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Reino auf Reisen

Im Lande Mausitanien hat es einmal einen kleinen Jungen gegeben, der hat Reino geheißen. Von dem weiß man eine feine Geschichte.

Reino wollte gern auf Reisen gehen, hatte aber keinen Wagen. Da nimmt er seinen Hammer. »Bum!« sagt er und schlägt damit der dicken Walnuß auf den Bauch. Ach, ist die erschrocken! »Knack!« sagt sie und springt auf, und nun hat Reino zwei Wagen, und unterwegs genug zu essen hat er auch; natürlich sucht er sich den besten aus.

Reino will auf Reisen gehen, hat aber kein Pferd. »Wer will mein Pferd sein?« fragt er. »Wauwau, willst du mein Pferd sein?«

»Ich kann nicht dein Pferd sein,« sagt der Hund, »ich hab' keine Hufeisen, und dein Wagen hat keine Deichsel.«

»Pussimau, willst du mein Pferd sein?«

»Nein,« sagt die Katze, »ich lauf' mit dem Wagen die Bäume hinauf, und dann fällst du heraus.«

»Tüthenne, willst du mein Pferd sein?«

»Nein, ich kann nicht dein Pferd sein; ich flieg' in die Wolken, und dann wirst du naß.«

»Naß werd' ich auch so,« meint Reino, »aber wenn du durchaus nicht willst, so laß es bleiben. Ziege Meckmeck, willst du mein Pferd sein?«

»Ja,« antwortete die Ziege, »ich will dein Pferd sein,« spannt sich vor den Wagen und zieht und zieht; aber er bewegt sich nicht von der Stelle.

»Hü!« ruft Reino.

»Jawohl, hü!« sagt die Ziege, »dein Wagen ist zu groß, und du bist mir zu schwer; nun kann ich doch nicht dein Pferd sein.«

»Ach,« klagt Reino, »wo finde ich endlich Pferde, die mich ziehen können? Piepmaus, willst du mein Pferd sein?«

»Allein kann ich's nicht,« sagt die Maus, »aber ich habe noch fünf Brüder; wenn wir es zusammen versuchen, mag's gehen.«

»Mir recht,« meint Reino, »mit Sechsen fahren, das paßt gerade für mich.«

Nun nimmt er seidene Fäden aus seiner Mutter Nähkorb und spannt damit die Mäuse vor den Wagen; dann geht es in sausendem Galopp, heidi! hinaus aus dem Haus, dann aber nicht die Straße entlang, sondern durch den Garten in das nächtliche Gefilde. –

Der Roggen blüht gerade; der Wind streicht mit weicher Hand über das wogende Feld, und es liegt ein feiner Duft über dem schlafenden Lande.

»Nun wollen wir in den Wald, hü!« sagt Reino; »wo ist die Laterne, die uns leuchten will?«

»Hier,« sagt der Mond, »hier bin ich,« und er scheint ihm gerade ins Gesicht.

Dann fahren sie unter den Bäumen. Da ruft es mit einem Male: »Huhuhu!« und es schwebt leicht und fast unhörbar durch die Zweige.

»Dieb, Dieb, Dieb!« rufen die Mäuse, »rettet euch; die Eule ist da!«

Sie reißen die seidenen Fäden entzwei und springen davon und suchen sich jede eine Mauseloch. Die letzte ist aber nicht flink genug; die Eule erwischt sie eben noch beim Schwanz und trägt sie von dannen ins Nest zu ihren Jungen.

»Arme Piepmaus!« sagt Reino und weint, und dann ruft er: »Hüh!« Aber die Mäuse kommen nicht wieder, und der Wagen will nicht von der Stelle. »Bang', bange!« klagt der kleine Bursch und wär' gern wieder zu Hause, »wer will nun mein Pferd sein?«

»Weine nur nicht,« ruft es da dicht neben ihm, »ich will dein Pferd sein.«

»Wer bist du denn?«

»Ich bin überall zu Hause. Man nennt mich die Schnecke; du wirst wohl schon von mir gehört haben.«

»Nein,« sagt Reino, »wie schnell kannst du denn laufen?«

»Schneller als ein toter Schimmel,« antwortet die Schnecke, »das wirst du gleich sehen.« –

Und es ist nicht zu glauben, aber wahr ist es doch: als es Morgen wurde, lag Reino schon wieder in seinem Bette. Freilich hatte er die Decke unter dem Rücken, und die Füße strampelten auf dem Kopfkissen herum; aber als die Mama ihn wieder zurechtlegte, sagte er noch im Traume: »Hü, Piepmaus, hü!« und daran allein konnte man wissen, wo er gewesen war.

*

 


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