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Zweites Kapitel

Man geht tausendmal in die Oper. Tausendmal beäugelt man schöne Frauen, da man weder blind noch allzu töricht ist. Das tausendundeinste Mal lächelt zufällig eine schöne Frau, die natürlich durchaus nicht schöner ist als mindestens einhundertundsechzig des vergangenen Tausends, wir bilden uns bescheiden sofort ein, daß dieses Lächeln nur uns galt – und wir sind verzaubert! Mit einem Schlag verrückt! Wir, die wir doch die schönsten Blumen am Weg gepflückt haben und arg gescheit sind –

Dorival war verrückt!

Zwar hatte er mit gewichtigen Herren gewichtige Besprechungen, die sich ausschließlich um Wolframerze und große Geldsummen drehten, und kabelte teure und wichtige Depeschen an einen geplagten Mineningenieur in Brasilien, aber dazwischen machte er miserable Gedichte. Er benahm sich ganz vernünftig, mit angemessenem Leichtsinn, aber wenn er sich um Mitternacht von Freund Umbach getrennt hatte, saß er noch stundenlang bei unzähligen Zigaretten im Lehnstuhl und träumte dummes Zeug von schwarzem Haar, großen braunen Augen, lachendem Mund ... Wer sonst war er ganz praktisch:

Er lief in alle Theater.

Er klapperte alle Schaukasten der Photographen ab.

Er ging mit der unmöglichsten Ausdauer im Tiergarten spazieren.

Er ließ sich von allen Leuten, die er kannte, einladen.

Er guckte in jedes Auto hinein. – Fand »sie« aber nicht.

Einer dieser Zweckspaziergänge – es war Unter den Linden diesmal, und Umbach, dem er natürlich von seinem »Zweck« nichts verriet, begleitete ihn – endete nach einigen Umwegen im Esplanadehotel. Als die beiden Freunde im Rauchzimmer kaum Platz genommen hatten, kamen zwei Herren die breite Treppe aus dem Speisesaal herab. Beide waren Südländer, das sah man auf den ersten Blick. Als der Jüngere, ein Mann in der Mitte der Dreißiger, Dorival gewahrte, stutzte er einen Moment und trat dann mit einem lauten Ausruf der Freude an den Tisch, an dem der Rittmeister und sein Freund saßen.

O, carissimo amigo, wie freue ich mich, Sie zu treffen,« rief er und umarmte Dorival, der sich, den Fremden erkennend, rasch erhoben hatte und die Umarmung in der in Brasilien üblichen Weise erwiderte. Beide klopften sich ein paarmal gegenseitig auf den Rücken und drückten sich kräftig die Hände.

»Mein lieber Doktor, wo kommen Sie her?« fragte Dorival.

»Direkt aus Rio de Janeiro. Ich bin gestern in Hamburg angekommen und sofort herüber nach Berlin gefahren, wo ich heute das Wiedersehen mit meinem Freund Claudino Rodrigues da Costa gefeiert habe.«

Die gegenseitige Vorstellung ergab, daß der Rittmeister in dem jüngeren der Herren einen Doktor der Chemie namens Marcellino Manuel da Gama vor sich hatte, der längere Zeit die Analysen der geförderten Erze auf den Minen Dorivals bearbeitet hatte. Der ältere Herr war ein Industrieller, der nach Deutschland gekommen war, um die gesamte Einrichtung für die Installation eines großen elektrischen Werkes zu kaufen, das eine mittlere brasilianische Stadt mit Licht und Kraft versorgen sollte. Beide Herren beherrschten die deutsche Sprache, besonders Doktor Marcellino meisterte sie wie jemand, der sich ihrer von frühester Jugend an bedient hatte.

Nach kurzem Plaudern verabschiedete man sich. Der Rittmeister mußte in die Kaserne. Dorival verabredete mit Doktor Marcellino und seinem Freuend da Costa, zusammen abends in dem Hotel in der Straße Unter den Linden zu speisen, in dem der Doktor abgestiegen war. Nachmittags wollte er Marcellino zu einem Spaziergang abholen.

*

Doktor Marcellino erwartete den Freund bereits vor dem Hotel. Als er Dorivals ansichtig wurde, eilte er ihm entgegen.

»Endlich, mein Lieber! Es hielt mich nicht mehr im Haus. Sehen Sie doch wie die Sonne scheint,« rief er in seiner lebhaften Art. »Die Sonne hat mich herausgelockt.«

Dorival faßte ihn unter den Arm und schlenderte mit ihm den Weg zurück, dem Tiergarten zu.

Der Portier des Hotels, in dem Doktor Marcellino wohnte, hatte vor der breiten Eingangstür gestanden, als Dorival seinen Freund vor dem Hotel traf. Dieser Portier trat bis auf die Mitte des Bürgersteiges, um Dorival und den Brasilianer länger im Auge behalten zu können. Er überhörte in seinem sonderbaren Eifer zweimal die Fragen eines Holländers, der wissen wollte, wann der Marstall zu besichtigen sei, und ob diese Besichtigung Eintrittsgeld koste. Als der Portier die Neugier des Holländers endlich befriedigt hatte, trat er eilig in die Halle, an das Klappfenster, das dem Hotelleiter erlaubte, von seinem Schreibtisch aus die Vorgänge im Empfangsraum des Hotels zu beobachten.

»Herr Direktor!« keuchte er, zitternd vor Aufregung.

»Na, Vogelsang?«

»Herr Direktor – der Kerl, der im vorigen Jahr auf Zimmer 18 der italienischen Generalswitwe die Brillanten gestohlen hat, war eben hier vor dem Hotel!«

Der beleibte Herr sprang auf und stand neben dem Portier.

»Was sagen Sie? Der – der – wie nannte er sich doch? Der ist hier? Haben Sie sich auch nicht getäuscht?«

»Ausgeschlossen, Herr Direktor. Also er kam ganz gemütlich bis dicht an die Tür,« antwortete der Portier. »Da traf er den Herrn von Zimmer 273. Der wartete auf ihn. Sie sind zusammen gegangen, wie alte Bekannte, untergefaßt.«

»Wohin?«

»In der Richtung nach dem Brandenburger Tor zu.«

»Ein Auto! Ich fahre hinterher.«

»Der Herr Direktor wollen selbst –?«

»Nein, nein, lassen Sie. Ich müßte einen Schutzmann mitnehmen. Das würde Aufsehen erregen, und wir müssen alles Aufsehen vermeiden. Wie heißt der Herr, mit dem er gegangen ist?«

Sie traten zur Auskunftsstelle.

»Wie heißt der Herr auf Zimmer 273?« fragte der Portier den diensttuenden Angestellten.

»Nummer 273? Ist vor zehn Minuten fortgegangen – hat Zimmerschlüssel abgegeben,« sagte der junge Mann und schlug das große Auskunftsbuch auf.

»273 heißt Doktor Marcellino Manuel da Gama,« las er von der Karte ab, die neben der Zimmernummer befestigt war. »Hat eine Bestellung hinterlassen – ›Wenn Herr von Armbrüster nach mir fragt, trifft er mich vor einem der nächsten Schaufenster‹.«

»Danke,« sagte der Direktor und warf dem Portier einen vielsagenden Blick zu. »Wie hieß der Doktor?«

»Marcellino Manuel da Gama.«

»Spanier oder so was ähnliches. Wo ist er her?«

»Gestern aus Hamburg angekommen.«

»Danke.«

Der Direktor nahm den Portier auf die Seite.

»Wahrscheinlich ist er ein Spießgeselle von dem – wie nannte sich der Kerl?« Der Direktor hatte in langer Arbeit als Hotelleiter das Gedächtnis für Namen verloren, was ihm viele Verlegenheiten bereitete.

»Herr von Armbrüster. Immer adlig. Anders tut er's nicht.«

»Natürlich. Alle diese Hoteldiebe und Hochstapler führen adlige Namen. Bei seiner vorjährigen Anwesenheit bei uns, die uns in die gräßlichsten Verlegenheiten gebracht hat, nannte er sich – wie nannte er sich doch?«

»Graf von Lennegg, Herr Direktor.«

»Richtig, richtig. Damals war er Graf. Jetzt begnügt er sich mit dem Baron. Lieber Vogelsang, wir müssen sofort die Polizei benachrichtigen. Das heißt – nur kein Aufsehen. Nur keine Unruhe ins Haus bringen. Wir haben gerade so viele Gäste. Das ganze erste Stockwerk ist besetzt. Das zweite auch bis auf zwei oder drei Zimmer. Hat dieser Gama viel Gepäck?«

Der Portier gab die Frage des Direktors durch das Haustelephon hinauf an den Oberkellner, dessen Aufsicht die zweite Etage unterstand. Die Antwort lautete, daß auf Zimmer 273 vier große Koffer und drei Handtaschen ständen.

»Sehr gut,« lächelte der Direktor. »Der Mann – wie hieß er doch?«

»Doktor da Gama«

»– kommt bestimmt wieder. Durch ihn wird der andere zu ermitteln sein. Vier große Koffer und drei Handtaschen! Hoteldiebe reisen nicht mit so viel Gepäck. Hm. Vielleicht will der Kerl, dieser – dieser –«

»Emil Schnepfe ist der richtige Name des Grafen Lennegg und des Barons Armbrüster.«

»Richtig, richtig. Passen Sie auf, dieser Schnepfe will den Gama ausplündern. Bedenken Sie: vier Koffer und drei Handtaschen! Hat der Schnepfe gesehen, daß Sie ihn wiedererkannt haben?«

»Ausgeschlossen, Herr Direktor. Ich habe mir nichts anmerken lassen.«

»Sehr gut, lieber Vogelsang. Passen Sie auf, wenn der Herr von Gama zurückkommt und benachrichtigen Sie mich sofort. Ich gehe jetzt aufs Polizeirevier und bitte den Kommissar, mir auf Anruf einen Beamten zu senden. Also, Vogelfang, halten Sie die Augen auf!«

Der Portier postierte sich wieder in der Nähe der Tür.

*

Dorival, Nichts Böses ahnend, bummelte mit seinem brasilianischen Freund durch den Tiergarten.

»Sehr netter Herr, dieser Rittmeister von Umbach,« sagte der Brasilianer, als das Gespräch sich dem zufälligen Zusammentreffen am Abend vorher im Esplanade-Hotel zuwandte. »Mein Freund Claudino ist ganz entzückt von ihm. Er hatte bei einem deutschen Offizier nicht so viel Interesse für seine Geschäfte vermutet.«

»O, Umbach ist ein ganz hervorragender Mensch. Der interessiert sich für alles,« antwortete Dorival. »Er hat begründete Aussicht – –«

Er hatte noch etwas zum Lobe seines Freundes Umbach hinzufügen wollen, hatte erzählen wollen, daß Umbach nächstens sicher in den Generalstab käme, aber er unterbrach sich mitten im Satz –

Eine Reiterin sprengte in kurzem Galopp den Reitweg herauf, der neben der stillen Seitenallee herführte. In zehn Sprüngen Abstand folgte ihr ein Reitknecht. Dorival erkannte sie auf den ersten Blick.

Es war die Dame aus der Oper! – Trapp, trapp – da war sie.

Dorival zog seinen Hut und grüßte tief und ehrfurchtsvoll.

Die Dame sah ihn zwar an. Aber sie verzog keine Miene! Und dann war sie vorbei.

»Schafskopf!« sagte Dorival. »Geschnitten, glatt geschnitten – nee, schneiden kann man nur Leute, die man kennt, oder nicht kennen will. Esel! Hast du noch nicht gelernt, daß es eine Unverschämtheit ist, Damen zu grüßen, die du nicht kennst?«

Da kam ihm der wirklich gute Gedanke.

Mit einem Satz war er neben dem Reitknecht. Zwischen seinem rechten Daumen und Zeigefinger glitzerte silbern ein Taler –

»Wer ist die Dame?« flüsterte er.

»Tochter des Konsuls Rosenberg – danke sehr!«

»Hallali!« sagte Dorival ganz laut ...

Doktor Marcellino lachte.

»Das war wohl eine Verwechslung?« fragte er boshaft.

»Dja – ja, ja!« stotterte Dorival. »Ganz richtig, eine Verwechslung! Merkwürdige Aehnlichkeit mit – einer andern Dame! Ja! Fabelhafte Aehnlichkeit. Ich fragte deshalb den Reitknecht nach ihrem Namen. Tochter des Konsuls Rosenberg.«

»So?«

»Ja, ja. Bekannter Name in der Geschäftswelt! Umbach verkehrt in der Familie, wenn ich mich recht erinnere.«

»Nun, amigo, man täuscht sich ja so leicht,« meinte der Doktor doppelsinnig. »Uebrigens, ist die Dame eine auffallend schöne Erscheinung.«

»Ja – auffallend!!« murmelte Dorival.

Worauf Doktor Marcellino sich sein Teil dachte und wohlweislich sofort über ganz andere Dinge zu plaudern begann ...

Sie hatten das Brandenburger Tor erreicht, bogen über den Pariser Platz nach der Südseite der Straße Unter den Linden ab und näherten sich dem Hotel.

Vor der Tür stand der Portier. Sein Gesicht verklärte sich, als er sie kommen sah.

Im nächsten Augenblick hatte er den Direktor verständigt, und dieser rief durch das Telephon polizeiliche Hilfe herbei. Dann stellte er sich erwartungsvoll in der Halle auf.

Arglos betraten die beiden Freunde das Hotel.

Der Portier legte grüßend die Hand an die Mütze. Noch einmal musterte er Dorival mit einem scharfen, prüfenden Blick. Das war Emil Schnepfe! Er konnte sich mit einer an Unfehlbarkeit grenzenden Sicherheit auf sein Personengedächtnis verlassen. Dem Hoteldirektor gab er das verabredete, geheime Zeichen. Es stimmte alles. Der Spitzbube war erkannt und saß in der Falle. Es handelte sich nur darum, ihn in die Hände der Polizei zu spielen, ohne Aufsehen zu erregen, ohne die übrigen Gäste zu beunruhigen. Nur kein lauter Wortwechsel! Nur keine Gewalttätigkeiten! Der Ruf des Hotels hätte unfehlbar darunter gelitten.

Zunächst sollte in diesem Schnepfe ein Gefühl der Sicherheit wachgerufen werden.

Der Hoteldirektor begrüßte die beiden Herren mit seinem besten Lächeln und geleitete sie selbst in den Speisesaal an einen kleinen Tisch, der in der Nähe der Ausgangstür stand. Er legte ihnen selbst die Speisekarte vor, rief einen Kellner zur Bedienung herbei.

»Sie sind hier vorzüglich untergebracht,« meinte Dorival.

»Ich bin auch sehr zufrieden,« antwortete der Doktor. »Es ist eine Wohltat, in einem guten deutschen Hotel zu wohnen. Denken Sie nicht manchmal mit Schaudern an unsere brasilianischen Hotels?«

Dorival lachte.

Marcellino stimmte vergnügt in das Lachen ein.

In diesem Augenblick erschien der Direktor des Hotels wieder und führte Sennor Claudius an den Tisch der beiden Freunde. Er wartete die Begrüßung der Herren ab. Dann beugte er sich zu Dorival und flüsterte ihm zu:

»Ein Herr möchte Sie sprechen. Er wartet in der Halle!«

»Ein Herr?« fragte Dorival erstaunt. »Er soll doch hereinkommen.«

»Der Herr bat ausdrücklich, ich möchte den Herrn Baron bitten, für einen Augenblick herauszukommen!« sagte der Direktor und wischte sich heimlich den Schweiß von der kahlen Stirn.

Dorival erhob sich.

»Ich bin gleich wieder hier. Bitte, entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«

Die beiden Herren nickten ihm zu, und er gab dem Direktor einen Wink. »Kommen Sie. Zeigen Sie mir den Herrn!«

Der Direktor öffnete die Saaltür.

Draußen stand der Portier und gab einigen Hausknechten Anweisungen über die Fortschaffung mehrerer Gepäckstücke.

»Wo ist der Herr?« fragte der Direktor den Portier.

Der Portier schien nur auf diese Frage gewartet zu haben. Er trat auf die andere Seite Dorivals und deutete auf die offene Tür, die in das Zimmer des Direktors führte. »Bitte, treten Sie hier hinein.«

Gefolgt von dem Direktor und dem Portier betrat Dorival den Raum. Neugierige Blicke folgten ihm. Die Beamten an der Auskunftstelle, die Liftjungen, die Diener am Windfang des Haustores, die Dame am Fernsprecher, die Hausknechte, sie alle stierten nach der Türe, durch die die drei Männer verschwunden waren und die der Portier hinter sich zugezogen hatte –

Aber es blieb alles still.

Kein lautes Wort drang aus dem Raum heraus und lohnte die Ausdauer der Neugierigen. Einmal schien es den Zunächststehenden, als hätten sie den berühmten Hoteldieb laut lachen hören.

Da trat der Herr vom Zimmer 273, der Freund des Hoteldiebes, aus dem Speisesaal. Suchend blickte er sich um. Die Hausknechte formierten sich sofort zu einer geschlossenen Reihe und verstellten den Ausgang.

»Wo ist mein Freund?« fragte er den Hausknecht, der ihm zunächst stand.

Dem Mann verschlug die Aufregung die Stimme. Er schluckte ein paarmal, brachte aber kein Wort heraus.

»Da drinnen,« rief statt seiner ein Liftjunge. »Sie werden auch schon erwartet.«

Marcellino trat in das Zimmer des Direktors und blieb erstaunt auf der Türschwelle stehn –

Sein Freund Dorival von Armbrüster saß auf einem Stuhl. An seinem rechten Bein waren Unterhose und Beinkleid in die Höhe gestreift, so daß das Knie entblößt war. Ein Schutzmann beugte sich über ihn. Dann richtete sich der Schutzmann auf, und Dorival warf den Kopf zurück und riß den Mund weit auf –

»Kennen Sie den Herrn?« fragte der Portier und zeigte auf Dorival. Dabei bohrten sich seine Blicke fest in die Augen des Brasilianers.

»Natürlich. Ich habe ja ein Fahr lang mit ihm gearbeitet!« erklärte Marcellino. »Was geht denn hier vor?«

»Der vorletzte Backenzahn auf der linken Seite!« lallte Dorival.

Der Portier aber packte mit festem Griff den Arm des Brasilianers und sagte: »Nicht gemuckst!«

Der Brasilianer stand wie versteinert da. Seine Augen flogen von einem zum andern. Der Hoteldirektor stand rechts von dem Schutzmann, mit erhobenen Armen und dem geheimtuerischen Gesicht eines Orchesterdirigenten, der seine Musiker zu einem Pianissimo ermahnt. Der Portier glotzte ihn an, wie ein bissiger Hund. Bon dem Schutzmann konnte er nur den breiten, prallen Rücken sehen und den Griff des Säbels, der dem Mann an der Seite hing. Aber Dorivals Gesicht war ihm zugewandt. Und als Dorival den Brasilianer sah, der mit halbgeöffnetem Mund dastand, wie vom Himmel gefallen, brach er in lautes Lachen aus.

Er sprang auf.

»Nun, Herr Wachtmeister, haben Sie sich von dem Fleck am Knie und von dem Vorhandensein der Goldplombe überzeugt?«

»Das hat seine Richtigkeit,« antwortete der Wachtmeister. »Hier ist Ihre Legitimationskarte, Herr von Armbrüster.« Er gab Dorival das Ausweispapier zurück. Dann setzte er den Helm auf. »Ich bitte um Entschuldigung, Herr von Armbrüster!« Dann grüßte er und ging.

Der Direktor aber war todunglücklich.

»Mich trifft keine Schuld, Herr Baron!« zappelte er. »Sie dürfen mir glauben! Dieser Esel von einem Portier, dieser Vogelsang, ist es gewesen! Gestehen Sie!« Er wandte sich nach dem Portier um, aber der hatte sich schon geräuschlos gedrückt. – »Bringen Sie mich nicht um meine Stellung, Herr Schnepfe!« jammerte der Direktor weiter. »Wenn Sie mich verklagen, Herr Schnepfe, bin ich ein verlorener Mann!« Er folgte Dorival in die Halle. »Ich bitte, Herr Schnepfe –«

»Mann, wenn Sie mich noch einmal Schnepfe nennen,« donnerte ihn Dorival an, »rufe ich den Schutzmann zurück und lasse Sie sofort abführen! Nach dem Alexanderplatz. In eine sehr ungemütliche Arrestzelle!«

Es tat ihm gut, einmal einem anderen mit dieser Arrestzelle drohen zu können. – Unwillkürlich mußte er lächeln.

Dieses Lächeln legte der Direktor zu seinen Gunsten aus und mit einem tiefen Bückling sagte er:

»Darf ich den Herrn Baron wieder in den Speisesaal führen?«


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