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Johann Friedrich Flattich, Pfarrer in Asperg, Diener Gottes im Schwabenland, dein Leben ist eine Legende, obwohl du kein Heiliger gewesen bist, wie sie in Büchern stehen, die auf Goldgrund gemalt sind!

Die Geschichte deines Lebens steht im Herzen deiner Landsleute! Einmal hat jeder von dir gehört, und wenn der oder jener kein schlechter Mensch geworden ist, verdankt er's vielleicht der Erinnerung an dein Wesen und Leben, das ihm an die Seele gerührt hat in Kindestagen, als ihm die Mutter eine Geschichte erzählt hat vom guten alten Flattich!

Ist es nicht ein absonderlicher, grillenhafter Name, guter Mann, den dir deine fern im Osten geborenen Ahnen auf den zarten Buckel geschrieben haben in der Taufstunde, als dir das heilig-nüchterne Wasser auf dein kleines Haupt niederträufelte? Ein Name, so geisterhaft, nachtflügelig und fledermäusig! Daß du dennoch kein flatterhafter Geist geworden bist, verdankst du nächst Gott und deinen Eltern ein wenig dem Apostel Johannes, nach dem du einen deiner beiden Vornamen hast. Und ein Johannes der Liebe warst du in der Tat dein ganzes Leben lang! Weil du aber auch einen profanen Namen brauchtest, als du noch so der Liebe bedürftig warst und noch keine geben konntest, nannten sie dich außerdem Friedrich; und deine Mutter tat sich leichter, dich auf diesen Namen zu rufen, zu hätscheln und zu liebkosen.

Von deiner Kindheit wissen wir wenig, sie lag für dich selber im Dunkel, wie für uns alle die unsrige. Als du sehend wurdest, prangte um dich her ein Frucht- und Gartenland, ein Land der wohltätigen Sonne, wiewohl damals noch nicht so reich und fruchtbar wie später, doch zum Paradiese geschaffen wie kein anderes, wenn die Menschen wollten ein wenig unschuldiger und paradiesischer sein! Deine Heimat ist das Kernstück des Landes, durch das der Neckar in schimmerndem Bogen läuft, die goldene Mitte des Herzogtums Württemberg.

Auf einem der fruchttragenden Hügel unweit vom Prunkschlosse deiner Fürsten, das damals gebaut wurde, machtest du deine ersten Kraft- und Freudensprünge, und bisweilen reichten sie so weit, daß du den Neckar sehen konntest in seinem Uferweidental, in dem zu deiner Zeit schon die Dichter gewandelt sind, die es Tempe nannten im heiligen Übermut der Begeisterung und Arkadia.

Die schwäbischen Griechen, Ihr kennt sie ja!

Doch nicht zum Dichter warst du geboren, kleiner Johannes, und herzhaft unschwärmerisch war dein junges Wesen, unhold den Dämonen, – wie deine Mutter einmal erfahren mußte, als sie ein Butterfaß hinter den Ofen stellte und hinausgehend aus der Stube dich warnte es anzurühren mit den Worten: »Fritz, hinterm Ofen steht der Butzenmann! Rühre ihn nicht an, sonst beißt er dich!« – du aber, das Wort in seinem eigentlichen Sinn verstehend, riefest: »Wart, wüster Butzenmann, willst du gleich aus dem Haus fortgehen!«, nahmst einen Stecken und schlugst mit aller Kraft in den Ofenwinkel, bis der ganze Boden mit Rahm bedeckt, der Dämon vertrieben war und deine Mutter ihre Belehrung hatte!

Lateinschüler in Ludwigsburg, liefest du jeden Tag deine zwei Stunden Wegs von deinem Dorf in die Stadt und wieder zurück und versüßtest dir die lange Zeit des Gehens mit einem pfiffigen Spiel. Du liebtest den Gesang der Vögel, und wenn du in der Stadt eine kleine Meise flöten hörtest, ahmtest du ihren Pfiff nach, locktest sie, daß sie dir nachflog, und hattest keine Ruhe, bis du sie in Beyhingen in deinem Schlage hattest!

Nicht Übung allein war es, daß du die kleinen Vögel so gut zu locken verstandest, sondern die Zartheit deiner Seele, das liebevolle Werben deines Herzens hat sie betört und verzaubert, und mit deinem Liebesgesang hast du später die Seelen der Menschen gelockt!

Hättest du die Liebe nicht gehabt, so wärest du nur so ein Rattenfänger geworden oder ein windiger Querpfeifer!

Mit einem Wasserwecken in der Tasche, den dir die Mutter auf den Weg gab, warst du zufrieden, und früh hast du die Armut kennengelernt, als dein Vater gestorben war.

Nachdem sich seine Augen geschlossen und seine Hände zum letzten steifen Gebet verschränkt hatten auf der Totenbahre, taten sich dir schon die Arme eines anderen liebevollen Vaters auf, der im Kloster zu Denkendorf so viele Söhne zu betreuen hatte, des weiland Präzeptor Johann Albrecht Bengels Vaterarme!

Einmal hast du, sein gelehriger Schüler, die Muse angerufen in deinem Leben, und es war ein Dankgedicht an den Lehrer, der des einzigen Heils Hoffnung in dir erweckt hat.

Im ununterbrochenen Umgang mit Gott stand dieser Mann, eine Seele, die in der Gnade der Taufe geblieben war wie du selber! Du hast gleich ihm in deiner Jugend lautere, reine, zärtliche göttliche Rührungen gehabt. Dazwischen bekamst du von der göttlichen Leutseligkeit die innigsten Friedensblicke zu spüren. Ja, deine Jugend war ein Meer des Erbarmens und der Gnade, daß hundert alte Adams hätten darin ersäuft werden können!

Wer nun meint, daß du deshalb ein frühweiser Duckmäuser und geistlicher Grillenfänger gewesen wärest, der verkennt dich. Der Tropfen der Heiterkeit floß reichlich aus dem Gefäß deiner Jugend, und es hat Stunden gegeben, wo du dir manchmal überlegtest, ob du deine launigen Weisheiten nicht besser im Gewande des Spaßvogels auf den Märkten heruntersingen solltest!

So schwankt oft der junge Mensch hin und her in den Jahren der Gärung, wenn noch kein Ruf an ihn ergangen ist.

Im höheren Kloster in Maulbronn bekamst du mit einemmal Lust, deinen jüngeren Genossen zu helfen und sie zu unterweisen, damit sie sich leichter tun sollten im Lernen, als du dir getan hattest; – und weil du ihnen halfst, erschlossen sie dir ihr Herz, und du hast manches mit ihnen getragen, was der Jugend aufgebürdet ist.

Im hohen Stift zu Tübingen war deine Stube immer voll von jungen Studenten, die sich von dir unterweisen ließen, und nun erst zeigtest du deine ganze Kunst, sie zu führen und ihnen die trockene Studienspeise schmackhaft zu machen.

Dann hast du einige Jahre vikariert im schwäbischen Land, im Winter in kalten Kammern gefroren, und als du nach sieben Jahren als Pfarrer nach Asperg kamest, fandest du einen traurigen Ort, wo die Armut mit saugenden Polypenarmen nach dir griff und dir täglich ein schwereres Gewicht auf den Hals bürdete. Wärest du nicht gewappnet gewesen mit Geduld und Liebe, du hättest verzagen müssen!

Aber nun laß uns einen herzhaften Sprung tun in die Zeit deiner reifen Jahre!


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