Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Bauernknecht auf der Klinik

Der Michl warf beim Essen den Löffel weg, daß die andern Dienstboten nur so schauten. Das war man vom Fütterer auf dem Runsthof nickt gewohnt, daß er die Waffen streckte, solange noch sein grimmigster Feind, gefüllte Dampfnudel, um die Wege war.

»Der Wehtum laßt mich nit essn!« meinte er in weinerlichem Ton, wie wenn er die Dienstboten um Entschuldigung bitten wollte für die ihnen bereitete Überraschung.

Dann fuhr er sich unter furchtbaren Grimassen an den mit einem roten Tuch verbundenen Kopf und knirschte zwischen den Zähnen hervor:

»Tuifl, Tuifl! Der Niedertupfersepp soll noch denkn auf mi! Ausgrechnet auf den Schädl hat er mier ghaut!«

»Ja, ja, die schwache Seitn«, spottete ein Knecht. »Dös hätt der Sepp schon wissen können!«

Nach dem Essen nahm der alte Steffl, der auf dem Hof als Tagwerker arbeitete, den Michl beiseite und fing also an:

»Auf Innsbrugg zu mueßt wandern, Michl, dort werdn die größten Schrammen kuriert!«

»Wo denn epper?« fragte argwöhnisch der Knecht.

»Da gehst gradaus über die Bruckn, nacher links beim Inn ein und drahst dich a bißl aufi und dort fragst nachher ums Spital, wo die Professer drein sein!«

»Und nacher?«

»Und nacher«, meinte wichtig der Steffl, »nacher werdn sie dich schon weisen; zuerst kommst in Wartsaal und nach einer Weile wirst in die große Dokterstubn gliefert! Bue, da schaugt s aus wie in an Theater! Die untn umanandlaufn in weißen Kitteln, die habn alle schon de Gsellnprüfung gmacht; tun alle gscheid und gspassig, als wenn sie den heilign Geist mitzsamt die Födern gfressn hättn! Und obn in der Höh hockn die Lehrling haufenweis auf die Bänk umanand wie die Fluign und schaugn dier mit ihre Speckuliereisn und Winterfenster völlig Löcher in Kopf! Und merk dier, wenn du auf der Galerie umanandgführt werst, zum Anschaugn lassn, mach das Maul fest zue, sonst schliefn dier a paar eini!«

»Und was krieg i denn nacher? A Schmier oder a Einnehmet?« brummte der Michl.

»A gelbs Pulver kriegst, auf an Fliegngatter aufgsät, und wenn du dös auflegst, hoalst wie a Hund! Und jetz kannst tuen, wie du willst! Gsagt han i dier's!«

»Ja, gsagt hast mier's!«

Am nächsten Vormittag stand der Michl in seinem Halbfeiertaggewand mit verbundenem Kopf im Wartesaal der Klinik.

Als ihn der Diener in die Doktorstube lieferte, fragte der Michl bereits zum zehntenmal, ob wohl gewiß hier die Schrammen geheilt würden.

Auf die Frage des Professors, wie alt er sei, meinte der Michl: »Ratets amal! Die Leut schaugn mich alle für älter an, als i bin, jetz möcht i sehn, wie viel's Enk trüegt!«

Nachdem ihm deutlich gemacht worden war, daß man auf der Klinik keine Zeit zum Raten habe, gab er sein Alter an:

»s Viertel von Hundert!«

»Beschäftigung?«

»Unter der Wochen tu i s Viech futtern und am Sonntag werd grastet und dort und da grauft! Und i bin der beste Hosenlupfer in der ganzen Gmoan!«

Damit wollte sich der Michl bei dem Professor in Respekt setzen.

Was ihm fehle.

»Im Kopf ein bißl a Loch, mit Verlaub!«

»Offenbar infolge eines Traumas«, sprach der Professor zu den zahlreichen Hörern gewendet, während ein Assistent sich anschickte, den Verband zu lösen.

»Vom Sepp seiner Holzhackn han ich s! Nit von an Traum!« sagte der Michl.

Man ließ sich den Hergang erzählen.

Der Michl stellte sich in Positur und meinte, zum Professor gewendet:

»Gsetzt den Fall, du wärst der Kloaznsepp, und der Glatzkopfete da (er zeigte auf einen Assistenten) wär die Schmalzanna; und du tätst Prügl klieben, und die Schmalzanna Holz eintragn; i steh danebn und gib der Schmalzanna heimlich ein Bußl; dös gfreut dich aber nit, weil du selber auf s Madl scharf hast. Es packt dich die höllische Wuet, du fahrst aus und gibst mier mit der Holzhackn an Aderlaß!«

Während dieser weitläufigen Erklärung hatte man ihm den alten Verband abgenommen. Wie nun der Professor die Wunde besichtigte und eine Menge Unrat daran sah, schlug er die Hände zusammen und fragte:

»Um Himmels willen, was ist denn das?«

»A bißl Zunderschwamm und Spinnewebnnetzer vom Stall her zum Bluetstillen! Und ein lärchenes Pechpflaster dazue!«

Der Professor seufzte tief zerknirscht:

»Das heiß ich antiseptisch vorgegangen!«

»Akurat aso ists«, bestätigte der Michl. »Die Anna und der Sepp ischt fortgangen, wie mier das Bluet kommen ist!«

Während die Wunde gereinigt wurde, bat der Michl flehentlich: »Aber i bitt, gebt s mier nur koa lärchenes Pechpflaster mehr drauf, dös tut mier zu viel ziechn; drei Tag han i s ausghaltn, aber länger nit!«

Als man dem Michl versichert hatte, daß seine Bitte Berücksichtigung finde, und er schon das gelbe Pulver, von dessen Heilkraft ihm der Steffl erzählt hatte, sah und roch, wagte er schüchtern zu fragen:

»Könnt i vielleicht bis zum Kirchtag wieder beinand sein?«

Man stellte ihm dies in Aussicht.

Der Professor sprach zu den Hörern gewendet:

»Meine Herren, Sie sehen hier einen ganz einfachen Fall vor sich, der aber immerhin für Sie einiges Interesse hat, da Sie auf dem Lande öfter Gelegenheit haben werden, sich gerade mit derartigen Verwundungen zu beschäftigen!«

Während des Professors Rede spitzte der Michl die Ohren und musterte keck und selbstbewußt die Lehrlinge auf der Galerie.

Nachdem er kunstgerecht verbunden war, stand er auf, griff in die innere Rocktasche und fragte, was er schuldig sei. Und als der Assistent lachend den Kopf schüttelte, verzog er seinen breiten Mund zu dankbarem Grinsen.

»Nix! Da sag i halt vergelts Gott zu tausendmal!«

Nun wäre es Zeit zum Gehen gewesen, aber der Michl hatte noch etwas auf dem Herzen. Er stand zaghaft da und kraute sich hinter den Ohren. Dann zupfte er den Professor am Ellenbogen.

»Mit Verlaub! Weil ös mich bis zum Kirchtag gsund machen wollts und gar umsonst auch no, möcht i enk halt auch gern eppes zu Gfalln tun! Und da versprich i auf die Hand, daß i den Sepp da einibring! Und i werd ihn schon ordentlich derschlagn, daß ös den Lehrlingen da obn (er deutete mit dem Daumen zu den Hörern hinauf) eppes Richtigs zeign könnts! I weiß nit, was Enk lieber ist: Soll i ihn weiter oben oder unten zurichten, oder mehr bei der Seitn! Ich kann auch mehr auf den Kopf antragen! I mein, das wird das Gscheideste sein! Und jetzt pfüet Gott, bleibt s gsund alle mitanand, und ein Tag nach dem Kirchtag habt s den Kloaznsepp da, ganz gwiß und wahr!«

Ob der Michl Wort gehalten und den Sepp nach dem Kirchtag hineingebracht hat, wird aus dem nächsten Krankenausweis der chirurgischen Klinik zu ersehen dein; desgleichen die Art der Zubereitung, ob oben oder unten oder mehr bei der Seiten.

*


 << zurück weiter >>