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Die Trompete, die die Sonne vom Himmel blasen konnte

Das ist schon lange her, da war mal ein Junge, der war gar nicht bange, und er wußte auch, was er wollte.

Was wollte er denn?

General wollte er werden, so ein Mann, der über all' die Soldaten zu sagen hat, die in den Krieg ziehen müssen.

Ist er das denn auch geworden?

Jawohl ist er das geworden, und da war er noch ein kleiner Knirps; für zehn Groschen ist er das geworden, die hatte ihm sein Onkel geschenkt. Als er die hatte, da ging er zu einer alten Frau, die saß an der Straßenecke in einer kleinen Holzbude und hatte Äpfel zu verkaufen und allerhand Spielsachen, wie sie die Kinder gern haben mögen. Zu der ging der Junge und sagte: »Eine Trompete möcht' ich haben!«

»Schön, hier hast du feine blanke Trompeten; jedes Stück kostet fünf Groschen.«

»Nein,« sagte der Junge, »meine Trompete soll zehn Groschen kosten; aber damit muß man die Sonne vom Himmel blasen können.«

»Gut,« antwortete die Frau, »eine solche Trompete habe ich wohl. Die sieht so schäbig aus, daß sie niemand haben will; aber dafür ist sie auch nur einmal auf der Welt.«

»Das ist die Hauptsache,« sagte der Junge, warf seine zehn Groschen auf den Tisch, und dafür bekam er die Trompete; das war nur ein winziges Ding, ganz verrostet, und sie hatte auch schon Beulen.

Als das Bürschlein das sah, traute es der Sache nicht ganz und fragte: »Meine Groschen sind alle echt. Woran kann ich aber merken, daß diese kleine Trompete auch echt ist und so große Kraft hat?«

»Wenn das jemand nicht glauben will,« sagte die Frau, »dann setzt du die Trompete an den Mund und bläst zum ersten Male, trara, und bauz! fallen alle Menschen auf die Nase, von denen du es haben willst, und können nicht wieder hoch, ehe du es sagst; und bläst du gleich darauf das zweite Mal, dann fällt die Sonne vom Himmel, und es ist rabenschwarze Nacht.«

Nun war der Junge zufrieden, und er dachte, er habe geradesoviel Macht als der König mit seinem ganzen Heer, und nun wolle er in den Krieg ziehen. So machte er sich auf den Weg nach der Stadt, wo der König wohnte. Da begegneten ihm unterwegs drei Räuber, die hielten ihn auf und sagten: »Halt, kleiner Bursch, wo willst du hin?«

»Das geht euch nichts an,« rief der Knirps, »kommt mir nur nicht zu nah; ich hab' eine Trompete, damit kann ich die Sonne vom Himmel blasen.«

»O,« sagten die drei Räuber, »das ist ein gut Ding, das wollen wir haben. Her damit, sonst machen wir dich kalt!«

»Langsam, langsam,« gab der Junge zur Antwort und hob seine Trompete, »ehe ich die Sonne vom Himmel blase, sollt ihr alle drei auf der Nase liegen und die Erde küssen.«

Und schau! als der Junge blies, trara, – bauz! da lagen die drei Räuber auf der Erde und zappelten mit Arm und Bein und konnten nicht wieder hochkommen. Da baten und bettelten sie, er möchte sie doch wieder aufstehen lassen, und er sagte: ja, wenn sie aus ihren dicken Taschen all das geraubte Gold und Silber heraustäten, dann könnten sie gehen. Na, das wollten sie erst nicht; aber weil die Erde sie gar nicht los ließ, mußten sie es zuletzt doch tun und kramten all das geraubte Gut heraus. Dann konnten sie wieder aufstehen, und nun guckten sie ganz schief, ob sie nicht über den Jungen herfallen dürften; aber der hatte noch immer seine Trompete an den Lippen, und da schimpften sie und trollten ab. Da steckte das Bürschlein von dem Gold und Silber soviel ein, als in seine kleinen Taschen hineingehen wollte, und da hatte er Reisegeld, und das andere bekamen die armen Leute.

Ja, aber wo waren die denn?

Ach, arme Leute, die gibt es überall auf der Welt. Man braucht nur zu rufen, und gleich sind sie da.

Als er nun mit all diesen Dingen fertig war, pfiff der Bub ein munteres Lied und ging in die Hauptstadt des Landes, wo der König wohnte. Da ging es aber hoch her. Auf einem weiten Platze standen all' die Soldaten, die der König hatte, die Fußgänger besonders und die Reiter besonders und ebenso die Leute, die mit den großen Kanonen schießen. Die Sonne lachte vom Himmel und spielte mit den blanken, blanken Waffen der vielen Soldaten, daß alles funkelte und blitzte. Der Junge ließ seine Augen um und um gehn, bis er fand, wo der König selber war, und bei ihm standen alle seine Generale. Da trat er kecklich vor ihn hin, verneigte sich und sprach: »Herr König, ich möchte gern mitziehen in den Krieg!«

»Das ist gut, mein Junge,« sagte der König, »geh zu den Reitern, da kannst du Pferdejunge werden.«

»Das ist mir nicht genug,« war die Antwort, »Pferdejunge will ich nicht werden; oberster General will ich sein.«

O, da hättet ihr mal hören sollen, wie der König und seine Generale lachten, und auch die Soldaten, die es hören konnten, lachten, daß ihnen die Helme auf dem Kopfe wackelten.

Als nun alles wieder still geworden war, sagte der König: »Einen obersten General, den habe ich schon. Aber sag mir einmal! Wie heißt du, und wer bist du, und was für eine schäbige Trompete hast du da in der Hand?«

Der kleine Junge antwortete: »Ich heiße Fritz Haudenkeerl; ich bin nichts, und mit der Trompete, die ich in der Hand habe, kann ich die Sonne vom Himmel herunterblasen.«

Da lachte der König wieder und meinte, so ein Prahlhans sei ihm noch gar nicht vorgekommen, und befahl, man solle flugs einen großen Sack bringen, und wenn man den Knirps hineingesteckt hätte, solle man ihn vierundzwanzig Stunden an das Kasernentor hängen.

Der Sack wurde gebracht; aber als man das Bürschlein greifen wollte, setzte es flugs seine Trompete an den Mund und rief: »Alles an den Boden, nur der Herr König nicht!« Dann blies es trara! – und bums! klappten alle Fußsoldaten um, alle Reiter fielen von den Pferden, und selbst die starken Kanonensoldaten mußten an die Erde, und als sie sich an ihren Kanonen halten wollten, kippten die auch noch mit um. Alle die Generale, die beim Könige waren, wußten nicht, was ihnen geschah; als sie auf einmal Staub essen mußten, und der König, der allein stand, dachte im ersten Augenblick, es hätte ein großes Erdbeben gegeben. Aber da stand auch noch der Junge, der die Trompete geblasen hatte, und dem König kam die Ahnung, das möchte wohl ein großer Hexenmeister sein.

»So, Herr König,« sagte der kleine Kerl, »nun blase ich zum zweiten Male, dann fällt die Sonne vom Himmel, und es ist pechdüstere Nacht.«

»Nein, o nein,« rief der König, »die Sonne muß bleiben, wo sie ist, und alle meine Soldaten sollen wieder auf die Füße kommen; wir wollen ja in den Krieg!«

Fritz Haudenkeerl mit der Trompete ließ die Soldaten aber nicht eher wieder aufstehen, bis der König ihn zum obersten General gemacht hatte, und auch ein großes Pferd mußte er ihm schenken. Eine Leiter ward angesetzt; so stieg der Bursch hinauf, und nun sah er keck und fröhlich von oben auf die Welt herab, und alle Leute taten, was er haben wollte.

Hat der kleine General denn nun auch wirklich kommandiert?

Natürlich. Er ist mit allen Soldaten ins Feld gezogen. Vorher aber mußte sich jeder einen Sack machen, viel größer, als der gewesen war, wo man ihn hineinstecken wollte.

Und wozu haben die Soldaten diese Säcke gebraucht?

Paßt einmal auf. Als es mit dem Feinde zu einer großen Schlacht kommen sollte, setzte der Herr General sich auf sein hohes Roß, und seine Trompete hatte er in der Hand. So ritt er hinüber zum Feinde, und als er ankam, fragte ihn der oberste General dort, wer er wäre.

»Ja,« sagte Fritz Haudenkeerl, »erst sag mir mal, wer du bist, dann will ich dir auch sagen, wer ich bin.«

»Ich bin hier der oberste General.«

»Ja, und ich bin dort der oberste General. Ich bin hergekommen, um dir zu sagen, daß in diesem Kriege kein Tropfen Blut fließen soll. Ihr müßt euch alle auf der Stelle ergeben, dann soll Friede sein; wollt ihr das aber nicht, so nehme ich diese meine Trompete hier und blase die Sonne vom Himmel herunter, und dann ist es stockdüstere Nacht.«

Als der feindliche General und seine Leute solche Rede hörten, lachten sie, daß sie sich den Bauch halten mußten. Hahaha! So ein Knirps verlangte, daß soviel große Männer sich ergeben sollten! Davon wollten sie nichts wissen, und sie riefen ihm zu, er solle nur blasen; vor dem verrosteten Ding hätten sie keine Angst.

»Ich zähle bis drei,« sagte der Junge und reckte sich ganz gewaltig empor auf seinem hohen Rosse, »wenn ihr dann nicht die Knie gebeugt habt, müßt ihr alle vornüber in den Dreck. Eins, zwei – und drei!« Schau, schau, sie standen alle stocksteif, aber lachen taten sie doch nicht mehr. Trara! – Bauz! da fielen sie vornüber und zappelten am Boden und konnten nicht hoch, und solch eine Niederlage war nicht erhört gewesen, solange die Erde stand.

Als sie nun alle lagen, winkte der kleine General seinen Soldaten, die in der Ferne warteten, und nun kam jeder mit seinem Sack heran und steckte einen von den Feinden hinein und band ihn oben zu. So ward im Handumdrehen ein ganzes Heer gefangen bis auf den letzten Mann. Der Krieg war zu Ende, und alle zogen nach Hause und feierten ein großes Fest.

Was ward denn nun weiter aus dem kleinen General?

Aus dem kleinen General ward mit der Zeit ein großer General, und als er später starb, setzte man ihm ein Denkmal, das war noch viel größer, als er in seinem Leben gewesen war.

Hat er denn niemals seine Trompete zum zweiten Male angesetzt? Hat er nie die Sonne vom Himmel heruntergeblasen?

Niemals. Das ist doch ganz klar; sie ist noch jeden Tag dort zu sehen.

Und wo ist die wunderbare Trompete geblieben?

Das weiß ich wohl, aber ich sag's dir nicht. Sonst kriegst du sie zu fassen, und dann bläst du zum ersten Male, trara, und wir fallen alle um, und dann bläst du zum zweiten Male, trara, und die Sonne schießt vom Himmel. Das wäre aber zu schade um die schöne goldene Sonne!

*

 


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