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Zehntes Kapitel.

Wir müssen zu den Gefängnissen des Blachernäpallastes zurückkehren, wo die Umstände eine wenigstens augenblickliche Freundschaft zwischen dem derben Waräger und dem Grafen Robert von Paris gestiftet hatten, die sich einander an Charakter ähnlicher waren, als es Beide wohl zugegeben haben würden. Die Tugenden des Warägers waren alle natürlich und unverfeinert, wie sie die Natur selbst einem Tapferen lehrt, der nie die Furcht kannte, und immer bereit war, der Gefahr zu begegnen. Der Graf hingegen besaß ganz die Tapferkeit, Großmuth und Lust nach Abenteuern des gewöhnlichen Kriegers, vereinigte aber damit die wahren oder falschen Verzüge, welche Männer seines Ranges und Landes dem Geist des Ritterthums entlehnten. Der Eine konnte dem Diamant verglichen werden, der roh aus der Grube kommt; der Andere war ein geschliffener und reich gefaßter Edelstein, der vielleicht etwas von seinem ursprünglichen Gehalt verloren, aber in den Augen eines Kenners mehr Glanz hatte, als da er noch ein roher Stein war. In dem einen Fall war die Schätzung künstlicher, in dem anderen natürlicher und wahrer. Der Zufall hatte also vorübergehend zwei Männer zusammengebracht, deren Grundcharakter so große Aehnlichkeit hatte, daß sie sich nur durch ihre Erziehung unterschieden, die Beiden starke und sich gegenseitig abstoßende Vorurtheile eingepflanzt hatte. Der Waräger sprach mit dem Grafen in einem vertrauten Tone, der näher an Grobheit gränzte, als es der Sprechende wußte, und sagte in aller Unschuld viele Dinge, die sein neuer Gefährte übel nehmen mochte. Das Beleidigendste jedoch war seine freie Titelverachtung, die den Sachsen überhaupt eigen war, und die den Franken sowohl als den Normannen, die auf Privilegien, Stammbäume und ritterliche Ansprüche sehr erpicht waren, wenigstens unangenehm sein mochte.

Es muß zugestanden werden, daß Hereward zu wenig von diesen Auszeichnungen hielt, während er doch eine ziemlich große Meinung hatte von der Macht und dem Reichthum des griechischen Reichs, dem er diente, und von der Würde des Alexius Comnenus, so wie der griechischen Offiziere, die, wie hauptsächlich Achilles Tatius, die Schaar befehligten, zu welcher er gehörte. Hereward kannte diesen letzteren Offizier als einen Feigling, und hielt ihn fast für einen Schurken. Immer aber blieb der Akoluthos der Kanal, durch welchen sich die kaiserliche Gnade über die Waräger und über Hereward ergoß, und er war politisch genug, diese Gunstbezeigungen als die Folge seiner Vermittlung auszugeben. Man glaubte von ihm, daß er sich der Sache der Waräger bei allen Streitigkeiten, welche dieselben mit den anderen Truppen hatten, immer eifrig annähme; er war freundlich und freigebig; gab jedem Soldaten, was er ihm schuldig war; und hätte es mit seinem Muth, von dem er keinen großen Vorrath hatte, besser gestanden, so hätten sich die Fremdlinge keinen besseren Anführer wünschen können. Außerdem war unser Freund Hereward sein Gesellschafter und Begleiter, wie wir gesehen haben, und theilte so das Wohlwollen, das der größte Theil dieser Myrmidonen für den neuen Achilles hatten.

Die Anhänglichkeit, die sie für ihren Anführer hatten, war gewiß so groß, als es bei seinem Mangel an Ehre und Achtung nur möglich war. Der von Hereward gefaßte Plan zur Befreiung des Grafen von Paris begriff demnach so viel Treue zu dem Kaiser und zu dessen Stellvertreter, dem Akoluthos, als sich mit dem Entschluß vertrug, dem beleidigten Franken Recht zu verschaffen.

Um diesen Plan auszuführen, führte er den Grafen Robert aus den unterirdischen Gewölben des Blachernäpallastes, dessen Irrgänge er in der letzten Zeit kennen gelernt hatte, da ihn Tatius oft dahin auf die Wache schickte, um beim Ausbruch der Verschwörung von seiner Ortskenntniß Vortheil zu ziehen. Als sie sich im Freien befanden, und von den finsteren Thürmen des Pallastes etwas entfernt waren, that er dem Grafen von Paris geradezu die Frage, ob er den Philosophen Agelastes kenne. Die Antwort war verneinend.

»Seht Ihr nun, Herr Ritter, Ihr schlagt Euch selbst, wenn Ihr mir das aufbinden wollt,« sagte Hereward. »Ihr müßt ihn kennen; denn Ihr waret gestern bei ihm zur Tafel.«

»Ah! bei dem Gelehrten?« sagte der Graf. »Ich wüßte nicht, daß ich dir oder irgend Jemand etwas von ihm zu offenbaren oder zu verbergen haben konnte. Er ist voll Schlauheit, halb Herold und halb Sänger.«

»Halb Kuppler und ganz Schuft,« fügte der Waräger bei. »Hinter der Maske der Gutmüthigkeit verbirgt er sich, wenn er den Lastern Anderer fröhnt; mit seinem philosophischen Kauderwälsch hat er Glauben und Sittenlehre weggeschwatzt; und mit seiner geheuchelten Unterthänigkeit wird er, wenn man ihm nicht bei Zeiten Einhalt thut, seinen zu gütigen Herrn um Thron und Leben bringen, oder, wenn ihm das fehlschlägt, seine einfältigen Verbündeten in's Unglück und Verderben rennen.«

»Ihr wißt das Alles,« sagte Graf Robert, »und laßt diesen Mann ungehindert handeln?«

»O, wartet nur, Herr,« versetzte der Waräger; »ich kann noch keinen Plan machen, dem Agelastes nicht entgegen arbeiten könnte; aber bald wird die Zeit kommen, ja, sie ist schon nah, wo des Kaisers Auge fest auf das Betragen dieses Mannes gelenkt werden soll, und dann mag sich der Philosoph in Acht nehmen, oder beim Hl. Dunstan, der Barbar bringt ihn zum Fall! Könnte ich nur einen thörichten Freund, der auf seine Lockungen gehört hat, aus seinen Krallen retten.«

»Aber was habe ich mit diesem Manne und seiner Verschwörung zu schaffen?« sagte der Graf.

»Viel,« sagte Hereward, »wiewohl Ihr es nicht wißt. Die Hauptstütze der Verschwörung ist kein Anderer als der Cäsar, der eigentlich der ergebenste Mann sein müßte; doch seit Alexius einen Sebastokrator ernannt hat, der vermöge seines höheren Ranges dem Throne näher steht, als der Cäsar selbst, ist Nicephorus Briennius mißvergnügt und unzufrieden, obgleich es schwer zu sagen ist, seit welcher Zeit er sich in die Umtriebe des hinterlistigen Agelastes eingelassen hat. Das weiß ich aber, daß er seit mehreren Monaten den Lästern und der Schwelgerei des Cäsars allen Vorschub leistet, so weit er es durch seinen Reichthum vermag. Er hat ihn aufgemuntert, sein Weib, wiewohl sie des Kaisers Tochter ist, zu vernachlässigen; er hat ihn mit Uebelwollen gegen die kaiserliche Familie erfüllt. Und wenn Briennius nicht mehr auf den Ruf eines vernünftigen Mannes und eines guten Anführers hält, so sind die Rathschläge dieses höfischen Ränkeschmiedes ganz allein daran schuld.«

»Und was geht das mich an?« sagte der Franke. »Agelastes mag ein treuer Mann sein oder ein Augendiener: sein Herr, Alexius Comnenus, steht mir und meinem Hause nicht so nahe, daß mich die Ränke seines Hofes kümmern sollten.«

»Ihr könnt Euch hierin irren,« sagte der offenherzige Waräger; »wenn diese Ränke das Glück und die Tugend angehen –«

»Beim Tod von tausend Märtyrern!« sagte der Franke, »sollen elende Ränke und Sclavenstreitigkeiten nur einen Gedanken des Argwohns gegen die edle Gräfin von Paris erregen? Die vereinten Schwüre der Menschen würden nicht beweisen, daß nur eins ihrer Haare seine Farbe in Silber verändert hat.«

»Gut gedacht, tapferer Ritter,« sagte der Angelsachse; »Ihr seid ein Ehemann, wie man ihn in Constantinopel verlangt, wenig behutsam und voll Vertrauen. Ihr würdet an diesem Hofe viele Genossen und Gesellen finden.«

»Höre, Freund,« versetzte der Franke, »laß uns nichts weiter reden, auch nicht weiter gehen als zu einem abgelegenen Winkel dieser wirren Stadt, und laß uns da die Sache ausmachen, die wir eben jetzt unbeendigt gelassen haben.«

»Wäret Ihr ein Herzog, Herr Graf,« erwiederte der Waräger, »Ihr könntet keinen Bereitwilligeren zum Kampfe fordern. Indeß erwäget die Umstände, unter denen wir fechten. Wenn ich falle, so währt die Klage nicht lange; aber kann mein Tod deinem Weibe die Freiheit geben, wenn man es gefangen hält, oder seine Ehre herstellen, wenn man sie verletzen will? – wird er eine andere Folge haben, als die einzige Person, welche dir, auf ihre eigene Gefahr beistehen, dich mit deinem Weibe vereinigen und dich an die Spitze deiner Kriegesschaar zurückbringen will, aus der Welt hinaus zu schaffen?«

»Ich hatte Unrecht,« sagte der Graf von Paris; »ich hatte ganz Unrecht; aber hüte dich, guter Freund, mir den Namen Brenhilda von Aspramonte und das Wort Entehrung zusammen zu nennen, und sage mir, statt mich durch dein Gespräch zu ärgern, wohin wir nun gehen.«

»Zu den cythereischen Gärten des Agelastes, von denen wir nicht weit entfernt sind,« sagte der Angelsachse; »aber er hat einen näheren Weg dahin als den, auf welchem wir gehen, sonst könnte ich mir die kurze Frist nicht erklären, in welcher er seinen reizenden Garten mit den düstern Trümmern des Isistempels und dem kaiserlichen Blachernäpallaste vertauschen konnte.«

»Aber warum und seit wann vermuthest du,« sagte Graf Robert, »daß man die Gräfin in diesen Gärten zurückhält?«

»Seit gestern,« antwortete Hereward. »Als ich und auf mein Geheiß einige meiner Cameraden den Cäsar und Eure Gemahlin genau beobachteten, bemerkten wir seinerseits eine feurige Bewunderung, und ihrerseits, wie es schien, Unwillen darüber; Agelastes, als Freund des Nicephorus, wird nach seiner Gewohnheit die Sache zu Ende gebracht haben, indem er euch Beide von dem Kreuzheere trennte, so daß Euer Weib das Vergnügen hätte, die Gärten dieses würdigen Philosophen, die schon mehr als eine Matrone aufgenommen haben, zu bewohnen, während Ihr, Herr, ein ewiges Quartier im Blachernäpallaste fändet.«

»Elender? warum sagtest du mir das nicht gestern?«

»Ein wahrscheinliches Ding –« sagte Hereward, »daß ein Soldat die Freiheit haben soll, aus den Reihen zu treten, und sich aufgelegt fühlen könnte, einem Manne, den er als seinen Todfeind ansieht, solche Mittheilungen zu machen! Wahrhaftig, statt diese Sprache zu führen, solltet Ihr es dem Zufall danken, der es endlich so gefügt hat, daß ich Euch befreundet zur Seite stehe.«

Graf Robert fühlte die Wahrheit dieser Rede, obgleich er nach seiner Gewohnheit vor Begierde brannte, seinen Zorn an dem ersten Besten auszulassen.

Sie hatten nun die Gärten des Philosophen, wie die Einwohner von Constantinopel dieselben nannten, erreicht. Hereward hoffte hier Einlaß zu erhalten: denn er hatte sich zum Theil die Zeichen von Achilles und Agelastes gemerkt, seit er dem Letzteren in dem zertrümmerten Isistempel zugeführt worden war. Freilich war er von ihnen nicht in das ganze Geheimniß eingeweiht worden, aber er hatte doch einzelne Winke erhalten, die einen Mann von seinem natürlichen Verstand am Ende zur Kenntniß des Ganzen führen mußten. Graf Robert und sein Begleiter standen vor einer Bogenthüre, der einzigen in einer hohen Mauer, und der Angelsachse wollte eben klopfen, als er wie von einem plötzlichen Einfall betroffen wurde.

»Ha, wenn der Schurke Diogenes aufmachte? Wir müssen ihn tödten, eh' er zurückspringen und uns verrathen kann. Das ist durchaus nothwendig, und der Schuft hat den Tod durch tausend Verbrechen verdient.«

»Nun so tödte ihn du selbst,« versetzte Graf Robert; »er ist deinem Stande näher; ich kann nicht den Namen Karls des Großen mit dem Blut eines schwarzen Sclaven besudeln.«

»Das verhüte Gott!« antwortete der Angelsachse; »aber Ihr müßt mir beistehen, im Fall man ihm zur Hülfe kommt, und in Menge über mich herfällt.«

»Dadurch wird das Ding einem Gefecht ähnlicher,« sagte der Ritter, »und ich verspreche dir, ich werde nicht müssig stehen, wenn ich mit Ehren thätig sein kann.«

»Ich bezweifle es nicht,« sagte der Waräger; »aber das ist ein seltsames Gesetz, das uns befiehlt, einen Feind nach seinem Stammbaum zu befragen, ehe es uns erlaubt, uns gegen ihn zu vertheidigen oder ihn anzugreifen.«

»Das thut nichts, Freund,« sagte Graf Robert. »Das strenge Rittergesetz lautet freilich so; aber wenn es heißt – zugehauen oder nicht? dann ist eine bejahende Antwort das Wahrscheinlichste.«

»Nun so laßt mich des Zaubers Zeichen geben,« versetzte Hereward, »und sehen, was für ein Teufel dann erscheint.«

So sprechend, klopfte er auf eigenthümliche Art an, und die Thüre that sich nach Innen auf; eine zwergartige Negerin stand in der Oeffnung – ihr weißes Haar stach von der dunklen Farbe ihrer Haut und von dem diesen Sclaven eigenen frechlachenden Blick seltsam ab. Sie hatte in ihrem Gesicht etwas, was genau betrachtet wie Bosheit und Schadenfreude aussah.

»Ist Agelastes – –« sagte der Waräger; aber er hatte seine Frage noch nicht ausgesprochen, als sie ihm antwortete, indem sie nach einem schattigen Baumgange deutete.

Der Angelsachse und der Franke nahmen diese Richtung, als die Hexe eher murmelte als laut sprach: »Ihr seid ein Eingeweihter, Waräger; seht Euch vor, wen Ihr mit Euch nehmt, wenn Ihr kaum willkommen sein würdet, wenn Ihr allein kämet.«

Hereward winkte ihr zu, daß er sie verstanden habe, und bald waren sie ihr aus dem Gesicht. Der Pfad schlang sich lieblich durch den Schatten eines morgenländischen Gartens, wo Gruppen von Blumen und blühenden Stauden und die hohen Waldbäume selbst um Mittag die Luft angenehm abkühlten.

»Hier müssen wir die größte Vorsicht anwenden,« sagte Hereward mit leiser Stimme: »denn hier hält sich wahrscheinlich das Wild auf, das wir suchen. Laßt mich lieber vorausgehen, da Ihr zu aufgeregt seid, um auf Kundschaft ausgehen zu können. Versteckt Euch unter jene Eiche, und laßt Euch nicht von einem falschen Ehrgefühl abhalten, unter das Gesträuch, ja unter die Erde zu kriechen, sobald Ihr einen Fußtritt vernehmt. Wenn die Liebenden einig geworden sind, so macht Agelastes wahrscheinlich die Runde, um einen Ueberfall zu verhindern.«

»Tod und Teufel! es kann nicht sein,« rief der hitzige Franke aus. – »Unsere liebe Frau von den gebrochenen Lanzen, nimm deinem Verehrer lieber das Leben, statt ihn mit dieser Angst zu quälen!«

Er erkannte jedoch die Nothwendigkeit, sich Gewalt anzuthun, und ließ den Waräger ohne Widerspruch fortgehen, jedoch nicht ohne ihm scharf nachzuschauen. Nachdem er ein wenig vorwärts gegangen war, konnte er sehen, wie sich Hereward an einem Pavillon hindrängte, der sich nicht weit von dem Platze, wo sie sich getrennt hatten, erhob. Er sah, wie derselbe erst sein Auge und dann sein Ohr einem der Fenster nahe brachte, die fast ganz überwachsen und durch blühende Sträucher vom Tageslichte getrennt waren. Er glaubte, in den Zügen des Warägers eine gespannte Theilnahme zu erblicken, und er war begierig zu erfahren, was derselbe ohne Zweifel ausgekundschaftet hatte.

Leisen Trittes schlüpfte er darum durch das Labyrinth von Blättern, durch welches Hereward dem Pavillon nahe gekommen war; und so ruhig waren seine Bewegungen, daß er den Angelsachsen, der sein Herannahen nicht bemerkt hatte, anstieß, um ihm seine Gegenwart anzuzeigen.

Hereward, der zuerst nicht wußte, wer sich nähere, kehrte sich nach dem Ankömmling mit feuerrothem Gesicht um. Da er aber den Franken erblickte, zuckte er die Achseln, gleich als bemitleide er die Ungeduld desselben, die sich keiner Vorsicht unterwerfen wolle, und nachdem er sich zurückgezogen hatte, überließ er dem Grafen ein von Innen nicht zu gewahrendes Schauloch am Fenstergesimse. Das Helldunkel, welches an diesem Ort der Lust herrschte, war dem Zweck, den ein der Cytherea gewidmeter Tempel hatte, angemessen. Man sah Porträts und Statuen daselbst im Geschmack derjenigen, die sie in dem Lusthause am Wasserfall gesehen hatten, nur waren sie etwas freierer Art. Es dauerte nicht lang, so ging die Thüre auf, und die Gräfin trat herein, von ihrer Dienerin Agatha begleitet. Die Dame ließ sich auf ein Ruhebett nieder, während die Dienerin, ein junges und sehr schönes Weib, bescheiden im Hintergrund blieb, so daß man sie kaum sehen konnte.

»Was denkst du,« sagte die Gräfin, »von einem so argwöhnischen Freund wie Agelastes? und einem so höflichen Feind wie dieser sogenannte Cäsar?«

»Ich denke davon,« erwiderte das Mädchen, »daß das was der Alte Freundschaft nennt, Haß ist, und was der Cäsar für Vaterlandsliebe ausgibt, die ihm nicht erlaube, Feinde in Freiheit zu setzen, eine starke Neigung zu seiner schönen Gefangenen ist.«

»Und diese Neigung soll ihm so viel eintragen,« sagte die Gräfin, »als wenn die Feindschaft, hinter die er sie verbirgt, wirklich wäre. – O mein treuer und edler Gemahl! wüßtest du, wie schmachvoll sie mich behandelt haben, du würdest alle Bande durchbrechen, um mir zu Hülfe zu eilen!«

»Bist du ein Mann,« sagte Graf Robert zu seinem Gefährten, »und kannst mir rathen hierzu still zu schweigen?«

»Ich bin ein Mann,« sagte der Angelsachse; »Ihr, Herr, seid ein anderer; doch mit aller Rechenkunst können wir nicht mehr als zwei aus uns machen; und an diesem Ort kann ein Pfeifen des Cäsars oder ein Ruf des Agelastes uns Tausende auf den Hals schicken, denen zusammen wir die Stange nicht halten können. – Darum haltet Euch still und ruhig. Ich rathe Euch dies nicht, als wenn ich um mein eignes Leben besorgt wäre: denn indem ich mich mit Euch auf diese Wildgansjagd eingelassen habe, habe ich es auf's Spiel gesetzt, um Euch und die Frau Gräfin, die eben so viel Tugend als Schönheit besitzt, zu retten.«

»Ich ließ mich anfangs täuschen,« sagte die Dame Brenhilda zu ihrer Dienerin. »Der Anschein strenger Sittlichkeit, tiefer Gelehrsamkeit und rücksichtsloser Rechtlichkeit, den sich dieser alte Tropf gab, ließ mich an diesen falschen Charakter glauben; doch dieser Firniß ist verschwunden, seit ich sein Verhältniß zu dem nichtswürdigen Cäsar kenne, und das Gemälde zeigt sich in seiner ganzen Häßlichkeit. Aber wenn ich durch Geschicklichkeit und Feinheit diesen Erzbetrüger zu täuschen vermag – denn fast jedes andere Vertheidigungsmittel hat er mir genommen – will ich auch die List nicht verschmähen, und vielleicht wird er finden, daß ich ihm gewachsen sei.«

»Habt Ihr das gehört?« sagte der Waräger zu dem Grafen von Paris. »Stört nicht durch Eure Ungeduld den klugen Plan Eurer Dame. Wo Weiberlist sich mit Manneskraft mißt, hätte man sich da einzumischen! Halten wir uns darum ruhig, bis wir sehen, daß unsere Hülfe zu ihrer Rettung und zu unserem Siege nöthig ist.«

»Amen,« sagte der Graf von Paris; »aber hofft nicht, Herr Sachse, daß mich Eure Klugheit überreden kann, diesen Garten zu verlassen, ohne volle Rache an dem nichtswürdigen Cäsar und dem falschen Philosophen genommen zu haben, wenn er sich ausweist, daß er wirklich einen Charakter –« Der Graf war hier im Begriff, die Stimme zu erheben, als ihm der Sachse ohne Umstände die Hand auf den Mund legte. »Du nimmst dir viel heraus,« sagte Graf Robert, indem er seine Stimme dämpfte.

»Nun freilich,« sagte Hereward, »wenn das Haus brennt, halte ich mich nicht damit auf, zu fragen, ob das Wasser, das ich auf's Feuer schütte, wohlriecht oder nicht.«

Dies brachte den Grafen wieder zur Besinnung; und wiewohl ihm die Entschuldigung des Sachsen nicht gefiel, so verhielt er sich doch schweigend. Ein entferntes Geräusch ließ sich hier vernehmen – die Gräfin horchte, und wechselte die Farbe. »Agatha,« sagte sie, »wir gleichen Kämpfern in den Schranken, und hier kommt der Gegner. Gehen wir in dies Seitengemach, um uns so eine Weile diesem lästigen Zusammentreffen zu entziehen.« So sprechend, zogen sich die beiden Frauen in ein Nebenzimmer zurück, dessen Thüre hinter dem Sitze befindlich war, den Brenhilda eingenommen hatte.

Kaum waren sie verschwunden, als, wie es in den Komödien heißt, der Cäsar und Agelastes von der anderen Seite auftraten. Sie hatten vielleicht Brenhilda's letzte Worte gehört: denn der Cäsar wiederholte mit leiser Stimme –

» Militat omnis amans, habet et sua castra Cupido.

Was? hat unsere schöne Feindin ihre Streitkräfte zurückgezogen? Schadet nichts, es zeigt, daß sie sich zum Kampf rüstet, obwohl der Feind nicht im Gesicht ist. Gut, du sollst mir diesmal nicht vorzuwerfen haben, Agelastes, daß ich mich in meinen Liebschaften übereile, und mich der Lust einer langsamen Verfolgung beraube. Beim Himmel, ich will so bedächtig vordringen, als wenn ich so viele Jahre auf der Schulter hätte, wie du; denn dir, Alter, fürchte ich, hat die neidische Zeit die Liebesflügel ausgerupft.«

»Das nicht, mächtiger Cäsar,« sagte der Alte; »wohl aber hat die Hand der Klugheit den Flügeln Cupido's einige wilde Federn entrissen, aber noch so viel zurückgelassen, als zu einem gleichen und kräftigen Flug gehören.«

»Dein Flug, Agelastes, war gewiß weniger bedächtig, als du diese Rüstkammer Cupido's anlegtest, aus welcher du mir erlaubtest, meine Rüstung oder vielmehr meinen Putz auszuwählen.«

Indem er dies sagte, warf er einen Blick auf die blitzenden Steine, die goldene Kette, die Armbänder, Ringe und anderen Zierrath, so wie auf das neue und prächtige Kleid, die er bei seiner Ankunft in den cythereischen Gärten angelegt hatte, um seine Schönheit noch mehr herauszuheben.

»Es freut mich,« sagte Agelastes, »wenn Ihr unter dem Flitter, den ich nicht mehr trage, und dessen ich mich selten bediente, als ich noch jung war, etwas gefunden habt, was Euch ansteht. Jedoch gedenket daran, daß all' dieser Tand, den Ihr an diesem denkwürdigen Tage tragt, zu keinem geringeren Eigenthümer zurückkehren kann, sondern das Eigenthum der Größe bleiben muß, deren Schmuck er einmal war.«

»Das kann ich nicht annehmen, mein Freund,« sagte der Cäsar; »ich weiß, du schätzest diese Kostbarkeiten, wie sie ein Philosoph schätzen kann, d. h. wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung. Dieser große Siegelring z. B. war, wie du mir sagtest, das Eigenthum des Sokrates; ist das wirklich der Fall, so kannst du ihn nie ohne ein frommes Dankgefühl ansehen, daß deine Philosophie nie durch den Umgang mit einer Xanthippe auf die Probe gestellt worden ist. Diese Spangen entfesselten in alten Zeiten den lieblichen Busen der Phryne, und jetzt gehören sie Einem, der den Reizen, die sie verbergen oder enthüllen, besser zu huldigen versteht, als der Cyniker Diogenes. Diese Schnallen –«

»Spart Eure Einfälle, junger Mann,« sagte Agelastes etwas ärgerlich, »oder vielmehr, edler Cäsar. Haltet Euern Witz zu Rath – Ihr werdet ihn brauchen können.«

»Seid unbesorgt,« sagte der Cäsar. »Wohlan denn, laßt uns die Gaben, die wir von Natur oder durch die Güte unseres verehrten Freundes besitzen, jetzo versuchen. Ha!« sagte er, als sich die Thüre plötzlich öffnete, und ihm die Gräfin entgegentrat, »man kommt unseren Wünschen zuvor.«

Er verbeugte sich mit der tiefsten Ehrfurcht gegen die Dame Brenhilda, die aus dem Seitengemach heraustrat, wo sie damit beschäftigt gewesen war, ihrem Anzug mehr Glanz zu geben.

»Heil Euch, edle Dame,« sagte der Cäsar, »die ich zu besuchen gekommen bin, um mich zu entschuldigen, daß ich sie an diesem Orte ein wenig gegen ihren Willen zurückhalte.«

»Nicht ein wenig,« antwortete die Dame, »sondern ihrem Willen geradezu entgegen: denn mein Wille ist, bei meinem Gemahl, dem Grafen von Paris, zu sein und bei seinen Begleitern, die unter seinem Banner das Kreuz genommen haben.«

»So dachtet Ihr, als Ihr Euer Land verließet,« sagte Agelastes; »aber, schöne Gräfin, haben sich Eure Gedanken nicht geändert? Ihr habt ein Land verlassen, das bei dem geringsten Anlaß mit Menschenblut überströmt wird, und seid in ein anderes gekommen, das die Vermehrung der menschlichen Glückseligkeit als den höchsten Grundsatz erkennt. Im Abendlande wird Mann und Weib am höchsten geachtet, wenn sie die meiste Stärke besitzen, um Andere unglücklich zu machen; wir aber reichen den Kranz dem geistreichen Jüngling und der lieblichen Jungfrau, welche Diejenigen glücklich zu machen verstehen, die Neigung zu ihnen tragen.«

»Aber, ehrwürdiger Philosoph,« sagte die Gräfin, »der du dir so viel Mühe gibst, das Joch der Lust zu empfehlen, wisse, daß du allen Begriffen, die mir von meiner Kindheit an gegeben worden sind, widersprichst. In meinem Geburtsland sind wir so weit von Euren Ansichten entfernt, daß wir uns nur wie Löwe und Löwin paaren, d. h. wenn der Mann das Weib gezwungen hat, die Ueberlegenheit seiner Kraft und Stärke anzuerkennen. Bei dieser Sitte würde selbst ein Mädchen von geringem Stande es für eine Schmach halten, wenn man sie an einen Liebhaber verheirathen wollte, dessen Waffenruhm nicht bekannt wäre.«

»Aber, edle Dame,« sagte der Cäsar, »ein sterbender Mann dürfte dann einige schwache Hoffnungen schöpfen; wäre nur eine Wahrscheinlichkeit da, daß Waffenruhm diese Neigung, die besser genommen als gewonnen werden mag, erreichen könne, wie Viele würden bei der Mitbewerbung um einen so schönen Preis auftreten? Welches Abenteuer wäre um einen solchen Gewinn zu kühn? Und wo wäre Der, der es nicht fühlte, daß sein einmal gezogenes Schwert nicht mehr in die Scheide gesteckt werden dürfte ohne das stolze Bewußtsein – was ich nicht gewonnen habe, habe ich doch verdient!«

»Ihr seht, meine Dame,« sagte Agelastes, der den Eindruck, welchen diese Rede des Cäsars gemacht hatte, mit einer passenden Bemerkung begleiten wollte, – »Ihr seht, daß das Feuer des Ritterthums so hell in dem Herzen der Griechen brennt, wie in dem der abendländischen Völker.«

»Ja,« antwortete Brenhilda, »und ich habe von der berühmten Belagerung von Troja gehört, wo eine feige Memme das Weib eines wackeren Mannes entführte, jeden Zweikampf mit dem gekränkten Ehemann mied, den Tod seiner zahlreichen Brüder und die Zerstörung seiner Geburtsstadt und aller ihrer Reichthümer verursachte, und selbst den Tod eines elenden Feiglings starb, nur von seiner nichtswürdigen Buhlerin beklagt – das zeigt, wie sich Eure Vorfahren auf's Ritterthum verstanden haben.«

»Ihr irrt Euch, edle Dame,« sagte der Cäsar; »Paris war ein wollüstiger Asiate; der Muth der Griechen war es, der sein Verbrechen roch.«

»Ihr seid gelehrt, Herr,« sagte die Dame; »aber ich werde Euren Worten nicht eher glauben, bis Ihr mir einen griechischen Ritter zeigt, der ohne Zittern den Helmschmuck meines Gemahls betrachten kann.«

»Fürwahr, das wäre nicht schwer,« erwiderte der Cäsar; »wenn man mir nicht geschmeichelt hat, so kann ich besseren Männern im Kampfe stehen als dem, der so unbegreiflicher Weise der Dame Brenhilda vermählt worden ist.«

»Das wird sich bald zeigen,« antwortete die Gräfin. »Ihr könnt wohl nicht läugnen, daß mein Gemahl, durch irgend einen elenden Kunstgriff von mir getrennt, sobald es Euch beliebt, zum Vorschein kommen kann. Er soll keine weitere Rüstung haben als seinen Anzug, keine Waffe außer seinem guten Schwert Tranchefer; gebt ihm dies Gemach oder einen andern eben so beschränkten Raum zum Kampfplatz, und wenn er zurückweicht, oder sich für überwunden bekennt, oder todt auf dem Platz bleibt, so laßt Brenhilda dem Sieger als Preis zufallen. – Der Himmel verzeihe mir,« fügte sie hinzu, als sie sich auf ihren Sitz niederließ, »das Verbrechen, daß ich an einen solchen Ausgang nur denken konnte, der seine Gerechtigkeit in Zweifel stellen würde.«

»Vergönne mir indeß,« sagte der Cäsar, »diese köstlichen Worte aufzufangen, ehe sie zu Boden fallen. – Laß mich hoffen, daß Derjenige, welchem der Himmel Kraft und Stärke verleiht, diesem hochgepriesenen Grafen von Paris obzusiegen, ihm in der Liebe Brenhilda's folgt, und glaube mir, die Sonne wird nicht so schnell am Himmelsgewölbe dahinziehen, als ich eilen werde, diesem Kampf zu begegnen.«

»Nun, beim Himmel!« flüsterte Graf Robert bewegt Hereward zu, »es ist zu viel, daß ich es ruhig anhören soll, wie ein verächtlicher Grieche, der schon bei dem Rasseln, wenn Tranchefer aus der Scheide fährt, Reißaus nimmt, mich in meiner Abwesenheit verachtet, und meiner Dame den Hof zu machen sucht! Und auch Brenhilda läßt diesem schnatternden Gecken mehr Freiheit als gewöhnlich. Bei dem Kreuz! ich will hinein, ihnen gegenübertreten, und diesen Windbeutel so zurechtsetzen, daß er daran denken soll.«

»Erlaubt,« sagte der Waräger, »Ihr sollt Euch in Geduld fassen, so lange ich bei Euch bin. Wenn wir von einander sein werden, dann mag Euch der Ritterteufel, der Euch besitzt, auf die Schultern nehmen, und mit Euch hinrennen, wohin es ihm beliebt.«

»Du bist ein Vieh,« sagte der Graf, indem er ihn mit einer Verachtung ansah, die ganz zu diesem Ausdruck paßte; »nicht allein ohne Menschengefühl, sondern selbst ohne den natürlichen Sinn für Ehre und Schande. Das verächtlichste Geschöpf bleibt nicht ruhig, wenn sein Weibchen angefallen wird. Der Bulle zeigt seinem Gegner die Hörner, der Hund gebraucht sein Gebiß, und selbst der scheue Hirsch wird wüthend und stößt.«

»Gerade weil's Vieh ist,« sagte der Waräger, »und weil ihre Weibchen auch weder Scham noch Vernunft haben, und keine Wahl treffen können. Aber Ihr, Graf, seht Ihr nicht deutlich, daß diese arme, von aller Welt verlassene Dame entschlossen ist, Euch ihre Treue zu bewahren, und den Schlingen zu entgehen, die ihr schlechte Menschen gelegt haben? Bei den Seelen meiner Väter! mein Herz ist so gerührt von ihrem Verstand, der mit so viel ächter Reinheit und Treue verbunden ist, daß ich, wenn's an einem besseren Kämpen fehlte, mit Freuden bereit wäre, meine Streitaxt für sie zu erheben!«

»Ich danke dir, guter Freund,« sagte der Graf; »ich danke dir so herzlich, als wenn du wirklich meiner Brenhilda, die so mancher edle Ritter schätzt, und so mancher mächtige Vasall als seine Herrin erkennt, diesen Dienst erzeigen könntest; und was mehr ist als mein Dank, ich bitte dir das Unrecht ab, das ich dir eben erzeigt habe.«

»Ihr habt mir nichts abzubitten,« sagte der Waräger; »ich nehme nichts für Beleidigung, was nicht ernstlich gemeint war. Doch still, sie sprechen wieder.«

»Sollte ich mich verhört haben?« sagte der Cäsar, indem er durch das Gemach schritt; »aber es kommt mir vor, Agelastes, daß ich hier in der Nähe Stimmen gehört habe.«

»Unmöglich,« sagte Agelastes; »doch ich will gehen und zuschauen.«

Als er den Pavillon verließ, nöthigte der Waräger den Franken, sich mit ihm unter einem Gebüsch von Immergrün zu verkriechen, wo sie Beide gänzlich verborgen blieben. Der Philosoph machte die Runde mit schweren Füßen, aber scharfen Augen, und die zwei Horcher durften weder sprechen noch sich regen, bis er nach einer erfolglosen Nachsuchung in den Pavillon zurückkehrte.

»Bei meiner Treu! wackerer Freund,« sagte der Graf, »ehe wir nach unserem Guckloch zurückkehren, muß ich dir in's Ohr sagen, daß ich in meinem Leben nicht so aufgelegt war, Einem den Schädel einzuschlagen, als eben jetzt diesem alten Heuchler, wenn sich's nur mit meiner Ehre besser vertragen wollte; und darum wünsche ich herzlich, daß du, dem die Ehre hier nicht im Wege sieht, einen ähnlichen Einfall gehabt und ausgeführt haben möchtest.«

»Ich hatte wohl so was im Kopf,« sagte der Waräger; »aber ich verschiebe die Ausführung so lange, bis sie sich mit unserer Sicherheit und hauptsächlich mit der der Gräfin besser verträgt.«

»Ich danke dir nochmals für deine Gutwilligkeit gegen sie,« sagte Graf Robert; »und, beim Himmel! wenn wir endlich fechten müssen, wozu es allen Anschein hat, so will ich dich nicht beneiden, wenn du einen ehrenhaften Gegner beim Kampfe und gutes Quartier findest, wenn der Kampf gegen dich ist.«

»Ich danke dir schön,« versetzte Hereward; »sei nur, um Gotteswillen, jetzt still, und später thue, was du willst.«

Ehe der Waräger und der Graf ihren Schauplatz wieder eingenommen hatten, hatten die Personen im Pavillon ihr Gespräch, das sie unbelauscht glaubten, leise aber lebhaft sprechend wieder begonnen.

»Es ist vergebens, daß ihr mich glauben machen wollt,« sagte die Gräfin, »daß Ihr den Aufenthalt meines Gemahls nicht kennt, und daß Ihr bei seiner Gefangenschaft ganz unbetheiligt seid. Wer anders konnte von seinem Verschwinden und seinem Tode einen Vortheil erwarten, wenn nicht Der, welcher angeblich sein Weib bewundert?«

»Ihr thut mir Unrecht, schöne Dame,« antwortete der Cäsar, »und vergeßt, daß ich keineswegs die Hauptperson dieses Reiches bin, daß Alexius, mein Schwiegervater, Kaiser ist, und daß das Weib, welches sich meine Frau nennt, bei dem geringsten Schritt, den ich thue, eifersüchtiger als der Teufel ist. – Wie wäre es möglich, daß ich an Eures Mannes Gefangenschaft oder an der Eurigen schuld sein könne? Es war zu erwarten, daß der Kaiser die öffentliche Beleidigung, die ihm der Graf von Paris zugefügt hatte, entweder heimlich durch List oder offen durch Gewalt rächen würde. Das Alles ginge mich gar nichts an, wäre ich nicht der unterthänige Vasall deiner Reize; und so geschah es durch die Weisheit und die Kunst des gelehrten Agelastes, daß es mir möglich ward, dich aus dem Rachen des Verderbens zu reißen, in welchem du sonst umgekommen wärest. Nun, weinet nicht, Dame; wir kennen ja noch nicht das Schicksal des Grafen Robert; aber glaubt mir, es wäre klug, einen anderen Beschützer zu wählen, und ihn aufzugeben.«

»Einen besseren als ihn,« sagte Brenhilda, »werde ich nie finden, und ständen alle Ritter der Welt mir zur Wahl bereit.«

»Diese Hand,« sagte der Cäsar, indem er sich ein martialisches Ansehen gab, »sollte diese Frage entscheiden, wäre der Mann, den du so hoch stellst, noch auf Erden oder in Freiheit.«

»Du bist,« sagte Brenhilda, indem sie ihn mit einem Gesicht anblickte, worin der heftigste Unwille aus allen Zügen sprach, »du bist ein – doch was nützt es, dich bei deinem wahren Namen zu nennen! glaube mir, die Welt soll eines Tages von diesem Namen erfüllt werden, und ihn nach Werth schätzen. Höre jetzt, was ich dir sage, – Robert von Paris ist dahin – oder gefangen, ich weiß nicht wo. Er kann den Wettkampf, auf den du so begierig bist, nicht ausmachen – aber hier steht Brenhilda, geborne Erbin von Aspramonte, das durch Heirath dem guten Grafen von Paris vermählte Weib. Nie wurde sie von einem Manne in den Schranken besiegt, ausgenommen von dem tapferen Grafen, und da es dir so leid thut, daß du mit meinem Gemahl nicht kämpfen kannst, so wirst du gewiß nichts einzuwenden haben, wenn sie statt seiner mit dir kämpfen will?«

»Wie, meine Dame?« sagte der Cäsar erstaunt; »habt Ihr vor, Euch im Kampfe gegen mich zu stellen?«

»Gegen Euch!« sagte die Gräfin; »gegen das ganze griechische Reich, wenn es behauptet, daß Graf Robert rechtlich und gesetzlich gefangen gehalten wird.«

»Und sind die Bedingungen dieselben,« sagte der Cäsar, »als wenn Graf Robert den Kampfplatz hielte? Der Besiegte hängt dann von dem Willen des Siegers ab zu Gutem und Bösem.«

»So scheint es,« sagte die Gräfin, »und ich unterwerfe mich dem Ausgang; nur soll, wenn mein Gegner in's Gras beißt, der edle Graf Robert freigegeben, und ihm gestattet werden, mit allen Ehren abzuziehen.«

»Dagegen habe ich nichts,« sagte der Cäsar, »vorausgesetzt, daß es in meiner Macht steht.«

Ein tiefes, dumpfes Getön, wie von einer heutigen Pauke, unterbrach hier das Gespräch.



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