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Drittes Kapitel.

Von Außen Trümmer, wucherndes Gestrüpp,
Von Innen war's ein kleines Paradies,
Ein Wohnsitz des Geschmack's, Bildhauerei,
Der Menschenkünste erste, schmückte es,
Aufmerksamkeit und Ehrfurcht fordernd.

Anonymus.

Der Graf von Paris und seine Gemahlin begleiteten den Greis, dessen Fertigkeit in der französischen Sprache, besonders im Vortrag dichterischer Erzählungen (der damaligen Geschichte und Belletristik), ihre laute Bewunderung erregte. Agelastes war bescheiden genug, diesen Beifall nicht als Schuldigkeit zu betrachten, welcher von Seiten des Grafen und der Gräfin nur selten so gespendet ward.

Eine Zeitlang waren sie auf einem Pfade fortgewandelt, der zuweilen in den zum Rand der Propontis sich herabziehenden Gehölzen zu verschwinden schien, zuweilen wieder aus der Verborgenheit hervortrat und an der Meerenge hinlief. Bei jeder Wendung bot dieser Pfad einen neuen, reizenden Anblick dar. Am Strand sah man Mädchen tanzen und Schäfer auf Flöten dazu spielen, oder Handpauken dazu schlagen, wie in Gruppen alterthümlicher Bildhauerei zu sehen ist. Die Gesichter dieser Menschen hatten etwas Antikes. Die Aeltlichen erinnerten mit ihren langen Gewändern, ihren herrlichen Köpfen und ihrer würdevollen Haltung an Priester und Heilige, während die Züge der Jüngeren den Helden des Alterthums entlehnt zu sein schienen, und den lieblichen Frauen, welche sie zu Thaten begeisterten.

Aber der Griechenstamm war in diesem Land nicht unvermischt und rein zu sehen. Die Wanderer erblickten bald Gestalten, die eine ganz andere Herkunft verriethen. An einer Stelle des Ufers, über welche der Pfad hinzog, bildeten Felsen einen Halbkreis um eine sandige Fläche. In dieser Rundung tummelte sich ein Trupp heidnischer Scythen – Abbilder der bösen Geister, welche sie, wie es hieß, anbeteten. Ihre mehr breiten als langen Gesichter hatten weit seitwärts sitzende Schweinsaugen und aufgestülpte Nasen, durch welche man in ihr Gehirn hineinsehen zu können glaubte. An ihren kurzen, zwerghaften Leibern saßen unverhältnißmäßig lange und starke Arme und Beine. Als die Wanderer vorübergingen, hielten die Wilden eine Art Turnier, wie Robert es nannte, d. h. sie schleuderten gegen einander lange Rohre mit solcher Kraft, daß Mancher vom Pferd geworfen oder sonst verletzt wurde. Einige von ihnen, welche in dem Augenblick ruhten, hefteten lüsterne Blicke auf die schöne Gräfin. Brenhilda sagte zu ihrem Gemahl: »Ich kenne keine Furcht; aber wenn Ekel Furcht erwecken könnte, so wären diese Bestien im Stand, mich zu erschrecken.«

»Heda, Herr Ritter!« rief einer der Ungläubigen, »Euer Weib oder Eure Geliebte hat die Vorrechte der kaiserlichen Scythen verletzt und eine schwere Strafe verwirkt. Ihr selber mögt so schnell, wie Ihr wollt, fürbaß gehen aus unserem Hippodrom oder Atmeidan (je nachdem Ihr ihn mit einem griechischen oder saracenischen Namen belegen wollt); aber Euer Weib, wofern ihr ein Ehepaar seid, kommt nicht so leicht davon.«

»Schuft von einem Heiden!« rief der christliche Ritter, »führst du eine solche Sprache gegen einen Pair von Frankreich?«

Agelastes schlug sich in's Mittel, und erinnerte die scythischen Söldner in der hochtönenden Sprache eines griechischen Hofmannes, daß jede Gewaltthätigkeit gegen die abendländischen Pilger vom Kaiser bei Todesstrafe verboten wäre.

»Ich weiß das besser,« erwiderte der Wilde trotzig, zwei mit Adlerfedern beschwingte Wurfspieße erhebend. »Fragt das Gefieder meiner Pfeile, in wessen Herzblut es gefärbt ist. Es wird Euch sagen, daß Alexius Comnenus nur in so lange der Freund der abendländischen Pilger ist, als er sie sieht. Und wir sind zu musterhafte Söldner, um unserem Kaiser anders zu dienen, als er bedient sein will.«

»Still, Texartis!« entgegnete der Philosoph. »Du lügst auf deinen Kaiser.«

»Schweig' du still!« rief Texartis, »oder ich thue, was einem Kriegsmann nicht ziemt, und schaffe einen alten Schwätzer aus der Welt.«

Mit diesen Worten ergriff er den Schleier der Gräfin. Rasch, wie die kriegerische Frau es gewohnt war, entwand sie sich der Hand des Heiden und versetzte ihm mit ihrem scharfen Schwert einen Hieb, daß er leblos zu Boden sank. Unter seinem gewöhnlichen Feldgeschrei: »Rette, Sohn Karls des Großen!« sprang Robert auf des gefallenen Führers Roß, ergriff eine am Sattelbogen hängende Streitaxt, sprengte in den Heidenhaufen ein, und theilte solche Hiebe aus, daß ein Theil zu Boden stürzte, und die Andern entflohen, ohne an Verwirklichung ihrer Prahlerei zu denken.

»Die elenden Kerle!« sagte die Gräfin zu Agelastes. »Es widert mich an, daß ein Tropfen vom Blut solcher Feiglinge eines edlen Ritters Hand befleckt. Sie nennen ihre Uebung ein Turnier, und jeder ihrer Würfe ist rücklings gezielt. Keiner hat den Muth, seinen Strohhalm zu werfen, während er den des Andern gegen sich gerichtet sieht.«

»So machen sie es,« bemerkte Agelastes, »nicht sowohl aus Feigheit, als aus Gewohnheit. Bei ihren Uebungen vor Sr. kaiserlichen Majestät habe ich gesehen, wie Texartis dem Ziel buchstäblich den Rücken zukehrte, während er im vollen Lauf seines Rosses den Bogen spannte, und doch traf er mit einem breiten Pfeil den Mittelpunkt, während er am weitesten vom Ziel entfernt war.«

Graf Robert kehrte von der Verfolgung der Feinde zurück und sagte: »Ich denke, solche Söldner können nicht furchtbar sein für Angreifer, welche auch nur eine Unze wahren Muth haben.«

»Laßt uns nun nach unserem Kiosk gehen,« sagte Agelastes, »bevor die Fliehenden Freunde finden, welche sie zur Rache ermuthigen.«

»Mich dünkt,« erwiderte der Graf, »solche Freunde sollten sich für freche Heiden in keinem Lande finden, welches sich ein christliches nennt. Wofern ich die Eroberung des heiligen Grabes überlebe, soll es mein erstes Geschäft sein, zu fragen, mit welchem Recht Euer Kaiser in seinem Dienst eine Bande Heiden und unmanierliche Kehlabschneider hält, welche sich Gewaltthat erlauben auf offener Landstraße, wo der Friede Gottes und des Königs für Frauen und Pilger herrschen soll. Das ist eine der vielen Fragen, die ich nach Erfüllung meines Gelübdes ihm zu stellen nicht verfehlen werde, und auf welche ich eine schnelle und, wie sie es nennen, kategorische Antwort erwarte.«

»Von mir sollst du aber keine Antwort bekommen,« dachte Agelastes. Und laut sagte er: »Eure Fragen, Herr Ritter, sind gar zu peremptorisch, als daß eine Antwort erfolgen sollte, wofern sich dieselbe umgehen läßt.« Er gab dem Gespräch eine andere Wendung. Nach wenigen Augenblicken hatte er eine Stelle erreicht, deren Naturschönheiten die Fremden zur Bewunderung hinrissen. Ein aus dem Wald hervorströmender, wasserreicher Bach stürzte brausend in's Meer über einen kahlen, senkrechten Felsenabhang. Zu beiden Seiten des Wasserfalls war das Ufer mit Plateau's, Nußbäumen, Cypressen und andern großen, morgenländischen Bäumen besetzt. In heißen Ländern ist ein Wasserfall eine große Annehmlichkeit, und wird meist durch künstliche Mittel hervorgebracht. Hier war er das Werk der Natur. Wie zu Tivoli der Sybille, so war hier einer unbekannten Göttin vom Alterthum ein Tempel errichtet. Das Heiligthum war klein, kreisförmig, wie viele Tempelchen der ländlichen Gottheiten, und von der Mauer eines Vorhofs umschlossen. Nach seiner Entweihung ward es von Agelastes oder irgend einem epicureischen Philosophen in ein Sommerhaus verwandelt. Der leichte, luftige, phantastische Bau war halb verdeckt von den Bäumen zu den Seiten des Felsen, und durch den Nebel des Wasserfalls ließ sich der zu seinem Eingang führende Pfad beim ersten Anblick nicht erkennen. Dieser Pfad, großentheils durch Gewächse verborgen, führte sanft ansteigend zu einigen breiten Marmorstufen, und über diese zu einem lieblichen, grünen Plätzchen vor dem Gebäude, dessen Hinterseite über dem Wasserfall stand.



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