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Kloster Maulbronn

Für dieses und die folgenden Bilder bis Neckarsteinach ist von uns besonders auch C. Jägers »Reisehandbuch« benutzt worden.

Von der Stadt Marbach aus einige Meilen nach Westen gewendet, gelangen wir durch Wälder, Wiesen, Kornfelder und Fruchtbaumgärten in die Gegend, welche nach der uralten Einteilung Schwabens in Gauen den Hauptteil des Kreisgaues bildete und das Schmiechgau, Enzgau und Salzgau, sämtlich nach den Namen kleiner Flüsse benannt, umfaßte. Unter diesen hatte das Salzgau seinen Namen von dem kleinen Wasser Salzach oder Salzbach, dessen Ursprung bei Maulbronn zu suchen ist, ein Bach, der mit mehreren andern die Ehre teilt, unmittelbar in den Rhein auszumünden, den er bei der bekannten Feste Philippsburg erreicht.

Wo seine Quelle aus dem Boden schlüpft, war vor der Gründung des Klosters eine wilde Einöde, deren Wälder sich erst spät vor der Axt kultivierter Bewohner aus dem Tale zurückgezogen haben und jetzt nur noch die Höhenzüge mit ihrer dichten Laubung bedecken. Zu den Zeiten, wo das Faustrecht herrschte, so erzählt die Sage, wurde diese Gegend häufig von Räuberhorden besucht, und der friedliche Wanderer betrat nur mit Angst die verrufene Gegend. Gegen diese Schrecken vermochte nur ein Mittel zu schützen, die Errichtung eines Heiligenwohnsitzes, eines Klosters in der unwirtlichen Einsamkeit. Der Klang einer nahen Klosterglocke wies jedes Schwert in die Scheide und kehrte selbst das Herz des rohesten Räubers um. Darum, heißt es, faßte der Edle Walther von Lomersheim, der schon früher, vom Bischof Günther zu Speyer aufgemuntert, ein Kloster auf seinem Gute Eckenweiler zu bauen angefangen, auf des Bischofs Rat aber den untauglichen Platz verlassen hatte, den Entschluß, in der Mitte des Waldes ein Kloster zu bauen, damit hinfort freier Verkehr in dieser Gegend sich beleben könnte. Der Platz war vormals Eigentum des Hochstifts Speyer gewesen, damals aber, wegen seiner Wildnis, als Schlupfwinkel der Räuber, unangebauet. Günther brachte die Grundstücke wieder zusammen, wovon ein Teil schon unter Abt Bruno dem Württemberger vom Kloster Hirschau abgetreten worden, und bewog mehrere edle Nachbarn zu Schenkungen; darunter war ein Konrad von Lomersheim, ein Werner von Roßwag und Bertha von Grüningen, eine Edelfrau, mit ihren drei Söhnen.

So machte sich denn Walther von Lomersheim auch an die Quellen der Salzach und fing hier an ums Jahr des Heils 1137 sein Zisterzienserkloster zu bauen. Schon wurde, spricht die Volkssage, rings umher der Wald gelichtet, Wege wurden nach allen Seiten hin gebahnt und aus den nahen Steingruben mächtige Quadern gehauen. Schon wölbte sich auf dem starken Grunde der schöne Kreuzgang, schon strömten Mönche herbei, den vollendeten Teil des Klosters zu bewohnen, und der Grundstein zur Kirche wurde eben gelegt, als die Räuber, die es verdroß, aus ihrer so günstig gelegenen Gegend vertrieben zu werden, hereinbrachen, den Arbeitern Stillestand auflegten und die Mönche zu sprechen begehrten. Ihnen erklärten sie ihren festen Entschluß, den Klosterbau nicht vollenden zu lassen, und drohten mit Niederreißung des Gebäudes. Da trat ein schlauer Mönch hervor und sprach mit freundlichen Worten: »Gebt euch die Mühe nicht; wir selbst wollen euch geloben, den Bau nicht zu vollenden.« Die Räuber ließen sich einen Eid darauf schwören und zogen arglos von dannen. Die Mönche aber bauten an der Kirche fort, als wenn nichts geschehen wäre, bis an der linken Seitenwand noch ein einziger Stein fehlte; den ließen sie mit Wohlbedacht unten am Boden liegen. Weit durch den Wald hallte nun die Klosterglocke, und auf dieses Zeichen des Treubruchs eilten die Räuber aufs neue herbei, strenge Rechenschaft von den Mönchen zu fordern. Diese öffneten ihre schöne Klosterkirche und führten die Räuber durch die linke Seitenhalle zu der Stelle, da der Stein am Boden lag und oben die Öffnung war. »Ihr sehet«, sprachen sie, »die Kirche wartet noch den heutigen Tag auf ihre Vollendung und soll, unserm Eide gemäß, warten bis an den jüngsten Tag.« So sahen sich die Räuber durch die Schlauheit der Mönche hintergangen, doch konnten sie dieselben eines Eidbruches nicht beschuldigen, fürchteten die mächtigen Beschirmer des jungen Klosters und mieden fortan diese Wälder.

Noch zeigt man in der linken Seitenhalle der ehrwürdigen Klosterkirche die Steinplatte am Boden, unterhalb der Öffnung, welche die klugen Mönche gelassen hatten. Nicht weit davon ist in Stein ausgehauen Mörtel, Spaten und Haken zu sehen und darüber eine schwörende Hand mit drei aufgehobenen Fingern, zum bleibenden Zeichen, wie die Mönche ihr Wort gehalten. Und in einer hochgewölbten Zelle, welche die kleine Bibliothek des Klosters aufbewahrt, ist auf einer mit Flügeln verschlossenen Holztafel in Mönchshexametern die Geschichte der Stiftung zu lesen, während die Außenseite der Flügel zu der Rechten eine Wildnis zeigt, in welcher etliche Wanderer von Straßenräubern jämmerlich ermordet werden, zur linken aber Zisterzienserbauleute im Ordenshabit emsig Holz zu fällen, Steine zu behauen, Mauerwerk an einer emporsteigenden Kirche aufzuführen beschäftigt sind. Auf der innern Seite des rechten Flügels halten Bischof Günther und Walther von Lomersheim die Klosterkirche der Jungfrau Maria mit den Händen entgegen, darüber die Worte: »Laß dir dies Opfer gnädiglich befohlen sein«, im Innern des linken Flügels aber kniet der erste Abt des Gotteshauses, aus dessen Mund die Worte gehen: »O Mutter Gottes, empfahe dies Opfer!« Die Tafel wurde im Jahr 1450 vom Abte Berthold gestiftet und im Jahre 1516 erneuert.

Wenige Klöster haben so großen Zuwachs an Land und Leuten erhalten als Maulbronn. Von vierundneunzig umliegenden Orten kamen die meisten allmählig an das Kloster und brachten ihm schöne Güter und die trefflichsten Waldungen zu; die angesehensten Freiherrngeschlechter stifteten und verkauften ihm, bis sie größtenteils erloschen sind. Bei diesen Erwerbungen des Klosters findet sich so viel Planmäßigkeit, daß es scheint, derselbe Abt, der die ersten Käufe geschlossen, habe hundert und mehrere Jahre gelebt. Mit der ganzen Umgegend waren die Mönche im steten Handel, und wenn sie einmal einen kleinen Anteil an Dörfern oder Bauern erlangt hatten, so blieb keine Kunst unversucht, bis sie dieselben ganz in ihre Hände bekamen.

Inzwischen wollte Bischof Günther nicht faule Bäuche mästen, sondern gemeinnützige Tätigkeit begründen, und mit Recht wurde ihm im Chor der Kirche das Denkmal gestiftet, das noch dort zu sehen ist. Wenn Hirschau durch den Fleiß seiner gelehrten Mönche zunächst nach St. Gallen steht, so hat dagegen Maulbronn vorzüglich das Institut der Laienbrüder und Bartlinge zu seiner Aufnahme benutzt, d. h. diejenige Klasse von Mönchen, welche hauptsächlich zu Hand- und Feldarbeiten bestimmt waren. Ihnen mußten, als der Eilfinger Hof verkauft war, dort die alten Bauersleute weichen, und sie waren es, die hier den edlen Wein zuerst gepflanzt haben, nach welchem manchem ehrlichen Württemberger der Mund noch wässert und der, seitdem das Kloster Maulbronn Herrschaftsgut geworden war, die Keller der vornehmsten Regierungs- und Kirchenbeamten unter dem Namen des Eilfingers mit seinem köstlichen »Morgentrunke« füllte. Außerdem beschäftigte das wachsende Kloster eine Menge Handarbeiter, Schreiber, Ärzte, Maler, Handwerker aller Art, Köche, Fischer, Gärtner, Wirte, dann noch ein Herr von Stalldienerschaft, Vogelstellern, Waldknechten, die höheren Offizialen nicht mit gerechnet, die freilich oft in jene übergegangen zu sein scheinen, wie denn im J. 1519 der Prälat von Maulbronn einen Kanzler hatte, »der etwan sein Scherknecht was«. – Ohne so viel geschickte und fleißige Hände wäre es auch nicht möglich gewesen, so mühsame und kunstreiche Arbeiten auszuführen, wie wir sie noch an den Gebäuden dieses Klosters bewundern. So waren die Klöster nicht nur die Pflanzschule der wissenschaftlichen Kultur, sondern auch des Kunst- und Gewerbfleißes.

Freilich artete der Wohlstand des Klosters zuletzt in Wohlleben aus, und ein schamloser Witz der Mönche hat sich hierüber selbst ein Denkmal gesetzt. Oben im Vorhofe der Kirche ist nämlich unter andern Verzierungen im Gewölbe eine Gans am Bratspieß angebracht, mit Würsten, Flaschen und einer dazu komponierten Fuge mit unterlegtem Texte: A. V. K. L. W. H. das soll heißen: »Alle voll, keiner leer; Wein her!«

Ursprünglich stand das Kloster unter des Reiches unmittelbarem Schutz; aber bald fanden die Äbte Ursache, teils freiwillig, teils gedrungen, unter den besondern Schutz der benachbarten Landesherren zu treten. Dadurch entstanden Streitigkeiten, welche Herzog Ulrich von Württemberg damit abschnitt, daß er unter Kaisers Maximilian I. Begünstigung im pfalzbayerischen Erbfolgekrieg das feste und verteidigte Kloster im J. 1504 mit Waffengewalt nach siebentägiger Belagerung in Besitz nahm und Kurpfalz zum Verzichte bewog. Doch weder die Äbte noch die nachfolgenden Kaiser wollten die frühere Freiheit des Klosters vergessen. Als Ulrich die Reformation einführte, wurde von jener Seite alles aufgeboten, um das reiche Kloster unter des Kaisers und Östreichs Schutz zurückzubringen. Das Interim ward durchgesetzt. Dagegen hat Herzog Christoph das Kloster zum zweitenmal erobert und seiner wahren Bestimmung zurückgegeben, indem er es, wie viele andere Klöster, in ein evangelisches Seminar umschuf, das einzige, das ununterbrochen bis auf den heutigen Tag dieser Bestimmung geblieben ist. Bis hierher großenteils aus Pfisters trefflichem Aufsatz im »Schwäbischen Taschenbuch für 1820«, S. LVII-LXIII, ins Kurze gezogen. Über die Einrichtung dieser Vorbereitungsschulen behalten wir uns vor beim Bilde Blaubeurens zu sprechen.

Von den katholischen Äbten und Mönchen des Klosters hat sich keiner einen historischen Ruf erworben. Zum ersten evangelischen Abte ward Joh. Egelin im J. 1558 verordnet; ihm folgte Valentin Vanicius, der sich zuerst der für die protestantische Geistlichkeit errungenen Freiheit bediente und ein Weib nahm. Um diese Zeit (10. April 1564) wurde zu Maulbronn in Gegenwart des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz und Herzogs Christoph von Württemberg zwischen pfälzischen und württembergischen Theologen ein Religionsgespräch abgehalten. Unter den folgenden Äbten haben sich Felix Bidenbach und Lucas Osiander in der literarischen Welt bekannt gemacht. Johann Heinrich Wieland aber mußte im J. 1630 vor den eingedrungenen Katholiken fliehen, und am 9. Novbr. verordneten die kaiserlichen Kommissarien vermöge des Ferdinandeischen Edikts Christoph Schaller zum katholischen Abte; diesen vertrieb Gustav Adolf 1633, und Maulbronn erhielt in Ludwig Leipzig wieder einen evangelischen Vorstand, der aber das folgende Jahr den katholischen Äbten aufs neue weichen mußte, die es bis zum Westfälischen Frieden besetzt hielten, bis 1651 mit Heinrich Dauber die ununterbrochene Reihe von evangelischen Äbten, als Vorstehern der niedern Klosterschule, beginnt, die erst in der neuesten Zeit bei veränderter Organisation einem Ephorus Platz gemacht haben.

Viel würdige und ausgezeichnete Männer haben in dieser Schule ihre Vorbildung empfangen, und in befruchtender Stille hat mancher Geist in ihr über künftigen Werken gebrütet; rühmlich bekannt gewordene Namen stehen hier und dort von Knabenhand in die Vorhallen des alten Klosters gekritzelt. Friedrich Wilhelm Joseph, Schellings Vater, ist als Prälat dieses Klosters gestorben, nachdem er den höchsten Ruhm seines Sohnes erlebt hatte; auf dem Gottesacker vor der Klosterkirche hat die erste Gattin des Philosophen Sendling ihr Grab und ihr Denkmal.

In diesen düstern Klosterzellen saß vor sechsundsiebzig Jahren der Vater des Verfassers, Joh. Christ. Schwab, einer der letzten Vorkämpfer für ein System, das eine wesentliche Entwickelung des philosophierenden Geistes bildet, über seinem Leibniz; hier erwuchs Sendling, der gewaltige Befruchter so vieles Hohen in Kunst und Wissenschaft, hier J. C. Pfister, der Geschichtsschreiber Schwabens und Deutschlands. Und was derzeit die Jugend in diesen abgeschiedenen Hallen, in den stillen Tälern, auf den waldigen Höhen brütet, mag ein junger Schwabendichter uns erzählen:

Maulbronn

»Gedichte« von Hermann Kurtz, Stuttg., Hallberger, 1836, S. 53 ff.

Dich, entlegnes, stilles Kloster, zeigt mir oft die Phantasie,
Die mir stets zu Lust und Schmerzen willig ihre Bilder lieh.
Deine alte Kirche steigt mir wieder aus der Jahre Kluft,
Mit dem Glöcklein, das so schrillend aus dem Feld die Schwärmer ruft.
In dem Kreuzgang altertümelnd wandl' ich, wo in steinern Truh'n
Deine alten Mönche mit dem schlau verborgnen Golde ruhn,
Lehn' im Chor mich an der Stühle künstlich ausgeschnitztes Holz,
Und es macht mich manche Inschrift, die ich klug entziffre, stolz.
Ach wie oft schlug meine Sehnsucht eine Brücke durch die Luft
Zu den nahen Buchenwäldern mit dem herrlich frischen Duft.
Dort in halbem Schlummer hab' ich oft der Rückkehr Frist versäumt,
Habe, wie ein Siebenschläfer, manch Jahrhundert durchgeträumt.
Fröhlich aus der dumpfen Zelle folgt' ich oft der eignen Spur
Oder schweift' an Freundeshand durch Berge, Wälder, Tal und Flur.
Deine Meierhöfe haben kühle Milch mir aufgetischt
Und die stillen Seen der Wälder mir das heiße Blut erfrischt.
Meine Flöte blies ich abends, einsam, nicht allein, im Wald,
Denn als Kenner scharten lauschend sich zu mir Eidechschen bald.
Dann vereint ward mancher Anschlag, manches Wagstück ausgeführt:
Ob es wohl als Heldensage deine finstern Mauern ziert?
Noch gedenk' ich, wie wir stiegen zum Gemach, wo Doktor Faust
Bis zu seinem blutig an die Wand geschriebnen Tod gehaust, Vom Dorment des Klosters steigt man durch ein Fenster über mehrere Dächer in ein ausgemauertes Gemach, wo die Sage den Dr. Faust vom Teufel holen läßt und ein großer Blutflecken von ihm gezeigt wird. Zum Geburtsort gibt ihm die Sage das benachbarte Städtchen Knittlingen.
Wie wir bauten eine Hütte, sie bewohnten mit Gesang
Und wie auf den sieben Hügeln Jugendlust die Fahne schwang.
Aber nachts, wenn alle schliefen, wacht' ich bei der Lampe Licht,
Forschend in des Lebens Tiefen, denn die Ruhe kannt' ich nicht.
Und es stieg vor mir der Schatten jenes bleichen Briten auf,
Und ich folgte bebend seinem schmerzenreichen Pilgerlauf
Durch die langen düstern Räume, wo er aus der halben Welt
Schätze, die er wild erbeutet, als Trophäen aufgestellt;
Todesluft einatmend bin ich scheu mit ihm hindurchgeeilt,
Habe Wunden dort empfangen, welche lange nicht geheilt.
Doch, des Blutes Ströme dämmend und den lauten Sturm des Wehs,
Streng durch feste Grenzen hemmend meisterte mich Sophokles.
Dann versöhnten Sinns erging ich mich in Tassos Zauberpracht
Und entschlief mit trunkner Seele in dem Traum der Sommernacht.
Aber zu erneutem Leben weckend aus dem fremden Hain
Führten mich die heimatlichen Sänger in die Heimat ein.
Deutscher Art und deutschen Wesens Hallen, die ich lange mied,
Du hast sie mir aufgeschlossen, edles Nibelungenlied! –
Also war mein Frühling, selber wagt' ich manchen kurzen Sang,
Der in scheuen Tönen zwischen fernem Waldgebüsch verklang.
War mir doch Arkadien offen, keine Stunde schien mir grau,
Und ein Doppelregenbogen stand an meines Himmels Blau:
Lieb' und Freundschaft, wie erhellten sie mein dunkles Herz zugleich!
Wie mit Leid und Freude machten sie mein armes Leben reich!
Wenn ich's denke, wie als Gast ich weilt' in ihrem lichten Haus,
Sprech' ich beide seufzend immer noch mit einem Namen aus!
Schönes Tal, du liegst mir ferne, eine fromme Siedelei,
Dran mich kaum im raschen Fluge einsam trägt mein Weg vorbei;
Aber oft, du stilles Kloster, zeigt mir dich die Phantasie,
Die mir stets zu Lust und Schmerzen willig ihre Träume lieh.

 

Maulbronn liegt zwischen ziemlich hohen, mit Wäldern und Weinreben bewachsenen Hügeln in einem beengten Tale. Die vielen kleinen Seen und Sümpfe, die der Salzbach bildet und welche das Wechselfieber unter der kleinen Seminaristenkolonie früher endemisch machten, sind zum größten Teile ausgetrocknet. Die Gegend selbst war ursprünglich so sumpfig, daß das Kloster selbst auf einem Roste gebaut ist. Das Äußere desselben hat sich fast unverändert erhalten; nur ist seit den letzten Jahrzehenten ein viereckigter unbedeckter Turm verschwunden, der das sogenannte »Wahrzeichen« enthielt. Über dem Eingange nämlich war in halberhabener Arbeit das Maultier abgebildet, das laut der Sage, mit Geld zum Klosterbau beladen, hier bei dem Brunnen stille gestanden sein, getrunken und den nachgefolgten Mönchen die Stelle bezeichnet haben soll, wo sie das Kloster aufzuführen hätten; und nach diesem Wahrzeichen wäre dann von ihnen die neue Stiftung Maulbronn (Mulenbronnen) genannt worden. Der Turm hieß, zu Ehren jenes unschuldigen Geschöpfes, der Eselsturm.

Die Hauptgebäude, Klosterschule, Lehrerwohnungen, Kirche, sind noch dieselben wie ursprünglich. Die Wahl wurde dem Künstler schwer, unter dem vielen Herrlichen, was die uralte Kirche Sie heißt die Sommerkirche, ein Betsaal für die Seminaristen heißt die Winterkirche. mit Zubehör von innen und außen bietet, den Standpunkt für ein einziges Bild herauszusuchen, denn Maulbronn verdiente ein eigenes Prachtwerk durch einen kunstgeschichtkundigen Architekten.

Von den äußern Ansichten der Klosterkirche bot sich uns als die vorteilhafteste diejenige dar, die den Röhrbrunnen unter schönen Linden, einen Teil des Klosters, mehrere Seitengebäude, Pfeiler und Hallen, die Kirche aber von der Fronte darstellt. Façade und Schiff sind ganz byzantinisch. Sechs rundbogige, schlanke Portale, je zwei zwischen einem Pfeiler, schmücken das Atrium, hinter dessen Dache die höchst zierliche Kirche selbst mit zwei rundbogigen Fenstern in der Fronte und deren sechs an den Seiten und einem mit einfach gewohnter Einfassung verzierten und einer kleinen Rose gekrönten Frontispiz emporsteigt. Im Grunde wird die Hinterseite mit ihren turmartigen Zieraten sichtbar, deren Bauart ganz die altdeutsche, sogenannt gotische ist; hier bewundert man ein schönes, großes Kirchenfenster, das aber auf unserm Bilde nicht sichtbar wird. Dafür zeigt uns dasselbe, außer dem kleinen Glockentürmchen auf dem Frontispiz, auch den hintern (Haupt-)Turm der Kirche, der jedoch selbst nicht sonderlich hoch, obwohl schlank und schmuck mit Blech und Schiefer gedeckt, ist. Er steht über dem Kreuzbau, den die Kirche bildet, einzig auf das Dach gesetzt; denn die Zisterzienser durften, ihrer Ordensregel gemäß, keinen Turm aus dem Grunde aufführen. Die Kirche soll, einem vorgefundenen Plane nach, nicht ganz vollendet sein (s. auch oben); die Steine, welche dazu verwendet wurden, sind schön behauen und von dunkelgrauer Farbe, welche die Zeit in finstres Schwarz verwandelt hat. Hohe Mauern, Türme und einst volle Wassergräben umgeben das ganze Gotteshaus.

Im Innern des Klosters hätte, wenn Einzelnheiten statt einer Hauptansicht hätten mitgeteilt werden dürfen, der großartige Kreuzgang des Schönen viel geboten. Die schönsten Bögen, die mannigfaltigsten Verzierungen finden sich hier. Namentlich ist in einem der Gänge, gegen das Viridarium hinein, eine hohe und ziemlich breite Halle gesprengt, in deren Mitte, von einem steinernen Fuße getragen, eine kolossale Steinschale ruht, in welcher die Mönche sommers ihre Labeweine gekühlt haben sollen; auch ist an einer Säule des Kreuzganges als Kapitäl ein kleiner, nackter Mönch mit Tonsur ausgehauen, der, Trauben naschend, auf einer Traube reitet und so ganz im Weine schwelgt.

Der Einbau der Kirche, hochgesprengten Gewölbes, mit schlanken Säulen und schönen spitzbögigen Fenstern an den beiden Seitenflügeln des Kirchenkreuzes, wäre ebenfalls der Darstellung sehr wert gewesen, und es liegt uns die sorgfältig ausgeführte Skizze einer Seitenhalle vom Künstler vor Augen. Höchst interessant, aber einer übersichtlichen Darstellung nicht zugänglich, ist endlich das sogenannte Flagellarium, zu dem aus dem Musiksaale eine schöne Wendeltreppe hinabführt, eine herrlich gewölbte, geräumige, hohe Seitenkapelle, mit einem Walde von Säulen verschiedener Höhe und Dicke; sie soll zu Mahlzeiten der Mönche gedient haben und ist mit bunten, noch glühenden Farben ausgemalt.

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Kloster Maulbronn

Im Schiffe der Kirche selbst schmückt die Mitte ein zwölf Schuh hohes Kruzifix aus einem Steine; der steinerne Kreuzesstamm ahmt täuschend das Holz nach. In den Seitengängen sind viele Grabmähler zu sehen; im Chore endlich finden wir uns ganz in das zwölfte Jahrhundert versetzt; in den Chorstühlen sind die tief ausgetretenen Fußstapfen der Mönche noch zu schauen, und von den Seitenwänden blicken uns die Steinbilder des Bischofs Günther und des edeln Walthers von Lomersheim an. Der ganze Chor schimmert im magischen Lichte gemalter Glasfenster.


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