahlen, weil Du die guten alten Jagdstücke verhunzest.«

»Ei, mein Freund,« sagte der Abt kleinlaut, »Du bist schwer zufrieden zu stellen. Ich bitte Dich, laß Dich billig finden, hinsichtlich meines Lösegeldes. Mit einem Wort – da ich denn doch durchaus einmal dem Teufel das Licht halten muß – wie viel habe ich zu zahlen um auf Watlingstreet fortzugehen, ohne fünfzig Mann im Rücken zu haben?«

»Wäre es nicht gut,« sagte der Lieutenant der Bande dem Hauptmann in's Ohr, »wenn der Prior das Lösegeld des Juden, und der Jude das Lösegeld des Priors bestimmte?«

»Du bist ein toller Kerl,« sagte der Hauptmann, »aber Dein Plan gefällt mir! – Hier Jude, tritt vor – sieh jenen heiligen Vater Aymer an, Prior der reichen Abtei Jorvaulx, und sage uns, auf welches Lösegeld wir ihn setzen müssen? – Du kennst gewiß die Einkünfte des Klosters.«

»O gewiß,« sagte Isaac, »ich habe gehandelt mit den guten Vätern, und Weizen und Gerste und viel Wolle von ihnen gekauft. O, es ist eine reiche Abtei, und sie leben im Fett und trinken süße Weine, diese guten Väter von Jorvaulx. Ach, wenn ein Ausgestoßener, wie ich, einen solchen Aufenthaltsort hätte, wohin ich gehen könnte, und solche Einkünfte im Jahr wie im Monat, ich würde viel Gold und Silber zahlen, um mich frei zu kaufen aus meiner Gefangenschaft.«

»Hund von einem Juden!« rief der Prior, »Niemand weiß besser als Du, daß unser heiliges Gotteshaus wegen des Baues unserer Kanzel verschuldet ist.« –

»Und um im letzten Herbste eure Keller mit der nöthigen Quantität Gascognerwein zu füllen,« fiel der Jude ein; »doch das ist eine Kleinigkeit.«

»Hört den ungläubigen Hund!« sagte der Geistliche; »er schwatzt, als sei unsere heilige Brüderschaft wegen der Weine verschuldet, die wir zu trinken die Erlaubniß haben, propter necessitatem et ad frigus depellendum. Der beschnittene Schuft lästert die heilige Kirche, und Christen hören ihm zu, ohne ihm das Maul zu stopfen.«

»Alles dies hilft nichts,« sagte der Anführer. »Isaac, sprich, was er zahlen kann, ohne ihn zu schinden mit Haut und Haar.«

»Ein sechshundert Kronen,« sagte Isaac, »könnte der gute Prior wohl Euer Gnaden zahlen, ohne deßhalb weniger gemächlich in seinem Kirchenstuhl zu sitzen.«

»Sechshundert Kronen,« sagte der Anführer ernst; »ich bin zufrieden – Du hast wohl gesprochen, Isaac – sechshundert Kronen. – Dies ist Euer Urtheil, Herr Prior.«

»Ein Urtheil! – Ein Urtheil!« rief die Bande. »Salomo selber hätte kein besseres fällen können.«

»Du hörst den Urtheilsspruch, Prior,« sagte der Anführer.

»Ihr seid toll, meine Herren,« sagte der Prior; »wo sollte ich solch eine Summe hernehmen? Und wenn ich die Altarleuchter zu Jorvaulx verkaufte, so würde ich kaum die Hälfte der Summe daraus lösen; und zu dem Zweck wird es nöthig sein, daß ich selber nach Jorvaulx gehe; ihr könnt meine beiden Priester als Geißeln zurückbehalten.«

»Das würde nur eine schwache Sicherheit sein,« sagte der Geächtete; »wir wollen Dich zurückbehalten, Prior, und sie ausschicken, um Dein Lösegeld zu holen. Es soll Dir inzwischen nicht an einem Becher Wein und einem Stück Wildpret fehlen; und wenn Du die Jägerkunst liebst, so sollst Du Proben sehen, wie sie Dir in Deiner nördlichen Gegend nicht leicht vorkommen.«

»Oder wenn es euch gefällig ist,« sagte Isaac, der sich bei den Geächteten in Gunst zu setzen wünschte, »so kann ich auch nach York schicken und die sechshundert Kronen von gewissen Geldern holen lassen, die ich in Händen habe, wenn mir der ehrwürdige Herr Prior einen Schein darüber ausstellt.«

»Er soll ihn Dir ausstellen, wie Du ihn haben willst, Isaac,« sagte der Hauptmann; »und Du sollst das Lösegeld für Prior Aymer und Dich selber auszahlen.«

»Für mich selber! Ach, tapfere Herren,« sagte der Jude, »ich bin ein armer Mann; ich würde mein Lebenlang am Bettelstabe gehen müssen, sollte ich Euch fünfzig Kronen zahlen.«

»Der Prior soll darüber urtheilen,« versetzte der Hauptmann. – »Was sagt Ihr, Pater Aymer? Kann der Jude ein gutes Lösegeld geben?«

»Ob er Lösegeld geben kann?« antwortete der Prior. »Ist er nicht Isaac von York, reich genug, die zehn Stämme Israels auszulösen, die in die assyrische Gefangenschaft geführt wurden? Ich selber habe ihn nur wenig gesehen, doch unser Kellermeister und Schatzmeister haben viele Geschäfte mit ihm gemacht, und das Gerücht sagt, sein Haus zu York sei so voll Gold und Silber, daß es eine Schande ist für jedes christliche Land. Es ist eine Schmach für alle lebende christliche Herzen, daß man von solchen nagenden Nattern die Eingeweide des Staats, selbst der heiligen Kirche, durch Wucher und Erpressungen zerfressen läßt.«

»Halt, Vater,« sagte der Jude, »besänftigt Euren Zorn. Ich bitte Ew. Ehrwürden zu bedenken, daß ich meine Gelder Niemanden aufdringe. Doch wenn Geistliche und Laien, Prinz und Prior, Ritter und Priester an Isaac's Thür klopfen, so borgen sie seine Seckel nicht mit diesen unhöflichen Ausdrücken. Dann heißt es: Freund Isaac, wollt Ihr uns nicht in dieser Sache gefällig sein? Wir wollen auch auf Tag und Stunde zahlen, so wahr mir Gott helfe! – Und, lieber Isaac, wenn Ihr je Andern dientet, zeigt Euch als einen Freund in dieser Noth! Und wenn der Tag kommt und ich das Meinige fordere, da hört man nichts weiter als: Verdammter Jude, und der Fluch Aegyptens über euren Stamm, und Alles, was das rohe und unhöfliche Volk gegen arme Fremdlinge aufbringen kann!«

»Prior,« sagte der Hauptmann, »obgleich er Jude ist, so hat er darin doch wahr gesprochen. Bestimme Du daher ohne weitere harte Ausdrücke sein Lösegeld, so wie er das Deine bestimmt hat.«

»Niemand als ein latro famosus – die Erklärung davon spare ich mir bis zu einer andern Zeit auf – würde einen christlichen Prälaten und einen ungetauften Juden auf eine Bank setzen,« sagte der Prior. »Doch da Ihr von mir fordert, das Lösegeld dieses Elenden zu bestimmen, so sage ich Euch offen heraus, daß Ihr Euch selber zu nahe treten würdet, wolltet Ihr einen Pfennig unter tausend Kronen von ihm nehmen.«

»Ein Urtheil! – Ein Urtheil!« rief das Oberhaupt der Geächteten.

»Ein Urtheil! – Ein Urtheil!« riefen seine Beisitzer. »Der Christ hat seine bessere Erziehung gezeigt, und verfährt großmüthiger mit uns, als der Jude.«

»Der Gott meiner Väter helfe mir!« sagte der Jude; »wollt ihr ein verarmtes Geschöpf ganz zu Boden drücken? – Schon bin ich kinderlos, und Ihr wollt mich auch noch der Mittel zum Leben berauben?«

»Du hast desto weniger zu versorgen, Jude, wenn Du kinderlos bist,« sagte Aymer.

»Ach! Herr,« sagte Isaac, »Euer Gesetz erlaubt Euch nicht zu wissen, wie das Kind unseres Busens mit den Fibern unseres Herzens verwachsen ist. – O Rebecca: Tochter meiner geliebten Rachel! wäre jedes Blatt an jenem Baume eine Zechine und jede Zechine mein, die ganze Masse des Reichthums würde ich darum geben zu erfahren, ob Du am Leben und aus den Händen des Nazareners entkommen bist!«

»Hatte Deine Tochter nicht dunkles Haar?« sagte Einer von den Geächteten; »und trug sie nicht einen Schleier von Taffet mit Silber gestickt?«

»Ja, ja,« sagte der alte Mann, vor Lebhaftigkeit, wie früher vor Furcht zitternd. »Der Segen Jakobs ruhe auf Dir! Kannst Du mir sagen, ob sie gerettet ist?«

»Da war sie es, die der stolze Templer entführte, als er gestern Abend unsere Reihen durchbrach,« sagte der Geächtete. »Ich hatte schon meinen Bogen gespannt, um ihm einen Pfeil nachzuschicken, verschonte ihn aber des Mädchens wegen, welches ich mit dem Pfeil zu verletzen fürchtete.«

»O, wollte Gott, Du hättest geschossen,« entgegnete Isaac, »und wenn auch der Pfeil ihre Brust durchbohrt hätte! – Besser das Grab ihrer Väter, als das entehrende Lager des ausschweifenden und wilden Templers. Ichabod! Ichabod! der Ruhm meines Hauses ist dahin!«

»Freunde,« sagte der Anführer um sich blickend, »der alte Mann ist nur ein Jude, aber dennoch rührt mich sein Kummer. – Sprich aufrichtig mit uns, Isaac, – bist Du ganz von Geld entblößt, wenn Du die tausend Kronen Lösegeld zahlst?«

Isaac wurde wieder an seine irdischen Güter erinnert, und die Liebe zu diesen stritt aus eingewurzelter Gewohnheit selbst mit seiner väterlichen Zärtlichkeit. Er wurde blaß, stammelte und konnte nicht läugnen, daß ihm vielleicht noch ein kleiner Ueberschuß bliebe.

»Nun, wir wollen so genau nicht mit Dir rechnen,« sagte der Anführer. »Ohne Geld kannst Du eben so gut hoffen Dein Kind aus den Klauen Sir Brian de Bois-Guilbert's zu befreien, als einen königlichen Hirsch mit einem Pfeil ohne Spitze zu schießen. – Wir wollen Dich auf dasselbe Lösegeld setzen, wie den Prior Aymer, oder lieber noch um hundert Kronen geringer, welche hundert Kronen mein eigener Verlust sein werden. Wir werden dadurch dem schrecklichen Verbrechen entgehen, einen jüdischen Kaufmann eben so hoch zu taxiren, wie einen christlichen Prälaten, und Du hast noch sechshundert Kronen übrig, um damit das Lösegeld Deiner Tochter zu zahlen. Templer lieben den Schimmer silberner Seckel, sowie den Glanz dunkler Augen. – Eile, und laß Deine Kronen vor Bois-Guilbert's Ohren klingen, ehe es zu spät ist. Wie unsere Spione uns berichtet haben, wirst Du ihn im nächsten Präceptorium seines Ordens finden. – Habe ich recht gesprochen, meine muntern Kameraden?«

Die Yeomen drückten wie gewöhnlich ihre Uebereinstimmung mit der Ansicht ihres Führers aus. Isaac von der Hälfte seiner Furcht befreit, da er hörte, daß seine Tochter lebe, und wahrscheinlich eingelöst werden könne, warf sich zu den Füßen des edlen Geächteten, berührte mit seinem Bart die Stiefel desselben, und suchte den Saum seines grünen Rockes zu küssen. Der Hauptmann zog sich zurück und machte sich nicht ohne Zeichen der Verachtung von der Berührung des Juden los.

»Nein, zum Henker, steh auf, Mann! Ich bin ein geborner Engländer, und liebe solche orientalische Sitten nicht – knie vor Gott, und nicht vor einem armen Sünder, wie ich.«

»Ja, Jude,« sagte der Prior Aymer, »knie vor Gott, wie er durch den Diener seines Altars repräsentirt wird, und wer weiß, welche Gunst Du für Dich und Deine Tochter Rebecca erlangen kannst, wenn Du aufrichtige Reue zeigst, und den Altar des heiligen Robert reichlich bedenkst? Es thut mir Leid um das Mädchen, denn sie hat ein schönes und liebliches Antlitz – ich sah sie in den Schranken zu Ashby. Brian de Bois-Guilbert ist auch ein Mann, bei dem ich viel vermag – bedenke Dich, wie Du verdienen willst, daß ich ein gutes Wort bei ihm einlege.«

»Ach, ach!« sagte der Jude, »von allen Seiten will man mich berauben – ich bin als Beute hingegeben dem Assyrer, und als Beute dem Aegypter!«

»Und was sollte sonst das Loos Deines verfluchten Geschlechts sein?« antwortete der Prior; »denn was sagt die heilige Schrift: verbum Domini projecerunt, et sapientia est nulla in eis – sie haben das Wort des Herrn verworfen, und keine Weisheit ist in ihnen; propterea dabo mulieres eorum exteris – ich will ihre Weiber den Fremdlingen geben, das heißt im gegenwärtigen Falle dem Templer; et thesauros eorum haeredibus alienis, und ihre Schätze fremden Erben – im gegenwärtigen Falle diesen rechtschaffenen Herren.«

Isaac seufzte tief, begann die Hände zu ringen und wieder in seinen Zustand der Trostlosigkeit und Verzweiflung zu verfallen. Doch das Oberhaupt der Geächteten führte ihn auf die Seite.

»Bedenke Dich wohl, Isaac,« sagte Locksley, »was Du in dieser Sache thun willst; mein Rath ist, diesen Geistlichen zum Freunde zu halten. Er ist eitel und habsüchtig; wenigstens braucht er viel Geld zu seinem Aufwande. Du kannst sein Bedürfniß leicht befriedigen; denn glaube nicht, daß ich mich durch Deine Betheuerungen der Armuth täuschen lasse. Ich bin genauer mit dem eisernen Kasten bekannt, worin Du Deine Geldsäcke aufbewahrst. – Was! kenne ich nicht den großen Stein unter dem Apfelbaum, der zu dem gewölbten Gemache unter Deinem Garten zu York führt?« – Der Jude wurde todtenblaß. – »Aber fürchte nichts von mir,« fuhr der Geächtete fort, »denn wir kennen einander schon länger. Erinnerst Du Dich nicht des kranken Yeoman, den Deine schöne Tochter Rebecca aus dem Kerker zu York befreite und ihn so lange in Deinem Hause behielt, bis seine Gesundheit wieder hergestellt war, wo Du ihn mit einem Stück Geld entließest? – Wucherer wie Du bist, hast Du doch nie Geld auf bessere Zinsen gethan, als jene Silbermünze, denn sie hat Dir heute fünfhundert Kronen gerettet.«

»Und Du bist der, den wir Diccon den Bogenschützen nannten?« sagte Isaac; »es war mir immer, als müßte ich den Ton Deiner Stimme kennen.«

»Ich bin Diccon der Bogenschütze,« sagte der Hauptmann, »und Locksley, und habe außer diesen noch einen guten Namen.«

»Aber Du irrst Dich hinsichtlich des gewölbten Gemaches, guter Diccon. So wahr mir der Himmel helfe, es ist nichts darin, als einige Waare, die ich Dir gerne überlassen will – hundert Ellen lincolngrünes Tuch, um Deinen Leuten Röcke daraus machen zu lassen, und hundert Stäbe von spanischem Eibenbaumholz zu Bogen, und hundert seidene Bogensehnen, zäh, rund und fest – diese will ich Dir schicken für Deinen guten Willen, ehrlicher Diccon, wenn Du von dem Gewölbe schweigen willst, mein guter Diccon.«

»Ich werde schweigen, wie das Grab,« sagte der Geächtete, »und glaube mir niemals wieder, wenn ich nicht um Deine Tochter aufrichtig bekümmert bin. Doch ich kann nicht helfen – des Templers Lanzen sind zu stark auf freiem Felde für meine Bogenschützen, sie würden wie Staub auseinander geblasen werden. Hätte ich nur gewußt, daß es Rebecca sei, als sie entführt wurde, da hätte sich vielleicht noch etwas thun lassen; doch jetzt mußt Du List anwenden. Komm, soll ich für Dich mit dem Prior unterhandeln?«

»Um Gottes willen, Diccon, wenn Du kannst, hilf mir das Kind meines Busens retten!«

»Unterbrich Du mich nur nicht mit Deinem unzeitigen Geize,« sagte der Anführer, »da will ich schon mit ihm unterhandeln.«

Dann wendete er sich von dem Juden weg, der ihm aber wie sein Schatten folgte.

»Prior Aymer,« sagte der Hauptmann, »komm mit mir unter diesen Baum. Die Leute sagen, Du liebst den Wein und eines Weibes Lächeln mehr, als Deinem Orden ziemt, Herr Priester; doch damit habe ich nichts zu thun. Ich habe auch gehört, Du liebst gute Koppelhunde und ein schnelles Pferd, und da diese Dinge kostbar sind, so hassest Du vielleicht auch eine Börse voll Geld nicht. Doch habe ich nie gehört, daß Du Unterdrückung oder Grausamkeit liebst. – Nun sieh, hier ist Isaac, bereit, Dir die Mittel zum Vergnügen und Zeitvertreib in einem Beutel mit hundert Mark Silber zu geben, wenn Du durch Deinen Einfluß bei dem Templer ihm die Freiheit seiner Tochter verschaffen kannst.«

»In Sicherheit und Ehren, wie sie mir geraubt wurde,« sagte der Jude, »sonst gilt der Handel nicht.«

»Still, Isaac,« sagte der Geächtete, »oder ich gebe Dein Interesse auf. – Was sagst Du zu diesem Vorschlage, Prior Aymer?«

»Es ist eine gemischte Bedingung bei der Sache,« sagte der Prior, »denn wenn ich auf der einen Seite eine gute That thue, so geschieht es auf der andern Seite zum Vortheil eines Juden, und das ist in so weit gegen mein Gewissen. Doch wenn der Israelit die Kirche bedenken und so viel hergeben will, als der Bau unseres Dormitoriums kostet, so will ich es bei meinem Gewissen verantworten, ihm in dieser Angelegenheit mit seiner Tochter beizustehen.«

»Auf zwanzig Mark zu dem Dormitorium,« sagte der Geächtete. – »Schweig, Isaac, sage ich! – Oder auf ein Paar silberne Leuchter auf dem Altar soll es nicht ankommen.«

»Aber, guter Diccon« – sagte Isaac, ihn zu unterbrechen versuchend.

»Guter Jude – gutes Thier – guter Erdenwurm!« sagte der Anführer, indem er die Geduld verlor; »wenn Du fortfährst, Deine filzige Habsucht mit Deiner Tochter Leben und Ehre in die Wagschale zu legen, beim Himmel! so nehme ich Dir Alles, was Du in der Welt besitzest bis auf den letzten Maravedi, ehe noch drei Tage um sind!«

Der Jude schauderte zusammen und schwieg.

»Und welches Unterpfand soll ich dafür haben?« sagte der Prior.

»Wenn Isaac durch Deine Mitwirkung seine Tochter wieder erhält,« sagte der Anführer, »so schwöre ich Dir beim heiligen Hubert, ich will dafür sorgen, daß er Dir das Geld in gutem Silber bezahlt, oder ich will auf solche Weise Abrechnung mit ihm halten, daß es besser für ihn wäre, er hätte zwanzigmal die Summe bezahlt.«

»Wohlan denn, Jude,« sagte Aymer, »da ich mich denn nothwendig in die Sache mischen muß, so leihe mir Deine Schreibtafel – doch halt – lieber als daß ich mich Deiner Feder bediene, möchte ich vierundzwanzig Stunden fasten, doch wo soll ich hier eine finden?«

»Wenn Eure heiligen Skrupel gestatten, Euch der Schreibtafel des Juden zu bedienen, so will ich Euch die Feder verschaffen,« sagte der Anführer. Hierauf spannte er seinen Bogen und zielte nach einer wilden Gans, die hoch über ihren Köpfen flog, als die vorderste eines Phalanx ihres Geschlechts, welche ihren Weg nach den fernen und einsamen Sümpfen von Holderneß richteten. Der Vogel kam, von dem Pfeil durchbohrt, flatternd herunter.

»Hier, Prior,« sagte der Hauptmann, »sind Federspulen genug, um alle Mönche von Jorvaulx auf die nächsten hundert Jahre zu versehen, wenn sie sich nicht auf's Chronikenschreiben legen.«

Der Prior setzte sich nieder, und schrieb in gehöriger Muße einen Brief an Brian de Bois-Guilbert, den er sorgfältig versiegelte und dem Juden mit den Worten übergab: »Dies wird Dein Geleitsbrief sein zu dem Präceptorium zu Templestowe und, wie ich glaube, höchst wahrscheinlich die Befreiung Deiner Tochter bewirken, wenn er mit Anerbietungen von Deiner Seite begleitet ist; denn glaube mir, der gute Ritter Bois-Guilbert gehört der Brüderschaft an, die nichts für nichts thut.«

»Nun gut, Prior,« sagte der Geächtete, »ich will Dich nicht länger aufhalten, als bis Du dem Juden eine Quittung über die sechshundert Kronen gegeben hast, worauf Dein Lösegeld festgesetzt ist – ich nehme ihn als meinen Zahlmeister an, und wenn ich höre, daß Ihr Euch weigert, ihm die Summe wieder zu erstatten, die er für Euch gezahlt, so wahr mir die heilige Jungfrau gnädig sein wolle, ich zünde Euch die Abtei über dem Kopfe an, und sollte ich auch deßhalb zehn Jahre früher hängen müssen!«

Mit viel geringerer Grazie, als womit er den Brief an Bois-Guilbert niedergeschrieben, setzte er die Quittung für Isaac von York auf.

»Und nun,« sagte der Prior Aymer, »bitte ich Euch um Wiedererstattung meiner Maulthiere und Zelter, um die Freilassung der mich begleitenden ehrwürdigen Brüder, so wie um Herausgabe der Ringe, Juwelen und kostbaren Kleider, deren man mich beraubt hat, da ich Euch jetzt durch mein Lösegeld zufrieden gestellt habe.«

»Was Eure Brüder betrifft, Herr Prior,« sagte Locksley, »die sollen sogleich frei sein, es wäre ungerecht, sie zurückzuhalten; auch Eure Pferde und Maulthiere sollen Euch wieder erstattet werden, nebst so viel Reisegeld, daß Ihr York erreichen könnt, denn es wäre grausam, Euch der Mittel zur Reise zu berauben. – Was aber die Ringe, Juwelen, Ketten und dergleichen betrifft, da müßt Ihr wissen, daß wir Männer von zartem Gewissen sind, und einem ehrwürdigen Mann, wie Euch, der den Eitelkeiten der Welt abgestorben sein sollte, nicht der starken Versuchung aussetzen wollen, die Regel seines Ordens zu brechen, indem er Ringe, Ketten und andern eiteln Tand an sich trägt.«

»Bedenkt was Ihr thut, Ihr Herren,« sagte der Prior, »ehe Ihr das Eigenthum der Kirche antastet. – Diese Sachen gehören inter res sacras, und ich weiß nicht, welches Urtheil daraus folgen würde, wenn sie von Laien berührt werden sollten.«

»Dafür will ich Sorge tragen, ehrwürdiger Prior,« sagte der Eremit von Copmanhurst, »denn ich will sie selber tragen.«

»Freund oder Bruder,« sagte der Prior als Antwort auf diese Lösung seiner Zweifel, »wenn Du wirklich die Priesterweihe empfangen hast, so bitte ich Dich, zuzusehen, wie Du Deinen Antheil, den Du an dem Werk dieses Tages genommen, vor Deinem Vorgesetzten verantworten willst.«

»Freund Prior,« entgegnete der Eremit, »Ihr müßt wissen, daß ich zu einer kleinen Diöcese gehöre, wo ich mein eigener Vorgesetzter bin, und mich eben so wenig um den Bischof von York kümmere, als um den Abt von Jorvaulx.«

»Du bist ein Heckenpriester,« sagte der Prior in großer Wuth, » excommunicabo vos.«

»Du bist selber einem Dieb und Ketzer ähnlicher,« sagte der Eremit gleichfalls erzürnt; »ich will keine solche Beleidigungen vor meinen Pfarrkindern einstecken, die Du mir zuzufügen Dich nicht schämst, obgleich ich ein ehrwürdiger Bruder von Dir bin. Ossa eius perfringam, ich werde ihm die Knochen zerschlagen, wie die Vulgata sagt.«

»Holla!« rief der Hauptmann, »kommen die ehrwürdigen Brüder zu solchen Ausdrücken? – Brich den Frieden nicht, Eremit. – Prior, wenn Du nicht vollkommen Deine Rechnung mit der Welt abgeschlossen hast, so reize den Eremiten nicht weiter. – Eremit, laß den ehrwürdigen Vater in Frieden ziehen, da er sich ausgelöst hat.«

Die Geächteten trennten die erzürnten Priester, welche fortwährend ihre Stimmen erhoben und in schlechtem Latein aufeinander schimpften, welches der Prior geläufiger und der Eremit mit größerer Heftigkeit sprach. Endlich faßte sich der Prior so weit, daß er einsah, er beeinträchtige seine Würde, indem er mit einem solchen Heckenpriester zanke. Hierauf ritt er mit seinen Begleitern fort, mit viel geringerem Pomp und in viel mehr apostolischer Lage hinsichtlich des weltlichen Schmuckes, als er gekommen war.

Noch mußte der Jude für das Lösegeld Sicherheit leisten, welches er für den Prior zahlen wollte, so wie für sein eigenes. Er stellte daher einen mit seinem Siegelringe untersiegelten Wechsel auf einen Bruder seines Stammes zu York aus, worin er ihn aufforderte, dem Ueberbringer die Summe von tausend Kronen auszuzahlen, und gewisse näher bezeichnete Waaren auszuliefern.

»Mein Bruder Schewa,« sagte er mit einem tiefen Seufzer, »hat den Schlüssel zu meinem Waarenlager.«

»Und zu dem gewölbten Gemache,« flüsterte Locksley.

»Nein, nein, – das möge der Himmel verhüten!« sagte Isaac; »verflucht sei die Stunde, wo ein Anderer mit diesem Geheimniß bekannt wurde!«

»Bei mir ist es sicher,« sagte der Geächtete, »wenn auf dieses Blatt die darin benannte Summe ausgezahlt wird. – Aber was hast Du vor, Isaac? Bist Du todt? Bist Du von Sinnen? Hast Du wegen der Bezahlung von tausend Kronen Deiner Tochter Gefahr vergessen?«

Der Jude sprang wieder auf. »Nein, Diccon, nein – ich will sogleich abreisen. – Lebe wohl, Du, den ich nicht gut nennen kann und nicht böse nennen will und darf.«

Ehe der Jude sich entfernte, gab ihm der Anführer der Geächteten seinen Rath auf den Weg: »Sei freigebig in Deinen Anerbietungen, Isaac, und schone Deine Börse nicht zur Rettung Deiner Tochter. Glaube mir, das Gold, welches Du in ihrer Sache sparst, wird Dir später so viel Qual verursachen, als würde es geschmolzen in Deinen Hals gegossen.«

Isaac gab mit einem tiefen Seufzer seine Zustimmung und trat seine Reise an, von zwei rüstigen Waidmännern begleitet, die seine Führer und zugleich seine Beschützer sein sollten.

Der schwarze Ritter, welcher mit nicht geringem Interesse den verschiedenen Vorgängen zugesehen hatte, nahm jetzt ebenfalls von dem Geächteten Abschied, auch konnte er nicht umhin, sein Erstaunen auszusprechen, daß er so viel bürgerliche Ordnung unter Personen gefunden habe, die von dem gewöhnlichen Schutze und Einfluß der Gesetze ausgeschlossen wären.

»Zuweilen wachsen gute Früchte auf verkümmerten Bäumen, Herr Ritter,« sagte der Geächtete; »und schlimme Zeiten bringen nicht immer allein Schlimmes hervor. Unter denen, die in diesen gesetzlosen Zustand versetzt sind, gibt es gewiß Viele, welche die Freiheit desselben mit einiger Mäßigung anzuwenden wünschen, und Einige, welche bedauern, daß sie genöthigt sind, überhaupt dieses Handwerk zu treiben.«

»Und mit Einem von diesen rede ich vermuthlich?« sagte der Ritter.

»Herr Ritter,« sagte der Geächtete, »ein jeder hat sein Geheimniß. Ihr mögt Euch Euer Urtheil über mich bilden, und ich kann meine Vermuthungen über Euch hegen, ohne daß unsere Pfeile das Ziel treffen, worauf sie abgeschossen sind. Doch da ich nicht bitte in Euer Geheimniß eingeweiht zu werden, so seid nicht ungehalten, wenn ich auch das meinige für mich behalte.«

»Ich bitte um Verzeihung, wackerer Geächteter,« sagte der Ritter, »Euer Tadel ist gerecht. Aber vielleicht sehen wir uns später mit weniger Verheimlichung von beiden Seiten wieder. – Inzwischen scheiden wir als Freunde, nicht wahr?«

»Hier ist meine Hand darauf,« sagte Locksley, »und ich nenne sie die Hand eines wahren Engländers, wenn er auch für jetzt ein Geächteter ist.«

»Hier ist die meine dagegen,« sagte der Ritter, »und ich halte sie geehrt durch den Druck der Eurigen. Denn wer Gutes thut, da er doch die unbeschränkte Macht hat Böses zu thun, verdient Lob, nicht bloß für das Gute, was er thut, sondern auch für das Böse, was er unterläßt. Lebewohl, tapferer Geächteter!«

So trennten sich die beiden wackern Kameraden. Der Ritter vom Fesselschloß bestieg sein starkes Schlachtroß und ritt durch den Wald davon.



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