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Hans Verkehrt.

Da ist ein Junge, der heißt Hans Verkehrt, und alles, was er tut, das ist verdrehtes Zeug, und dies macht er am ersten Tage.

»Hans,« ruft die Mutter, »wo bist du?«

»Hier,« sagt Hans Verkehrt, »was soll ich?«

»Hans, setz den Hut auf den Kopf, und dann nimmst du den Topf in die Hand! Zum Kaufmann sollst du und ein Pfund Sirup holen!«

»Ja, Mutter, bin gleich wieder da.«

Und Hans zur Tür hinaus, hin zum Kaufmann und wieder zur Tür herein.

»Mutter, o Mutter!«

»Nun, Hans, was ist?«

»O Mutter, der Topf hat Löcher, ganz viel; der Sirup ist all' auf die Straße gelaufen.«

»Hans, o Hans, was hast du getan?«

»Mutter, meinen Hut hab' ich auf den Kopf gesetzt, und den Topf hab' ich vor den Kaufmann auf den Tisch gestellt und gesagt: Hier, Kaufmann, tu ein Pfund Sirup hinein! – Da hat er ganz dumm gelacht und gesagt: Wenn du das Geld dafür bezahlst, geb' ich dir wirklich ein Pfund Sirup hinein.«

»Hans, o Hans, das hast du getan: den Topf hast du auf den Kopf gesetzt, und in deinen Hut hast du dir den Sirup geben lassen. Du dummer Hans, was machst du für Sachen!«

»Ich dummer Hans, will's morgen besser machen!« – – –

Und was macht Hans Verkehrt am zweiten Tage?

Da ruft die Mutter wieder: »Hans, wo bist du?«

»Hier,« sagt Hans Verkehrt, »was soll ich?«

»Geh hinaus mit dem Lämmlein und bring es auf die Weide, und dann komm wieder herein und bring klein Schwester Trude ins Bett; ich will derweil Kaffee kochen.«

»Ja, Mutter, das will ich tun.«

Nach einer Weile – die Mutter ist in der Küche und mahlt die Bohnen durch – da hört sie in der Kammer was schreien und meint, das sei klein Trude; als sie aber hineinguckt, da liegt was im Bette, das ist ganz weiß und sagt: »Bäh!«

»Hans, o Hans!«

»Ja, Mutter?«

»Hans, was hast du getan?«

»Hab' Schwesterlein ins Bett und Lämmlein auf die Weide gebracht.«

»O Hans, das Lämmlein liegt ja im Bett.«

»O Mutter, dann ist das Schwesterlein auf der Weide!«

»Du dummer Hans, was sind das für Sachen!«

»Ich dummer Hans, will's morgen besser machen.« – – –

Und was macht Hans Verkehrt am dritten Tage?

Die Mutter sagt ihm nichts mehr; denn sie denkt, daß er doch bloß Unsinn macht. Aber da ruft der Hans. Was ruft er denn?

»Mutter,« ruft er, »ich bin so hungrig!«

»Gut, Hans, setz dich auf den Stuhl da, und hier den Pfannkuchen, den ißt du auf! Ich geh' in die Küche, und dann kriegst du gleich noch einen.«

»Danke, Mutter.«

Und als sie in der Küche ist und den zweiten Pfannkuchen backt, da ruft Hans Verkehrt: »Mutter, o Mutter!«

»Hans, was soll's?«

»Mutter, der Pfannkuchen ist ganz zäh; ich kann nichts davon abkriegen.«

Da guckt die Mutter zur Tür herein: »Hans, o Hans, was tust du denn?«

»Ich sitz' auf dem Stuhl und will den Pfannkuchen essen.«

»Nein, Hans, du sitzt ja auf dem Pfannkuchen und knabberst am Stuhl. Du dummer Hans, was machst du für Sachen!«

»Ich dummer Hans, will's morgen besser machen.« – – –

Nun kommt der vierte Tag. Aber die Mutter denkt, der Hans, der bessert sich nimmermehr. Da nimmt sie ihn an der Hand und geht mit ihm zum Herrn Pastor; das ist ein kluger Mann, und dem klagt sie ihre Not.

Als der Herr Pastor das gehört hat, da nimmt er ein dickes, dickes Buch, und dann fragt er: »Wie heißt der kleine Junge denn eigentlich?«

»Hans Verkehrt.«

»Ja,« sagt der Herr Pastor, »das ist kein Wunder! Wenn er Hans Verkehrt heißt, dann soll er wohl alles verkehrt machen! Fortan soll er Hans Richtig heißen.«

Und das schreibt er in das dicke, dicke Buch, und dann geht die Mutter nach Hause und Hans Richtig auch. – – –

Und dies ist der fünfte Tag.

Da ruft Hans Richtig: »Mutter, o Mutter!«

»Hans, mein Hans?«

»Mutter, jetzt bin ich wirklich Hans Richtig. Ich wollte mir Zucker auf mein Butterbrot streuen, und diesmal ist es kein Salz, es schmeckt süß.«

»Das freut mich Hans, dann bist du wirklich Hans Richtig geworden.«

»Das freut mich auch, Mutter; aber du könntest mir wohl ein Ei kochen: ich bin noch so hungrig.«

»Nein, Hans, das Ei, das koch' dir selbst! In der Küche ist heißes Wasser im Kessel, da lege es hinein, fünf Minuten nur. Hier hast du deines Vaters Taschenuhr, da sieh zu!«

»Ja, Mutter.«

Und Hans Richtig geht. Die Mutter gibt derweil dem Schwesterlein zu trinken, und das dauert eine halbe Stunde, und noch immer ist der Hans nicht zurück mit seinem Ei. Da geht sie hin und sieht nach.

»Hans, o Hans!«

»Ja, Mutter?«

»Hans, was tust du denn?«

»Mutter, ich koch' ein Ei und seh' auf die Uhr; aber ich weiß nicht, wie es kommt, die fünf Minuten sind immer noch nicht herum.«

»Hans, o Hans, das glaub' ich wohl. Du kochst ja die Uhr, und das Ei hast du in der Hand. Du dummer Hans, was machst du für Sachen!«

»Ich dummer Hans, will's morgen besser machen!«

»Nein, Hans, das wird dein ganzes Leben lang nicht besser werden. Du bist und bleibst doch Hans Verkehrt!«

*

 


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