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Zwölftes Kapitel

Es war ein dunkler, regenfeuchter Abend geworden. Wie ein heruntergekommener Gelegenheitsarbeiter gekleidet, schob sich der Detektiv langsam durch die nur notdürftig erhellten Seitenstraßen des dunkelsten Berlin.

Die Gegend lag nicht allzu weit vom Alexanderplatz entfernt, aber es gab im großen Berlin Leute genug, die noch niemals in diese ziemlich verrufenen Gassen gekommen waren.

Regen klatschte nieder und trieb jedermann unter Dach und Fach. Der Detektiv machte einige Male halt und sprach ein paar Worte mit Männern, die im Dunkel aufgestellt waren. Dann schritt er weiter.

Er kannte die Gegend gut und wußte nun genau, wohin er seine Schritte lenken wollte. In einer der Gassen, die nur kurz war und ersichtlich ärmstem Volk oder verkommenen Kreaturen Aufenthalt bot, blieb der Detektiv abermals stehen. Hinter ihm regte sich's.

»Nichts Neues?« fragte der Detektiv.

»Gar nichts,« lautete die im Flüsterton gegebene Antwort. »Aber in der Kneipe bei Vater Dankelmann sitzen sie wieder und machen Skandal.«

»Danke. Ich werde selber nachsehen. Paßt nur auf, daß mein Signal nicht überhört wird.«

»Ohne Sorge. Wir sind auf dem Posten,« lautete die Antwort.

Der Detektiv verschwand in der Dunkelheit.

Die Kneipe Vater Dankelmanns kannte er. Und auch den Wirt. Er wußte plötzlich – wußte es schon seit heute morgen – daß der Mann eine auffallende Ähnlichkeit mit dem Kellerwirt aus Hamburg hatte. Alles hier erschien ihm seltsam bekannt. Die Häuser, die schlechte Straße, die hängenden Dächer.

Und er wußte es auch mit Bestimmtheit – wo er jenen blechernen Drachen finden würde, den er im Traume von der Galerie aus beobachtet hatte.

Spielte nur die alte Erinnerung in sein Hamburger Erlebnis hinein? Steckte noch etwas anderes, etwas Unbegreifliches hinter allen diesen seltsamen Vorfällen? Das war vorläufig einerlei.

Er betrat ohne Zögern die Kneipe Vater Dankelmanns. Es war ein Keller wie in Hamburg, aber viel reinlicher. Auch Musik gab es nicht, keinen verkrümmten Harmonikaspieler. Es sah alles sehr nüchtern aus.

Nur der Wirt, ein guter Bekannter – der hatte tatsächlich einen Kopf wie eine Billardkugel und die kleinen, glitzernden Aeuglein wie jener Hamburger Kaschemmenwirt.

Eine Anzahl Burschen saßen um die Tische, spielten Karten und unterhielten sich lärmend. Der Detektiv täuschte einen leicht Betrunkenen vor und torkelte durch den Raum. In der Nähe eines runden Tisches, um den vier jüngere Kerle saßen und ein verbotenes Spiel betrieben, ließ sich der Detektiv auf einen Stuhl fallen.

Der Wirt selber kam und wollte wissen, was er wünschte.

Lallend gab der Detektiv Antwort. Er redete so dumm, daß die vier Burschen schlechte Witze über ihn machten und ihn zu hänseln begannen.

Der Wirt blinzelte den Detektiv an – und im gleichen Augenblick machte dieser mit dem Daumen eine ganz bestimmte Bewegung nach der Nase.

Kaum merklich zuckte der Wirt zusammen. Dann ging er nach der Theke und holte ein großes Glas Branntwein, das er vor dem Detektiv niedersetzte. Der warf einen schmutzigen Papierschein hin, den der Wirt verschwinden ließ.

»Ich geb dir noch drauf heraus,« sagte er kurz und verschwand hinter der Theke.

Der Detektiv hatte auf die Rückseite des Scheines ein paar Worte geschrieben: »Wir müssen den Paul Federsen haben. Sofort. Auch wenn er unter falscher Haut hier ist. Gib Antwort auf dem Rückschein. Vermasselst du mich, hast du es zu büßen.« Eine sonderbare Figur, ein Zeichen, stand hinter den wenigen Worten.

Inzwischen ging die Hänselei zwischen dem Detektiv und den vier Burschen, die er besonders aufs Korn genommen hatte, weiter. Der Detektiv schimpfte wie ein Rohrspatz, und die Burschen kugelten sich vor Lachen. Besonders einer tat sich dabei hervor, ein glatter Kerl von etwa fünfundzwanzig Jahren. Besser gekleidet wie die übrigen, mit Manieren, die auf bessere Umgangsformen schließen ließen. Er trug zu dem modischen Rock, der allerdings etwas verschossen aussah, einen giftgrünen Selbstbinder, dazu das Haar kurz geschnitten und in der Mitte fast militärisch gescheitelt. Seine Hände sahen nicht aus, als ob er an schwere Arbeit gewöhnt war. Die anderen waren weit gewöhnlicher – verdächtige Gesellen, Tagediebe oder Zuhälter. Sie schienen von dem »Feinen« freigehalten zu werden, denn dieser spielte die erste Geige in der Unterhaltung.

Der Wirt brachte den überschießenden Betrag zurück und legte zwei ebenso schmutzige Scheine vor den Detektiv hin. Dann ging er auffallend schnell hinter seine Theke zurück, wo er sich im hintersten Winkel zu schaffen machte.

Der Detektiv zwirbelte erst die zwei Scheine durch seine Hände, dann warf er aber doch einen raschen Blick auf deren Rückseite.

Gemächlich schob er das Geld nun in die Westentasche und erhob sich schwerfällig.

Auf einem der Scheine stand: »Der mit der grünen Krawatte. Aber er heißt hier nur ›Der feine Emil‹. Er hat was ausgefressen. Was, weiß ich nicht.«

Der Detektiv stellte sich, beständig schimpfend, so gegen die Wand, daß er diese als Deckung hinter sich hatte. Die Sache ging einfacher, als er selber hoffte.

Plötzlich reckte er sich aus der zusammengesunkenen Haltung empor und rief in kurzem, scharfem Befehlston, der den Burschen wie ein Messer durch die Nerven fuhr: »Hände hoch! Polizei!«

Ein plötzlicher furchtbarer Lärm entstand. Die Burschen glotzten den angeblich Betrunkenen erst wie aus allen Wolken gefallen an. Sie waren aufgesprungen und packten die Stuhllehnen.

Aber dann ließen sie die Stühle fallen, und unter der Gewalt eines Brownings, der sich ihnen entgegenreckte, hoben sich alle die Hände in die Höhe, während Wutblitze den Detektiv trafen. Der mit der giftgrünen Krawatte wollte als einziger entwischen. Ein wilder, heiser klingender Fluch zischte durch seine Lippen.

Da ertönte ein kurzer, wie ein Peitschenknall hinausbellender Schuß. Nur ein Signal, das auf der Straße gehört werden mußte.

Einen Augenblick lang wurde es totenstill in der Kneipe. Wer an und hinter den Tischen hockte, duckte sich scheu zusammen.

»Ich brauche nur den einen da – den feinen Emil,« rief der Detektiv. »Ihr andern geht mich nichts an. Aber hütet Euch, dem Burschen jetzt Vorschub zu leisten.«

Sie dachten, plötzlich erleichtert, auch gar nicht daran. Der »Feine Emil« hatte ihnen gegenüber immer den Geheimnisvollen gespielt. Wenn er eine große Sache gedreht hatte, konnte er sie jetzt auch allein auslöffeln.

Bevor der Verdächtige Zeit fand, einen neuen Entschluß zu fassen, drangen mehrere Schupobeamte in das Lokal ein. Widerstand war ganz zwecklos. Die Hände erhoben, verharrte die ganze Gesellschaft fast regungslos, in den Augen teils Scheu, teils Hohn oder Trotz.

Der »Feine Emil« hatte sich mit wutverzerrtem Gesicht gegen einen Mauerpfeiler gelehnt. Aber die Arme hatte auch er erhoben.

Einer der Schupobeamten stellte sich an der Eingangstür auf, zwei andere eilten durch den Raum, in den Händen die Brownings.

»Der da ist es,« sagte der Detektiv, auf den Burschen mit der giftgrünen Krawatte deutend. »Sonst brauche ich heute niemand von der Kundschaft Vater Dankelmanns.«

Der »Feine Emil« versuchte es mit Hohn und Trotz. »Was will die Polizei von mir? Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen – gar nichts! Wer mich verpfiffen hat, den hol der Teufel!« knirschte er.

Der Detektiv trat ihm dicht unter die Augen. »Willst du gestehen, Bursche, wo sich Senta Fredersdorf befindet?« sagte er scharf, den Menschen mit den Blicken durchbohrend.

Da schien der zu erkennen, daß er verraten war. Und plötzlich schrie er, schäumend vor Wut: »Den Teufel werde ich! Sucht doch, sucht selber! Viel Glück dazu!«

Der Detektiv machte eine Bewegung zu den Schupobeamten hin. Im Nu war der Bursche gefesselt, und unter seinem heiseren Fluchen führten ihn die Polizisten aus dem Lokal.

»Laßt Euch nicht weiter stören,« sagte der Detektiv mit einem Lächeln zu den Zurückbleibenden. »Für heute nacht seid Ihr ungestört.«

Damit verschwand auch er.

In kurzer Entfernung vor ihm wurde Paul Federsen eiligst davongeführt. Schon verschwand die Gruppe um die Ecke der Straße. Einige Leute, die der Schuß herbeigelockt hatte, hatten sich angesammelt, sie zerstreuten sich nun aber bald wieder. Eine derartige Verhaftung im Viertel war nichts Neues und auch nicht sonderlich aufregend. Da hatte die Polizei eben wieder mal einen geklappt!

Der Detektiv sah sich genau um. Er wartete, bis die Straße vollkommen ruhig war. Unwillkürlich wünschte er sich jetzt eine Brillanten-Mary, die ihm den Weg in jenen dunklen Hinterhof weisen würde. Aber heute war keine befreundete Seele zur Stelle.

Der Detektiv glaubte aber auch so ans Ziel zu gelangen. Er schritt das Haus entlang und fand einen Torbogen. Genau so wie der in Hamburg sah er auch aus. Und der Hinterhof roch ebenso schlecht wie jener. Auch die zweite Tür fand sich, das schwarze, feuchte Gemäuer.

Was er als ein Erzeugnis aufgepeitschter Nerven zu erleben geglaubt hatte und was doch nur ein rätselvoller Traum gewesen, der mit einer erschreckenden Deutlichkeit ihn umfangen gehalten hatte, das wurde hier noch einmal zur Wirklichkeit.

Er fand die erste Treppe – er stieg sie empor – sie knackte sogar genau so unter seinem Tritt – er kam in den Gang, zählte die Schritte und mußte plötzlich lachen.

Natürlich war er früher schon einmal hier gewesen. Sogar zur Nachtzeit, bei irgendeiner Suche. Daher das scharfe Erkennen im Traum. Und oben über der Galerie würde er auch den blechernen Drachen finden – der sich ebenfalls von früher her in sein Gedächtnis eingeprägt hatte – auch die alte Hexe in ihrem Loch.

Jetzt wußte er sogar deren Namen: Mutter Stibbe hieß sie. Es war eine der Polizei wohlbekannte alte Frau, die Dirnen und anderem lichtscheuem Gesindel unterm Dach Unterschlupf gab. Nachweisen konnte man ihr selten etwas. Und wenn man sie überraschen wollte, fand man immer nur sie, hinkend an zwei Krücken, zwischen altem Gerümpel hockend.

Aber der Detektiv hatte doch in seinem seltsamen Traum eine versteckte Tür entdeckt, die in ein unbekanntes Loch führte.

War das nicht seltsam? Eine Erklärung dafür ließ sich zurzeit noch nicht geben. Aber der Detektiv war seit Stunden fest davon überzeugt, daß er in diesem Loche Senta Fredersdorf finden würde, die der verbrecherische Diener des Barons fortgelockt und einstweilen verborgen hatte, bis er seinen großen Erpresserzug ausführen konnte. Je länger Senta verschwunden blieb, um so mehr konnte er fordern!

Der Detektiv schritt über die dunkle Galerie. Und als sollte alles so eintreffen wie in seinem Traumerlebnis, wurde der Himmel etwas heller.

Und über dem unteren Dache drehte sich der alte Drache kreischend um den rostzernagten Eisenstab …!

An der dritten Tür klopfte der Detektiv, genau so, wie er es im Traume getan hatte.

Diesmal aber fuhr die Tür ohne weiteres auf und die Stimme der Alten flog ins Dunkel: »Kann man denn keine Ruhe haben? Hol Euch alle –«

Der letzte Ton erstarb ihr in der Kehle. Das Licht der elektrischen Taschenlampe blitzte auf und blendete ihre Augen einen Augenblick lang.

Dann stand der Detektiv in dem jämmerlichen Loche, das er natürlich gleich wieder erkannte. Er war schon einmal hier gewesen. Er erblickte auch den verräucherten Herd und das Gerümpel an der Wand und sah die Alte scheu und furchtsam auf einem Hocker kauern. Neben ihr lagen zwei alte Krückstöcke.

Der Detektiv wandte sich scharf gegen das Weib. »Ihr habt eine junge Dame hier oben versteckt. Leugnet nicht. Es wäre zwecklos. Der »Feine Emil« ist hochgegangen und sitzt bereits im Käfig. Also gesteht.«

»Ich weiß von nichts – so wahr mir –« zeterte das Weib.

Der Detektiv verlor die Geduld. Er warf ganz einfach das alte Gerümpel auseinander, und dahinter zeigte sich eine Tür. Und wieder sah er an den Beschlägen – zwei Drachenköpfe.

Er riß daran, stieß die zwei starken Riegel zurück, öffnete und ließ seine Stimme laut erschallen. »Die Retter sind hier, Fräulein Fredersdorf! Können Sie mich hören?«

Einen Herzschlag lang packte ihn die Angst, er könne am Ende doch eine Tote finden – wie im Traume.

Dann aber kam es aus dem häßlichen Dunkel wie ein Aufschrei furchtbarster Erleichterung: »Gott im Himmel! Ist es denn wahr? Man hört mich endlich?«

Der Detektiv half der jungen Dame, die unverletzt und nur etwas schwach war, aus der niedrigen Oeffnung kriechen.

Haltlos sank sie auf einen Stuhl, und ein wildes Schluchzen brach sich über ihre Lippen Bahn.

»Ich war am Verzweifeln – sie quälten mich tagtäglich mit Drohungen, falls ich mein Rufen nicht einstellen wollte. Und es hörte mich auch niemand. Aber ich hatte die Hoffnung, daß ich dennoch gerettet werden würde – von ihm – von meinem Geliebten!«

»Sie denken dabei an den Baron von Leichsenring?« sagte, seltsam bewegt, der Detektiv.

»Ja, an ihn, sonst an keinen Menschen auf der Welt!«

»Dann kann ich Ihnen frohe Kunde geben. Der Baron hat sich mit Ihrem Vater ausgesöhnt. Die beiden erwarten Sie daheim in Ihrer Villa.«

Senta Fredersdorf sprang empor. Ein Grauen schüttelte sie. »Dann fort – nur fort – zu ihm –!« rief sie leise.

Der Detektiv führte sie sorgsam über die Treppen hinab und aus die Straße. Er mußte sie kräftig stützen, denn sonst wäre sie wohl zusammengebrochen. Und er fühlte den weichen, warmen Frauenkörper an dem seinen und erinnerte sich voll süßer Bitterkeit einer Minute, wo Senta an seinem Herzen gelegen und ihm verheißende Worte zugeflüstert hatte.

Ein Traum …!

»Wir werden auf dem Platz drüben ein Auto finden,« sagte er während des Dahinschreitens. »Dann bringe ich Sie zu Ihrem Vater und dem Baron. Sie warten voll Sehnsucht auf Sie.«

Wenige Minuten später hob er sie in den Wagen.

»Ich danke Ihnen – oh, wie ich Ihnen danke – daß Sie mich dem Leben und ihm wiedergeben – ihm – den ich so heiß liebe!« hauchte das junge Mädchen.

Der Detektiv neigte nur stumm den Kopf. Er hatte die Lippen fest aufeinandergepreßt.

Dann setzte er sich zu dem Chauffeur und gab diesem das Ziel der Fahrt an. Das Auto sauste durch die regenfeuchte Nacht.

Und so brachte der Detektiv Senta Fredersdorf, die Gerettete, dem Vater und Bräutigam.

Und dort erfuhr der Detektiv auch noch in derselben Nacht aus dem Munde Senta Fredersdorfs, in welcher Weise ihre Entführung eigentlich möglich geworden war.

Paul Federsen hatte längst durch Spionage genauen Einblick in das Verhältnis seines Herrn und Sentas erhalten. Seine Entlassung gab ihm dann einen verbrecherischen, gewagten Gedanken ein, den er mit Hilfe zweier Leute, die er von früher her kannte, unschwer zur Ausführung gebracht hatte.

Natürlich handelte es sich um eine große Erpressung. Der vielfache Millionär Fredersdorf sollte gehörig bluten. Und es war auch nicht schwer, den ersten Verdacht auf den Baron Leichsenring zu lenken. Dessen vorzeitige Rückkehr vereitelte dann jedoch diesen Plan.

Nun sollte Senta Fredersdorf erst noch einige Zeit verborgen gehalten werden, bis die Polizei ihre schärfsten Maßnahmen eingestellt hatte und gleichzeitig die Angst des alten Fredersdorf gewachsen war.

Paul Federsen war es auch, der durch einen reinen Zufall erfahren hatte, daß der bekannte Detektiv sich dieses Falles angenommen hatte. Diesen Mann fürchtete er eigentlich am meisten. Und so wagte er es tatsächlich, mit einem fingierten Briefe in die Wohnung des Detektivs einzudringen und dessen Aufzeichnungen durchzusehen.

Er hatte dabei mit einem Kumpanen verabredet, ihn zu einer ganz genau bestimmten Minute von einem Café der Straße aus telephonisch anzurufen – angeblich als Polizeileutnant aus dem Westen. Dadurch wurde der Diener des Detektivs abgelenkt. Natürlich hatte Federsen vorher den Tischapparat gestört.

Die Entführung Sentas selbst war in einer dunklen Nacht ganz einfach vor sich gegangen. Paul Federsen schrieb ihr einen in glühenden Ausdrücken abgefaßten kurzen Brief, angeblich von dem Baron Leichsenring herrührend, worin er Senta beschwor, ihm, dem Baron, vor dessen Abreise ins Ausland eine letzte, kurze Zusammenkunft zu gewähren. Ort und Stunde waren genau angegeben.

Senta, die keine Ahnung hatte, daß der Brief gefälscht war, benützte die Abwesenheit ihres Vaters und eilte tatsächlich, zitternd vor Liebe und Angst um den geliebten Mann, der in der Verzweiflung nach ihr schrie, durch den Park der väterlichen Villa und fand auch an der bezeichneten Stelle außerhalb des Parkes im Dunkel einen Mann, dessen Gesicht sie nicht zu erkennen vermochte.

Der Platz war so ausgewählt, daß der schnell ausgeführte Ueberfall von niemandem bemerkt wurde.

Als sich der Mann im Mantel Senta näherte und sie mit seinen Armen umklammerte, erkannte Senta wohl ihren Irrtum, aber es war zu spät.

Paul Federsen preßte ihr ein Tuch mit einem Betäubungsmittel auf den Mund und trug dann schnell die Bewußtlose nach einem Auto, das hinter einem Gebüsch wartete und von einem Helfershelfer gesteuert wurde.

Ohne entdeckt zu werden, brachte er das Mädchen auf diese Weise rasch zu der ihm bekannten alten Diebin, die sich durch große Geldversprechungen bereitfinden ließ, dem Burschen beizustehen.

In einem Briefe, den Senta ihrem Vater schreiben sollte, wollte Paul Federsen eine unerhört hohe Summe als Lösegeld fordern mit dem gleichzeitigen Verlangen, weder ihn noch seine Helfer zu verfolgen.

Der Umstand, daß sich Senta bisher geweigert hatte, diesen unverschämten Brief zu schreiben, war schuld daran, daß sie so lange nicht gefunden wurde.

Nun aber war ihr Widerstand doch fast zu Ende gewesen, und wäre sie nicht rechtzeitig von dem Detektiv entdeckt worden, dem das Haus mit dem alten Drachen einen geheimnisvollen Fingerzeig gegeben hatte, so hätte sie schließlich doch wohl noch nachgegeben.

Die Schuldigen konnten ihrer Strafe nicht entgehen. Dem Detektiv aber blieb von diesem seltsamen Traumerlebnis nichts – als die Erinnerung.

 

Ende

 


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