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7.

Und im Strome, da taucht die Nix aus dem Grund,
Und hast du ihr Lächeln geseh'n,
Und sang dir die Lurlei mit bleichem Mund,
Mein Sohn, so ist es gescheh'n.


Über den Wald hin und durch die Lüfte tobt und brauset der winterliche Schneesturm. Aus dem grauen Gewölke nieder wirbeln und fallen die Flocken in schweren Mengen, und der Sturm packt sie und treibt und jagt sie vor sich her in wildem, tollem Tanz und Gewirbel. Durch die Lüfte zieht's wie ein Heer von wilden Heeren, und über die flaumige Schneedecke auf der Erde streicht und tollt es dahin, dass man fast kein Auge aufbringt.

Ein rechtes, richtiges Weihnachtswetter!

Auf dem Bahnhofe in Seebach ducken sich zwei fest in ihre Hüllen gewickelte Weiberleute in einen Mauerwinkel, um vor Wind und Wetter halbwegs geschützt zu sein, und sehen beständig das Geleise entlang, woher der eben fällige Zug komme soll.

Der Stationsvorsteher hat ihnen angeraten, in den warmgeheizten Wartesaal zu gehen und dort zu warten, aber sie trauen nicht; sie könnten den Zug doch versäumen oder übersehen.

So warten sie denn hier draußen.

Es kommt das Signal von der vorhergehenden Station, und der gerade wieder vorbeikommende Diener redet den Weiberleuten nochmals zu, hineinzugehen. Der Zug brauchte jetzt noch gerade eine Viertelstunde, wenn er nicht mit Schneewehen zu kämpfen hätte, und derweilen säßen sie doch in wohldurchheiztem Wartesaale besser und wärmer. Er würde sie gewiss auf die Einfahrt des ersehnten Zuges aufmerksam machen. Aber sie folgen nicht.

»Wir sind das bissel Gestürme schon gewohnt«, meint das ältere Weiberleut und zieht das Hülltuch etwas fester um sich.

So geht er dann wieder weiter und brummt etwas von Hennen, Weibsgevölke und Eigensinn vor sich hin und lässt die zwei stehen.

Es vergeht geraume Zeit, und der erwartete Zug will nicht kommen, und es vergeht nochmals so eine Weile, und weder Pfeifen noch Schnauben verrät dessen Kommen … Wird ja doch wohl nicht stecken geblieben sein in dem Schneegestürme.

Endlich zeigt sich einmal ein schwarzer Fleck mit unbestimmten Umrissen in dem weißgrauen Turbeln und Wirbeln, das Welt und Lüfte füllt. Jedwedes Schnauben, Poltern und Schlagen verschlingt der Wettersturm, aber der Fleck wird immer größer und deutlicher, und endlich kennt man den heranfahrenden Zug.

Ein schrilles Kreischen, da Aneinanderprallen der Puffer und Eisenteile, und er bleibt stehen. Der Schaffner ruft die Station aus, und gleich darauf springt ein junger, in weitem Mantel gehüllter Mann aus einem der Wagen, ein ziemlich umfangreiches Paket in der Hand tragend: Melcher Maier.

Ein paar Augenblicke bleibt er stehen und schaut wie suchend umher, aber wie er die zwei Weiberleute aus der Ecke kommen sieht, hastet er nur so auf sie zu und drückt die ihm entgegengestreckten Hände zum herzlichen Willkommgruße.

»In dem Wetter seid Ihr herunter?« sagt er teils wundernd, teils gelinde tadelnd, trotzdem er eine von ihnen sicher auf dem Bahnhofe verhofft.

»Ist nicht so arg«, lächelt die Jünger, seine Schwester, die Kathl. »Anschauen tut sich das Gestürme viel grauslicher; aber wenn man einmal draußen ist, geht's recht schön dahin. Und kalt ist es ja nicht, kein bissel.«

»Hast noch ein Geschäft?« fragt die Ältere, seine Mutter, und langt nach dem Paket.

»Ich hab keines, aber Ihr werdet ganz erfroren und erstarrt sein, weil Ihr ja doch nirgends hineingeht, und so meine ich, könnt' es nicht schaden, wenn Ihr in einem Wirtshause ein bissel etwas Warmes zu Euch nehmen würdet. Das Paket trag übrigens ich selbst.«

»Nein, das trag ich«, erklärt die Kathl bestimmt und zieht es an sich.

»Ich trag es doch leichter«, widerstreitet er.

»Meinst?« lacht sie hell auf. »Du, schau meine Arme an!« Und sie streckt ihm ein paar kräftiger, starker Arme entgegen. »Gelt, da schaust, wie ich mich zusammenwachse! Ich nehm es bald mit einem Männerleute auf. Einen Strich Korn heb ich mir schon ganz allein auf die Schultern.«

»Dann meinetwegen. Aber jetzt kommt! … Brrr! Ein Sauwetter, würde Köhler sagen.«

Und sie gehen rasch in das dem Bahnhofe zunächst gelegene Wirtshaus, und Maier bestellt etwas Warmes für die beiden Weiberleute.

Nachdem gegessen ist, machen sie sich auf den Weg. Auf freiem Felde ist an ein Reden nicht zu denken, und so gehen sie denn schweigend hintereinander her, bis sie auf der Höhe oben einmal der schützende Wald aufnimmt.

So ein Wald ist eine wahre Wohltat. Im Sommer spendet er Schatten und Kühle, und im Winter bricht er die Gewalt des Schneesturmes und hält Ruhe und Weggestapfe in seinem Bannkreise aufrecht.

»Also hast es doch gut getroffen, dass Du nach Prag gegangen bist?« fragt die Mutter, als sie im Walde stehen und einiges verschnaufen. »Ich habe mich die erste Zeit schon arg geängstigt um Dich, bis der Brief gekommen ist. Frei nicht schlafen hab' ich können die ganze Zeit.«

»Ist gerade spielend gegangen«, erzählt Maier. »Schon gleich den ersten Tag schier hab' ich diese schöne Stellung erhalten …«

»Doch halbwegs so – richtige Leute?« fragt die Kathl dazwischen.

»Ja … das heißt, es ist nur eine Frau vorhanden, eine junge Witwe, auf die ich eigentlich aufzumerken hätte; aber seit sie sieht, dass der Bub von Tag zu Tag gesünder und frischer wird, kümmert sie sich anscheinend nicht mehr um seine Leistungen. Im Anfange, ja, da hab' ich schon alle Tage verhofft, sie jagt mich einmal davon. Sie hat gemeint, ich wollt' ihr verzärteltes und verzogenes Zuckerbuberl mit aller Gewalt umbringen …«

»Hast eh' nur mehr bis zum Sommer?«

»Bis ich halt meinen Doktor gemacht habe«, bedeutet er. »Aber das ist eben noch das dümmste und zuwiderste Stückel; das kostet erst Geld.«

»Und früher bist nichts?« fragt seine Mutter.

»Nein, gar nichts.«

»Wie … viel … tätest denn dazu … brauchen?« fragt sie langsam und zögernd und dazwischen schon sinnend, ob der Bub nicht etwa gar einen Betrag nennen werde, der dem Werte ihres Wirtschaftels gleichkommt.

»O mein!« macht er es. »Ich hab mich gar noch nicht getraut, die Sach' zusammenzurechnen. Prüfungstaxen sin, eine Menge Werkzeug und Apparate braucht einer, ein bissel Einrichtung und allenfalls zu leben für zwei, drei Monate.«

»Da … müssen wir halt … das Örtel zu allerletzt noch verkaufen«, entschließt sich seine Mutter. »Wenn es etwa langt …«

»Das schon nicht!« wehrt er hastig ab. »Es wird und muss sich schon anders vermitteln lassen. Ich werde halt irgendwo eine Prachtpump anlegen müssen … mir das Geld ausborgen müssen«, erklärt er den Zukunftsausdruck. »Doch davon könne wir ja daheim einmal reden dieser Tage. Zeit haben wir genügend hierzu.«

Sie schreiten weiter, eins hinter dem andern daher, wie es eben die schmale, in den nahezu knietiefen Schnee ausgetretene Fußbahn gestattet und bedingt. Eine Weile ist es wieder still, aber plötzlich fragt die Kathl: »Du, Melcher, gelt, die Hagsteiner Liesel ist auch in Prag gewesen?«

»Ja.«

»So hat sie mich doch nicht angelogen. Das Leben hättest ihr gerettet, sagt sie.«

»Unsinn! Ein Wagen der Straßenbahn hätte sie halt über den Haufen geworfen, wenn ich nicht dazukomme und sie aus dem Geleise reiße.«

»Nachher ist's schon so, wie sie erzählt hat. Ja, und da hast Dir fein bei den Leuten ein gehöriges Bildel eingelegt. Der Hagsteiner ist bald darauf herüberkommen zu uns und hat sich angetragen, wenn wir einmal auf die oder jene Gefälligkeit oder Aushilfe anständen, wir sollten fein zu keinem andern gehen, weil er sein Lebtag schon so ein Mensch wäre, der nicht gern in der Schuld bleiben wollte, und weil er eine große Schuld abzuzahlen hätte …«

»Du … gerad' sinn' ich so: Wie wär's denn, wenn … man den einmal ankäme, ob er Dir nicht das Geld leihen wollte?« sagt hinterher die Mutter. »Wenn ihm mit der Rede ernst ist, sagt er nicht nein.«

»Wir werden ja sehen«, weicht Maier einer weiteren Erörterung dieses Vorschlages aus. Etwas misslich wäre dieser Fall, weil dadurch der Anschein erweckt werden könnte, als wollte man den an und für sich unbedeutenden Zwischenfall gehörig und gründlich ausnützen. Aber wenn es sich durchaus nicht anders und anderwärts vermitteln lassen sollte, müsste halt doch in den sauren Apfel gebissen werden. »Jetzt … derweil lassen wir diesen Schwatz sein; man weiß nicht, wer um die Wege ist und uns zu loset, und was gehen unsere Sachen andere Leute an?«

»Ist eh' wahr …«

Und sie gehen schweigend ihres Weges.

Durch den Wald dahin ist es fast angenehm zu gehen. Die Fußbahn ist fest, weder Wind noch Gestöber können eins beirren und belästigen, und nur durch und über die Wipfel der hochragenden Fichten und Tannen hin brauset und sauset das Gestürme wie der Widerhall des Thorers. Donners. Und zwischen den Bäumen dahin streicht der Lungen und Herz erquickende Duft von Harz und Nadeln. Als aber der Wald aufhört und die Fluren der Ödwalder Gemeinde anfangen, da ist's, als ob die Windsbraut, das wilde Heer und alle bösen Geister der Lüfte los und ledig geworden wären und allda ihren Faschingstrubel halten wollten.

Weiter als fünf Schritte vor sich hinzusehen, ist eine Unmöglichkeit, über die Schneedecke hin rieselt und raschelt es und zieht wie ein rasch dahin fliehendes Leintuch, durch die Lüfte hin wirbelt und weht fast so viel Schnee, als auf der Erde liegt und rieselt, und der Sturm heult und brüllt wie der ledige Thorer.

Eng aneinander gedrückt arbeiten sie sich gegen Schnee und Sturm dahin, und als sie auf der Gred ihres Hauses stehen und den Schnee nach Möglichkeit von den Gewändern schütteln, atmen sie auf, als wenn sie wer weiß was für Hartes und Schweres hinter sich hätten. Nur die Kathl lacht in währendem Schnaufen und Atemholen hellauf heraus. »So ein Wetterl wär ein Guten-Morgen-Wunsch für eine von den halbzuckernen Stadtfronen.« Stadtfraen. Mancherorts im südl. Walde ist die Mehrazahl Fronen noch üblich. Vergleiche althochdeutsch »fro« = Herr! Später Fron oder Frohn.

Ein vierschrötiger Alter mit bis auf die Brust herabwallendem, wirrem und schon über und über eisgrauem Vollbarte kommt zur Haustüre heraus und streckt dem großen Buben, der eigentlich seines Bruders Enkelkind ist, die Hand zum Willkommgruße entgegen.

»Grüß Dich Gott, Melcherl! … Ein Wetter hast erwischt, gelt? Ich hab' schon keine Ruh' mehr gehabt und keine Rast. Wenn einem oder dem andern etwas zustoßen täte in dem Ungestürme! Und ich kann mich nimmer hinauswagen.«

»Ach! Uns etwas zustoßen!« lacht Kathl geringschätzig. »Da müsst es schon recht grauslich kommen.«

»Du mit Deiner Reschen!« brummt der Alte. »Neugierig bin ich, wo Du einmal … anprallst damit.«

»Aus einem Kloster werfen sie mich schon nicht hinaus«, lacht sie wieder und schlüpft neben dem Alten durch die Türe ins Haus.

Der Alte, der Lenz, ihres verstorbenen Vaters Vetter, hat nämlich in seiner Jugend einmal den ganzen Willen und sein ganzes Verlangen gehab, als Laienbruder sein Leben in einem Kloster zu verbringen. Ist auch so weit gekommen, dass er aufgenommen worden; aber der Traum hat nicht lange vorgehalten. Einer Kleinigkeit wegen hat er sich geärgert, der ungestüme, bärenstarke Wäldlerbursche ist zum Vorschein gekommen in ihm und hat sich die Übermacht erkämpft wider Willen, Verlangen und ruhiges Überlegen, und er hat darauf hübsch viel kurz und klein geschlagen in einem Rappel. Und ob solchem hat man ihn ganz einfach vor die Klosterpforte gesetzt. Er hat sich nachher aber in seinem eigentümlichen tiefen und religiösen Sinnen ganz einfach einen Orden für sich selbst gestiftet, hat nicht geheiratet und schläft im Sommer auf der Bank beim Tische vorn und im Winter auf der Ofenbank.

Man geht in die Stube, und während sich Maier des überflüssigen Gewandes entledigt und Hermin', die jüngere Schwester noch einmal tüchtig in den Ofen schürt und die vollgeschneiten Gewandstücke zum Trocknen über das Stangengerüste oberhalb des Ofens hängt, schaut der alte Lenz allweg an dem großen Buben und nickt dabei von Zeit zu Zeit ganz beifällig und zufrieden.

»Gut schaust aus«, näselt er in seiner Weise. »Musst gerade keinen schlechten Futterstall haben, wirklich wahr. Ja … und … und siehst, jetzt könntest ausgeweiht sein und alle Tage Deine Messe lesen, wenn Du gewollt hättest, und so bist allweil noch nicht fertig, allweil noch nicht. Ich bin nur neugierig … wie … lange …«

»Steht kein Jahr mehr an«, vertröstet Maier.

»Und … wo kommst nachher hin?«

»Ich mein', ich lasse mich für den Anfang in dieser Gegend nieder …«

»Eh' auch … eh' schon. Weißt, froh wär ich. Ich möcht mich nämlich hübsch nahe zu Dir hin machen. Mit dem Weibergeschmeiß da über einander ist nicht einmal ein gescheites Wörtel zu reden, nicht eins. Ja, singen wenn Du tätest, tanzen mit ihnen … ja, das tauget. Aber ein Wort mit Verstand reden …«

»Ihr sagt ja selbst allweil, dass die ganzen Weiberleut keinen Verstand haben«, neckt die Katzl in ihrem jugendlichen Übermute.

»Ist eh' sauber wahr. Nicht ein Brösel Verstand. … Mecherl, schau Dich nur um kein solches Ziefer um! So lebst hundertmal geruhsamer und brauchst Dich nicht alle Tag hundertmal ärgern … So, und jetzt iss halt, und nachher setzen wir zwei uns zusammen und reden … reden, wie es sich gehört, denn auf diese Zeit freu ich mich schon wieder seit dem Herbste …«

*

Die Tage des stillen Beisammenseins in dem kleine, unscheinbaren und abgelegenen Häuschen hinten im Waldwinkel, darum der Schneesturm mächtige Wehen aufgetürmt, vergehen wie im Fluge. Kaum meint man, dass es rechtschaffen Tag ist, fängt es auch fast schon wieder zu dämmern an, und schier in lauter Nacht fließt die Zeit dahin.

In der Nacht auf den Heiligen Abend, den Vortag des Christfestes, zerreißt das dichte, mausgraue Gewölke, das sich über den ganzen Wald gespannt wie ein finsterer Schirm, und die aufgehende Sonne strahlt über das schneeige Gefilde hin, und jeder Strahl bricht sich an einem Schneekristalle oder einer Schneeflocke, so dass die ganze Gegend wie mit eitel feuer- und farbensprühenden Demanten bedeckt erscheint. Gen Mittag kommt für ein Stündlein auch noch ein warmer, molliger Wind, die Dächer beginnen zu tropfen, und der gries- und flaumartig aufgehäufte Schnee wird weich und setzt sich, und als es in der Christnacht gehörig friert, gleicht die ganze Gegend einer festen Bühne, über die einer nach allen Seiten hin freien Lauf nehmen kann, ohne auch nur einen Tritt einzusinken.

Kein Bäumchen steht in der Christnacht auf dem Tische im Buchengütl, und kein einziges Geschenk scheint das Christkindl für diese Leute erübrigt zu haben, nur als der alte Lenz in dem Tone, in dem die Geistlichen ihre Gebete verrichten, in seiner durch Jahrzehnte geübten Weise das Weihnachtsevangelium vorliest und nachher einige Gebete vorbetet, brennt der geweihte Wachsstock auf dem Tische, und mit inniger Bitte gedenkt man der verstorbenen Ahnen, besonders der zur ewigen Ruhe eingegangenen Eltern.

Als aber das letzte Amen gesprochen, geht der Melcher unauffällig hinaus und holt ein schon früher zurechtgelegtes Päcklein in die Stube.

»Mir schein, das Christkindel hat bei uns doch auch etwas verloren«, lächelt er. »Auf der Gredbank draußen ist es gelegen.«

»Mein', Du!« macht es die Hermin halb ungläubig, halb erwartungsvoll-freudig. »Zu uns findet es schon lange nimmer her.«

»Muss doch hergefunden haben.«

Und er öffnet das Päcklein, das ein Stück schönes Joppenzeug für die Mutter, zwei halbseidene Brusttücher für die Schwestern und eine festgebundene, mit grellrotem Schnitt versehene Heiligenlegende in billiger Volksausgabe für den alten Lenz enthält.

»Ludersbub!« lacht der Alte hell auf vor Freude. »Ich sag' es ja allweil und alle hundert Male: Lumpen sind diese Studenten, wo man solche hinbraucht … Einem so eine Freud' machen! Mein', so eine Freud. …«

Zehnmal heller scheint das Lämpchen auf dem alten wurmstichigen Tische zu brennen denn vorhin, und eitel Freude strahlt aus jedem Auge. Das Christkindel hat wieder einmal in das Häusel im Waldwinkel gefunden und dort Gaben gespendet. …

»Mein Bub! Jetzt kenn' ich, dass für uns auch wieder einmal eine andere Zeit anfängt«, jubelt die Buchengütlerin schier wie ein kleines Kind und streicht mit den rauen, aufgearbeiteten Händen beständig über den schönen Stoff, während die beiden Dirnlein die Tücher gleich über die Werktagsmieder anproben. »Wenn Dich nur unser Herrgott mit Gesund segnen täte und glücklich zum Ziel gelangen ließe! … Wenn ich daran denk, was es uns für einen Schlag gäbe, wenn … wenn …« Sie getraut sich den Gedanken nicht einmal auszusprechen: … wenn er Dich uns nähme, jetzt, wo wir eine Stütze fänden an Dir! …

*

Es ist am Steffelstage, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, und über die hartgefrorene Schneedecke, durch Mulden und über schier haushohe Schneewehen ziehen ihrer zwei dem Buchengütl im Waldwinkel hinten zu: ein Weiberleut und ein blitzblauer Soldat.

Der alte Lenz sitzt am Fenster und blättert zum dritten oder vierten Male »seine« Heiligenlegende durch, schaut sich die Bilder an und sucht, was all für Heilige wohl mit ihren Lebensbeschreibungen darinnen ständen in diesem großmächtigen Buche, und da kommt ihm einmal der Blick hinaus in das Schneegelände, und er sieht die zwei daher kommen.

»Ein Soldatenkerl!« dehnt er verwundert heraus. »Wird auf die Feiertage kommen. Wer ist denn Soldat in der Ödwalder Gemein'?«

»Aus der Ödwalder Gemein'?« sinnt die Hermin und geht zum Fenster. »Ich wüsst heuer keinen.«

»Das sind die Hagsteiner«, hastet die Kathl heraus, die ebenfalls ans Fenster gehuscht. »Dass die etwan gar zu uns kämen?«

»Könnt' ja!« brummt Maier nicht sonderlich erbaut und schaut ebenfalls durch die zur Hälfte mit allerlei Eiszierat versehenen Fenster. »Kann schon sein … Nein, das ist aber schon doch zu dumm, wenn die zu uns kommen und wenn man die Feiertage über nicht einmal seine Ruh' haben kann.«

»Wird halt wegen der Lebensretterei sein«, mutmaßt die Buchengütlerin. »Siehst, Bub', was Du Dir da für ein Bildel eingelegt hat bei denen? Und auf unsere Mühl' passt dasselbe Wasser …Tu' Dich halt ein bissel um; weißt ja, wie man die Leut' brauchen kann.«

Richtig! Sie kommen schon gegen die Gred herein.

Man setzt sich in der Eile an den Tisch zusammen und tut, als hätte man von dem Kommen gar nichts bemerkt. Maier stopft sich in der Hast ein Pfeiflein und bläst gerade die ersten Rauchwolken vor sich hin gen die rauchschwarze Stubendiele, als all zwei eintreten.

»So! Schön!« lacht der Andres heraus, als er in der Stube steht und die Türe hinter sich zuzieht. »Da sitzen sie allsamt beisammen wie ein Haufen Dachse, und – mir scheint – es fiele gar keinem ein, aus der Höhle zu kriechen, wenn man sie nicht austriebe … mit Gewalt austriebe.«

»Beatus ille homo, qui … sedet post fornacem«, lächelt Maier, steht auf und geht dem Besuche entgegen, ihn zu bewillkommnen. »Glücklich der Mensch, der bei dieser Jahreszeit hinter dem Ofen sitzt«, übersetzt er. »Macht es Euch halt ein bissel bequem.« Und er rückt einige Stühle zurecht.

»Schämen tät' ich mich, wenn ich noch so jung wäre und beim Ofen hocken bleiben wollte«, tadelt des Hagsteiners Liesel und versucht, ihr Gesicht in hochernste Falten zu legen, was aber nicht gelingt, weil derart junge Gesichter keine Falten bilden wollen.

»Ich nicht.«

»Mir scheint eh'; aber … wer hat denn selmal in Prag gesagt, dass er uns zu Weihnachten heimsuchen will?«

»Ich hätte das gesagt?« staunt Maier. »Ich kann mich wirklich nicht erinnern.«

»So?«

»Etwas wird daran sein«, bestätigt auch der Andres. »Die Liesel hat Dich eingeladen, und, mir scheint, Du hast zugesagt. Wird nicht weit fehlen.«

»Ja, und wer nicht kommt, sel wärst Du … O mein', Buchengütlerin!« wendet sie sich an diese. »Euer Student wenn nicht ist, schnauf' ich heut' nimmer mehr oder bin aufs Wenigste zu einem Krüppel zusammen gefahren. Und es lebt eins so gern, wenn es jung ist, so gern …«

»Sind eh' zu viel Weiberleut«, näselt der alte Lenz halb und halb für sich allein. Wegen des Melchers, dünkt ihn, wäre die zu entbehren.

»Na, Ihr kämet mir recht!« lacht die Liesel hell auf und setzt sich zum Trutz hartnahe neben den Alten hin. »Wer täte denn die Leut ärgern, wenn ich nicht wäre?«

»Sel können die unsern auch«, brummt der Alte, rückt ein paar Male unvermerkt, um von dem jungen, übermütigen Dinge wegzukommen, und dann steht er plötzlich entschlossen auf und geht hinter den Ofen. Er will seine Ruh haben vor dem Weibsgevölke …

Man setzt sich zusammen und fragt und erzählt, was das Christkindel dem und jenem gebracht, und mit freudstrahlenden Augen weisen die Buchengütlerin und ihre zwei Dirndln die Geschenke, die ihnen zuteilgeworden.

»Und Du bist leer ausgegangen?« fragt die Liesel den Studenten, der in der Ecke lehnt, sein Pfeifchen schmaucht und zufrieden lächelnd sich an der Freude weidet, die seine Geschenke verursacht.

»Wird so sein.«

»Wirst halt nicht brav gewesen sein?«

»Freilich halt.«

Da langt sie in die Tasche und zieht ein Päckchen heraus und legt es vor ihn hin. »Seh'! Hab' halt ich dem Christkindel gesagt, dass Du brav gewesen bist, und so hat es das Zeug bei und drüben gelassen. Hab' nicht einmal noch hineingeschaut, was es zusammen gerafft hat.« Und während er die gewaltigen Verschnürungen löst und ein Hüllpapier ums andere entfernt, legt sich vor jede seiner beiden Schwestern ein niedliches, zierliches, stark vergoldetes Ringelein. »Da! Ihr seid auch keine Stiefkinder.«

Nun sie die fremde Umgebung und das ihr fremde Lebenselement nicht behindern, entfalten sich ihre angenehme Gewandtheit und ihre in gewinnende Fröhlichkeit und manchmal sogar Übermütigkeit gekleidete Leutseligkeit, und ihre Gehaben hat etwas Festes, Bestimmtes, Selbstbewusstes, das vielleicht auch von dem Gefühle des Besitzes kommen mag.

»Aber nein!« wehrt und lehnt die Kathl geschämig ab. »Wie kämen wir dazu?«

»Na, wenn euch halt das Christkindel die Sachen gebracht und bei uns gelassen hat! Was geht es mich an?«

»So nehmt sie halt!« redet die Buchengütlerin den Dirndln zu, und derweil hat Maier das letzte Hüllpapier entfernt und ein kleines Kästchen geöffnet.

Eine goldene Uhr samt ebensolcher Kette!

Hastig drückt er das Kästchen wieder zu und schiebt es über den Tisch zurück. »Alles was recht ist!« sagt er ernst. »Eine Kleinigkeit, irgendeinen Spaßgegenstand hätte ich genommen und als Spaß betrachtet, aber … Nein, das tu' ich nicht.«

Ihr Gesicht wird plötzlich tiefrot, und mit weit aufgerissenen Augen starrt sie diesen Menschen an. Der ist wirklich imstande und nimmt das Geschenk nicht an. Herschauen tut er so. Dann … dann … Ja, was tut sie dann?

»Geh! geh!« redet der Andres. »Zier' und spreiz' Dich vielleicht auch eine Weile! Ein angehender Doktor und …«

»Das tu' ich nicht, das nehm ich nicht.«

Zwei helle, wie Quecksilberkügelchen zitternde Tränentröpflein drängen sich der Liesel in die Augen, um ihren Mund zuckt es einige Male hastig, und langsam bewegt sich ihre Hand dem Kästchen entgegen.

»Wenn D' nichts annehmen magst von mir … Wenn …«

»Jetzt nimmst es, Melcher!« fährt die Buchengütlerin auf. »Schau! Das Dirndl flennt fast vor Härten, weil D' ihr die Gab' nicht nimmst.« Und sie schiebt ihm das Kästchen zu.

»Aber so eine teure Sach'!« wendet er ein, und es ist ihm höchst peinlich, dass das Ding gleich zu flennen anfängt. Freilich; wenn er etwas gäbe und es würde zurückgewiesen …

»Ein Leben oder ein gesundes Glied, weißt, sel ist auch nicht gerade einen Scheingroschen wert«, erklärt der Andres. »Mach' keine Schnacksen! So!«

»Also verbindlichsten Dank, Liesel!« sagt Maier und streckt seine Hand über den Tisch hin. »Und nichts für ungut! Wehtun hab' ich Dir entschieden nicht wollen.«

»Es hätt' mich wirklich hart ankommen, wenn Du meine Gabe nicht angenommen hättest.«

»Wär' schon ein Unsinn gewesen«, urteilt die Buchengütlerin.

»Jetzt Leutln!« sagt der Andres feierlich. »Wisst jetzt was?« Jetzt richtet sich der angehende Doktor Maier, und jetzt richten sich die Kathl und die Hermin, und nachher gehen wir zu uns hinüber, und wieder nachher gehen wir ein bissel zum Straßwirt nach Silbersbach … ohne alle Weigerung!« setzt er hinzu, als wäre er ein Hauptmann und befiehle seinen Soldaten.

»Es wird gleich Nacht sein«, wendet die Buchengütlerin ein. »Und die Dirndl …«

»Ah was: Nacht! Es ist schon öfter Nacht gewesen, und es wird sel noch öfter werden. Sie bleiben all bei uns drüben. Wir haben Platz genug, und verhungern brauchen sie auch nicht.«

»Geht nur auch mit!« nötigt die Liesel an den beiden Dirnlein, und nach einigen Einwendungen und Vorstellungen gibt auch die Buchengütlerin ihre Einwilligung.

So richtet man sich denn zum Fortgehen …

»Wenn er sich ein bissel Müh' geben wollt', eine reichere Heirat machet er nicht bald«, sinn die Buchengütlerin, als die Kinder aus der Stube sind und sie ihnen durchs Fenster nachschaut. »So viel Geld und Gut und zur zwei Kinder dazu …«

»Das schwarze Ziefer!« brummt der alte Lenz hinter dem Ofen … »Sie fangt ihn … sie fangt ihn mit List und Heimtücke …«

*

Beim Straßwirt in Silbersbach ist die ganze Gaststube voll Leute, und besonders des jungen Gevölkes ist eine ganze Menge versammelt und lacht, singt und scherzt. Die stille Adventszeit ist vorüber, und man darf wieder lustig und fröhlich sein ohne allen Zwang.

Als aber einmal aus der über dem Hausflur drüben gelegenen Tanzstube das Quietschen einer Ziehharmonik herüberhallt, stürmt das junge Zeug alles hinüber, und nach Gelüsten zu tanzen und zu springen.

Maier aber bleibt ruhig sitzen. Recht viel Freude hat er ohnehin nicht an dem tollen Turbel und dem unnötigen Gelärme, und dass muss er sich schon wegen später etwas zurückhalten und gesetzter stellen. In einem halben Jahre, wenn es gut geht, ist er Arzt und gewissermaßen eine »Respektsperson«. Er redet und schwatzt mit einigen Bauern über dies und jenes und alles Mögliche, das die gerade ins Gespräch nehmen, und selbst als der Scharebner allem Anscheine nach auf einen unentgeltlichen ärztlichen Rat zerstreut und die Leiden und Beschwerden, die ihm seine »goldene Ader« verursacht, ausführlich und weitschweifig vorbringt, hält er mit seiner Rede nicht zurück und rät, was er in diesem Falle raten würde, wenn er schon Arzt wäre.

Des Hagsteiners Andres aber tanzt und strampelt wacker darauf los und hält viel darauf, dass keine seiner Gastinnen ein Tänzlein über gefeiert stehen oder sitzen muss. Aber auch die Liesel tanzt tüchtig und ihr Tänzer ist zumeist der Wirtskarl, der auch daheim sein Karolenmütze trägt und sich nicht sonderlich viel zu kümmern schein um den Asgardenfuchs in seines Vaters Schenkstube.

Als er ihn für seine Burschenschaft hat keilen wollen, ist er Landsmann und alles Mögliche gewesen, aber seither hat sich die Freundschaft sichtlich verdünnt, und der Sohn der notigen Buchengütlerswittib in Ödwald drüben, der seinen Unterhalt mit Stundengeben verdienen muss, ist für ihn, den reichen Wirtssohn, gar nicht recht ebenbürtig.

Dummheit und Stolz, sagt man, wüchsen auf einem Holze, und häufig trifft dieses Wahrwort irgendeinen Nagelkopf.

Da kommt die Liesel einmal daher und tut, als wollte sie tüchtig verschnaufen.

»Ja, und Du tanzest nicht?« fragt sie Maier, als sich die Rede gerade so schickt.

»Ich kann's nicht«, gibt der zur Antwort.

»Was Du nicht erzählen willst?« lacht sie ungläubig auf. »Ein junger Mensch und nicht tanzen können?«

»Ist so.«

»Nachher hast aber Zeit, dass Du es lernst.«

»Steht nimmer dafür«, bedeutet er. »Wie lange wird es anstehen, so hab' ich meinen Beruf, und wo des Lebens Ernst anfängt, hört Tanz und Spiel auf.«

»Wär nicht aus!« lacht der Breinecker, ein alter, graubärtiger Kunde, der zu Zeiten noch herumhopset wie ein ganz Junger. »In diesen Jahren schon unters Eisen kriechen! Jetzt kriegt Ihr es recht schön, wenn Ihr mit dem Studieren fertig seid; jetzt fängt das eigentliche Leben erst an. Und ein bissel lustig soll sich der Mensch allweil machen können, sel ist besser wie der beste Doktor. Schaut mich an! Ich tanz' heut' noch wie ein Windg'spiel, wenn ich grad' von einer schönen Musik aufgemuntert werde, und mir hat noch niemals etwas gefehlt, noch niemals.«

»Geh', tanz' ein Stückel!« nötigt und bettelt die Liesel flüsternd, »gerad, dass ich von dem faden Menschen meine Ruh' kriege … Erstens kann ich ihn eh' schon nicht zweimal gut leiden, und zweitens hüpft und springt er allweil schnurgerade in die Höhe, dass man meint, er tritt einem die Kniescheien und den daneben tanzenden die Waden weg.

»Ich kann ja nicht tanzen«, erklärt er so bestimmt, als er vermag; aber sie glaubt es trotzdem nicht. Sie redet und schwatzt so lange, bis er einwilligt.

»Dir zu Lieb' ein Tänzlein, ein einziges, wenn Du mir versprichst, dass ich nachher meine Ruhe habe, Wort!«

»Mein Wort! Wirst sehen, dass ein Weiberleut auch ihr Wort halten kann.«

Und sie gehen auf ein Tänzlein in die Tanzstube hinüber.

Der beste Tänzer ist er bei Weitem nicht, aber es geht. Eng aneinander geschmiegt tanzen und strampeln sie mit und zwischen den andern Paaren dahin, und als der Tanz zu Ende, erklärt die Liesel ihrem Bruder gegenüber, dies wäre für heute ihr letzter Tanz gewesen, und ihr wäre es recht, wenn man sich nach kurzer Weile auf den Heimweg machen wollte.

Sie setzt sich dann an ihren früheren Platz und neben Maier in die Schenkstube, und als Barth, der Wirtssohn, in kurzer Zeit komme und sie zum Tanze holen will, erklärt sie kurz und bündig, sie tanze heute nicht mehr, weil sie sich wahrscheinlich das Knöchel überstaucht haben dürfte.

Aber Barth glaubt das nicht.

Er redet und schwatzt in geschraubter, hochfahrender Weise und in derber, ungebundener Bauernart, und als alles nichts nutzen will und nichts nutzt, will er sie von ihrem Platze weg und in die Tanzstube ziehen.

Eine Weile widersetzt und spreizt sich das Dirndl mit ganz annehmbaren Erfolgen, denn bei der beständigen Arbeit werden auch Weiberkräfte gestählt, aber als Barth etwas derber zu werden beginnt, neigt sich das Zünglein seiner Seite zu. Wer grob ist, ist stark, sagt ein altes Bauernsprichwort.

»Sakra!« meint der Scharebner, so halb und halb entrüstet ob des ungehörigen Treibens und Nötens des jungen Laffen. »Die Juristen und Gerichtskunden lernen fein ganz schöne Fleischhackergriffe.«

»Aber schämen Sie sich doch!« stößt nun auch Maier empört heraus. »Wer wird denn jemand zum Tanzen zwingen wollen, der nicht tanzen will?«

Nun lässt Barth ab und tritt zurück, und sein vom Herumziehen und Zerren gerötetes Gesicht wird noch röter.

»Schämen?« dehnt er heraus. »Sie scheinen diesen Ausdruck vorsätzlich gebraucht zu haben.«

»Fällt mir gar nicht ein«, erklärt Maier, ohne an irgendetwas anderes zu denken. Wer könnte denn hinter jeder Rede gleich die oder jene Absicht vermuten. »Ich habe nur auf die Ungehörigkeit Ihres Benehmens hingewiesen.«

»Also … Sie kneifen aus?« kichert Barth spöttisch, und bei dieser Rede geht Maier erst ein Licht auf.

Auskneifen? Also dahin hat der Wurf gezielt. Gut! Wenn er es haben will, soll er halt einmal über die Klinge hüpfen.

»Vom Auskneifen ist keine Rede«, sagt er trotzig. »Ich habe erklärt, in welchem Sinne und inwelcher Absicht ich das Wort gebraucht habe, aber wenn Sie wünschen, so habe ich den Ausdruck auch vorsätzlich gebraucht.«

»Gut. Ich werde die Konsequenzen zu ziehen wissen. Nach Ablauf der Weihnachtsferien wird Ihnen bekanntgegeben werden, wo meine Vertreter zu treffen sind.«

»Danke.«

Barth kehrt sich kurz ab und verlässt die Schenkstube, und der Breinecker frage, was diese Seewenzln wohl für Leute wären, die der Wirtskarl ziehen werde, und was dieser ihm ganz und gar unverständliche Schwatz in der Ausdrucksweise der Bauern zu bedeuten hätte. Ein bissel etwas steckte seiner Ansicht nach dahinter.

In Maier steigt der Zorn und Ärger in mächtigen Wellen empor, und er trinkt rasch hintereinander zwei Glas Bier leer, gibt aber auf die Frage des Breineckers eine ausweichende Auskunft.

Wozu braucht irgendjemand zu wissen, was hinter den Reden verborgen steckt? Diese Leute verstehen ja von solchen Sachen überhaupt nichts, haben nicht einmal eine Ahnung davon und würden jede Erklärung falsch auffassen.

Als aber auf dem Heimwege der Vorfall nochmals zur Erörterung kommt und der Andres so beiläufig herausbringt, dass in der Familie des Straßwirts wohl Absichten auf der Liesel Heiratsgut bestehen dürften, weil der Straßwirt selbst schon einmal bei ihrem Vater, dem Hagsteiner, so eine Art Vorrede für seinen Sohn getan, dämmert in Maiers Kopfe ein Vorsatz auf: Jetzt gerade nicht! Jetzt lässt er die Liesel nicht aus, geht es krumm oder eben …


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