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Von Plünderung der Juden-Gasse und ihrer Vertreibung

Es haben also unsere Juden in ihrer Gaß zimliche Ruhe und Vergnügen genossen, biß zu Anfang des vorigen Seculi, da bey entstandenen schweren Mißhelligkeiten zwischen einem Hoch-Edl. Rath und der Löblichen Burgerschafst allhier, man unter andern sich auch über der Juden so wohl überhäuffte Anzahl als auch unerträglichen Wucher hefftig beschweret, selbige gäntzlich aus der Stadt zu schaffen eiferig gesuchet ... Da nun solche Mißverstandnüß durch Veranlassung einiger unruhiger Leute zu einem unverantwortlichen Auffstand ausgebrochen, haben auch die Juden allhier ziemlich dabey leiden müssen, in dem an. 1614 ihre Gasse geplündert und sie selbst aus der Stadt gejaget worden ... Es hatte die Franckfurter Uneinigkeit schon 2 Jahr gewähret, als der Juden-Lermen angieng. Die wahre Veranlassung aber zu selbigen ist diese: es hatte Johann Sauer, ein Buchdrucker, ohne eines E. Raths Vorwissen der Juden Stättigkeit und Ordnung an. 1613 drucken lassen, da dann durch unrechten Verstand und Deutung derselben, der gemeine unverständige Pöbel mehr und mehr erbittert worden und die Juden-Gasse zu plündern getrohet, auch nachmahls solches würcklich vollzogen. Nachmahls im folgenden Jahr hatten die Subdelegirte derer Hohen Herren kayserl. Commissarien denen Handwercks-Burschen und ledigen Gesellen ansagen lassen, sie selten ihre Herren und Meister, die sich nach dem Kays. Mandat nicht accommodiren wolten, verlassen, und sich aus der Stadt machen, wofern sie anderst Gefahr und Schaden vermeiden motten. Hierüber kam ein falsch ungegründetes Geschrey in der Stadt auß, als wenn sie alle solten unredlich gemacht und ihre Namen ans Gericht geschlagen werden, darüber entstund ein grosser Tumult und ließ sich gefährlich ansehen, indem die ledige Bursche mit grosser Furie in der Stadt herum tiefen, und sich vieler Drohworte vernehmen liesen; da sich dann auch einige vom gemeinen Pöbel zu ihnen gefügt und den 22. Aug. 1614 die Juden-Gasse zu plündern angefangen. Weit sich aber die Juden widersetzten, haben einige, an statt der Beute, blutige Köpffe davon getragen, auch einer gar einen Arm verlohren. Der Magistrat und Bürger hätten diesen Unrath gern verhütet, wie sich dann auch einige in die Waffen und zu Pferdt begaben, konten aber wegen der Furie und Menge solches Gesindleins, auch einfallender Nacht nichts ausrichten. Indessen sich gegen die Nacht die Juden oben zur Gaß hinauß auf ihren Kirchhoff retiriret und ihre Verwundete mit sich schlepten, und nachmahls bey 1400 sich aus der Stadt gemacht haben.

 

Der Verlaufs dieses Juden-Aufflauffs wird in einer so genandten Wahrhafftigen Beschreibung unter demTitul: Die Plünderung der Juden-Gassen zu Franckfurt am Mayn ausführlich also beschrieben: ›Ist deß Montags 22. Augusti 1614 Nachmittag um 5 Uhr von den Handwercks-Gesellen angefangen/ und die gantze Nacht durch continuirt/ und um 6 Uhr sich am Thor mit hauen/ schlagen und werffen bemühet biß um 10 Uhr/ da sie erstlich unter dem Thor an der Bornheimer Pforten nach der Friedberger Gassen dasselbige Juden-Hauß/ weil es damahls noch keine Mauer / sondern von Holtz und Leime Wand gehabt / ingeschlagen und hinein kommen / dann sie das Thor mit Faß / Tisch / Stühl und Bänck / verwahret, verhofft / daß ihnen niemand konnt zukommen / jederman hielte davor / wenn es hätt Mauren gehabt wie jetzund / es wär ihnen nichts geschehen. Blieben gleich den ersten Anlauff tobt ein Bürger / 2 Juden / gar viel aber beyderseits beschädiget worden / die Plünderung wehret nicht weiter dann biß ein Hauß oder vier über ihr Schul / das wehret deß Nachts / am Tag waren durch die Bürgerschafft die Handwercks-Gesellen abgetrieben / und durch die Bürgerschafft Tag und Nacht bewacht worden / in dreyen Nachten gieng keine Feuer-Pfan in der ganzen Stadt auß / wann man meinet / es wäre alles still / hub sich wieder ein neu Tumult / von allerley gesammlet Gesindel / wie dann auch Burger sich viel darzu gebrauchen liessen. Nachgehends ist die Inquisition geschehen / wer etwas gestohlen / gekaufft oder verkaufft hätte / oder gesehen etwas heimtragen / das Urtheil den Herren Commissarien überschicket / auch ein Urtheil auff unterschiedliche hohe Schulen geschickt / die hohe Schulen aber gaben dieses Urtheil / man könne keinem an seinem Leben noch Ehren nichts thun / dann es sey kein vorsätzlicher Diebstahl / sondern es sey ein gemeiner Raub gewesen / und habe jederman zugegriffen öffentlich ohne allen Scheu / bey Tag und Nacht / bei Fackeln und Feuer-Pfannen / wie dann die Bürger ihre Bücher nahmen / und steckten die auff die Spieß und Helleparten / und zündten die an / und machten Fackeln darauß / und der Juden ihre Wachs-Liechter angezündt / Juden-Kirch oder Schul war ganz jämmerlich zerrissen und durchwühlet / lag Stühl / Altar und alles über einen Hauffen / ja in solchem Aufflauff zwungen die Handwercks-Gesellen die Subdelegirten in wehrender Plünderung / daß sie ihnen einen Revers geben müssen / daß sie nichts anders dann als alles Liebs und Gutes von ihnen wüsten / sollen auch an allen Enden und Stetten angeschlagen werden / sie an ihren Ehren nicht anzutasten / noch auffzutreiben / welcher Revers vorm Römer mit ihren Siegelen angeschlagen war / ward aber hernach / als sie wieder heimkommen / wiederruffen. Als aber der Auffstand also wehret mit der Juden-Gassen / zog der jung Herr Bürgermeister mit den geharnischten Einspengern und sonsten hiesigen Bürgern vor die Juden-Gassen / und ward also das Gesindel Morgends im Tag abgetrieben / und Frieden gemacht / und Tag und Nacht von den Bürgern bewacht / die Commissarien oder Subdelegirten die wolten davon / zum Thor hinauß / aber die Burger wolten es nicht lassen. Darauff folgt der Auszug der Juden / den 23. Tag Augusti 1614 durch Vincentz Fettmilch auff ihrem Juden-Kirchhoff ihnen den Bürger-Schutz auffgesagt / im Namen deß Außschuß / darauff dann in derselben Stund / da man ihnen das Fischer-Feldts Pförtlein eröffnet / ausgezogen / und sie auf dem Wasser hinauff und hinunter abfahren lassen / da seynt ihrer 1380 Personen / Jung und Alt / so zur Pfordten hinaußgangen / abgezehlet worden / und dann noch eine grosse Anzahl in der Bürger-Häuser / und zum Theil in ihren Häusern noch blieben seynd / und ist also die Juden-Gassen zugehalten und nicht bewohnt worden.‹

Wie aber dergleichen ohnbesonnenes Vornehmen deß tollen Pöbels niemahls anders als zu Schaden und ihrem eigenen Verderben auszuschlagen pfleget, so ergieng es auch allhier. Der von denen Herrn Subdelegirten erzwungene Revers wurde widerruffen und annulliret. Dann ihre Principalen der Churfürst von Mayntz Johann Schweickhardt unb Landgraff von Hessen-Darmstadt Ludwig liessen ein Mandatum Contradictorium darwieder ausgehen, darinnen sie vermeldeten, daß dasjenige, so ihre Subdelegirten wegen des Reverses, so den Handwercks-Gesellen gegeben worden, gethan, aus Zwang, weil sie mit den Auffrührischen umgeben gewesen, und sich allerhand Ungemachs befahren müssen, geschehen, dahero sie keineswegs darein willigen und dergleichen ratificiren könten, sondern sich die gebührende Ahndungs-Mittel wegen solches angethanen Gewalts wolten vorbehalten haben.

Vincentius Fettmilch ein Lebkuchen-Becker, der Stiffter aller Unruhe, wurde nicht nur gerichtet, sein Kopf an dem Brückenthurn auffgesteckt, sein Leib geviertheilet und die viertheile an Schnap-Galgen an denen Landstrassen auffgehenckt, sondern auch sein Hauß in der Tönges-Gassen niedergerissen und der Erden gleichgemacht.

 

An Seiten der Juden ist eine fröliche Veränderung erfolget, indem sie durch Kayserl. Befehl mit Solennitäten wieder eingesetzet worden den 28. Febr. 1616, an welchem Tag die Execution an Fettmilchen und seinen Consorten ergangen. Angeführte Executions-Erzehlung meldet davon folgendes: ›Nach Verrichtung aller Executionen / seynd die Juden / welche im Auguste 1614 etlicher massen geplündert / und darauf ausgejagt worden / dieselbige aber bey Rom. Kayserl. Majest. ein scharff Mandatum poenale restitutorium im Februario des 1615. Jahrs erlangt/welches öffentlich vom Roßzoll abgelesen worden/darauff die Juden so bald / welche auf Befelch vor der Stadt auff der Maentzerschütt erschienen und auffgewartet / durch etliche Reuter und einem Fähnlein Fußvolck / mit fliegender Fahn / Pfeiffen und Trummeln in die Stadt über den Roßmarckt / neben dem Execution-Gerüst vorüber / in der Ordnung / mit etlichen ihren Weibern und Kindern / zu ihrer Gassen einbegleitet und eingeführet / vor dem Juden-Thor ihre erneuerte Stättigkeit abgelesen / und an ihre drey Thor / drey grosse auff Plech gemachte Reichs-Adler / mit der Ueberschrifft: Röm. Kays. Maj. und deß H. Reichs Schutz / angeschlagen worden.‹

 

Nach Wiedereinsetzung der Juden in ihre Gasse haben sie zimlich ruhig biß auff den grossen Brandt 1711 gelebet, ohne daß an.1632 den 3. Maji von dem Schwedischen Reichs-Cantzler der Cathol. Geistlichkeit nebst der Judenschafft aufferlegt worden, zu dem Feldzug gegen die Spanier 100 Pferdt samt Geschirr und 8 Bagage-Wägen zu stellen, darauff die Clerisey 3000 Rthl. den Rest aber die Judenschafft erlegen müssen.


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