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Bürgermeister Johann Smidt, um 1848
Focke-Museum Bremen

Erstes Buch.
1712 bis 1800

 

»Nil volentibus arduum!«
(Kein Weg ist den Wollenden zu steil!)

 

Zum Eingang.

 

»O wüßt' ich doch den Weg zurück,
Den lieben Weg zum Kinderland!«

 

So singt der Dichter, und wohl in allen, die einst glückliche Kinder waren, klingt sein Sehnen und Suchen nach. Ich aber glaube, daß es uns im Alter am leichtesten wird, ins Kinderland zurückzufinden; dann, wenn wir ruhig und wunschlos geworden sind, weil die Gegenwart nicht mehr übermächtig auf uns eindringt und die Zukunft keine ungewisse Ferne mehr ist, sondern eine nahe, beschneite Steilwand, darin das rätselhafte Todestor noch verschlossen steht.

Ruhig und wunschlos blicke auch ich von der spätherbstlichen Hochebene meines Lebensabends ins lichte Tal meiner Jugend nieder. Deutlich kann ich den Pfad verfolgen, von der grünumbuschten Dungener Geburtsheimat zur ehrwürdigen Hansestadt Bremen am belebten Weserstrom. Am Vorstadtsaume stehen unsere Burgen des glücklichsten Friedens im Blumengarten: das Großvaterhaus an der Contrescarpe des Ostertors und ihm gegenüber die drei engvereinten Elternhäuser an der ländlichen Kohlhökerstraße: – der Straße der Grünwarenhändler und Gärtner jener Zeit.

– – ach, und ob wir in unsern Kindern und Enkeln die eigene Jugend wiedererleben: das schönste schenkt uns doch die Erinnerung.

Sie soll mich, im deutschen Merkjahre 1913, lehren, ein bescheidenes Bild jenes alten Bremens zu malen, dessen Mittelpunkt und Schicksalslenker unser Großvater, Bürgermeister Johann Smidt, durch siebenunddreißig Regierungsjahre gewesen ist. Wir Enkel haben ihn mit Kindesehrfurcht geliebt und nie vergessen. Deswegen möchte ich sein Andenken in den Bremern von gestern warm erhalten, und ihn denen von heute und morgen, daheim und in fremden Weltteilen, neu erstehen lassen.

Eine lückenlose Lebensbeschreibung, oder gar ein politisches Buch geben zu wollen, liegt mir fern. Seit langen Jahren beschäftigt sich eine kundige und gelehrte Feder damit, und wer weiß, ob wir Alten die Vollendung noch erleben. – Inzwischen will ich zwanglos aneinander reihen, was ich an Ueberliefertem und Selbsterlebtem, Briefen und Schilderungen in Poesie und Prosa aus unseres Großvaters Jugend, Mannheit und Alter gesammelt und bewahrt habe. Nach Kinderart ziehe ich nur den verbindenden Faden durch vielfarbige und glänzende Perlen, daß sie zur Kette werden; zum Schmuck für stille Stunden des Rückblicks und Vergleichens von Vergangenheit und Gegenwart. Möchten die stillen Stunden diesem und jenem Freude und inneren Gewinn schenken.

Bernhardine Schulze-Smidt.
Bremen, Frühling 1913.


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