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Sechstes Capitel.
Das Atelier.


Es war beinahe drei Uhr, als die Beiden in der Nähe von Santa Maria Maggiore die hohen Steintreppen eines Hauses hinaufstiegen und dann ein großes kaltes, nach Norden gelegenes Gemach betraten, das mit Bildern und Staffeleien angefüllt war. Ein ältlicher kleiner Mann im Malerkittel, mit scharfgeschnittenen Zügen, kam ihnen höflich entgegen.

» Il signor Cavaliere non è più in casa,« sagte er zu Habicht, in welchem er den Herrn erkannte, der gestern da war, und setzte dann hinzu, Signor Costante habe lange gewartet und erst vor einer Viertelstunde sich entfernt, weil er den Besuch nicht mehr erwartet habe. Er aber könne das Bild Herrn Habicht übergeben und sei auch vom Padrone beauftragt, die Zahlung in Empfang zu nehmen und zu quittiren.

Während Habicht nun Geld zählte und rechnete und eigentlich in dem von ihm verleugneten Elemente schwamm, ging Constanze lautlos umher und musterte die Bilder eines nach dem andern. Es waren im Ganzen nur vier Bilder, welche Originalgemälde waren, das übrige Studien nach Michel Angelo, Raphael, Titian und Paolo Veronese.

Die vier Gemälde trugen den Stempel eines überlegenen und ganz originalen Genius. Zwei davon waren Landschaften, Ansichten aus dem Sabinergebirge, Beide mit trübem, nichts weniger als blauem Himmel, wie in Italien alle fremden Künstler ihn für die Heimath des Contrastes wegen darstellen; die beiden andern Gemälde stellten Scenen aus dem römischen Volksleben dar. Das eine zeigte eine Bauernhütte; in der Mitte auf ärmlichem Lager ein sterbender Vater, dem sein Sohn, ein ganz jugendlicher Mönch, die letzte Oelung reicht.

Mit sehnsüchtigen Blicken und ausgestrecktem Arm erhebt sich der Greis, um aus den Händen des geliebtesten Sterblichen den unsterblichen Trost zu empfangen.

Der alte Italiener, der den Erklärer machte, bemerkte mit Genugthuung die tiefe Wirkung, welche das Bild auf Constanzen hervorrief. Sie konnte den Blick nicht abwenden von den bleichen Zügen des jungen Mönches, in denen das Glück, dem sterbenden Vater ein Bote Gottes zu sein, den Schmerz des Sohnes ganz verklärt hatte.

Das letzte Bild stellte eine zwar weniger traurige aber doch auch ernste Scene dar: ein Gefangener, der von zwei Sbirren über die Gränze gebracht wird. Der Kopf des Verbannten war rückwärts gewandt und hing mit solcher Sehnsucht an dem Saume der blauen Berge, die seine Heimath umschlossen, daß man fühlte, er würde fern von ihnen nicht das Leben tragen. Die Physiognomie des einen Sbirren war stumm und gleichgültig und blickte vorwärts nach dem Wege; die des anderen mit unverkennbarer Schadenfreude auf das von Trauer beschattete Antlitz des Jünglings gerichtet, der im Costume eines albanesischen Bauern dennoch einen politischen Verurtheilten darstellen sollte – denn diese allein wurden verbannt.

Constanze stand noch immer in Sinnen verloren vor dem Bilde, und daß die Bilder so gut gemalt, so meisterhaft angelegt, verstimmte sie eigentlich, denn sie dachte – »sie sind zu gut für Manfred; solch ein Meister kann noch nicht aus ihm geworden sein! – Es war wieder eine der hundert Täuschungen, die ich schon erlebt hatte, seit dem ich ihn suchte« – als die krähende Stimme des Italieners rief: » Ecco il padrone.«

Sie wandte sich in der Thüre stand ein großer blasser Mann mit langem dunklem Bart; er war ihr fremd – da nahm er den Hut ab; hell fiel das Licht in seine Augen – diese Augen kannte sie, es waren dieselben, die sie einst die Augen eines Mädchens genannt hatte – und Alles nicht achtend eilte sie auf den Maler zu, und ihm beide Hände hinstreckend, rief sie mit dem Tone, der jubelnd aus dem Herzen kommt:

»Manfred, Gott sei Dank, Manfred, ich habe Sie gefunden.«

Manfred sagte nichts; er beugte aber tief sein dunkles Haupt auf ihre Hände und preßte sie an Mund und Stirne – er konnte nicht denken – viel weniger sprechen! Sie wiederzusehen, sie die Einzige, die er je geliebt, und so wiederzusehen in seinem Atelier, ihn suchend, wie sie ja selbst sagte, dieß Glück verwirrte seine Gedanken!

»Gnädige Gräfin!« hier blieb Herr Habicht stecken, als er die Beiden sah, denn auch ihm gingen die Gedanken aus beim Anblick der Gruppe, die sich so überraschend seinem Auge zeigte.

»Manfred! wo waren Sie?« rief endlich wieder Constanze aus – »wo, all' die lange Zeit?«

»In meinem Atelier, in meinen Studien und Erinnerungen!« antwortete er – »in Ihren habe ich gelebt – das wo ist gleichgültig!«

Sie schüttelte den Kopf.

»Das ist es nicht – es ist nicht gleichgültig. Wären Sie nicht hier in Rom gewesen, hätten Sie nicht Jahre lang die weiche Luft Italiens geathmet und Ihr Auge an den Formen und Farben des Südens gebildet – würden Sie dann der Schöpfer dieser Bilder hier geworden sein?«

»Glauben Sie, daß es nur die Bildung des Auges an Formen und Farben, die Bildung des Geschmacks an großen Meistern ist, wodurch ich weiter gekommen bin?«

»Und was Anderes sollte es sein?« fragte Constanze.

Manfred sah sie einen Augenblick schweigend an, dann sagte er:

»Es ist freilich wahr, ich verdanke Italien viel. Ich habe auch viel und eifrig studirt. Wohl nie bat ein Kunstjünger unermüdlicher das Albanergebirge durchstreift und nach Stoffen für sein Skizzenbuch gieriger die Höhen Sabinums umwandert; nie kann die Schöpfungen Raphael's, Titian's und Michel Angelo's ein gläubig andächtiger Pilger tiefer in seine Seele aufgenommen haben. In der That, an heiligem Eifer, an Fleiß, an rastlosem Streben mit einem Wort habe ich es nicht fehlen lassen.«

»Aber?« fragte Constanze – »Sie wollen ein Aber folgen lassen.«

»Aber was nutzt das Alles,« fiel Habicht ein, »wo nicht das Talent die Hauptsache ist!«

»Das wollte ich nicht sagen,« antwortete lächelnd Manfred – »so arrogant bin ich nicht; ich wollte sagen – die Hauptsache scheint mir, welche Welt der Künstler selbst in sich trägt, in welche Atmosphäre ihn sein Schicksal gestellt hat, an welchen Gedanken sein Inneres still sich nährt. Und so glaube ich denn, daß ich den besten Theil dessen, was ich erreicht habe und geworden sein sollte, doch mit aus Deutschland nach Italien gebracht habe!«

»Das ist recht gesprochen – stolz liebe ich den Spanier« – rief Habicht aus.

Aber Manfred's Auge blickte in das Constanzens, und sie las darin, daß es nicht Stolz war, was eben aus Manfred sprach!

Herr Habicht begann sich in Ausrufungen über seine Freude zu ergeben, der Erste gewesen zu sein, welcher den großen Künstler entdeckt und nun den werthen Landsmann in ihm gefunden habe; er zeigte eine wirklich liebenswürdige Theilnahme und Aufregung darüber.

Constanze hatte sich unterdeß noch einmal den Bildern betrachtend zugewandt; doch bald kehrte ihr Auge von denselben zurück, und blieb auf der Gestalt Manfred's haften, die ihr die alt bekannten Züge, und doch eine so eigenthümliche, so anziehende Veränderung des ganzen Menschen zeigte. Wie männlich, wie ernst gehalten in edlem Selbstbewußtsein war der junge schüchterne Kunsteleve geworden! Welcher sprechende Ausdruck war auf dieß feingeschnittene, schöne, von der südlichen Sonne gebräunte Antlitz getreten!

Manfred wandte sich von Habicht ab, und der Gräfin wieder zu:

»Eines vor allen Dingen, eine Frage erlauben Sie auch mir, gnädige Gräfin,« sagte er.

»Fragen Sie!«

»Ich erhalte durch die dritte Hand so unzuverlässige Nachrichten über meinen Vater. Wissen Sie nichts Näheres von ihm?«

»Es geht ihm gut, schrieb man mir noch vorgestern. Aber warum schreiben Sie ihm nicht?«

Manfred ließ ihre Hand los, die er bis jetzt zwischen den seinigen gehalten, und fuhr sich damit über die Augen; dann zu dem ersten Bilde hinzeigend, welches den jungen Mönch am Sterbebette seines Vaters darstellte, sagte er mit schmerzlichem Lächeln:

»Ich bin in der Lage des jungen Mönchs; die Würde des Priesters überwiegt in mir den Schmerz des Sohnes; erst wenn er schwach und kränklich meiner bedarf, kann ich mich ihm zeigen und ihm zugleich mit der Liebe des Sohnes den Trost der Kunst bringen. Sobald ich meinem Vater schreiben würde, würde er zu mir eilen, und mir alle meine Bilder –«

»Beregenbogen!« sagte Habicht lächelnd, der hinzugetreten war, von beiden unbemerkt.

Constanze lachte herzlich bei der Vorstellung, wie zu diesen vier Bildern ein Regenbogen stimmen würde, während Habicht seinem alten Bekannten herzlich die Hand schüttelte, und so alles wieder in's Geleise des gewöhnlichen Lebens trat.

Constanze bestand darauf, daß Manfred mit ihr nach Hause fahren solle, obgleich er durch allerlei Vorwände und durch traurige und bedeutsame Blicke sie anzuflehen schien, ihn in seinem Asile zu lassen, und nicht von neuem dem Zauber ihres Wesens, dem er sich so heldenmüthig entzogen, auszusetzen.

Es war aber wahrhaftig nicht Koketterie oder Grausamkeit in Constanzen, sondern der Wunsch, sobald als möglich aus Manfred's eigenem Munde seine Geschichte zu hören, wie es ihm ergangen, wie er zu einem großen Maler geworden, was sie trieb, Manfred's vernünftigem Verlangen nicht nachzugeben. So stieg er denn mit ihr und Habicht in den Wagen. Als Habicht sich vor ihrer Thüre verabschiedet, um hinauf zu seiner Frau zu geben, wandte sich Constanze zu ihrem Diener und befahl ihm für das Diner noch ein Couvert aufzulegen.

»D'rin im Salon sitzt auch noch ein Herr, wird er auch mit der gnädigen Gräfin speisen?«

Constanze öffnete die Thüre, da saß auf ihrem Canapé ganz behaglich mit einigen alten Münzen spielend ihr Vetter.

»Sie sehen, theure Cousine, ich nehme das Recht des Verwandten in Anspruch, und lade mich hiemit selbst zu Tische, bin Ihnen aber doch sehr dankbar, daß Sie an mich gedacht und für mich ein Couvert aufzulegen befohlen haben, wie ich eben höre.«

Hugo hatte Manfred noch nicht gesehen, erst jetzt betrat der Maler die Schwelle, aber Hugo erkannte ihr nicht und blickte neugierig nach Constanze wie um sie zu bitten, ihm den Ankommenden vorzustellen.

Sie that das lächelnd mit einer Art befriedigten Rachegefühls, indem sie ziemlich pathetisch sagte:

» Il signor cavaliere Manfred Costante.«

Der Name frappirte Hugo, er fixirte den Maler, der ihn lächelnd ansah und sagte dann giftig: – »Wenn ich nicht irre, früher Manfred Mallpott oder Wallpott.«

»Aber jetzt nicht mehr Mallpott oder Wallpott, ich heiße jetzt nur noch Costante – ich thue das, um das Gleichgewicht herzustellen.«

»Wie so?«

»Haben Sie nicht einen Namen mehr angenommen? Anstatt Hugo Mellheim heißen Sie jetzt, wie ich höre, Hugo Merwing zu Melsenz.«

Daß Manfred jeden Titel wegließ, verdroß den neuen Grafen, aber er ließ es sich nicht merken, sondern nahm sich nur vor, durch verdoppelte Malice es dem Maler entgelten zu lassen.

Hugo fragte Constanze, wie lange sie in Rom sei.

»Diesesmal bin ich seit zwei Monaten hier.«

»Und Sie, Herr – Costante?«

»Seit drei Jahren.«

»Da hat gewiß meine Cousine unter Ihrer vortrefflichen Leitung bewundert und genossen, was das alte und das junge Rom (er betonte ›jung‹ besonders stark) dem Fremden bietet?

»Ich kenne nur das alte,« sagte ruhig Manfred, »und verstehe auch gar nicht, was Sie unter dem ›jungen‹ meinen.«

»Nun, die Masse neuer Künstler, die hier schaffen und wirken, sind Sie nicht selbst ein Repräsentant des jungen Roms?«

»Nein, Herr Graf, ebensowenig wie Sie den alten deutschen Adel repräsentiren.«

Hugo wollte auffahren, aber Constanze, die, nach dem sie die Herren einander vorgestellt, das Zimmer verlassen, um einige auf ihr kleines Diner bezügliche Befehle zu geben, trat gerade jetzt ein und sagte:

»Geben Sie mir Ihren Arm, Herr Manfred, mein Vetter muß als Verwandter des Hauses sich ohne Dame begnügen, da hier nur eine ist.«

»Für mich ist in der ganzen Welt nur Eine!« sagte Manfred leise, wie zu sich selbst, indem er ihre Hand in seinen Arm legte – Daß diese Hand heftig zitterte, war nicht gerade geeignet, sein Blut, das ohnehin schon hohe Wellen schlug, zu beruhigen.

Constanze, deren Freude eben noch durch ihres Vetters Gegenwart so ganz zerstört worden, fühlte sich jetzt durchaus von dessen Gegenwart nicht mehr belästigt – im Gegentheil sie war durch Manfred's leise Worte in eine so unaussprechliche Verwirrung gerathen, daß sie Gott dankte, daß ein Dritter zugegen war und sie mit dem Manne, der sie in solche Bewegung versetzt, sich nicht allein befand. Ueberdem freute sie Manfred's ruhige Haltung dem anmaßenden Vetter gegenüber und sie hätte jubeln mögen, daß er seine frühere Schüchternheit abgelegt hatte. Hugo's Hauptabsicht war es zu ergründen, auf welchem Fuße Manfred zu seiner schönen Cousine stand, um derentwillen er selbst Paris verlassen und die er jetzt, nachdem er sie wiedergesehen, keinem abzutreten geneigt war, am allerwenigsten aber dem Maler Manfred, dessen Berühmtheit ihm nicht im mindesten imponirte. Er ahnte nicht, daß sich die Beiden heute zum erstenmal in Rom gefunden und Constanze fand eine boshafte Freude daran, ihn nicht darüber aufzuklären. Selbst als er geradezu fragte, ob sie häufig zusammen den Vatican besucht, hatte Constanze durch die Antwort: »Herr Manfred ist eine viel zu ernste Künstlernatur, um so eine Dilettanten-Seele wie ich bin neben sich ertragen zu können,« ihm die Wahrheit verhüllt. Manfred aber, der ihre Absicht durchschaute und den sie freute, sagte lächelnd: »Sagen Sie die Wahrheit, gnädige Gräfin und gestehen Sie, daß ich Ihnen zu pedantisch bin! Frauen sind das nie und wir deutsche Männer sind es immer.«

»Ich nicht,« sagte Hugo trotzig, »ich nicht! Ich bin kein Pedant, und alle Pedanterie ist mir ein Gräuel!«

»Herr Manfred hat aber doch Recht, das heißt, im Allgemeinen, wenn er sagt, jeder deutsche Mann ist ein Pedant und muß es sein und blos vielleicht, weil Sie eine Ausnahme waren, was immer gefährlich, ist es mit Ihnen so weit gekommen, daß man Sie zum Tode verurtheilt bat!«

»Diese Thorheiten liegen hinter mir!« brummte Hugo verdrießlich.

»Thorheiten nennen Sie das jetzt?« rief Manfred verwundert – vielleicht sogar Irrthümer?« –setzte er ironisch hinzu.

»Warum nicht?« – sagte der neue, sich fühlende Graf trotzig, »warum nicht? man macht sich nur lächerlich damit. Eben so lächerlich, wenn man einem in Dunkelheit versunkenen und in Dunkelheit behaglich sich führenden Volke den Regenbogen der neuen Gnade zeigen will, als wenn man in eine friedliche unbedeutende Landschaft mit matter Beleuchtung einen siebenfarbigen Regenbogen malt!«

»Vielleicht noch lächerlicher,« sagte ruhig Manfred, »und man wird deßhalb auch härter bestraft.«

Sie haben Recht,« lachte laut und gezwungen Hugo, »wenigstens habe ich noch nie vernommen, daß ein Maler wegen eines schlechten Bildes arretirt wäre; aber die dümmste Rede kann Einem das zuziehen, drum hat jeder Recht, der Maler wird; es ist eine sichere und ganz gefahrlose Art, die Leute hinter's Licht zu führen und ihren zugleich dann in der Dunkelheit der Kunstduselei die guten Goldstücke aus der Tasche zu locken.«

»O, wie viel Vorzüge hat überhaupt meine Kunst vor der Ihrigen.«

»Der Meinigen?« fragte Graf Hugo.

»Nun der Kunst ein Redner zu sein!«

Ehe Hugo antworten konnte, fiel Constanze rasch ein:

»Ich erinnere mich bei den Vorzügen der Malerkunst einer Anecdote, über die wir viel gelacht haben. Es war bei dem Besuch eines Ateliers. Eine junge Polin, die zu den Leuten gehört, welche immer etwas sagen wollen und immer das Verkehrteste vorbringen, sagte pathetisch zum Maler: › J'aime beaucoup votre talent!‹ und meinte dabei das Malertalent im Allgemeinen, aber durchaus nicht das des gegenwärtigen Malers, wie dieser und wir alle natürlich glaubten. Als er sich dankbar für das Compliment verbeugte, frug Gräfin Lisinski naiv: › Savezvous pourquoi?‹ Der Maler zuckte bescheiden die Achseln und sie versetzte nun mit großer Befriedigung: › Parcequ'il ne fait pas de bruit!‹Der Maler war über diese anscheinende Grobheit außer sich, die Gräfin aber entfernte sich sehr zufrieden mit sich selbst und ihrer neuen Idee!«

Obgleich Constanze es so auf alle Weise versuchte, die Unterhaltung im ruhigen Geleise zu lassen, so gelang ihr dieses doch durchaus nicht, denn Hugo suchte etwas darin, Manfred, er mochte sprechen von was er wollte, auf seine Maler-Beschäftigung zurückzuweisen, was dann Manfred vergalt, indem er ihn an seine Demokratenlaufbahn erinnerte, weil er mit feinem Tact sehr wohl die absichtliche Beleidigung herausfühlte.

So frug Hugo nach einer Pause:

»Sind Sie Portraitmaler?«

Worauf Constanze verweisend sagte:

»So haben Sie doch kein so schlechtes Gedächtniß! Ich habe Ihnen ja erzählt, daß Herr Manfred nur das Genre und die Landschaft anbaut.«

»Schade,« sagte in seiner eigenthümlichen rücksichtslosen Weise Hugo: Ich hätte ihm dann viel Beschäftigung zuweisen können. Die halbe französische Garnison würde sich von ihm haben malen lassen.«

»Sollte die mit Ihnen über Portraits sich unterhalten?« sagte lächelnd Manfred – »dann kennen die Herren sicher nicht Ihre Vergangenheit und wissen nicht, zu welchem Zweck einst Ihr Portrait bei meinem guten Vater bestellt wurde.«

»Und zu welchem Zweck war es denn,« fragte Constanze, die sich dessen nicht erinnerte.

»Für den Galgen!« fiel Hugo bitter ein, »und das war ein Glück, so hatte Herr Wallpott doch wenigstens einen hohen Kunden.«

Manfred sagte eiskalt aber sehr scharf:

»Es ist wieder ein Beweis von dem, was ich vorhin behauptete, daß Sie nämlich kein Repräsentant des alten Adels sind, wenn Sie in Gegenwart einer Dame über meinen Vater spotten.«

Hier sprang Hugo auf – aber sich sogleich wieder setzend, sagte er nur: »wir sprechen uns nachher – möge Ihnen dann der Beweis, den ich Ihnen führen werde, daß ich meinen Stand zu vertreten weiß, nicht unbequem werden.«

Manfred beugte ruhig lächelnd das Haupt und sagte nichts, Constanze aber hätte ihren Vetter ermorden können, daß er so rücksichtslos sich in ihrem Salon benahm. – Weil sie aber dennoch Hugo's Rachsucht fürchtete und wohl sah, daß sie seiner Eifersucht entsprang, sagte sie nach einer Weile, wo alle stumm gesessen:

»Haben Sie mich gleich erkannt heute, Herr Manfred – ich kannte Sie erst, als Sie Ihren Hut abnahmen.«

»Wie,« rief mit unverstellter Freude Hugo, »Sie haben ihn erst heute getroffen?«

Da sagte Constanze lächelnd: »Herr Habicht war dabei und ihm verdanke ich auch allein die Entdeckung dieses flüchtigen Landsmanns.«

Von diesem Augenblicke an änderte Hugo sein Benehmen; hatte er vorher Manfred überall zu kränken, zu verletzen, ja zu beleidigen gesucht, so war er jetzt höflich gegen ihn, ja sogar verbindlich – er konnte ja nicht Constanzens Liebhaber sein – sie hatte ihn ja erst vor einer Stunde wiedergesehen und bei ihrer letzten Zusammenkunft, vor so langer Zeit, im Arresthause, war er ja selbst gegenwärtig gewesen. Hugo hatte jetzt wieder Fahrwasser.

Manfred nahm aber durchaus keine Notiz von Hugo's Freundlichkeit, er konnte natürlich so rasch dessen Beleidigungen nicht vergessen, und nahm deßhalb seine Artigkeit eben so kalt wie früher dessen Unhöflichkeiten auf.

So wurde die Mahlzeit ohne Harmonie zu Ende gebracht, es war schon dunkel, als die Herren aufbrachen, Hugo ging noch zu Habicht's hinauf, denn die kleine Frau hatte schon zweimal herunter geschickt, um Alle zum Thee einladen zu lassen, Constanze aber und Manfred sich entschuldigt, was Hugo wegen seiner frühern Beziehungen doch nicht zu thun wagte. Hugo empfahl sich zuerst, aber Manfred stand zu seiner Beruhigung auch schon an der Thüre, den Hut in der Hand und Constanze frug ihn nur noch nach dem Wege nach Andrea della Valle und so ging er in der festen Ueberzeugung, daß Manfred unmittelbar nach ihm auch gehen werde.

Als er aber nach zwei Stunden die Treppe von Habicht's herunterkam, traf er Manfred, wie er erst jetzt von Constanze ging – zwei Stunden also waren sie noch allein gewesen – sein Zorn – seine Eifersucht übermannten ihn so sehr, daß er auf Manfred zutrat und ihn auf das Barscheste frug:

»Was haben Sie bis jetzt bei der Gräfin gemacht?«

»Welches Recht haben Sie das zu fragen?«

»Recht genug,« lachte höhnisch Hugo, »einem Mann gegenüber, der einst um dieselbe Stunde bei meiner schönen Cousine für mich den Ehemann spielen mußte. Haben vielleicht Herr Manfred Wallpott wieder solches hohe Spiel gespielt?«

Manfred faßte Hugo's Arm, daß dieser aufschrie.

»Sie sollen,« sagte er zornig, morgen den Ritterschlag von mir erhalten, der Ihnen sehr nothwendig ist, und zugleich kann er Ihnen einen Denkzettel für Ihren losen Mund geben, wenn er ihn nicht ganz versiegelt.«

»Wo?« frug Hugo, seinen freigelassenen Arm schüttelnd.

»In meinem Atelier, wir sind nirgends sicherer und auf jeden Fall wird Ihnen dann ein Verband zu Theil!«

»Zupfen Sie aus Ihrem Malerkittel Ihre Charpie für sich selbst!« sagte Hugo grimmig, indem er den Corso hinabschritt, während Manfred den Weg über die Piazza del Popolo einschlug, weil er noch einmal Constanzen Fenster sehen wollte, der er seit zwei Stunden seine einfachen Schicksale, seine Prüfungen, seine Studien, sein ganzes Leben mitgetheilt hatte.



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