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Vorwort

das nicht überschlagen zu werden bittet!

Erschrecken Sie nicht, verehrte Leserin, falls Sie – was ich gar nicht voraussetze – zufällig selber unechtes Lockengold auf Ihrem Köpfchen tragen sollten, jenes an das Gefieder des bekannten Stubensängers erinnernde Blond oder das märchenhafte Roth, das angeblich zuerst auf Tizian's Palette entstanden sein soll, wenn er schöne Frauen malte; erschrecken Sie nicht, es ist nicht meine Absicht, abermals aus dem hygienischen Gesichtspunkt eine Strafpredigt gegen diese Art de corriger la nature vom Stapel zu lassen, und Sie neuerdings zu versichern, daß Ihr eitler Betrug unter zehnmal neunmal entdeckt wird, und daß Ihnen nur krasse Ignoranten in die Falle gehen können.

Es soll auch kein mitleidloses Spottwort über jene Frauen gesagt werben, die eines Morgens vor dem Spiegel durch weißschimmernde Fäden in der Schläfengegend und dann gar bald daraus durch immer breitere, farblose Streifen, die sich in ihrem Scheitel bemerkbar machen, an das wehmüthige Wort gemahnt werden:

»Wie bald sind Lieb' und Lenz dahin,
Und all die Seligkeiten!«

und die nun eiligst beflissen sind, den vorzeitigen Schnee, von dem ihr warmes und lebensfreudiges Herz nichts wissen will, mit einem chemischen Präparat hinwegzuthauen. Es ist ja so schwer, mit Würde alt zu werden, und für eine alte Frau so schwer – schön zu sein.

Es soll auch nicht der Schleier von Ihren polychromen Toilettegeheimnissen gezogen werden. von dem hinter verschlossenen Thüren betriebenen Spiel mit » Rouge et noir«, mit den verschiedenen rosigen Crêmes und Emailles, durch die Sie Ihr Antlitz, von der Stirne bis zum Kinn in ein lebloses Pastellgemälde verwandeln, wobei Sie fast immer übersehen, daß der von dieser koloristischen Behandlung ausgeschlossene Hals mit seinem natürlichen und gelblichen Teint Ihre geheimen Kunststücke unnachsichtlich verräth. Verstärken Sie durch das dunkle Sälbchen meinetwegen die Bögen, die sich über Ihren Augen spannen, zeichnen Sie mit dem fettigen Kohlenstift keck die Schatten verwichener Lust auf den unteren Lidrand, verleihen Sie den blutarmen Lippen immerhin die leuchtende Pracht des Coeur-Aß, kein Mann von Welt, wenn er nicht der eigene Gatte ist, wird Ihnen ehrlich ins Gesicht sagen, daß der Einfall abgeschmackt, daß der – Betrug handgreiflich ist, – aber Sie entwerthen durch solche Künste das, was Ihnen die Natur verliehen, oder was Ihnen aus den Blüthetagen der Jugend geblieben ist, und die Männer, nämlich die Sehenden, haben dafür nur ein Achselzucken. Dabei denken sie im Stillen: »Oho, ist es schon so weit?« – Denn jener chemische Prozeß bezeichnet einen Wendepunkt im Leben einer Frau. Hat jemals Eine inmitten ihrer galanten Triumphe das Bedürfniß gefühlt, ihre Haarfarbe zu wechseln? Nein. – Gewöhnlich sieht dieser Entschluß einem »letzten Versuch« verzweifelt ähnlich.

Lassen Sie sich doch noch einmal sagen, daß keine Frau ihrem Schminknäpfchen oder einem Haarfärbemittel den Schimmer einer Huldigung, – einer echtfärbigen Huldigung verdankt, und daß die klugen Männer in diesem einen Punkte wenigstens nicht getäuscht sein wollen. Ich kann Ihnen eine lehrreiche Geschichte erzählen von einer allerliebsten, kleinen, dunkelhaarigen Frau, die zeitlebens kein »Glück bei Männern« hatte und als sie fühlte, daß sich die Dämmerung auf die lichten Jugendtage herabsenkte, noch ehe ein Mann zu ihren Füßen gelegen hatte, seufzend zur ultima ratio, zu dem Färbemittel, griff und sich innerhalb einer Woche jenes trügerische Lockengold anzauberte. Aber sie hatte auch jetzt weder Glück noch Stern, die Herren fanden sie »ganz niedlich« und gingen doch kalt an ihr vorüber, und da wurde sie tieftraurig und seufzte verzweifelnd vor sich hin: » Blond geht's auch nicht!« –

Aber es sollte weniger von dieser Art Falschmünzerei und von kosmetischem Trug die Rede sein, sondern von den Evatöchtern, die den Männern vielleicht die unverfälschte Natur ihrer Person, – aber eine gefärbte Seele bieten.

Es war einmal eine brünette Frau, durch und durch schlicht brünett, bis auf den Grund ihres Herzens, sie lebte in dem großen, weltstädtischen Sodom und Gomorrha Berlin. Ihr Mann vernachlässigte sie, und da färbte sie ihre gelangweilte Seele, und sie nahm jenes unkeusche prahlerische, künstliche Blond an, das wir zu belächeln pflegen. Sie erhob die Tubarose zu ihrer Lieblingsblume, sie rauchte, bis sie unerträglich nervös wurde, und ließ auf den Tischen ihres Boudoirs französische Romane herumliegen, sie begann Zweideutigkeiten zu goutiren, schwärmte für Nizza und Monte Carlo, sie fehlte bei keiner Pariser Zotenkomödie im Theater, sie zeigte bei jedem Rennen exzentrische Toiletten und hatte doch nicht das geringste Interesse am Sport, sie stand zwischen einer Gruppe witzelnder Lebemänner, aus denen sie sich nicht das Geringste machte, und durch ihre gefärbte Seele zog die Frage: »Wird man mir auch wohl zumuthen, daß dies die Ouvertüre zu einem Abenteuer sein könnte? …«

In Wahrheit war ihre hausbackene Dutzendseele bürgerlich-brünett und sie trug kein Verlangen nach einem anderen Mann, sie »machte sich nichts aus Männern«, – aber man sollte von ihr sprechen, man sollte sie doch wenigstens verdächtigen.

Die »emancipirten Frauen« und viele schöngeistige, mit ihrer fragmentarischen Salonbildung nach der Mode, die Liebesleugnerinnen, die mit Shakespeare erkannt haben wollen, daß alle »Liebe Narrheit« sei, – ihre Seelen sind aschblond gefärbt, und unter dem Hauch eines von wahrer Leidenschaft durchglühten Kusses würde das künstliche Email kläglich dahinschmelzen. Und so viele sogenannte originelle Frauen könnten die Probe auf die Echtheit nicht bestehen, sie machen ein Studium daraus, anders zu sein, wie die Uebrigen; das Unerwartete, Unvorhergesehene ist ihre Stärke. Sie verblüffen durch ihre Fragen, sie überraschen durch ihre Antworten; sie riskiren wohl auch Etwas dabei, und es kommt vor, daß sie entweder gar nicht verstanden oder mißverstanden werden, sie sind grob und bestrickend liebenswürdig in einem Athem, sie stellen die konventionellen gesellschaftlichen Formen auf den Kopf und gehen manchmal bis an die Grenzen des Möglichen, sie haben Freunde und aufrichtige Verehrer und Gegnerinnen aus der Sphäre ihres eigenen Geschlechtes, denn die Frauen erfreuen sich eines scharfen Blickes, der sogar Larven durchdringt.

Es gibt Damen, von denen man sagen kann, daß ihre Seele rothgefärbt ist, sowie es künstliche rothe Haare gibt, die nicht unbemerkt bleiben, weil diese glühendere Nuance des Blond überhaupt nicht so leicht übersehen wird. Es ist etwas Apartes, eine Ausnahme unter den zahllosen Blond- und Schwärzlichbrünetten, deren Haar oft keine höhere Aufgabe erfüllt, als die, das Haupt zu bedecken. Aber eine röthlich schimmernde Frauenseele, die lockt und interessirt, mag dieser Schimmer auch nur ein künstlicher sein, die sprüht und gibt elektrische Funken, wenn man sie berührt und die Männer finden es entzückend.

Die Männer … Nicht alle, vornehmlich die Unkundigen, die Lehrlinge der Liebe und des Lebens. Nur sie werden von solchen Frauen angezogen und gefesselt für längere oder kürzere Zeit, für eine flüchtige Episode, seltener für die Dauer eines ganzen Romans.

Es gibt zwei Arten von Frauen: Solche, die auf dein kurzen blühenden Wegabschnitt ihres Lebens Liebe pflücken, und Andere, denen sich das holde Phantom kaum von weitem zeigt, denen höchstens eine heimlich empfundene Täuschung beschieden ist, und deren Herz frühzeitig abstirbt und verdorrt. Sie haben vielleicht einen Mann gefunden, aber keine Liebe. Es gibt Mädchen, die heiraten, und solche, die nicht heiraten, Frauen, die mit ihren unentdeckbaren Vorzügen sich aus ihrer Unbedeutendheit emporschwingen zu den umworbenen Heldinnen der Salons, zu vielbeneideten Herrscherinnen über die Männer, oder die wenigstens Einen für's Leben festzuhalten wissen, in Liebe und Treue.

Die Anderen resigniren. Sie greifen vielleicht in ihrer Angst zu künstlichen Mitteln, weil sie erkannt haben, daß die ursprüngliche Farbe ihres Herzens zu alltäglich und zu eintönig ist.

Verlieren wir die Zeit nicht mit Muthmaßungen über die Frage: Worin das Glück der Einen, das Mißgeschick der Anderen den Urgrund hat? Man wird nicht darauf kommen. Es ist ja in der That oft schier unerklärlich, »daß Die einen Mann bekommen hat« – oder »daß Der der Hof gemacht wird« – woran es liegt, wer weiß'? Die Frauen werden nicht darauf kommen, es ist das Geheimniß der – Männer.

Von den an Leib und Seele »gefärbten Frauen« soll in diesem Buch die Rede sein und wenn auch nur eine Leserin dadurch bewahrt wird, sich in eine gefärbte Frau zu verwandeln, so ist das Buch nicht ganz umsonst geschrieben worden.

P. v. S.


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