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Die Botschaft.

Etwa eine Stunde, nachdem Herr Lerse den Hof verlassen hatte, saß Kaspar in seiner Stube und reinigte Gewehre. Zu den beiden ganz neuen Jagdbüchsen, die stets gebrauchsfertig auf der Diele hingen, hatte er auch die beiden älteren Jagdflinten vom Boden geholt. – Wer weiß, wie man sie jetzt würde gebrauchen können! – Bei der großen Trockenheit hatten sie wenig gelitten. Aber etwas Rost war doch daran, und nun putzte er munter drauf los und dachte dabei an allerhand bevorstehende Abenteuer. – Die Herero sollten nur kommen! – Er wollte ihnen schon heimleuchten! – Dazwischen pfiff er sich eins. – »Frisch auf Kameraden« und »Heil dir im Siegerkranz«. Plötzlich wurde an das Fenster geklopft.

Er blickte auf. Traugott, der eine von den beiden Namaleuten, die auf dem Hofe in Dienst waren, stand draußen und zeigte mit aufgeregten Gebärden nach dem Stalle hinüber.

»Was ist denn los?« rief Kaspar und lief zum Fenster.

»Herr!« antwortete der Nama, »Sohn von Kapitän auf Hof – immer bei Keller! – Schnell kommen, Herr!«

»Was?« rief Kaspar. »Ismael? – Und beim Keller? Sollte der uns am Ende heute nacht den Besuch abgestattet haben? – Na warte!«

Schnell steckte Kaspar den Revolver in die Tasche, nahm die Hundepeitsche vom Riegel, stülpte sich den Hut auf und stürmte hinaus.

Richtig! Da stand der Kapitänssohn und machte sich an der Kellertür zu schaffen.

Vorsichtig schlich Kaspar sich hinter dem Stalle heran.

Aber die Herero haben feine Ohren. – Bald hatte Ismael ihn bemerkt, kam, scheinbar völlig unbefangen, als wäre sein Hiersein ganz selbstverständlich, auf ihn zu und streckte ihm mit dem gewöhnlichen »Chuten Morgen!« die Hand entgegen.

»So?« antwortete Kaspar, ohne die Hand zu nehmen. »Erstens ist es jetzt nicht – chuten Morgen – sondern chuten Nachmittag; und zweitens sage mir mal gefälligst, was du hier auf dem Hofe zu suchen hast?«

»Was hier suchen?« entgegnete Ismael mit falschem Grinsen. »Buschläufer suchen. Wieder in Buschwald kommen – jagen.« Dabei zeigte er auf die über die Schulter gehängte Flinte, von der er sich jetzt nie mehr trennte.

»Ach?« rief Kaspar, ohne die Aufforderung zur Jagd zu beachten. »Mich wolltest du suchen? Und deshalb schleichst du dich irgendwo über die Mauer hier zum Keller, statt an das Tor zu pochen, wie es sich gehört? Ich will dir mal was sagen, Freundchen: Jetzt mach schleunigst, daß du vom Hofe kommst und laß dich vorläufig nicht wieder hier blicken, sonst – –!«

Bei diesen Worten hob er drohend die Peitsche und ging auf den braunen Burschen los, so daß dieser sich schleunigst bewogen fühlte, den Rückzug anzutreten. Aber in der Nähe des Tores machte er halt, wartete ruhig, bis Kaspar, der langsam hinter ihm hergegangen war, herankam und sagte, mit aufdringlicher Freundlichkeit, wie vorher: »Warum Buschläufer so böse? … Ismael doch gute Freund!«

»Ein netter Freund!« rief Kaspar. »Hast du mich nicht neulich im Buschwald totschießen wollen?«

Aber nun erhob Ismael ein lautes Geschrei. Wie man ihm eine so böse Tat zutrauen könne! Das sei der lange Joel gewesen, dem sei aus Versehen das Gewehr losgegangen, und der habe auch vom Kapitän schon seine Prügel dafür bekommen. Von Ismael aber dürfe er so etwas nicht denken. Der sei sein bester Freund, und das wolle er ihm gleich beweisen, er solle nur mit in den Buschwald kommen.

Doch Kaspar wußte jetzt wohl, wie er mit diesem wackeren Freund daran war. Er war fest überzeugt, daß Ismael auf dem Hofe nur hatte spionieren wollen und daß er irgend etwas Böses im Schilde führe. Er ließ sich also auf gar nichts weiter ein und befahl dem Häuptlingssohn nochmals, den Hof zu verlassen.

Dabei öffnete er etwas den einen Flügel des aus Akazienholz gezimmerten und mit mächtigen Eisenbeschlägen verwahrten Tores, das jetzt der Sicherheit halber stets verschlossen gehalten wurde.

Darauf schien Ismael aber nur gewartet zu haben. Er gab einen leisen Pfiff von sich, wie der Springbock, wenn er seine Herde warnen will, und im nächsten Augenblick kamen sechs riesige braune Kerle, die offenbar hinter der Mauer auf der Lauer gelegen hatten, auf das Tor zugesprungen, um in den Hof einzudringen.

Aber im Nu hatte Kaspar die Lage durchschaut.

»Holla! So haben wir nicht gewettet!« schrie er und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Torflügel.

Rechtzeitig flog er den Eindringlingen vor der Nase zu. Dann schob er den breiten Riegel vor, hängte, während draußen die Sechs schimpfend mit ihren Keulen gegen das Tor schlugen, die eisernen Stützen ein, die jedes gewaltsame Eindrücken des Tores unmöglich machten, und sah sich nun nach Ismael um, der jetzt sein Gefangener war.

Ismael aber war verschwunden.

»Was!« rief er. »Ist der Bengel verhext? In diesem Augenblicke stand er doch noch hier neben mir? Aber warte nur, dich werden wir schon wieder bekommen!«

Schnell lief er zum Stall, wo Traugott und Elias arbeiteten, um diese zu Hilfe zu rufen.

Aber plötzlich sah er Ismael.

Dicht hinter dem Stalle stand eine Karre hart neben der Mauer. Auf die war der Bursche geklettert und wollte sich eben von dort aus über die Mauer schwingen.

»Traugott! Elias! Schnell hierher!« rief Kaspar, holte den Revolver aus der Tasche und eilte dem Flüchtling nach.

siehe bildunterschrift

Kaspar holte den Revolver aus der Tasche und eilte dem Flüchtling nach.

Als er aber die Karre erreicht hatte, war Ismael schon hinüber. Die spitzen Glasscherben, die sonst überall die Mauer bedeckten, waren an dieser Stelle beseitigt. Offenbar war also hier auch der Einbruch in der letzten Nacht ausgeführt worden.

»So eine Sippschaft!« dachte Kaspar und kletterte nun ebenfalls auf die Mauer. Vielleicht, daß man dem Verräter noch ein paar Revolverkugeln nachschicken konnte.

Aber Ismael hatte sich schon vorgesehen. Auch außen hatten die Herero während der Nacht ihre Vorkehrungen getroffen. Ein großer Felsblock war gegen die Mauer gerückt worden. Den hatte Ismael beim Abstieg benutzt, und lief jetzt querfeldein davon.

Plötzlich jedoch wurde ihm der Weg verstellt.

Sobald nämlich seine sechs Spießgesellen ihn über die Mauer kommen sahen, hatten sie ihre Bemühungen, das Tor zu erbrechen, aufgegeben und waren ihm nachgelaufen.

Jetzt hatten sie ihn eingeholt und umringten ihn mit drohenden Gebärden. Kaspar hörte ganz deutlich ihr wildes Geschrei: »Was?« brüllte ein baumlanger dicker Mensch, in dem Kaspar sogleich den Beestezwinger erkannte. »Willst du uns wieder zum Narren haben, wie gestern und heute nacht? Wo ist der Tabak und der Branntwein, den du uns für die Beeste versprochen hast? Wir wollen unseren Lohn haben. Gib uns unseren Lohn, oder wir schlagen dich tot!«

»Ja doch! Ja doch!« kreischte Ismael dagegen. »Ihr sollt ja alles haben! Was kann ich denn dafür, daß ihr solche Tölpel seid? Warum seid ihr nicht schneller gewesen, als ich gepfiffen habe? In dem Keller sind ganze Fässer voll Branntwein!«

»Was nutzt uns der Branntwein im Keller!« brüllte der Beestezwinger wieder. »Hier wollen wir ihn haben! Wir haben ihn uns sauer genug verdient! Haben wir uns nicht überreden lassen, noch einmal zum Beestestehlen mit dir zu ziehen? Wir lassen uns nicht wieder zum besten halten. Gib uns Branntwein, oder wir schlagen dich tot!«

Dabei drangen sie immer wilder auf Ismael ein, schwangen ihre Keulen und schienen wirklich Ernst machen zu wollen, so daß Ismael vor lauter Angst nicht einmal wagte, seine Büchse auf sie abzuschießen.

Da plötzlich kam von der Werft her ein Reiter angesprengt.

»Hohö! Ihr da! Ihr da!« schrie er schon von weitem. »Wo steckt ihr denn? Der Kapitän schickt nach euch! Eine Botschaft vom Oberkapitän ist gekommen! – Jetzt geht's los! Alle Weißen werden totgeschlagen!«

Auf diese Nachricht hin ließen die Sechs von dem Sohn ihres Häuptlings ab. Mit wildem Gebrüll wandten sie sich wieder dem Gehöfte zu, schleuderten ihre Speere gegen das Tor, schlugen mit ihren Keulen dagegen und zogen endlich mit furchtbarem Geheul hinter dem Reiter und Ismael her nach der Werft davon.


Kaspar hatte seinen Platz auf der Mauer längst wieder verlassen. Er stand mit klopfendem Herzen auf der Karre und beobachtete von dort aus, was draußen vor dem Tore vorging.

»Also Krieg!« sagte er für sich, nachdem die Herero davongegangen waren. »Nun denn, mir soll's recht sein! Mich sollt ihr bereit finden, wenn ihr kommt!«

Entschlossen sprang er von der Karre herab und wendete sich zu den beiden Nama, die inzwischen herbeigekommen waren und mit sehr verwunderten Gesichtern dastanden.

»Traugott! – Elias!« – sagte er, zwischen beide tretend und jedem eine Hand auf die Schulter legend.

»Die Herero werden Krieg anfangen. Sie wollen uns alle totschlagen. Wir müssen erwarten, daß sie uns hier angreifen werden, um unser Gehöft zu plündern. Euch werden sie dann nicht schonen; denn die Herero und die Nama sind Todfeinde von alters her. – Wollt ihr mir treulich helfen, den Hof zu verteidigen, bis morgen der Herr mit den weißen Reitern zurückkommt?«

Mit wild leuchtenden Augen, gefletschten Zähnen und drohend erhobenen Fäusten standen die beiden Nama einen Augenblick da. Der unersättliche Haß ihres Stammes gegen die Herero, der nur durch die Vermittlung der deutschen Kulturbringer zurückgehalten worden war, flammte plötzlich wieder in alter Leidenschaftlichkeit auf.

Dann sprangen sie beide vor Kaspar hin und schrieen: »Waffen geben, Herr! Waffen geben uns! Kein Ovaherero über die Mauer! Alle totschlagen wir!«

»Gut denn; ich will euch Waffen geben. Jeder von euch soll eine Büchse haben!« entgegnete Kaspar, ebenfalls vor Kriegslust glühend.

Aber nun gerieten die Nama ganz außer sich. Sie tanzten um Kaspar herum wie die Wilden, wenn sie um ihre Opfer herum den Kriegstanz aufführen, warfen ihre Hüte in die Luft und schrieen nur immer: »Heiho! Heiho! Wir Büchsen haben, wie Herr! Wir schöne Büchsen haben! Wir totschießen alle Ovaherero!«

Eine Weile ließ Kaspar sie gewähren; hätte er doch am liebsten mittanzen mögen, so sehr brannte er darauf, sich mit den braunen Feinden zu messen und Ismael all die Schurkerei heimzuzahlen, die ihm vorhin offenbar geworden war. Nicht nur auf ihn geschossen hatte Ismael, er hatte auch die Ochsen gestohlen und in der Nacht den Einbruch vollführt; nur ein glücklicher Zufall hatte vorhin den Verrat verhindert, der den sechs Viehhütern hatte den Weg zum Hofe öffnen sollen. Das war ein schöner Freund gewesen! Aber sie wollten schon miteinander Abrechnung halten!

»Kommt!« rief er endlich. »Jetzt heißt es erst das Vieh hereinbringen und den Hof verbarrikadieren. Dann werde ich euch die Büchsen geben und euch zeigen, wie ihr damit umzugehen habt. – Du, Traugott, läufst sofort zum Kraal hinüber und läßt das Großvieh nach dem Hofe treiben. Du, Elias, eilst zur Sondjekluft und holst den alten Immanuel herein. – Sagt ihnen nur, die Ovaherero kämen, dann werden sie sich schon beeilen. – Ich selbst werde auf dem Hofe bleiben und alles herrichten. Habt ihr verstanden?«

»Heiho! Alles verstanden! Ovaherero kommen! – Wir schießen! – Alle totmachen! Heiho!« schrieen die beiden und liefen davon, um die Befehle ihres jungen Herren auszuführen.

Kaspar ging nun zunächst in das Haus, um Mutter und Schwester auf das Kommende vorzubereiten.

Aber den beiden Frauen waren die Vorgänge keineswegs verborgen und unklar geblieben. Sie wußten bereits, was bevorstand, und hatten sofort angefangen, sich darauf einzurichten.

In den vierzehn Jahren, die sie in diesem wilden Lande lebten, hatte Frau Lerse so oft dem Tod ins Auge geschaut, so oft die furchtbarste Gefahr über den Häuptern ihrer Lieben schweben sehen, daß sie so leicht nicht mehr verzagte. – So besorgt und beinahe ängstlich sie auch für gewöhnlich war, wenn es galt, Gatten und Sohn von unnötigen Abenteuern zurückzuhalten, sobald es Ernst wurde, wußte Frau Lerse, was eine deutsche Frau zu tun hatte. Und Röschen war in dieser Hinsicht ebenso geartet.

Jetzt war nicht Zeit zu bangen und zu jammern. Jetzt hieß es zugreifen! Und wenn in Röschens Augen ein paar Tränen schimmerten, während sie in der Wohnstube die schweren eisernen, kugelsicheren Fensterladen schloß, so hatte das seine besonderen Gründe.

Frau Lerse wußte wohl, was das für Gründe waren, und als Röschen in die Küche zurückkam, wo die Mutter mit den beiden vor Angst heulenden Damaramägden eben dabei war, die Vorräte aus dem auf der anderen Hofseite liegenden Keller herüber zu schaffen, nahm sie die Tochter beiseite und sagte, ihr das blonde Haar aus der Stirn streichend: »Du armes Kind! Übermorgen ist der Sonntag, der dich auch vor den Leuten zur Braut machen sollte. – Er wird dir nicht die Erfüllung deiner Wünsche bringen. – Aber verzage nicht. Im Geiste wird Körner doch bei dir weilen, und Gott wird mit euch sein!«

Aber durch die Erwähnung ihres Bräutigams war die nur mühsam zurückgehaltene Tränenflut bei Röschen vollends entfesselt worden. Schluchzend fiel sie der Mutter um den Hals.

In diesem Augenblick trat Kaspar ein. Er konnte sich wohl denken, weshalb die Schwester weinte, und der Mutter Blick sagte ihm alles übrige. Schweigend trat er heran.

Frau Lerse küßte ihn, legte ihren Arm auf sein Haupt und sagte leise: »Gott schütze euch, meine Kinder. – Er weiß, daß wir das Unglück nicht verschuldet haben, das jetzt über uns hereinbrechen will. Er wird uns nicht verlassen. Er wird auch über den Vater und über Herrn Körner seine Hand halten und uns alle glücklich wieder zusammenführen. – Lieber Gott im Himmel, das bitten wir dich – Amen!«


»Muh! Muh!« drang das Brüllen der Rinder über den Hof. Es klang, als wollten sie sagen: »Was soll denn das nun wieder bedeuten? Jetzt werden wir hier hinter die hohen Mauern getrieben, statt uns auf der freien Weide drüben herumtummeln zu können. Dagegen müssen wir ganz entschieden Einspruch erheben!«

Aber es nutzte ihnen nicht viel. Denn die Damara, die nur den einen Gedanken hatten, so schnell als möglich an einen Ort zu kommen, wo die schrecklichen Ovaherero ihnen nichts würden anhaben können, ließen ihnen gar keine Zeit, sich über den plötzlichen Wohnungswechsel weiter die gehörnten Schädel zu zerbrechen.

»Hüho! Hüho!« klang unaufhörlich der Schwarzen antreibendes Geschrei, und wo dies allein nicht fruchten wollte, halfen sie wacker mit Peitsche und Knüttel nach.

Bald war alles Großvieh auf dem Hofe vereinigt, die Ochsen, die Kühe mit ihren Kälbern und die Pferde mit ihren Fohlen.

»Treibt sie alle nach hinten zusammen!« befahl Kaspar. »Da ist Raum genug und dort sind sie am sichersten. Hinter die Stricke, Hiob! – Habt ihr auch etwas Futter mitgebracht? – Wer es vergessen hat, muß zurück und welches holen!«

Klar und bestimmt traf er seine Anordnungen. Und weil die Befehle so sicher gegeben wurden, führten sie die Leute trotz aller Angst auch richtig aus.

Es war aber auch keine Zeit zu verlieren. Schon ging der Tag zur Neige, und man konnte mit Sicherheit annehmen, daß die Herero noch vor Einbruch der Dämmerung von der Werft zurückkehren würden. Bald kam denn auch Immanuel, der alte Schäfer, von der Sondjekluft mit seiner Herde herein und bestätigte diese Befürchtung.

»Ooh! Ooh!« heulte er mit vor Entsetzen bebenden Gliedern. »Ovaherero böse! Hundert Krieger auf Werft! Alle totschlagen! Hundert Krieger Büchsen! Alle totschießen! Hundert Krieger in Kampf ziehen. Alle sterben von Ovaherero! Ooh! Ooh!«

»Ooh! Ooh!« stimmten die anderen Damara jammernd ein. Zitternd standen die Männer bei ihren Rindern, die Weiber rauften sich die Haare, die Kinder schrieen und alles ging drunter und drüber, bis Kaspar dazwischen fuhr.

»Wer jetzt noch einen Klageton von sich gibt, statt seine Arbeit zu verrichten, den werfe ich vor das Tor!« rief er. »Da wird er wenigstens Grund haben zu jammern, wenn die Herero kommen! – – Was? Hörst du noch nicht auf, Daniel? – Vorwärts! Marsch! – Hinaus mit dir!«

Dabei hatte er den Betreffenden schon beim Kragen gepackt, um ihn zum strafenden Exempel über den Hof nach dem Tore zu schleppen. Er ließ den erbärmlich Heulenden und um Gnade Flehenden zwar schließlich laufen, ohne seine Drohung auszuführen. Aber gewirkt hatte es doch. Scheu verrichteten die Damara, was ihnen aufgetragen wurde, wenig ermutigend blickten ihre kläglichen Gesichter drein. Aber das laute Gejammer hatte nun doch ein Ende, und schließlich geschah auch alles, was Kaspar angeordnet hatte.

Nachdem auch die Schafe und Ziegen hereingekommen waren, wurde es doch ziemlich eng auf dem großen Hofplatz, der hinter dem Hause lag und sich bis an die Mauer erstreckte. Kaspar hatte hier mit Stricken und Dorngestrüpp rasch einen Kraal herrichten lassen, und hier sah es nun aus wie in der Arche Noah. Aber draußen auf der Weide wären die Herden doch auf alle Fälle den Feinden in die Hände gefallen, und hier waren die Tiere wenigstens vorläufig in Sicherheit, umsomehr, als von dieser Seite ein Angriff ziemlich ausgeschlossen schien.

Unmittelbar hinter der über zwei Meter hohen, festen Steinmauer fiel auf der ganzen Rückseite des Gehöftes der Fels an zwanzig Meter tief fast senkrecht in eine weite Talschlucht ab, deren jenseitige Höhe wesentlich niedriger war und deshalb selbst ein Gewehrfeuer unwirksam machte.

Der Angriff war also nur von der Vorderseite zu erwarten, und um ihm auch hier wirksam begegnen zu können, traf Kaspar nun, nachdem die Tiere untergebracht waren, schleunigst seine Vorkehrungen.

»Wer wagt sich noch einmal hinaus? Wer kommt mit mir vor das Tor? – Die Herero haben über Nacht große Steine an die Mauer herangewälzt. Die müssen wir in die Kluft werfen, – alle, – rings umher – damit unsere Feinde nicht so leicht über die Mauer klettern können. Noch sind sie nicht da. – Wer hilft mir dabei?« rief er den Leuten zu.

Traugott und Elias waren sofort bei der Hand. »Wir Herr, helfen!« entgegneten sie. – »Wir alles in Kluft schmeißen – Steine, Ovaherero – alles in Kluft schmeißen!«

»Nun, und ihr?« wandte sich Kaspar dann an die Damara.

Eine Weile zögerte die schwarze Gesellschaft, sich mit verdutzten Gesichtern untereinander ansehend. Schließlich aber faßten sich doch einige ein Herz und traten schüchtern vor.

»Nicht über die Mauer klettern – Ovaherero, Herr!« begann Hiob. »Wir auch helfen – Steine.«

Das gute Beispiel zog die anderen nach, und so konnte Kaspar mit einer staatlichen Anzahl von Händen an die Arbeit gehen, die so schnell von statten ging, daß bald darauf in der ganzen Umgegend des Gehöftes kein größerer Stein mehr zu sehen war.

Plötzlich erhoben die Jungen, die Kaspar als Beobachtungsposten auf das Stalldach geschickt hatte, ein furchtbares Geschrei: »Ovaherero! Ovaherero! Ohö! Ohö! Sie kommen! Sie kommen!«

»Schnell hinein! Den Riegel vor – und jeder an seinen Posten!« befahl Kaspar.

Wenige Minuten später war das Tor geschlossen und wohl verwahrt. Voller Zuversicht erwartete Kaspar den Feind. Lebend sollte so leicht keiner in den Hof gelangen. Bis zum anderen Mittag hoffte er jedenfalls sicher sich halten zu können. Und dann kam ja der Vater. – Er sollte mit ihm zufrieden sein!


Aber zunächst blieb alles ruhig. Zuweilen sah man zwar in der Ferne kleinere Trupps von Hererokriegern nach dem Flusse zu vorüberziehen. Auch der Widerhall eines Schusses wurde ab und zu vernehmbar. Aber der erwartete Angriff erfolgte nicht und konnte nicht erfolgen, weil die Herero zunächst noch Wichtigeres zu tun hatten.

Als Ismael und der Beestezwinger mit seinen fünf Kameraden, dem Boten folgend, der sie herbeirufen sollte, auf der Werft angelangt waren, hatten sie dort schon den ganzen Stamm versammelt und in wildester Aufregung gefunden. Auf dem Wasserplatze vor dem Kapitänshause drängte sich alles Volk zusammen, wie immer, wenn es etwas Besonderes zu sehen oder zu hören gab. Aber heute war es etwas ganz Außerordentliches, was sie zusammengeführt hatte. Und außerordentlich war daher auch die Erregung, mit der sie der Dinge harrten, die da kommen sollten.

Unter den großen Anabäumen ging es am lebhaftesten zu. Dort trieb Quarra, der bucklige Zauberer, sein Wesen. Er hatte sich einen trockenen Futterbusch über den Kopf gestülpt, dessen lange gelbe Blätter ihm über das Gesicht hingen und ihm das Ansehen eines Löwen geben sollten. Und mit wildem Gebrüll sprang er nun umher, alles mit den Zähnen zerreißend, was er erreichen konnte.

Lange dröhnte sein schauerliches »Hu – u – uh! Hu – u – uh!« über den Platz, und das sollte heißen, daß der Löwe – das Volk der Ovaherero nämlich – jetzt erwacht sei und alles um sich her zerreißen und vernichten werde.

Die Zuschauer verstanden denn auch wohl den Sinn des seltsamen Mummenschanzes, und bald schrie die ganze Gesellschaft ebenfalls »Hu–u–u–uh! Hu–u–u–uh!« und sprang mit wilden Gebärden auf dem Platze herum, einer den anderen puffend und an den Haaren reißend, bis schließlich eine allgemeine Prügelei entstand.

Plötzlich fuhren die Trabanten des Kapitäns mit ihren Peitschen dazwischen. »Fort da, ihr Schreihälse! Macht, daß ihr weiter kommt! Platz für den Kapitän und die Grootmannen!«

Gleich darauf sah man Isaak mit seinen zehn Großleuten aus dem Hause treten, in dem sie wohl eben Kriegsrat gehalten haben mochten. Alle trugen Büchsen über den Schultern und breite Patronengurte über den roten Schärpen. Isaak hatte außerdem zum Zeichen seiner Würde eine lange Adlerfeder am Schlapphut, die mit einer großen roten Schleife befestigt war.

»Die Pferde her!« hörte man rufen. Und gleich darauf wurden von den schwarzen Dienern die Pferde herangeführt, die hinter dem Kapitänshause bereit gestanden hatten.

Alle stiegen auf. Isaak kam nun auf den Platz gesprengt, gefolgt von den zehn Großleuten und begrüßt von dem Geschrei der erregten Menge.

Endlich zog er ein großes Schreiben aus dem Gürtel und winkte damit, daß man ihn anhören solle. Dann, nachdem es still geworden war, breitete er das Schreiben auseinander und begann: »Ovaherero! Das, was ich hier in meiner Hand trage, ist eine Botschaft von Samuel Maharero, eurem großen Oberkapitän, der zehntausend Ochsen sein eigen nennt und Herr ist über euch alle und dieses ganze Land. Höret, was er euch zu melden hat und was ich euch dann dazu zu sagen haben werde.« – Er drückte sich den Schlapphut fester auf den Kopf, räusperte sich ein paarmal und fuhr dann mit sehr wichtiger Miene fort: »An alle Großleute und Untertanen meines Landes. Ich bin der Oberhäuptling der Herero, Samuel Maharero. Ich habe ein Gesetz erlassen und ein rechtes Wort und bestimme es für alle meine Leute, daß sie ihre Waffen ergreifen und zu mir reiten noch an diesem Tage. Denn morgen ist der Tag, den ich gesetzt habe zum Tag der Rache. Ich habe bestimmt, daß allen Deutschen im Lande der Krieg erklärt werde.«

»Huh! Huh! Schlagt sie tot! Schlagt sie alle tot!« brüllte die aufgeregte Menge dazwischen.

Mit Mühe nur gelang es den Leibwächtern, sie im Zaume zu halten und die Ruhe so weit wieder herzustellen, daß der Unterkapitän weiterlesen konnte: »Nun hört meinen Willen, Großleute und Untertanen meines Landes. Alle Deutschen, die ihr findet, Männer, Weiber und Kinder, sollt ihr töten; denn sie sind unsere Unterdrücker und müssen vertilgt werden. Aber ihr sollt nicht eure Hand legen an folgende: nämlich Missionare, Engländer, Bastards, Bergdamara, Nama, Buren. An diese alle legen wir unsere Hände nicht. Tut diese Sache nicht. – Ich habe auch einen Eid dazu getan, daß diese Sache nicht offenbar werde, auch nicht den Missionaren. Also hütet eure Zunge und lasset nichts offenbar werden vor der Zeit. Genug. Ich bin der Häuptling Samuel Maharero.«

siehe bildunterschrift

»Was ich hier in meiner Hand halte, ist eine Botschaft von Samuel Maharero …«

Wieder tobte das Volk und schrie: »Ja, alle Deutschen! Männer, Weiber und Kinder! Schlagt sie tot! Schlagt sie alle tot!«

Erst nach geraumer Weile konnte Isaak sich wieder Ruhe verschaffen und fortfahren: »Ovaherero! Ihr habt nun also gehört, was der große Oberkapitän euch zu sagen hatte. Tut alles, was er befiehlt, aber tut auch, was ich euch jetzt befehlen will; denn wie Samuel Maharero euer Oberkapitän ist, so bin ich euer Kapitän. Ich bin dazu gesetzt, euch zu befehlen, und deshalb müßt ihr mir ebenfalls gehorchen.«

Für gewöhnlich pflegte ein großes Hohngelächter auszubrechen, wenn Isaak diese beliebte Wendung gebrauchte. Heute aber blieb alles stumm, und der Kapitän fühlte sich dadurch nicht wenig gehoben. Noch stolzer rückte er sich im Sattel zurecht und setzte mit erhobener Stimme seine Ansprache fort: »Ich werde noch heute mit den Großleuten und allen berittenen Kriegern nach dem großen Sammelplatz reiten, wie der Oberkapitän befohlen hat. Wer also ein Pferd hat, der mache sich schnell bereit und komme sogleich nach dem Flusse hinab. Auf dem großen Felde werde ich dort die Krieger erwarten und sie nach Osten führen. Ich weiß, daß vierzig von euch ein Pferd haben. Diese vierzig alle werde ich erwarten; denn ich befehle es, und wer nicht kommt, ist ein Verräter und wird getötet werden. Also tut, wie ich gesagt habe, und eilet euch. In einer Stunde reiten wir.«

Nun begann ein wildes Durcheinanderlaufen und Schreien. Die meisten Krieger rannten ohne weiteres zu ihren Hütten, um sich sogleich reisefertig zu machen. Es gab aber auch einige Drückeberger, und gegen die wandte sich nun der Unwille der Menge.

»Du hast doch auch ein Pferd, Esau. Warum läufst du nicht auch? Hast du Angst vor den weißen Reitern?« ging es über einen dicken Burschen her, der allerdings in seiner Behäbigkeit keineswegs einen besonders kriegerischen Eindruck machte.

»Mein Pferd ist lahm im Kreuz und ich bin zu dick; es wird mich nicht bis zum Fluß tragen. Auf der Werft hier wird man wohl auch noch tapfere Männer gebrauchen,« gab der Dicke zur Antwort.

Aber nun fiel die Menge erst recht über ihn her, verhöhnte ihn, jagte ihn förmlich zu seiner Hütte und ruhte nicht eher, bis er seinen Klepper, der übrigens ebenso wohlgenährt aussah wie sein Herr, gesattelt und sich nach dem Flusse aufgemacht hatte. Einigen anderen erging es nicht besser, und so dauerte es nicht lange, bis alle vierzig Krieger zum Abmarsch bereitstanden.

Mit nicht geringem Selbstbewußtsein ließ Isaak sie an sich vorüberziehen. Das sah fast noch stolzer aus, als neulich die Beeste! … Dann ließ er noch einmal das Volk zusammenrufen und sagte zu den Zurückbleibenden: »Meine Krieger sind meinem Befehle gefolgt. Sie wissen, was sie ihrem Kapitän schuldig sind. Nun hört auch ihr anderen, was ich euch zu sagen habe. Während ich eure Krieger nach Osten führe, damit wir die weißen Reiter aus dem Lande treiben, habe ich meinen Sohn über euch gesetzt.«

Ein lautes Murren ging durch die Reihen; denn Ismael erfreute sich keineswegs besonderer Beliebtheit auf der Werft. Aber der Kapitän ließ sich dadurch nicht beirren und fuhr fort: »Weil mein Sohn aber noch jung ist und ihm ein Berater nottut in seinen Jahren, habe ich ihm einen Großmann an die Seite gesetzt.«

Bei diesen Worten kam der Einäugige aus der Reihe der anderen Großleute hervorgeritten und machte neben dem Kapitän halt, der mit der Hand auf ihn zeigte und sagte: »Ihn habe ich meinem Sohn an die Seite gesetzt, und was er und mein Sohn euch befehlen, das soll sein, als ob ich selbst es befohlen hätte. Tut alles, was sie euch sagen, bis ich selbst euch weitere Botschaft senden werde. Gebet wohl acht auf das Vieh und nehmet von den Deutschen dazu, soviel ihr erreichen könnt. Aber haltet euch immer bereit, die Werft zu verlassen und zu trekken, wohin euch Befehl kommen wird. – Dies ist es, was ich euch zu sagen habe, als euer Kapitän und Oberster.«

Nun gab er den Großleuten einen Wink, und vorwärts ging es nach dem Flußbette des Swakop hinab, wo sich die vierzig Krieger inzwischen schon versammelt hatten. – Eine halbe Stunde darauf ritt die ganze Kriegerschar nach Osten flußaufwärts davon, dem Orte zu, wo die Hauptmacht der Aufständischen sich um den Oberhäuptling versammeln sollte.


Kaum hatte der Vater die Werft verlassen, so begann Ismael seine Herrschertätigkeit zu entfalten. Er hatte sich auch eine breite Schärpe um den Leib gebunden und eine riesige Adlerfeder an den Schlapphut gesteckt und kam ebenfalls hoch zu Roß auf den Wasserplatz gesprengt, um an »sein Volk« eine Ansprache zu richten.

Aber er kam damit nicht weit; denn kaum hatte er die Hand erhoben zum Zeichen, daß man still sein und ihn anhören solle, als ein furchtbarer Lärm anhub.

»Seht doch! Seht doch! Er will den Kapitän spielen! Er will sich groß tun! Das Bürschchen!« klang es mit lautem Hohnlachen durcheinander, und gleich darauf drang der Beestezwinger an der Spitze der anderen Viehhüter und der meisten anderen Männer, die auf der Werft zurückgeblieben waren, auf ihn ein, holte ihn ohne weiteres vom Pferde herunter und war eben im Begriff, ihn nach allen Regeln der Kunst durchzubläuen, als der Einäugige sich ins Mittel legte.

»Männer!« rief er, dem Häuptlingssohn zu Hilfe eilend. »Wie wollt ihr die Deutschen aus dem Lande treiben, wenn ihr untereinander nicht einig seid? Laßt doch jetzt den Streit und kommt! – Der weiße Kapitän ist nicht auf seiner Werft. Es hat ihn vorhin einer durch die Sondjekluft nach Osten fortreiten sehen. Keiner ist auf dem Hofe als der Buschläufer und die Weiber. Kommt! Laßt uns erst zum Kraale laufen und das Vieh holen, und dann wollen wir nach dem Hofe gehen und den Buschläufer und die Weiber totschlagen.«

»Hö–hö! Das Vieh holen!« brüllte der Beestezwinger, ohne Ismael loszulassen, den er wie einen jungen Hund am Genick gepackt hatte. »Was wir wohl davon haben! Wir sollen wieder die Arbeit tun, und nachher hält man uns zum Narren. – Wir wollen erst unseren Lohn haben für die zehn Beeste von neulich!«

»Jawohl! Unseren Lohn wollen wir haben! Du hast gesagt, daß du uns dafür bürgen wolltest, Großmann. Von dir verlangen wir jetzt unseren Lohn!« stimmten die anderen Viehhüter ein, jetzt auch auf den Einäugigen eindringend.

Aber der schlaue Bursche ließ sie nicht erst an sich kommen. Schnell sprang er auf einen der Wassertröge, die neben dem Brunnen standen, nahm seine Büchse von der Schulter – ein englisches Magazingewehr, das er bei der Waffenverteilung erhalten hatte, – und schoß alle fünf Schuß hintereinander in die Luft ab.

Staunend schauten ihm die Leute zu. Ein Gewehr kannten sie alle. Aber eins, das immerfort schoß und das man nicht erst zu laden brauchte, das hatten sie noch nicht gesehen. Das mußte eine Zauberbüchse sein!

Sogleich nutzte der Einäugige diesen Eindruck aus und rief: »Seht ihr nun, mit wem ihr's zu tun habt? Jede von den fünf Kugeln, die ich eben abgeschossen habe, hätte ein paar von euch töten können. Ich brauche nur meine Zauberbüchse auf euch zu richten, und ihr seid alle tot. Also hütet euch, mit mir ist nicht zu spaßen! Laßt sogleich eure Hand von dem Kapitänssohn und folgt mir zum Kraale des Deutschen, damit wir uns holen, was uns zukommt!«

Zögernd und mit scheuen Blicken nach der wunderbaren Büchse schielend, gehorchten die Leute, und nur der Beestezwinger schüttelte seinen Gefangenen noch einmal tüchtig und sagte, ihm die andere Faust unter die Nase haltend: »Und ich schlage dir doch den Schädel ein, wenn du uns nicht gibst, was du uns versprochen hast!«

Dabei schleuderte er ihn mit solcher Wucht von sich, daß der Bengel, so lange er war, zur Erde fiel. Aber Ismael sprang sogleich wieder auf die Beine, schüttelte sich wie ein Köter, der Schläge bekommen hat, kletterte auf sein Pferd und schrie, jetzt ebenfalls mit seiner Büchse fuchtelnd: »Schufte! Feige Hunde! Hinterlistige Schakale! Mein Vater wird euch alle aufhängen, wenn er zurückkommt! Ich werde euch lehren, mir zu gehorchen! Und dumm seid ihr! Ein blinder Hammel ist klüger als ihr. Er wittert wenigstens das Futter. Aber ihr merkt nicht einmal, wo etwas Gutes zu holen ist.«

So geiferte er noch eine geraume Weile weiter, bis der Beestezwinger dazwischen brüllte, er solle nicht so viel Worte machen. Sie wollten es noch einmal versuchen. Aber wenn er sie wieder an der Nase herumführen würde, dann wollten sie ihn ganz gewiß totschlagen.


Sie holten nun ihre Spieße und Wurfkeulen herbei und zogen nach dem Marienhofer Viehkraale, Ismael und der Einäugige zu Pferde voran, die sechs Viehhüter und sieben andere Männer zu Fuß hinterdrein. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie den Kraal verlassen fanden.

Ismael schäumte vor Wut. »Seht ihr, ihr faulen Kerle!« schalt er die Viehhüter. »Warum seid ihr mir nicht gleich gefolgt, als ich es euch befohlen habe. Jetzt ist uns die schöne Beute entgangen. Müßte man euch nicht alle durchpeitschen lassen?«

Murrend hörten ihn die Viehhüter an, und schon war der Beestezwinger im Begriff, dem Pferde in die Zügel zu fallen, als der Einäugige wieder die Vermittlung übernahm und sagte: »Wenn du nur nicht so viel Zeit mit Reden verlieren wolltest! Die Beeste der Deutschen können doch nicht durch die Luft fliegen. Sie werden sie auf ihre Werft getrieben haben. Schnell! Laßt uns dorthin eilen und unsere Schuldigkeit tun. Wir sind fünfzehn Krieger, und zwei von uns haben Gewehre. Meine Wunderbüchse ist allein so viel wert, als ein Dutzend weißer Reiter. Wir werden doch wohl mit dem Buschläufer fertig werden! Kommt Brüder! Heute nacht wollen wir lustig sein und uns auf dem Hofe des Deutschen den Branntwein wohl schmecken lassen!«

»Wenn wir noch Odem haben, ihn zu schlucken!« warf mit düsterer Miene Kuru, der Wettermacher, ein.

»Ach du! Siehst du wieder Geister?« entgegnete lachend der Beestezwinger. »Oder fürchtest du dich vor dem Buschläufer, he?«

»Ich fürchte mich nicht,« antwortete mit geheimnisvoller Gebärde Kuru. »Aber ich weiß, was ich weiß. Ich habe den Totenvogel schreien hören diese Nacht, und in der Sondjekluft lachte der bunte Hund. Seid auf eurer Hut vor dem Buschläufer!«

Bei diesen Worten stierten seine Augen so unheimlich in das Leere, als blicke er wirklich in die Zukunft. Aber die anderen hörten nicht auf ihn. Die Begierde nach dem Branntweingenuß, der ihrer so sicher zu warten schien, trieb sie vorwärts. Mit wildem Geschrei stürmten sie vom Flußbette aus die Anhöhe empor und standen bald vor dem Tore von Marienhof.


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