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Von einigen der Franckfurter und anderer Juden Feyer-Tagen

... Bey dem Jom Kippur oder grossen Versöhn-Fest der Juden, welches den 10. Tag des Monaths Tisri, nach ihrem neuen Jahr gegen Ende unseres Septemb. fället, passiren viele Ceremonien. Eine der vornehmsten (nächst dem Fasten und daß sie keine Schuhe anziehen, alle so im Bann sind, lösen, alle Gelübde und Eydschwüre des vergangenen auch wohl bevorstehenden Jahrs aufheben) ist die Versöhnung wegen ihrer Sünden. Die zehen Tag vom Neuen Jahr bis auf den Versöhn-Tag heissen die zehen Bußtage, da sie fasten (ohne den dazwischen fallenden Sabbath). Sobald sie nun den 9.ten Tag, und also den Tag vor dem Versöhn-Fest Morgends aus der Schul nach Hauß kommen, nimmt ein jeder Mann, auch jeder Knab einen Hahn, die Weiber aber jede eine Henne, darzu die weissen am besten sind, in ihre Hände, eine schwangere Frau aber für sich und ihr Kind einen Hahn und Henne, beten aus den Psalmen Davids Psal. 107-10 und spricht hernach aus Job: ›So denn ein Engel, einer aus tausend mit ihm redet, zu verkündigen dem Menschen, wie er solle recht thun. So wird er ihm gnädig seyn und sagen, er soll erlöset werden, daß er nicht hinunter fahre ins Verderben, denn ich habe eine Versöhnung funden‹; nemlichen den Hahn oder Henne, so er in Händen hat, den schlagt oder wehet er drey mahl um seinen Kopff und spricht zu jedem Schlag: Dieser Hahn seye eine Verwechslung für mich, der komme an meine Statt, der sey die Versöhnung (Capporah) für mich, diesem Hahn soll der Todt kommen, mir aber und gantzem Israel ein glückseliges Leben, Amen... In der Synagog haben die Männer ihr weisses Todten-Hembd und weisse leinene Todten-Haub auff, die Weiber tragen einen schwachen Lappen, der auff den Achseln roth oder andere Farbe ist, stecken die Ermel durch, und ist fast wie der Männer Arba Canphos oder Beth-Brustlappe; die Männer schlagen sich offt mit der Faust unter dem Gebet auff die Brust ... Einige legen sich dahin zur Erde, um sich von anderen schlagen zu lassen, andere thun sich, ohne das 24stündige Fasten, andere Plage an, sonderlich halten sie das Stehen hoch, wie ohne dem ihr Gebet soll stehend verrichtet werden ... Sich nun am Versöhn-Tag gar wehe zu thun, stehen die Frömste das gantze Fest, Tag und Nacht auff einer Stelle in der Synagog, ohne Essen, Trincken oder Schlaffen.

 

Wir haben noch etwas wegen des Hamans-Fest oder Purim zu gedencken, welches der Juden Fast-Nacht ist, an welchem sie die glückliche Erlösung der Juden in Persien zur Zeit des Königs Ahasveri, durch Vorschub der Königin Esther und ihres Vettern, des Mardochai, von des Hamans listigen Anschlägen, der auff eine Zeit das gantze durch Ahasveri 127 Länder zerstreute Jüdische Volck wollen ausrotten lassen, preisen. Es fällt solches Fest gegen Ende unseres Februarii, anno 1714 war es den 28. Febr. und 1. Mertz. Man lieset in den Synagogen das Buch Esther, worin diese Erlösung beschrieben wird, und hat ein jeder Jud sein zusammen gerolltes Buch Esther in der Hand, so auff Pergament geschrieben, die aermste haben es auch auff Rollen-Art wie die geschriebene gedruckt; und wann im Lesen des Hamans Namen genennet wird, machen Jung und Alt ein groß Geräusch, stampen mit den Füssen, schlagen auch wol mit Steinen oder höltzernen Klöppel und Hämmern, wie ich in Altona gesehen, auff Stühl und Bäncke.

Die Ueppigkeit und Insolenz der Juden an diesem Purim-Fest, so an statt der Fast-Nacht, ist mit Verkleiden Spielen Fressen Sauffen und anderem Muthwillen überauß groß ... Unsere Franckfurter Juden fasten den ersten Tag am Purim, den zweyten essen sie etwas zu Morgends, Nachmittags aber nach 3 Uhr gehet das Schlemmen Fressen und Sauffen an. An der Schul brennen sie viele Lichter, wie Pyramiden von dünnen Wachs-Lichtern geflochten, sonderlich wird von Wachs-Lichtern des Hamans und der Seres Bild gemacht unb angezündet auff dem Almemor. Die Weiber machen am Purim den ersten Abend ihre gegitterte Fenster auff, daß sie in die Männer-Synagog können sehen, solches ist ihnen alsdann erlaubt, weil die Erlösung durch ein Weib die Esther geschehen; solches ist ihnen auch am שמחת תורה Simches-Thorah, da man sich wegen vollendeter Lesung des Gesetzes erfreuet, erlaubt, damit sie an solcher Freude auch Theil haben, weil das gantze Volck Israel am Berg Sinai sich über das Gesetz erfreuet hat.

Daß auch unsere Franckfurter Juden an ihrem Purim und Hamans-Fest sich wacker herumb tummelen, essen und trincken, frölich sind und allerhand Lustbarkeit treiben, ist ausser allem Zweiffel, und wollen wir dessen eine sonderliche und merckwürdige Probe anführen, daß sie ein paar Jahr vor dem Brand auff ihren Purim allhier im Hauß zur weissen oder silbernen Kand, so damahls David Ulff (der jetzo Rabbiner zu Mannheimb ist) eigentlich zustunde und von Löw Worms umb Zins bewohnet wurde, anjetzo dem Wertheimer von Wien zuständig ist, in ihrer Gasse ein Theatrum aufgeschlagen und eine Comoedie von der Verkauffung Josephs gespielet, und die bey dergleichen Schau-Spielen gewöhnliche machinen verfertiget, in Verkleidung allerhand Auffzüge vorgestellet, auch so gar einen Pickelhäring in lächerlicher bundfarbiger Kleidung dabey auffgeführet, welches dann einige Prager und Hamburger Juden-Studenten sollen verfertiget und präsentiret haben, davon der Verfertiger und Haupt-Director, wie mich ein Jud berichtet, Beerman von Limburg seyn soll, der sich zu Friedberg verheurathet und wohnhafft niedergelassen. Die Juden, so es mit selber angesehen, können den Wunder nicht genug erzehlen, wie Feuer, Himmel, Donner und allerley wunderliche Sachen darbey seyen zu sehen gewesen ... Sie haben zwey solcher Comödien damahls agirt, wechselweise, eine von David und Goliath, so nicht in Druck kommen, die andere von (der) Verkauffung Josephs, und das 14 Tag vor und 14 Tag nach dem Purim, haben auch umb den grossen Zulauff abzuhalten, zwey Soldaten an die Thür des Hauses, worin sie agirt, gestellet, und da sich endlich auch Christen als Zuschauer angemeldet, haben die Baumeister das fernere Agiren bey 20 Thaler Straffe verbotten. Daß die Juden ein gar groß Vergnügen müssen daran gehabt haben, ist dahero wohl abzunehmen, daß sie nicht nur diese Comödie auch so gar mit Hebräisch-Teutscher Schrifft trucken lassen, so aber Joh. Wust zu Franckfurt gedruckt, sondern auch, da durch den grossen Brand die Exemplaria im Feuer verzehret worden, dieselbe anno 1713 allhier wieder auflegen lassen ... Sonsten haben sie auch die Comödie vom Ahasverus und der Königin Esther gemeiniglich auff das Purim allhie gespielet, so aber nachmahls von ihren Vorstehern verbotten worden.

 

Wann in der Welt etwas ist, das die Juden mit grosser Behutsamkeit und Sorgfalt behandeln, so ist es das Brot, so sie auff Ostern bereiten und essen, daß sie ja auch die geringste Säuerung mögen vermeiden. Bey denen süssen Broden oder Matzer-Kuchen, wie sie es nennen, welche rund und gantz dünn sind, sehen sie auffs sorgfältigste zu, dass ja nichts das geringste, so eine Säure erwecken könne, zu komme.

Man sihet mit Lust zu, wie alles mit Eyfer an Verfertigung der Matzkuchen arbeitet. In dem grossen Juden-Bleich-Garten, wo die fünff grosse Back-Oeffen stehen, wird eine sehr lange Hütte von Brettern, in welcher von einem Ende biß ans andere lange Tische sind, allhier aufgeschlagen, da wimmelts und krimmelts von Menschen, alte Männer und Weiber, Buben und Mägdlein, und was nur kam, hilfft an Verfertigung der Oster-Kuchen, mit einem grossen Geschwaerm; dann weil es ein so grosses מצוה und verdienstliches heylsames Werck ist, so will ein jeder gern daran Theil haben.

N. Salomo im ›Schefet Jehuda‹ erzählet, daß im 4. Jahr Alphonsi in der Stadt Ossuna in Spanien sich wider die Juden eine Verfolgung, den Tag vor ihrer Ostern erhoben, und sie erwürget worden, haben sich einige in der vornehmen Herrn Palläste retirirt, da sie zwar Sicherheit, aber nichts zu essen gefunden; dann weil sie kein gesäuert Brod essen dürfften und doch kein ungesäuerts hatten, musten sie 8 Tage, die gantze Oster-Zeit über fasten. Eben dieser Jüdische Historicus erzehlet, er habe in Spanien einen Mann gekandt, der ein heimlicher Jude, aber mit Gewalt zum Christl. Glauben gezwungen worden, welcher das gantze Jahr hindurch ungesäuert Brod (ob es wohl sehr ungesund ist) asse, vorgebend, sein Magen könne keinen Sauerteig leiden, damit er also am Oster-Fest der Juden ohne Argwohn Süssebrod essen mögte ...

Die Ostern legen die Juden in die Eß-Schraencke, auff die Bäncke, Gesimse, vor die Fenster und wo sie etwas wollen hinstellen, besonbere Bretter (oder auch wohl reine weise Tücher), aus Furcht, wo sie das nicht thäten, es mögte vom Bier oder andern sauren Feuchtigkeit etwas an solche Oerter vormahls seyn verschüttet worden, so man nun ein Glaß oder Geschirr an solchen Ort stellete, mögte sich einige Säure hinein ziehen. Diese Bretter werden nach dem Fest weggethan unb verwahret, biß wieder Ostern wirb. Jebet Haus-Vater trinckt auff Ostern 4 Becher rothen Wein, und zwar vier, weil von der Außführung aus Egypten Gott vier Wörter braucht: הוצאתי ich hab ausgeführt, הצלתי ich hab errettet, נאלתי ich hab erlöset, לקחתי ich hab genommen. Rothen Wein wehlen sie wegen deß Bluts der Israelitischen Kinder, darin sich Pharao, wie sie vorgeben, weil er außsätzig, gebadet. Nach dem vierten Becher dörff man die Osternacht nichts mehr trincken, als etwan Wasser im höchsten Durst, weil solches nicht zur Lust, sondern zur Noth geschiehet.

 

Von dem Lauberhütten-Fest, so gleich nach ihrem grossen Versöhn-Tag, zu Anfangs unseres Octobris einfällt, will ich nur dieses gedencken, daß sie in ihren Lauberhütten, sonderlich die Reichen, nicht nur zierliche Tapeten haben, sondern auch güldene Sterne, allerhand zierliche Obst-Früchte, auch wohl Kürbisse, und in jeder Hütte eine dürre Zwiebel henckt, darin vier Gäns- oder andere Federn stecken, dadurch sie meinen, daß alles böse zurücke auß dieser Lauberhütten soll gehalten werden; wie sie dann ohnedem den Zwiebeln grosse Krafft beylegen, dahero fast jeder Jud eine weisse Zwiebel in seiner Stube hencken hat, damit er für Zauberey und allerley Uebel, so ihm böse Leuthe anthun könnten, möchte gesichert seyn. Die Verständigere aber sagen, weil die Zwiebeln alles Gifft und Böses an sich ziehen. So haben sie auch in jeder Hütte ein weisses Hüner-Ey hencken, so ausgeblasen und leer ist, auff welches sie die Worte Hebräisch schreiben: ׃בסכות תשבו שבעת ימים sieben Tage solt ihr ihr in Laub-Hütten wohnen, dessen Ursach mir kein Jud sagen wollen, sondern alle vorgegeben, es sey nur zur Zierde und für nichts.


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