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Burg Hohenzollern

Zwei Gebirgskegel treten aus der langen Reihe der schwäbischen Albhöhen weithin sichtbar hervor: am östlichen Ende der dem Freunde dieses Werkes schon vorübergeführte Hohenstaufen, auf dessen kahlem Gipfel, nur dem geistigen Auge sichtbar, aber für dieses unzerstörlich, die Burg eines längst verschwundenen Geschlechts unsterblicher Herrscher thront; gegen das Westende desselben Gebirges Hohenzollern, die mit Trümmern gekrönte Bergwiege eines blühenden Königsstammes. Dieses letztere, einst sehr feste Bergschloß liegt eine halbe Stunde von Hechingen, der kleinen Residenz des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen, auf einem freistehenden kegelförmigen Berge, der gegen 800 Fuß hoch ist. Den Gipfel bildet ein Kalkfelsen, dessen Seiten überall senkrecht abgeschnitten sind. Zu dieser Spitze, welche das Schloß trägt, führt nur ein einziger, mit Brücken verbundener Zugang, und die Feste war noch überdies absatzweise durch neun stark mit Eisen beschlagene Tore verwahrt. Das Schloß selbst bildet ein längliches Viereck und besteht aus einem Hauptgebäude und zwei Flügeln, an dem die südöstliche Seite, deren Flügel längst eingestürzt ist, mit Ausnahme der Kirche, offen steht. Rechts hat der Eintretende hier das Zeughaus, in welchem einiges Geschütz und eine sehenswerte Waffensammlung des Mittelalters aufbewahrt wird, eiserne Panzer, Helme, Morgensterne, Spieße und was sonst von Waffen der veränderte Kriegsgebrauch längst unnütz gemacht hat. Darunter zeichnen sich einige schön von Stahl gearbeitete und mit Zieraten versehene Rüstungen der Grafen von Hohenzollern besonders aus. Das Ganze ist in einem alten Saale aufbewahrt. Neben diesem Zeughause sind zwei Mühlen übereinander, von eigentümlichem Mechanismus, wovon die untere durch Pferde, die obere durch Menschen in Bewegung gesetzt wurde. Jenem Hause gegenüber steht links, unansehnlich, doch nicht ungeräumig, die Burgkapelle, das älteste Gebäude des Schlosses; denn ihre Erbauung fällt gewiß schon ins eilfte Jahrhundert. Die Festung hatte keinen Brunnen mit lebendigem Wasser; eine große gemauerte Zisterne, welche die abgeleitete Traufe der Dächer auffing, vertrat für die Bewohner seine Stelle. Den übrigen Teil des Schlosses nehmen hohe und geräumige Zimmer und Säle ein, die jedoch nichts Bedeutendes darbieten. Im Hofe des Schlosses stehen ein paar alte welkende Bäume. Mühevoll in den Felsen gehauene Gewölbe ziehen sich unter der Oberfläche des Berges hin. Das Ganze der Burg war schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts dem gänzlichen Zerfalle nahe, und das topographische Lexikon Schwabens aus jener Zeit sagt mit Bedauern, daß bald dieses berühmte preußische Stammschloß zu einem Schutthaufen geworden sein werde.

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Burg Hohenzollern mit Hechingen

Seitdem hat sich die hohe Regentenfamilie, welche dieser Burg entsprossen ist, des Hauses ihrer Väter angenommen, nachdem S. K. Hoheit der Kronprinz von Preußen im Sommer 1823 einen Abend auf seinem ahnherrlichen Schlosse verweilt hatte. Die Wohnungen sind erneuert und wieder in baulichen Stand gesetzt, und dem Ganzen ist ein hoher steinerner Turm hinzugefügt worden, der die sonst wenig sich in die Höhe türmenden Ruinen hebt und eine unermeßliche Aussicht über Berge, Täler und Flächen eröffnet. Westen, Norden und Nordosten liegen ganz offen da, der Süden bietet uns die Albkette mit einem Kranze der schönsten Wälder entgegen, und ihre Berge lagern sich in amphitheatralischem Halbrund vor dem gern auf ihnen ausruhenden Auge.

Das Geschlecht der Hohenzollern verliert sich in graue und unkenntliche Ferne; die Sage fabelt bald von einem Grafen Meginhard, der schon im fünften Jahrhundert gelebt und aus geistlichem Drange sich in eine wilde Einöde der Schweiz zurückgezogen habe, bald von einem italienischen Grafen Ferfried aus der berühmten römischen Familie der Colonna, der in den Parteiungen jener Zeit Italien verlassen habe und vom Kaiser um 1040 mit dieser Burg und einigen Reichs zöllen belehnt worden sei. Andere leiten den Ursprung des Hauses von den Guelfen ab und halten einen Abkömmling des fränkischen Königs Pharamund, Ethiko I., genannt Adelreich, der zu Anfang des 8ten Jahrhunderts Herzog in Elsaß und Alemannien war, für den gemeinschaftlichen Stammvater der erlauchten Häuser Habsburg, Lothringen, Baden und Hohenzollern. Sein jüngerer Sohn, Ethiko II., genannt Haching, soll die Stadt Hechingen gebaut haben; des ältern Sohnes, Adelberts, Urenkel war Thassilo, der erste, den die Geschichte mit Gewißheit als Grafen von Zollern bezeichnet und der um das J. 800 nach Chr. lebte. Die Burg Hohenzollern – Castrum in colle –, vermutet man, stand damals schon; Thassilo kam mit ihrem Erwerbe zugleich zu seinem Namen. Sein Sohn Thanko, ein tapferer Mann, der zu seiner Zeit im Kleinen hieß, was seine Nachkommen im Großen wurden, »ein Schiedsrichter über Krieg und Frieden«, pflanzte den Zollernschen Stamm fort. Das Geschlecht lief nun schon in mächtige Seitenlinien aus; das Stammschloß der Ahnen soll Thankos Ururenkel, Friedrich I. von Zollern, um 980 erneuert und erweitert haben. »Von diesem Friedle«, sagt Münster in seiner Kosmographie, »meldt man nit vielle, ob er zu zit ist gewesst ain Kriegs-, Hof- oder Husmann; alle achten ihn hiefür, daß er das Schloß Zollern geneuert und gebessert hab.« Sein Enkel Friedrich III., um 1111 Kaiser Heinrichs V. oberster und geheimer Rat, war ein allgemein beliebter Mann seiner Zeit; Rudolf II. von Zollern, sein ältester Sohn, entschied, als ein mutiger Anhänger der Welfen, die blutige Schlacht auf dem Wohred (Wöhrd) bei Tübingen (6. Septbr. 1164). Von dieser Zeit an teilte sich der Zollernsche Stamm in zwei Äste, wovon der eine in Franken das Haus der Burggrafen von Nürnberg gründete, der andere durch Rudolfs älteren Sohn Friedrich IV. die väterlichen Erbgüter in Schwaben erhielt. Die Geschichte erzählt jetzt mehr von dem fränkischen Aste, den Burggrafen. Ein solcher war im Gefolge des Königs Rudolf des Habsburgers unter den Belagerern Stuttgarts im J. 1286, während sein Vetter Friedrich Graf von Zollern die Stadt den verbündeten Grafen mutig verteidigen half. Zu Anfang des 14ten Jahrhunderts sitzt auf Zollern Eitel Fritz III., der Eberhards des Erlauchten von Württemberg Tochter Margaretha zur Ehe hatte. Ihr Erstgeborener, Friedrich V., genannt Ostertag von Zollern, war ein menschenfreundlicher, jovialer Mann, der sich der Jagd und seines häuslichen Glückes freute; ein guter Reichssoldat dagegen war sein Sohn Friedrich der Schwarze (VI.), bis er, vom Glücke verlassen, in der Schlacht von Sempach fiel. Ein tragisches Schicksal hatte Friedrich VII. von Zollern, der Öttinger genannt (†1426), der auch die Burg Hohenzollern an Baden verpfändete. Er war ein Rat Graf Eberhards IV. von Württemberg gewesen. Seiner Witwe, der herrschsüchtigen Gräfin Henriette, kündete er jedoch mit unhöflichen Worten den Dienst auf. Mit ihrer Feindschaft bedroht, ließ er das Wort fallen: »Kann mich auch ein giftiges Weibsbild verschlingen?« Darauf schrieb ihm die Gräfin – die Romanze mag es erzählen »Der Graf von Zollern«; Schwabs »Schwäb. Alb«, S. 43ff. –:

»Verschlingen alleweg will ich
Dein Gut, dein Schloß, dein Leben, dich!
Kein feiges Weib, wie du geglaubt,
Es traf dein Spott ein Fürstenhaupt.«

Nicht lange, so geriet der Graf mit den Reichsstädten in Fehde und hielt mutig ihre Belagerung auf seiner Burg Hohenzollern aus:

Er zieht die Flügelbrück' empor,
Verriegelt wohl sein neunfach Tor;
Die Knechte führt er auf den Wall,
Sein Schuß bringt unten viel zu Fall.

Fröhlich zechte der Belagerte auf seiner Feste ein ganzes Jahr lang.

Da naht es schwarz, wie neues Heer,
Zweitausend sind es oder mehr.
Der Knappe spricht: »Gnad uns, o Christ!
Die Württemberger Fahn' es ist!«

Der kühne Graf kämpft noch ein Jahr,
Bis Scheune leer und Keller war.
Er beißt die Lippen sich vor Wut:
»Verschlungen hat sie doch mein Gut

Die Tore schließt er langsam auf.
Es zieht herein der Feinde Hauf;
Die Ulmer brechen Stein um Stein,
Die Württemberger lachen drein.

Nach Stuttgart führt man ihn zu Roß:
»Verschlungen habt Ihr, Frau, mein Schloß.
Ihr ließet mir kein Lösepfand;
Mein Leben steht in Eurer Hand.«

Aber die Gräfin ließ ihn in einen finstern Turm werfen.

Zehn Jahre wohnt der Graf in Graus,
Sein Haar wird grau, sein Blick löscht aus.
Da sinkt er traurig in das Knie:
»Verschlungen hat mein Leben sie!«

Endlich stirbt seine Feindin; der Befreite ermannt sich; Gott zu danken will er ins Gelobte Land ziehen.

» Mich hat sie mir gelassen, mich
Er schwingt, wie sonst, zu Rosse sich,
Er fliegt durch die besonnte Flur
Und denkt an Gottes Fehde nur.

Er springt vom Roß, er steigt ins Schiff,
Er schwimmt vorbei am Felsenriff,
Er ist der erste auf dem Strand,
Er fasset das Gelobte Land. –

Da spürt sein Odem erst die Gruft
Und seine Brust die Kerkerluft;
Die Kraft, im Innersten versehrt,
Ihr Letztes hat sie aufgezehrt.

Dem Knappen sinkt er in den Arm,
Der Morgenwind umhaucht ihn warm;
Sein sterbend Haupt, es neiget sich,
Er seufzt: »Verschlungen hat sie mich

Dies geschah im J. 1426. Seine Witwe geriet in solches Elend, daß sie ihren Feind, das Haus Württemberg, um Almosen anflehen mußte. Eitel Fritz, Öttingers Bruder, verglich sich mit Württemberg, trat einige Dörfer ab und versprach mit allen seinen Nachkommen dieses Hauses Diener zu sein. Jost Niklas, der Sohn des Öttingers, baute die zerstörte Burg, wiewohl unterbrochen durch einen Überfall der Städte, wieder auf (1454). Wie sie damals aus einem von des Vaters Gefangenschaft und Kreuzzug und des Sohnes fehlgeschlagenen Bauversuchen erschöpften Schatze kümmerlich aufgeführt ward, stand sie, nur durch den Grafen Friedrich von Zollern, Bischof von Augsburg, am Ende des vorigen Jahrhunderts mit einigen Gebäuden vermehrt, bis auf diese Tage, wo königliche Freigebigkeit sie erneuet hat.

Der auf der Feste Hohenzollern selbst eine Zeitlang verkümmernde Stamm wurde durch den fränkischen Ast der Burggrafen von Nürnberg verherrlicht. Schon im J. 1411 hatte der zehnte Burggraf, Friedrich VI., die Statthalterschaft der Mark Brandenburg erlangt, das Burggrafentum dafür an Nürnberg veräußert und seinen Sitz nach Berlin verlegt. Im J. 1417 kam die Mark mit der Kurwürde erb- und eigentümlich an ihn, und aus seinen Nachfolgern sind Preußens Könige hervorgegangen.

Indessen blühte auch die Nachkommenschaft von Jost Niklas auf dem neuerbauten Zollern wieder fröhlich auf, durch dessen Sohn Eitel Fritz IV., der einen eigenen Orden zu Erhaltung der christlichen Religion gegen den Türken stiftete. Des letztern Sohn, Eitel Fritz V., wurde als Gespiele Karls V. zu Brüssel erzogen und ward zu Pavia im Jahre 1525 ein Opfer welschen Giftes. Von seinem Enkel, Eitel Fritz VI., ist die Hohenzollern-Hechingensche, seit 1653 gefürstete Linie entsprossen, in deren Besitze noch heutzutage die Burg Hohenzollern ist.

Im Dreißigjährigen Kriege, wo Österreich das Öffnungsrecht erhielt, wurde das Schloß von den Württembergern (1634), im Bayrischen Kriege (1740) von den Franzosen eingenommen. Mit 1798 verzichtete Österreich auf jenes Recht, und seitdem hat die Burg keine militärische Bedeutung mehr.

Wir scheiden nicht von dieser Gegend, ohne einen Blick auf das benachbarte Belsen zu werfen, ein kleines Filialdorf, dessen kleine Kapelle erhöht auf einer Wiese zwischen lauter Bäumen steht, von einem grünen Hag sauber eingezäunt, von großen weißen Quadersteinen überaus einfach, ohne alle architektonische Verzierung und so reinlich aufgebaut, als käme sie heute erst aus den Händen des Meisters. Ich nehme meine früher ausführlich dargelegte Meinung, daß dieses interessante Bauwerk römischen Ursprunges sei, »Schwäb. Alb«, S. 295ff. hier förmlich zurück und kann sie jetzt nur für einen der ältesten Christentempel des Landes halten, dem die Erbauer einige Steine eines alten, der 22sten Legion angehörigen römisch-ägyptischen Götzenaltars oder Tempels, Kuhköpfe, Widderköpfe und Zwerge in rohem Basrelief darstellend, als Trophäen in das Frontispiz eingemauert und das Siegerzeichen des Kreuzes darüber gesetzt haben. In den Mund des Volkes ist die Meinung der gelehrten Etymologen des sechzehnten Jahrhunderts übergegangen, die aus der Kirche von Belsen einen Baalstempel gemacht haben.

In der Darstellung des Hohenzollerns auf unserm Bilde, die dessen Vorderseite vom besten Standpunkt aus aufgenommen wiedergibt, hat sich der Künstler in Beziehung auf den Vordergrund eine kleine Freiheit erlaubt und eine benachbarte, jedoch nicht ganz auf dieser Stelle zu suchende Kapelle, deren malerisches Bildchen gar zu einladend war, aus einiger Ferne herbeigezogen.


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