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6.

Denkst Du daran, mein vielgeliebter Bruder,
Wie wir so froh die Burschenzeit verlebt?
Oft ging's uns gut, oft unter allem Luder,
Vor Manichäern hab'n wir nie gebebt.
Wenn uns der nervus rerum dann enteilte,
Der Jude kam, der vielgeliebte Mann,
Dem man alsdann die Klassiker verkeilte.
O Freund und Bruder, denkst du noch daran?


Eduard Köhler macht ein Gesicht, als wollte er einen Bären beißen, und sein Körper zittert förmlich vor Aufregung und Wut.

»Verfluchte Wirtschaft über einander! … Saubagasche!« zetert er und schimpft er, als er die dunkle Stiege hinauf stolpert. »Könnte da nicht eine Gasflamme brennen? Wofür zahlt man denn alles Mögliche und Unmögliche? Das Geld steckt dies Gesindel ruhig ein, aber dass es auch etwas dafür leistete? Einen Schmarren. Eine gut Lust hätte ich …«

Maier und Ritter sind in ihren Zimmer und fahren jeder wie ein Blick zur Türe, als sie den Dicken schreien und zetern hören … Wird ihm etwa doch nichts geschehen sein?

»Was ist denn los?« fragt Maier.

»Los?« gegenfragt Köhler. »Wie meinst Du denn das eigentlich? … Mit mir ist nichts los; aber wie die Erde so ein Malefizgesindel tragen kann, das begreife ich einfach nicht, und es ist auch weder ein rechtlicher och ein anderer Grund hierfür vorhanden.«

»Was gibt's denn also?«

»Maul gehalten, Fuchs!«

Er poltert in Maiers Bude und schlägt dort mit der Faust derart auf den Tisch, dass es nur so hallt. »Ein Gesindel!« schimpft er weiter. »Der Lump sollte von Rechts wegen keine halbe Stunde frei und ohne Kette herumlaufen dürfen … So ein elendiger Spitzbube! Und im Bannkreise der Alma mater, in der Landeshauptstadt, und wer weiß noch allem duldet man solches Raubrittertum? Ich danke.«

»Ja, was gibt's denn eigentlich?« fragt Maier wieder und mustert den Kommilitonen um und um, ob er nicht etwa überfallen und misshandelt worden sei, aber er vermag kein dahin deutendes Zeichen zu erspähen. »So rede doch vernünftig, damit man sich allenfalls auskennt an Dir, und was Dir in die Quere gekommtn!«

»Und wir können Dich auch nicht schimpfen helfen, wenn Du uns nicht vorher das Thema angibst«, neckt Ritter.

»Da habt Ihr noch zu fragen?« entrüstet sich Köhler, und sein Gesicht wird noch röter. »Mir scheint, Ihr habt in Eurer Einfalt nicht die blasse Ahnung, in welch' muffiger Atmosphäre wir zu leben gezwungen sind.«

»Nicht die leiseste. Was ficht Dich an?«

»Ich … ich kann Dir augenblicklich den vormittags gepumpten Speer nicht zurückvergüten …«

»Wen ficht das an?«

»Wen?« lacht Köhler hart auf. »In erster Reihe mich, verstanden.«

»Hast Du bei Abraham kein wohlgeeignetes Ohr gefunden?« neckt Ritter weiter.

»Corniger!« knurrt Köhler und wirft einen geringschätzigen Blick nach dem Necker. »Abraham ist ein Ehrenmann, ein unschuldiges Lamm und so weiter. Unterschrift und Siegel meinerseits. Abraham pumpt, verlangt den Index als Pfand, aber lediglich gut bürgerliche Zinsen, und wer ihm nicht mehr gibt, der kriegt eben ein zweites Mal nicht so leicht wieder etwas. Aber Jirak! … Kennt Ihr dieses Ungeheuer?« Und er lässt sich auf das alte Sofa nieder, dass alle Federn desselben knacken und klirren.

»Nein … nein … Wer ist denn dieser Chammer?«

»Euer Glück! Ein grundschlechter Kerl, sag' ich Euch, ein Scheusal von einem Menschen, ein Wucherer comme il faut … und etcetera.«

»Hast Du etwa zu tun mit ihm?« fragt Ritter etwas anzüglich.

»Kerl, ich sage Dir: Bringe mich nicht zum Rasen! Doch, dass ich euch erzähle … Heut' brauche ich Moos, und ich muss schon Maier um einen Speer angründen, und da geh' ich denn wieder einmal zu diesem … diesem Jirak, um einen kleinen Pump anzulegen …«

»Wieder einmal?« fragt Ritter, in der Absicht, das alte Haus mal gründlich zu ärgern, doch Köhler stößt statt aller Antwort nur mit dem Fuße nach ihm, ohne ihn jedoch zu treffen. Er gibt auf die Frage aber auch gar keine Antwort und fährt nach kleiner, durch den Fußtritt bedingter Pause unbehindert fort zu erzählen.

»Also: ich will wieder man einen kleinen Pump anlegen, wenn die Möser verschwunden sind oder wenn der Alte mal ein bisschen schwerhörig ist oder gar begriffsstutzig. … Ich gehe also zu ihm … es wissen nämlich nur ganz auserlesene Kreise seine Adresse …«

»Selbstverständlich«, grunzt Ritter behaglich.

»Aber er gibt nicht. Er hat selbst nicht einen Sechser im ganzen Hause, sagt er, und braucht das übrige Geld, sagt er … fünfundzwanzig Gulden weniger wie gerade rund tausend Gulden … eintausend Gulden … Was sagt Ihr zu solcher Frechheit? Nichts? … Das ist schön von Freunden … Er braucht das Geld jetzt, sagt er … er braucht es … Kruzitürken und kein Ende!« Er schlägt wieder auf den Tisch. »Sag' mir mal einer, wo ich diese Bagatelle hernehmen soll? Stehlen ist verboten, Falschmünzen auch, ein Raubüberfall ebenfalls, und … solcher Schwindel ist erlaubt … ist erlaubt.«

»Einen so hohen Monatswechsel erhalten und noch so viel Schulden machen!« staunt Maier und sieht den Freund großmächtig an.

»So viel Schulden! Wer sagt Dir denn, dass es wirklich so viel sind?« ärgert sich Köhler noch mehr.

»Du sagst doch, dass Du diese Summe zahlen sollst.«

»Das ist ja der dumme Witz … Ich habe mir nie die Mühe genommen, die Bagatellen zur Bagatellensumme zusammen zu rechnen. Im Notizbuche habe ich wohl alles getreulich vermerkt, was ich gepumpt, aber heute, nachdem er mir mit solchem Sermon daherkommt, mache ich mich darüber und summiere. Gegen sechshundert Gulden. Entweder kann ich das Rechnen nimmer oder aber … Mensch, ich weiß nicht, wer ich bin und was ich beginnen soll.«

»Wenn Du nicht mehr gepumpt hast, bist Du doch nichts mehr schuldig und brauchst daher auch nicht mehr zu zahlen.«

»Meinst Du?« lacht Köhler eigentümlich auf. »Ahnungslose Unschuld! … Ich sage Dir aber: der Bien muss. Dieser Jirak hat es schwarz auf weiß … schwarz auf weiß. Ich kann ihn im Grunde gar nicht fassen. Das ist eben das Scheußliche an der ganzen Brühe. Er hat auf jedem Papierchen meine Unterschrift, echt und rechtsgültig.«

»Und die gibst Du, ein angehender Juriste?«

»Ja, leider Gottes bin ich solches. Aber ich bin, unter uns gesagt, noch etwas: ein Esel, ein ganz gewaltig großer Esel, ein Esel zum Quadrat erhoben … Was wird der Alte sagen, wenn – ich bekohlt nach Hause komm'?« trällert er mitten in seinem Zorn und Ärger heraus und fängt gleich darauf sogar zu lachen an. »Kinder, was ist da zu machen? Ratet! Helft! Greift mir mit irgendeiner brauchbaren Idee unter die Arme, aber mit einer vernünftigeren und in leichter durchführbareren, wie dies Pan Jirak getan hat!«

»Erfahren müsse Deine Eltern auf jeden Fall von der Sachlage, also gleich: pater peccavi! Dein Alter kann doch? … Das ist mein Rat. Einen andern vermag ich Dir mit bestem Willen nicht zu geben«, rät Maier.

»Kann!« lacht Köhler wieder in der ihm heute eigentümlichen Weise heraus. »Lächerlich! Vom Nichtkönnen ist keine Rede; es handelt sich in diesem Falle nur ums Wollen. Er ist doch ein kleiner Großgründler und hat so nebenbei noch ein Bräuhaus. Denkt Kinder: Ein rechtes, richtiges Bräuhaus, wo ich manchmal nicht weiß, auf welch' erlaubte Weise ich meinen Durst löschen soll. Aber der Scheußliche ist, dass er mein Stiefpapa ist und ohnehin schon lange daran herummäkelt, dass ich zu keinem Rigorosum komme. Das mir vom Vater als Erbteil gemachte Kapitel wäre aufgezehrt, und was er nun täte, täte er aus reiner Gnade und Barmherzigkeit. Verstanden? Und dabei sind wir Kinderchen nach des Vaters Tode zu Gunsten der Mutter mit ein paar lumpigen Gulden hinausgehängt worden, und der … der einstige Bräubursch hat sich in das warme Nest gesetzt und … er tut etwas aus purer Gnade und Barmherzigkeit für uns … Zu dumm, was?«

»Es geht in den meisten Fällen so, dass beim Ableben eines Vaters der tertius gaudens oder die gaudentes der Stiefpapa oder dessen Rangen sind«, gibt Maier zu. »Aber das ändert an Deiner Angelegenheit nichts. Wenn dieser … dieser Jirak gezahlt sein will, wirst Du notgedrungen eine, wenn auch für den Augenblick peinliche Erklärung der Sachlage geben und um gefällige Deckung der Schuld bitten müssen.«

»Müssen?« Der Dicke schupft die Schultern und lacht dann heraus wie einer, dessen Verstand etwas anbrüchig zu werden beginnt. »Müssen? Da irrst Du ganz gewaltig. Man ist heutigen Tages human, abscheulich human und will den Menschen durchaus nicht zu Grunde richten, sondern ihm im geraden Gegenteil davon sogar recht fest auf die Beine helfen. Aber natürlich! … Was glotzest Du mich so ungläubig an, elender Fuchs?« knurrt er Ritter an, der dieser Rede Sinn nicht sofort aufschnappen kann und den Sprecher deshalb etwas verwundert anschaut. »Jirak ist in dieser Beziehung ein wahres Ideal, ein … Goldvieh. Und er ist es nach seinem höchsteigenen Geständnisse meinet- und seiner übrigen höchst noblen Kundschaft wegen … Ich … ich weiß nicht, wie ich ihn und seine uneigennützige Hilfsbereitschaft nennen soll, um mich keiner Verbalinjurie schuldig zu machen. Will mir der elende Kerl zu einer glänzenden Partie verhelfen, sagt er«, poltert und kollert er gleich darauf in höchster Entrüstung heraus. »Denkt euch: Um mich zu rangieren, wie er diese Schandtat zu benennen beliebt … Habt ihr schon Ähnliches erlebt oder auch nur erhört?«

»Offen gestanden: Nein.«

»Fünfundzwanzig bis vierzig Mille, wie Jirak es so bezaubernd schön und wohlklingend über die Lippen zu bringen weiß, geradezu mit unnachahmlichem, melodiestrotzendem Flöten: Fünfundzwanzig bis vierzig Mille! Der Alte wäre ein gewisser Welehradsky, ein Ehrenmann, der sich durch Ochsenhandel und Schweiefleischselcherei ein Vermögen erworben und die Tochter, dieser Kapitalsvogel … blütenweißes Gefieder, sanfte Guckäugelchen, selbst den Schnabel von natürlichem Rot …«

»An den Füßchen Schwimmhäute?« zwischenfragt Ritter.

»Mensch, Du bringst mich heute noch in ein Stadium, wo du den rasenden Roland an mir studieren kannst … Da soll ich dran und drauf …«

»Diese Zumutung ist allerdings etwas stark«, gibt Maier nachdenklich zu. »Wahrscheinlich kennst Du diese Dame nicht einmal.«

»I, woher denn? Aber Jirak der Gütige würde in seiner Menschenfreundlichkeit diese Bekanntschaft vermitteln, sagt er. Und ich werde wahrscheinlich von dieser Güte Gebrauch machen müssen … Ja, wenn mein Vater noch lebte oder wenn unsere Mutter so zu uns wäre wie zu den Rangen der Herrn Stiefpapas!«

»Unsinn!« brummt Maier. »Du, das täte ich nicht … Wie gesagt: pater peccavi! Eine Epistel wirst Du wohl mit in den Kauf nehmen müssen, die an Deutlichkeit und Gemeinverständlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen dürfte, und im Grunde hättest Du ehrlich zwei solcher Episteln verdient. So viel bekommen und – noch Schulden machen! … Aber weißt Du: Ehe ich mich auf diese Weise verschachern ließe oder meinetwegen auch selbst verschacherte, das ganze noch vor mir liegende Leben mit all seiner Freude und allen Hoffnungen verkaufte um den wahren Judaslohn von so und so viel Millen, lieber Prügel aufgemessen bekommen vom wirklichen oder substituierenden Herrn Papa, dass die Schwarte kracht. Solches ist wieder zu verschmerzen, aber … Nein, brrr! Mir wäre schon so.«

»Ja, wenn man's mit dem rechten Vater zu tun hätte, dann meinetwegen käme, was da wollte. Aber einem Kerl gegenüber, dem gegenüber man im Grunde genommen sonst keine Verpflichtungen hat, als dass man in ihm den Mann seiner Mutter und den derzeitigen Besitzer seines väterlichen Gutes, dessen Erbe von Rechts wegen man selbst wäre, sehen muss! Mensch, das wird es einem verteufelt schwer, mit etwas zu kommen, dass ihm das scheinbare Recht gibt, einen zu vermoppeln und … Gnade, pure Gnade und Barmherzigkeit vorzuhalten.« Er seufzt tief auf und schaut zum Fenster hinaus in das Dunkel des Abends.

»Ja, man hat's eben nicht leicht.«

»Da kennst Du also dies holde Kind noch gar nicht?« fragt Ritter.

»Nicht eine Spur.«

»Dann brauchst Du überhaupt noch nicht zu verzweifeln. Der Dir zugedachte Lebensgefährte kann ein Ideal sein nach jeder Richtung hin. Ich an Deiner Stelle würde mir die Sache so ganz aus der Nähe beaugapfeln.«

»Trügest Du Verlangen danach, Fuchs? Ich hätte selbstverständlich die Güte, Dir ganz unauffällig die werte Bekanntschaft vermitteln zu lassen. Vielleicht wäre Fräulein … Welehradsky nach Deinem Geschmacke und Du hättest nachher so viel Dankbarkeitsgefühl, mir aus der Patsche zu helfen.«

»Danke sehr.«

»Nun ja; ich habe wohl über die Grenzen der Freundschaft ziemlich weitgehende Ansichten, aber dass sie da irgendwo herumliegen müssen, begreife ich vollkommen. Und dass ich euch sage, Kinderchen, Füchslein: Der Ärger muss fein säuberlich aus der Kehle geschwemmt werden, sonst fängt er da zu rosten an und bringt mich so um. Es ist doch schon ganz Wurst, ob ich mit fünf oder zehn Speeren mehr oder weniger in der Kreide sitze …«

»Wenn Du aber nichts gepumpt bekommen hast?«

»Ah was! So viel Pump werde ich doch noch auf der Bude haben … ich, der Mann, der gegebenenfalls über vierzig Mille verfügen kann … Hut ab vor des Rothschilds nächstem Verwandten!« lacht er dann schrill auf. »Vielleicht finde ich etwelchen Trost und am Ende gar einen oder den andern vernünftigen Gedanken in potu.«

»Zuerst müssen wir doch nachtmahlen«, stellt Maier vor, und Köhler lässt sich solches einreden. Nach dem Nachtessen aber gehen sie alle drei auf die Bude.

Dort beginnt Köhler förmlich zu saufen, um all den Zorn und Ärger hinab zu schwemmen und fortzuspülen, und der Rodensteiner reißt einmal einen Witz über den Jüngling aus dem Feuerofen, der heute so viel Durst entwickelt, und er strebt selbst nach Kräften, seiner Gewohnheit gemäß nicht recht weit zurückzubleiben.

Als sich alles zum Heimgehen rüstet, will Köhler noch eine trinken »zum Abgewöhnen«, und als die geleert ist, rückt er mit dem Vorschlage heraus, noch anderswo auf ein paar Krügel hinzugehen, aber da keiner darauf eingeht, wackelt er auch mit heim.

In währendem Gehen aber entwickelt er einen Plan, vor dem den beiden andern zu grauen beginnt.

»Vom nächsten Semester ab gebe ich diese elende Juristerei auf«, sagt und erzählt er mit ziemlich ungelenker Zunge. »Der ganze Schmarren taugt ohnehin zu sonst nichts, als dass man gegebenenfalls gegen gutes Honorar einem unrecht getan habenden Spitzbuben um die scharfe Ecke hilft, und das soll öfter notwendig sein, als es zum allgemeinen Seelenheile notwendig und erforderlich ist. Was man als Recht ansieht, ist es, alles andere ist blankes Unrecht. Übrigens kommt es auch darauf an, wer etwas getan hat. Was bei einem gut und billig ist, kann beim andern krasses Unrecht sein. Ja, so weit bin ich schon eingekeilt, dass ich dies kenne … Dass mir der ganze Krempel die Leiter hinaufsteigt! Ich mache mich über Naturwissenschaften.«

»Ich an Deiner Stelle würde trachten, so bald als möglich ins Examen zu steigen«, rät Maier.

»Und als graduierter und vollwichtig befundener Juriste wieder herauszukriechen«, ergänzt Ritter.

»Unsinn!« brummt Köhler fast verächtlich. »Was hab ich davon? Quid prodest? Wenn ich schon in diesen … in diesen Giftwurz beißen muss, so will ich mir doch nachher wenigstens den Mund gehörig ausspülen, aber schon gehörig, und mich durch den Genuss von wirklichen Süßigkeiten schadlos halten. Man lebt doch nur ein einziges Mal, und da richtet man sich's möglichst bequem ein …

Drum traute Brüder,
Singet frohe Lieder,
Nehmt die vollen Gläser in die Hand und trinkt!
Leb in Jubelfreuden,
Eh' wir von hier scheiden,
Eh' des Lebens gold'ne Sonne sinkt.«

So fängt er mittendrin zu singen an.

»Mensch … Heinrich, mir graut vor Dir«, sagt Ritter bedächtig, da er sich im Stillen zusammenreimt, wie sich der Kommilitone augenblicklich sein ferneres Leben vorstelle mag, ein Leben, eines ehrlichen und ehrenhaften Mannes unwürdig nach jeder Seite hin.

»Du hat entschieden zu viel hinter die Binde geschüttet, und es wäre zwecklos, darüber zu reden und zu streiten, was Du zusammenflunkerst«, meint Maier, jede ernsthafte Erörterung der Angelegenheit zu dieser Stunde ablehnend. »Morgen werde ich Dir erzählen, welchen Stiefel Du heute zusammengeschustert und welchen Unsinn Dein Schwips ausgebrütet.«

»Stuss!« macht Köhler. »Wer sagt von Unsinn? Meinst Du, ich bin der Mensch, der es übers Herz bringt, vor den Menschen, dem wir Zeit seiner Ehe mit unserer Mutter nur immer die Krabben gewesen, die ihm den alleinigen Besitz des schöne, von meinem rechten Vater kommenden Gutes geschmälert haben, vor diesen Menschen mit meinem derzeitigen Anliegen hinzutreten und sein Geraunze und Geserres mit anzuhören? … O nin; ich nicht. Redet hin oder her, schaut mich für besoffen an oder nicht, mit ist es – Wurscht. Ich habe mich in diese Klemme geritten und werde trachten, mich mit eigener Kraft wieder herauszustrampeln … Voll Zärtlichkeit will ich der Dirne sagen, dass sie mein ganzes Herz gerührt …Ritte, was, Du lauriger Poete?«

»Hör' auf damit!«

»Wozu denn? Ich sehen keinen rechtlichen Grund, über meine ureigenen Angelegenheiten schweigen zu müssen … Ich krieg' es ja doch herrlich. Hübsch ein paar Mille wird dieser … dieser Pan Welehradsky schon noch zulegen müssen, sonst muss mir eben Jirak eine andere Partie von … eine andere Partie vermitteln, die moosig genug ist. Dann studiere ich als wohlbestallter Halbmillionär noch so ein Dutzend Semester Naturwissenschaften und dann … geh ich mal so ein bisschen unter die Ganzwilden, als Naturforscher oder Ähnliches und mache die epochalsten Entdeckungen. Vielleicht hat sich dann meine bessere Hälfte zu Tode gegrämt um mich, bis ich wiederkomme als hochberühmter Mann …«

»Glück zu!« brummt Maier, und dann ist es mit allen weiteren Erörterungen aus. Köhler phantasiert wohl fort bis sich die Türe seines Zimmers hinter ihm geschlossen, aber die andern zwei lasse ihn nunmehr reden und knurren, und sagen nicht eine Silbe dawider …


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