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Sechzehntes Kapitel

Dorival hatte soeben einen Brief erhalten. Der Brief war sehr kurz:

»Geehrter Herr von Armbrüster! – Ich bitte Sie, mich heute nachmittag um fünf Uhr an der bekannten Ecke bei dem bewußten Café zu erwarten. –

Ruth Rosenberg.«

»Fabelhaft!« sagte dieser Herr von Armbrüster.

Und machte Freudensprünge! Wirkliche Freudensprünge! Galdino steckte erschrocken den Kopf zur Türe herein ...

»Mach, daß du 'nauskommst!« sagte sein Herr. »Und nebenbei bemerkt: Ich bin nicht verrückt geworden!«

Die Ungeduld plagte Dorival, wie Ungeduld ihn noch nie im Leben geplagt hatte.

Um halb fünf Uhr, dreißig Minuten vor der Zeit, stand er schon zehn Minuten lang auf der Korneliusbrücke, gequält von allen Qualen des Wartens. Als drüben, am anderen Ende der Brücke, breit und behäbig der Schutzmann auftauchte, freute er sich sehr. Der Mann des Gesetzes erschien ihm wie eine gute Vorbedeutung.

Ruth machte ein ernstes Gesicht und sah den armen Dorival, der darob prompt aus allen Himmeln fiel, streng und abweisend an.

»Führen Sie mich, bitte, in das Café!« sagte sie. »Ich habe Ihnen eine Mitteilung zu machen.«

»Bitte, gnädiges Fräulein!«

Sie gingen schweigsam nebeneinander her, traten in den wohlbekannten kleinen Raum ein, wurden von dem wohlbekannten Kellner beäugelt und nahmen Platz.

»Mein Herr!« sagte Ruth Rosenberg scharf, »Sie sind ein Schwindler!«

»Das ist ja reizend,« dachte Dorival.

Laut sagte er: »Ja – das – das ist ja sozusagen mein Beruf!«

»Sie schwindeln über Ihren Beruf hinaus, mein Herr!« erklärte Ruth streng.

»Man gewöhnt sich so daran ...« entschuldigte sich Dorival.

»So? Nun, wir wollen jetzt den Schwindel aufklären!«

»Aber bitte – bitte sehr –« stotterte Dorival.

»Ehe ich Ihnen die Mitteilung mache, die ich Ihnen zu machen habe, möchte ich die Tatsachen feststellen,« erklärte Ruth. »Diese Tatsachen sind, der Reihenfolge nach: – ich mache Sie übrigens darauf aufmerksam, daß ich sofort aufstehe und weggehe, wenn Sie mich unterbrechen – die Tatsachen also sind: Herr von Armbrüster sieht in der Oper eine Dame. Er hat die Anmaßung, diese ihm völlig unbekannte Dame bei einer Begegnung im Tiergarten zu grüßen. Durch einen sonderbaren Zufall hat dieser Herr von Armbrüster Gelegenheit, mit dieser Dame eine Strecke lang im Auto zu fahren, unter einigermaßen falschen Voraussetzungen. Die Dame hat unterdessen erfahren, daß der Herr ein sehr bekannter Hochstapler war. Sie beschloß, seine Dienste in Anspruch zu nehmen für einen Zweck, zu dem ein Spitzbube erforderlich war. Dieser Herr von Armbrüster war jedoch gar kein Spitzbube, sondern es handelte sich um eine Verwechslung. Er nahm trotzdem den Auftrag an und führte die gefährliche Arbeit aus. Was höchst verrückt von ihm war. Er brachte sich in alle möglichen Gefahren. Er spielte so mit dem bösen Schein, daß er es der Dame unmöglich machte, dankbar zu sein. Er hätte sehr leicht Mittel und Wege finden können, die Dame aufzuklären. Er hätte ihr dadurch Kämpfe und Schmerzen ersparen können, denn – die Dame hatte sich für den ritterlichen Spitzbuben mehr interessiert als sie eigentlich durfte ...«

»Was?« schrie Dorival.

»Sie sollen mich nicht unterbrechen. Sie haben mich auf die roheste Weise behandelt. Ich will mit Ihnen nichts mehr zu tun haben. Ich will quitt mit Ihnen sein. Sie haben für den wertvollen Dienst, den Sie mir geleistet haben, eine Bezahlung in Geld abgelehnt und zwei Küsse verlangt. Von diesem Honorar haben Sie jedoch nur die Hälfte erhalten. Und nun muß ich Ihnen die Mitteilung machen –«

»Seien Sie gnädig!« stöhnte Dorival.

»– daß ich den Rest meiner Schuld zu zahlen wünsche. Bitte, küssen Sie mich!«

Dorival sah sich blitzschnell um. Es war einsam in dem kleinen Café; der Kellner stand gelangweilt an der Türe und beäugelte die Vorübergehenden.

Darauf zog er sein Honorar ein.

*

»Wann hast du's gewußt?« fragte Ruth.

»Sofort! Beim erstenmal!«

»Ich auch!«

Der Kellner stand an der Türe und sah gerade nicht her – –

*

Am Tage vor seiner Hochzeit mit Ruth Rosenberg erhielt Dorival von Armbrüster unter Kreuzband eine amerikanische Zeitung zugesandt, die in einem kleinen Nest im Staate Texas Bildung verbreitete. Eine Notiz war mit Blaustift umrandet:

»Gestern hat unser Freund und langjähriger Leser unserer Zeitung Billy Johnson Esquire, seine am Borrego River gelegene Farm verkauft. Die schöne Besitzung ist übergegangen in die Hände von Emil Schnepfe, Esquire, und dessen Ehefrau, geborene Lotz.«

Und Dorival sagte feierlich zu seiner Braut:

»Liebe Ruth! Am Hochzeitstage trinken wir das zweite Glas Champagner im Geheimen auf das Wohl des Hochstaplers außer Diensten Herrn Emil Schnepfe!«

 

Ende

 


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