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Kapitel 42.
Leben der Gattung.

Im vorhergehenden Kapitel wurde in Erinnerung gebracht, daß die (Platonischen) Ideen der verschiedenen Stufen der Wesen, welche die adäquate Objektivation des Willens zum Leben sind, in der an die Form der Zeit gebundenen Erkenntniß des Individuums sich als die Gattungen, d. h. als die durch das Band der Zeugung verbundenen, successiven und gleichartigen Individuen darstellen, und daß daher die Gattung die in der Zeit auseinandergezogene Idee (εἰδος, species) ist. Demzufolge liegt das Wesen an sich jedes Lebenden zunächst in seiner Gattung: diese hat jedoch ihr Daseyn wieder nur in den Individuen. Obgleich nun der Wille nur im Individuo zum Selbstbewußtseyn gelangt, sich also unmittelbar nur als das Individuum erkennt; so tritt das in der Tiefe liegende Bewußtseyn, daß eigentlich die Gattung es ist, in der sein Wesen sich objektivirt, doch darin hervor, daß dem Individuo die Angelegenheiten der Gattung als solcher, also die Geschlechtsverhältnisse, die Zeugung und Ernährung der Brut, ungleich wichtiger und angelegener sind, als alles Andere. Daher also bei den Thieren die Brunst (von deren Vehemenz man eine vortreffliche Schilderung findet in Burdachs Physiologie, Bd. 1, §§. 247, 257), und beim Menschen die sorgfältige und kapriziöse Auswahl des andern Individuums zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, welche sich bis zur leidenschaftlichen Liebe steigern kann, deren näherer Untersuchung ich ein eigenes Kapitel widmen werde: eben daher endlich die überschwängliche Liebe der Eltern zu ihrer Brut.

In den Ergänzungen zum zweiten Buch wurde der Wille der Wurzel, der Intellekt der Krone des Baumes verglichen: so ist es innerlich, oder psychologisch. Aeußerlich aber, oder physiologisch, sind die Genitalien die Wurzel, der Kopf die Krone. Das Ernährende sind zwar nicht die Genitalien, sondern die Zotten der Gedärme: dennoch sind nicht diese, sondern jene die Wurzel: weil durch sie das Individuum mit der Gattung zusammenhängt, in welcher es wurzelt. Denn es ist physisch ein Erzeugniß der Gattung, metaphysisch ein mehr oder minder unvollkommenes Bild der Idee, welche, in der Form der Zeit, sich als Gattung darstellt. In Uebereinstimmung mit dem hier ausgesprochenen Verhältniß ist die größte Vitalität, wie auch die Dekrepität, des Gehirns und der Genitalien gleichzeitig und steht in Verbindung. Der Geschlechtstrieb ist anzusehen als der innere Zug des Baumes (der Gattung), auf welchem das Leben des Individuums sproßt, wie ein Blatt, das vom Baume genährt wird und ihn zu nähren beiträgt: daher ist jener Trieb so stark und aus der Tiefe unserer Natur. Ein Individuum kastriren, heißt es vom Baum der Gattung, auf welchem es sproßt, abschneiden und so gesondert verdorren lassen: daher die Degradation seiner Geistes- und Leibeskräfte. – Daß auf den Dienst der Gattung, d. i. die Befruchtung, bei jedem thierischen Individuo, augenblickliche Erschöpfung und Abspannung aller Kräfte, bei den meisten Insekten sogar baldiger Tod erfolgt, weshalb Celsus sagte seminis emissio est partis animae jactura; daß beim Menschen das Erlöschen der Zeugungskraft anzeigt, das Individuum gehe nunmehr dem Tode entgegen; daß übertriebener Gebrauch jener Kraft in jedem Alter das Leben verkürzt, Enthaltsamkeit hingegen alle Kräfte, besonders aber die Muskelkraft, erhöht, weshalb sie zur Vorbereitung der Griechischen Athleten gehörte; daß dieselbe Enthaltsamkeit das Leben des Insekts sogar bis zum folgenden Frühling verlängert; – alles Dieses deutet darauf hin, daß das Leben des Individuums im Grunde nur ein von der Gattung erborgtes und daß alle Lebenskraft gleichsam durch Abdämmung gehemmte Gattungskraft ist. Dieses aber ist daraus zu erklären, daß das metaphysische Substrat des Lebens sich unmittelbar in der Gattung und erst mittelst dieser im Individuo offenbart. Demgemäß wird in Indien der Lingam mit der Joni als das Symbol der Gattung und ihrer Unsterblichkeit verehrt und, als das Gegengewicht des Todes, gerade der diesem vorstehenden Gottheit, dem Schiwa, als Attribut beigegeben.

Aber ohne Mythos und Symbol bezeugt die Heftigkeit des Geschlechtstriebes, der rege Eifer und der tiefe Ernst, mit welchem jedes Thier, und eben so der Mensch, die Angelegenheiten desselben betreibt, daß durch die ihm dienende Funktion das Thier Dem angehört, worin eigentlich und hauptsächlich sein wahres Wesen liegt, nämlich der Gattung: während alle andern Funktionen und Organe unmittelbar nur dem Individuo dienen, dessen Daseyn im Grunde nur ein sekundäres ist. In der Heftigkeit jenes Triebes, welcher die Koncentration des ganzen thierischen Wesens ist, drückt ferner sich das Bewußtseyn aus, daß das Individuum nicht fortdauere und daher Alles an die Erhaltung der Gattung zu setzen habe, als in welcher sein wahres Daseyn liegt.

Vergegenwärtigen wir, zur Erläuterung des Gesagten, uns jetzt ein Thier in seiner Brunst und im Akte der Zeugung. Wir sehen einen an ihm sonst nie gekannten Ernst und Eifer. Was geht dabei in ihm vor? – Weiß es, daß es sterben muß und daß durch sein gegenwärtiges Geschäft ein neues, jedoch ihm völlig ähnliches Individuum entstehen wird, um an seine Stelle zu treten? – Von dem Allen weiß es nichts, da es nicht denkt. Aber es sorgt für die Fortdauer seiner Gattung in der Zeit, so eifrig, als ob es jenes Alles wüßte. Denn es ist sich bewußt, daß es leben und daseyn will, und den höchsten Grad dieses Wollens drückt es aus durch den Akt der Zeugung: dies ist Alles, was dabei in seinem Bewußtseyn vorgeht. Auch ist dies völlig hinreichend zum Bestande der Wesen; eben weil der Wille das Radikale ist, die Erkenntniß das Adventitium. Dieserhalb eben braucht der Wille nicht durchweg von der Erkenntniß geleitet zu werden; sondern sobald er in seiner Ursprünglichkeit sich entschieden hat, wird schon von selbst dieses Wollen sich in der Welt der Vorstellungen objektiviren. Wenn nun solchermaaßen jene bestimmte Thiergestalt, die wir uns gedacht haben, es ist, die das Leben und Daseyn will; so will sie nicht Leben und Daseyn überhaupt, sondern sie will es in eben dieser Gestalt. Darum ist es der Anblick seiner Gestalt im Weibchen seiner Art, der den Willen des Thieres zur Zeugung anreizt. Dieses sein Wollen, angeschaut von Außen und unter der Form der Zeit, stellt sich dar als solche Thiergestalt eine endlose Zeit hindurch erhalten durch die immer wiederholte Ersetzung eines Individuums durch ein anderes, also durch das Wechselspiel des Todes und der Zeugung, welche, so betrachtet, nur noch als der Pulsschlag jener durch alle Zeit beharrenden Gestalt (ιδεα, εἰδος, species) erscheinen. Man kann sie der Attraktions- und Repulsionskraft, durch deren Antagonismus die Materie besteht, vergleichen. – Das hier am Thiere Nachgewiesene gilt auch vom Menschen: denn wenn gleich bei diesem der Zeugungsakt von der vollständigen Erkenntniß seiner Endursache begleitet ist; so ist er doch nicht von ihr geleitet, sondern geht unmittelbar aus dem Willen zum Leben hervor, als dessen Koncentration. Er ist sonach den instinktiven Handlungen beizuzählen. Denn so wenig bei der Zeugung das Thier durch die Erkenntniß des Zweckes geleitet ist, so wenig ist es dieses bei den Kunsttrieben: auch in diesen äußert sich der Wille, in der Hauptsache, ohne die Vermittlung der Erkenntniß, als welcher, hier wie dort, nur das Detail anheimgestellt ist. Die Zeugung ist gewissermaaßen der bewunderungswürdigste der Kunsttriebe und sein Werk das erstaunlichste.

Aus diesen Betrachtungen erklärt es sich, warum die Begierde des Geschlechts einen von jeder andern sehr verschiedenen Charakter trägt: sie ist nicht nur die stärkste, sondern sogar specifisch von mächtigerer Art als alle andern. Sie wird überall stillschweigend vorausgesetzt, als nothwendig und unausbleiblich, und ist nicht, wie andere Wünsche, Sache des Geschmacks und der Laune. Denn sie ist der Wunsch, welcher selbst das Wesen des Menschen ausmacht. Im Konflikt mit ihr ist kein Motiv so stark, daß es des Sieges gewiß wäre. Sie ist so sehr die Hauptsache, daß für die Entbehrung ihrer Befriedigung keine andern Genüsse entschädigen: auch übernimmt Thier und Mensch ihretwegen jede Gefahr, jeden Kampf. Ein gar naiver Ausdruck dieser natürlichen Sinnesart ist die bekannte Ueberschrift der mit dem Phallus verzierten Thüre der fornix zu Pompeji: Heic habitat felicitas: diese war für den Hineingehenden naiv, für den Herauskommenden ironisch, und an sich selbst humoristisch. – Mit Ernst und Würde hingegen ist die überschwängliche Macht des Zeugungstriebes ausgedrückt in der Inschrift, welche (nach Theo von Smyrna, de musica, c. 47) Osiris auf einer Säule, die er den ewigen Göttern setzte, angebracht hatte: »Dem Geiste, dem Himmel, der Sonne, dem Monde, der Erde, der Nacht, dem Tage, und dem Vater alles Dessen, was ist und was seyn wird, dem Eros«; – ebenfalls in der schönen Apostrophe, mit welcher Lukretius sein Werk eröffnet:

Aeneadum genetrix, hominum divômque voluptas,
Alma Venus cet.

Dem Allen entspricht die wichtige Rolle, welche das Geschlechtsverhältniß in der Menschenwelt spielt, als wo es eigentlich der unsichtbare Mittelpunkt alles Thuns und Treibens ist und trotz allen ihm übergeworfenen Schleiern überall hervorguckt. Es ist die Ursache des Krieges und der Zweck des Friedens, die Grundlage des Ernstes und das Ziel des Scherzes, die unerschöpfliche Quelle des Witzes, der Schlüssel zu allen Anspielungen und der Sinn aller geheimen Winke, aller unausgesprochenen Anträge und aller verstohlenen Blicke, das tägliche Dichten und Trachten der Jungen und oft auch der Alten, der stündliche Gedanke des Unkeuschen und die gegen seinen Willen stets wiederkehrende Träumerei des Keuschen, der allezeit bereite Stoff zum Scherz, eben nur weil ihm der tiefste Ernst zum Grunde liegt. Das aber ist das Pikante und der Spaaß der Welt, daß die Hauptangelegenheit aller Menschen heimlich betrieben und oftensibel möglichst ignorirt wird. In der That aber sieht man dieselbe jeden Augenblick sich als den eigentlichen und erblichen Herrn der Welt, aus eigener Machtvollkommenheit, auf den angestammten Thron setzen und von dort herab mit höhnenden Blicken der Anstalten lachen, die man getroffen hat, sie zu bändigen, einzukerkern, wenigstens einzuschränken und wo möglich ganz verdeckt zu halten, oder doch so zu bemeistern, daß sie nur als eine ganz untergeordnete Nebenangelegenheit des Lebens zum Vorschein komme. – Dies Alles aber stimmt damit überein, daß der Geschlechtstrieb der Kern des Willens zum Leben, mithin die Koncentration alles Wollens ist; daher eben ich im Texte die Genitalien den Brennpunkt des Willens genannt habe. Ja, man kann sagen, der Mensch sei konkreter Geschlechtstrieb; da seine Entstehung ein Kopulationsakt und der Wunsch seiner Wünsche ein Kopulationsakt ist, und dieser Trieb allein seine ganze Erscheinung perpetuirt und zusammenhält. Der Wille zum Leben äußert sich zwar zunächst als Streben zur Erhaltung des Individuums; jedoch ist dies nur die Stufe zum Streben nach Erhaltung der Gattung, welches letztere in dem Grade heftiger seyn muß, als das Leben der Gattung, an Dauer, Ausdehnung und Werth, das des Individuums übertrifft. Daher ist der Geschlechtstrieb die vollkommenste Aeußerung des Willens zum Leben, sein am deutlichsten ausgedrückter Typus: und hiemit ist sowohl das Entstehen der Individuen aus ihm, als sein Primat über alle andern Wünsche des natürlichen Menschen in vollkommener Uebereinstimmung.

Hieher gehört noch eine physiologische Bemerkung, welche auf meine im zweiten Buche dargelegte Grundlehre Licht zurückwirft. Wie nämlich der Geschlechtstrieb die heftigste der Begierden, der Wunsch der Wünsche, die Koncentration alles unsers Wollens ist, und demnach die dem individuellen, mithin auf ein bestimmtes Individuum gerichteten Wunsche eines Jeden genau entsprechende Befriedigung desselben der Gipfel und die Krone seines Glückes, nämlich das letzte Ziel seiner natürlichen Bestrebungen ist, mit deren Erreichung ihm Alles erreicht und mit deren Verfehlung ihm Alles verfehlt scheint; – so finden wir, als physiologisches Korrelat hievon, im objektivirten Willen, also im menschlichen Organismus, das Sperma als die Sekretion der Sekretionen, die Quintessenz aller Säfte, das letzte Resultat aller organischen Funktionen, und haben hieran einen abermaligen Beleg dazu, daß der Leib nur die Objektität des Willens, d. h. der Wille selbst unter der Form der Vorstellung ist.

An die Erzeugung knüpft sich die Erhaltung der Brut und an den Geschlechtstrieb die Elternliebe; in welchen also sich das Gattungsleben fortsetzt. Demgemäß hat die Liebe des Thieres zu seiner Brut, gleich dem Geschlechtstriebe, eine Stärke, welche die der bloß aus das eigene Individuum gerichteten Bestrebungen weit übertrifft. Dies zeigt sich darin, daß selbst die sanftesten Thiere bereit sind, für ihre Brut auch den ungleichsten Kampf, auf Tod und Leben, zu übernehmen und, bei fast allen Thiergattungen, die Mutter für die Beschützung der Jungen jeder Gefahr, ja in manchen Fällen sogar dem gewissen Tode entgegengeht. Beim Menschen wird diese instinktive Elternliebe durch die Vernunft, d. h. die Ueberlegung, geleitet und vermittelt, bisweilen aber auch gehemmt, welches, bei schlechten Charakteren, bis zur völligen Verleugnung derselben gehen kann: daher können wir ihre Wirkungen am reinsten bei den Thieren beobachten. An sich selbst ist sie jedoch im Menschen nicht weniger stark: auch hier sehen wir sie, in einzelnen Fällen, die Selbstliebe gänzlich überwinden und sogar bis zur Aufopferung des eigenen Lebens gehen. So z. B. berichten noch soeben die Zeitungen aus Frankreich, daß zu Chahars, im Departement du Lut, ein Vater sich das Leben genommen hat, damit sein Sohn, den das Loos zum Kriegsdienst getroffen hatte, der älteste einer Witwe und als solcher davon befreit seyn sollte. ( Galignani´s Messenger vom 22. Juni 1843.) Bei den Thieren jedoch, da sie keiner Ueberlegung fähig sind, zeigt die instinktive Mutterliebe (das Männchen ist sich seiner Vaterschaft meistens nicht bewußt) sich unvermittelt und unverfälscht, daher mit voller Deutlichkeit und in ihrer ganzen Stärke. Im Grunde ist sie der Ausdruck des Bewußtseyns im Thiere, daß sein wahres Wesen unmittelbarer in der Gattung, als im Individuo liegt, daher es nötigenfalls sein Leben opfert, damit, in den Jungen, die Gattung erhalten werde. Also wird hier, wie auch im Geschlechtstriebe, der Wille zum Leben gewissermaaßen transscendent, indem sein Bewußtseyn sich über das Individuum, welchem es inhärirt, hinaus, auf die Gattung erstreckt. Um diese zweite Aeußerung des Gattungslebens nicht bloß abstrakt auszusprechen, sondern sie dem Leser in ihrer Größe und Wirklichkeit zu vergegenwärtigen, will ich von der überschwänglichen Stärke der instinktiven Mutterliebe einige Beispiele anführen.

Die Seeotter, wenn verfolgt, ergreift ihr Junges und taucht damit unter: wann sie, um zu athmen, wieder auftaucht, deckt sie dasselbe mit ihrem Leibe und empfängt, während es sich rettet, die Pfeile des Jägers. – Einen jungen Wallfisch erlegt man bloß, um die Mutter herbeizulocken, welche zu ihm eilt und ihn selten verläßt, so lange er noch lebt, wenn sie auch von mehreren Harpunen getroffen wird. (Scoresby's Tagebuch einer Reise auf den Wallfischfang; aus dem Englischen von Kries, S. 196.) – An der Drei-Königs-Insel, bei Neuseeland, leben kolossale Phoken, See-Elephanten genannt ( Phoca proboscidea). In geordneter Schaar um die Insel schwimmend nähren sie sich von Fischen, haben jedoch unter dem Wasser gewisse, uns unbekannte, grausame Feinde, von denen sie oft schwer verwundet werden: daher verlangt ihr gemeinsames Schwimmen eine eigene Taktik. Die Weibchen werfen auf dem Ufer: während sie dann säugen, welches sieben bis acht Wochen dauert, schließen alle Männchen einen Kreis um sie, um zu verhindern, daß sie nicht, vom Hunger getrieben, in die See gehen, und wenn dies versucht wird, wehren sie es durch Beißen. So hungern sie alle mit einander sieben bis acht Wochen hindurch und werden sämmtlich sehr mager, bloß damit die Jungen nicht in See gehen, bevor sie im Stande sind, wohl zu schwimmen und die gehörige Taktik, welche ihnen dann durch Stoßen und Beißen beigebracht wird, zu beobachten. ( Freycinet, Voy. aus terres australes, 1826.) Hier zeigt sich auch, wie die Elternliebe, gleich jeder starken Bestrebung des Willens (siehe Kap. 19, 6), die Intelligenz steigert. – Wilde Enten, Grasmücken und viele andere Vögel fliegen, wann der Jäger sich dem Neste nähert, mit lautem Geschrei ihm vor die Füße und flattern hin und her, als wären ihre Flügel gelähmt, um die Aufmerksamkeit von der Brut ab auf sich zu lenken. – Die Lerche sucht den Hund von ihrem Neste abzulocken, indem sie sich selbst preisgiebt. Eben so locken weibliche Hirsche und Rehe an, sie selbst zu jagen, damit ihre Jungen nicht angegriffen werden. – Schwalben sind in brennende Häuser geflogen, um ihre Jungen zu retten, oder mit ihnen unterzugehen. In Delfft ließ sich, bei einer heftigen Feuersbrunst, ein Storch im Neste verbrennen, um seine zarten Jungen, die noch nicht fliegen konnten, nicht zu verlassen. ( Hadr. Junius, Descriptio Hollandiae.) Auerhahn und Waldschnepfe lassen sich brütend auf dem Neste fangen. Muscicapa tyrannus vertheidigt ihr Nest mit besonderem Muthe und setzt sich selbst gegen Adler zur Wehr. – Eine Ameise hat man quer durchgeschnitten, und sah die vordere Hälfte noch ihre Puppen in Sicherheit bringen. – Eine Hündin, der man die Jungen aus dem Leibe geschnitten hatte, kroch sterbend zu ihnen hin, liebkoste sie und fieng erst dann heftig zu winseln an, als man sie ihr nahm. ( Burdach, Physiologie als Erfahrungswissenschaft, Bd. 2 und 3.)

 


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