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Von der kleinen Maus, die die große Katze fing.

Die schwarze Katze saß unten an der Mauer, die Maus saß oben darauf.

»Komm herunter, kleine Maus?« rief die Katze, »wir wollen spielen.«

»Gern,« sagte die Maus, »aber wenn ich mit dir spielen soll, mußt du heraufkommen.«

»Ja, wenn es ein Baum wäre!« meinte die Katze, »an der Mauer kann ich nicht klettern.«

»Du kannst auch gar nichts!«

»Was kannst du denn mehr?«

»Ja, ich kann das: an solch einer Mauer geh' ich glatt hinauf. Und dann kann ich noch viel mehr; ich kann dich große, schwarze Katze fangen.«

»Du mich fangen? Das tu mal! Wenn du das kannst, dann schenk' ich dir was.«

»Was denn?«

»Ja, Geld hab' ich nicht; aber wenn du mich fängst, dann kannst du meinen schönen, schwarzen Pelz verkaufen.«

»Das ist gut,« sagte die Maus, »bestell dir nur eine neue Jacke; dein schwarzer Pelz ist mein.« Und als sie das gesagt hatte, witsch! war sie 'runter von der Mauer – aber an der andern Seite. – –

Was tat nun die kleine Maus? Sie stellte eine Falle auf, eine richtige Katzenfalle. Nicht weit von der Mauer war im Garten eine Dornenhecke, und auf den Dornen hing Großmutters Frers ihr Strumpf, ein großer, grauer Strumpf; ganz lose hing er, beinahe bis auf die Erde hing er herunter. Den wollte die kleine Maus haben, aber sie konnte ihn nicht loskriegen. Da kam der Nordwind gegangen, und das ist ein starker Kerl.

»Komm, hilf mir!« bat die Maus, und da riß der Nordwind ihr den Strumpf herunter. Dann sollte er ihr auch helfen, die Falle aufzustellen, aber das machte er ganz verdreht.

»Geh weg, das kannst du nicht!« sagte die Maus, und da machte der Nordwind, daß er weg kam.

»Was tu ich nun?« dachte die kleine Maus, und weil ihr sonst nichts einfiel, setzte sie sich auf die Hinterpfoten und fing an zu pfeifen, und da kamen all die andern kleinen Mäuse hervor, die in tiefen Löchern unter der Hecke wohnten. Und was machten sie? Sie faßten den langen, langen Strumpf und zerrten und schleppten; in eine Lücke der Dornenhecke schleppten sie ihn, und flink griffen die Dornen mit zu; die sind immer dabei, wenn es einen dummen Streich zu machen gilt.

»Nun müßt ihr tüchtig festhalten,« sagte die kleine Maus, und das taten die Dornen auch, und der Strumpf gähnte wie ein Backofen, wenn er Brot verschlingen will. Dann gingen alle Mäuse nach Hause, nur die nicht, die die Katze fangen wollte; die kroch in den Strumpf hinein und kroch immer weiter. Bis dahin kroch sie, wo die große Zehe zu wohnen pflegt; da biß sie ein Loch hinein und schlüpfte wieder heraus, und dann rief sie laut: »Schwarze Katz, schwarze Katz!«

Die schwarze Katze war weit weg; aber weil sie feine Ohren hatte, hörte sie doch, daß die Maus rief, kam herbei, so rasch sie konnte, und fragte: »Was willst du, kleine Maus?«

»Nun will ich mit dir spielen,« antwortete die Maus, »Kriegen wollen wir spielen. Du bist!«

Hei, freute sich die Katze, und lief die kleine Maus weg, die kreuz und die quer, lief durch Gras und Strauch, und die Katze dahinter her und kam immer näher; ganz nahe kam sie, und da, da hatte sie sie – beinahe, denn witsch! war die Maus im Strumpfe.

»Nun hab' ich dich!« rief die Katze und arbeitete sich auch in den Strumpf hinein, tiefer, immer tiefer, und wenn es da drinnen auch dunkle Nacht wurde, das machte nichts; denn die Katzen können auch im Dunkeln sehen, und dicht vor ihrer Nase sah sie die Maus.

»So, nun hab' ich dich!« rief sie noch einmal, »und nun fress' ich dich.«

»Nein, nun hab' ich dich!« rief die Maus, und 'raus war sie aus der Tür; »nun hab' ich dich, und nun verkauf' ich dein schwarzes Fell.«

Als die Katze hörte, daß ihr Fell verkauft werden sollte, bekam sie Angst und dachte, sie wollte lieber wieder heraus aus der Falle; aber sie konnte nicht. Sie steckte so tief im Strumpfe, daß sie sich nicht drehen und wenden konnte; denn der Strumpf schloß sich fest um ihren Leib. Nur der Schwanz guckte noch heraus und drehte sich hin und her, aber allein konnte er auch nichts machen.

»Nun tut mir den Gefallen, und laßt nicht los, ihr Dornen!« rief die Maus, und dann lief sie zum Lumpenhändler und verkaufte ihm den Pelz.

Was hat sie denn dafür gekriegt?

Ja, was meinst du? Wie teuer ist solch schwarzes Katzenfell?

*

 


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