Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das gebrochene Bein

Da war der Schmied Hauhau, der Pudel Wauwau und die Katze Miau, und Hund und Katze waren bei dem Schmied, aber sie konnten sich nicht vertragen. Wenn die Katze in der Sonne lag und tat, als wenn sie schliefe, dann kam der Hund und wollte sie beißen; aber im letzten Augenblick sprang die Katze auf, geschwind wie der Blitz, und lief in den Garten. In selbigem Garten stand ein großer Birnbaum, und auf diesen Birnbaum kletterte sie hinauf, so rasch, wie sonst nur ein Eichhörnchen klettern kann, und sie kletterte bis auf den höchsten Ast, und wenn sie dort war, machte sie einen hübschen Katzenbuckel, streckte den Schwanz gerade in die Höhe und rief hinunter: »Ätsch, schwarzer Pudel Wauwau, komm auch herauf!« Aber das mußte der Pudel bleibenlassen; denn wenn er auch wohl Krallen hatte, so waren sie doch nicht spitz und scharf, und deshalb konnte er nicht klettern.

So trieben es Hund und Katze jeden Tag; aber endlich ward es der Pudel müde, sich foppen zu lassen, und er dachte es anders anzufangen. Er ging zu dem Schmied und fragte: »Lieber Schmied, willst du mir wohl helfen?«

»Gern,« antwortete der Schmied, »aber sag mir nur, was ich machen soll.«

»Das ist ganz leicht,« sprach der Hund, »du sollst nur deinen Schleifstein nehmen und mir meine Krallen scharf machen.«

»Was willst du denn mit scharfen Krallen?« fragte der Schmied.

»Ich hab' eine Sache mit der Katze Miau,« sagte der Pudel, »aber wenn ich sie anfassen will, klettert sie auf den Baum; darum sollst du mir meine Pfoten schleifen.«

»So dumm bin ich nicht,« rief der Schmied, »dann beißt du sie tot, und ich weiß nicht, wer mir fortan meine Mäuse fressen soll.«

»Ach, tu's nur,« bat der Pudel, »ich will sie auch nicht totbeißen, nur ein bißchen zausen.«

»Dort ist der Schleifstein,« sagte der Schmied, »schleif dir selber deine Pfoten; ich will's nun einmal nicht tun.«

Der Hund war froh, und er ging zu dem Schleifstein. Er konnte ihn auch wohl drehen; aber drehen und schleifen zu gleicher Zeit, das konnte er nicht.

Da ging der Pudel in den Wald hinein zu dem Fuchse Schlauschlau und sprach zu ihm: »Mein lieber Herr Vetter, willst du mir wohl helfen?«

»Ja,« sagte der Fuchs, »aber ich muß erst wissen, was du mir dafür gibst.«

»Einen Hühnerknochen, daran sitzen noch zehn Lot Fleisch.«

»Zehn Lot Fleisch, das ist sehr wenig,« meinte der Fuchs.

»Freilich,« sprach der Hund, »aber es ist eine teure Zeit; und dann mußt du auch bedenken: dafür brauchst du mir nur eine halbe Stunde den Schleifstein zu drehen.«

»Na, meinetwegen!« rief der Fuchs zuletzt. Sie gingen also hin; der Fuchs drehte den Stein, und der Hund goß Wasser darauf und schliff sich seine Pfoten. Und als sie nun ganz scharf waren, da sagte der Hund danke schön! und der Fuchs bekam seinen Knochen und zog ab.

Nun war es gerade die Stunde nach Mittag; die Sonne schien, und die Luft glänzte, als wäre sie aus blauen Edelsteinen gemacht. Die Katze lag vor der Hintertür und sonnte sich. Da schlich sich der Pudel hinzu, leise, viel leiser als sonst, denn seine Krallen waren nicht mehr so plump, und beinahe hätte er sie erwischt. Aber noch im letzten Augenblick, husch! strich das Kätzlein davon, und flugs, hast du nicht gesehn! in den Birnbaum hinein, hinauf auf den obersten Ast, Katzenbuckel, Schwanz hoch und »Ätsch, schwarzer Wauwau, hier kannst du nicht 'rauf!«

Aber o Schreck, was geschah! der Pudel bellte nicht wie sonst, er krallte sich in die Rinde des Stammes ein und begann zu klettern, zwar nicht so rasch wie die Katze oder gar das Eichhörnchen, aber doch noch rascher, als der flinkste Junge es kann. Er kletterte und stieg höher und immer höher, und der Buckel der Katze ward kleiner und immer kleiner, und ihr Schwanz sank herab, tiefer und immer tiefer, und zuletzt hing er ganz schlapp herunter, und sie dachte in ihrem Sinn: »Was tu' ich nun? Gleich wird der dumme Pudel hier oben sein und mich beißen.«

Und sieh! da war der Hund auch wirklich schon auf demselben Ast, wo die Katze saß, verschnaufte sich ein wenig, und dann sagte er:

»So, du mein schwarzweiß Kätzelein,
Mein seidenweiches Schätzelein,
Nun hab' ich geschliffene Tätzelein,
Wau, wau!
Nun will ich bei dir hausen
Und dich ein wenig zausen,
Dann läßt du mir das Mausen,
Wau, wau!«

Und damit kam er dicht an sie heran und wollte sie bei den Ohren fassen.

Aber was nun geschah, das hatte der Pudel mit den geschliffenen Krallen nicht erwartet. Einen Hups machte die Katze, weit von sich streckte sie alle viere, und so sprang sie hoch oben aus dem hohen Baum hinab auf das grüne Gras, und es schien, als hätte sie sich nicht einmal weh getan; denn sie sprang auf und davon.

Als der Hund das sah, saß er einen Augenblick ganz starr; dann dachte er: »Springen, ei, springen, das kann ich auch!« Und damit sauste er hinab auf die Erde; aber als er dort ankam, sagte es knack! und er hatte sich ein Bein gebrochen, und zwar das rechte Vorderbein. Da begann ein großes Schreien und Klagen. Das hörte die Katze, und sie kam neugierig herbeigelaufen.

»O du mein liebes Kätzelein Miau,« rief der Hund, »nun hab' ich mir ein Bein gebrochen! Ich bitte dich, lauf rasch zu dem Schmied Hauhau; ich will dich auch gar nicht wieder beißen.«

Da lief die Katze Miau zu dem Schmied Hauhau und sagte: »Du lieber Schmied Hauhau, komm rasch in den Garten! Unter dem Birnbaum auf dem grünen Rasen liegt der Hund Wauwau. Aus dem Baum ist er gefallen, ein Bein hat er sich gebrochen, und er will mich auch gar nicht wieder beißen.«

Hurre, hurre, ging der Schmied in den Garten, und auf dem Rasen fand er wirklich den Hund, und der hatte viele Schmerzen.

Da sagte der Schmied: »Du dummer Pudel, das kommt davon! Wer hoch in die Bäume steigen will, der muß auch einen tiefen Plumps vertragen können.«

Aber dann nahm er ihn auf den Arm, ging in die Schmiede, und da hielt er ihm die linke Vorderpfote ein wenig in das Feuer, ein ganz klein wenig nur, und danach langte er nach seinem kleinsten Hammer, aus Silber war er gemacht, und das gebrochene Bein legte er auf den großen Amboß, und mit dem silbernen Hammer schlug er dreimal auf das Bein, und da war es wieder ganz. Der Schmied stellte ihn auf die Erde, und es ist kaum zu glauben, aber er konnte wirklich wieder gehen. Seine Pfoten hat er fortan aber nicht wieder schleifen lassen, hat auch nie wieder die Katze Miau beißen wollen, und sie haben sich gut vertragen, bis sie gestorben sind.

*

 


 << zurück weiter >>