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Vierzehntes Kapitel

Die Stadt Leyden gereicht der Prinzessin zum Leidwesen

Herr Jakobus Renetzius, medicinae studiosus, hatte auch noch am anderen Tage keinen üblen Willen, sich die sechstausend Gulden zu verdienen und den Dank jener Ungenannten obendrein, mußte aber bald erfahren, daß in jeder Art Unternehmen der gute Wille allein nicht entscheidet.

Der Lehrling Karl war von seinem Meister bereits gewarnt worden. Er weigerte sich mit aller Entschiedenheit, dem Studenten zu folgen. Schon einmal hatte er sich zu seinem Unglück in Nacht und Nebel hinausschleppen lassen; er wollte jetzt nicht das aus freien Stücken tun, wozu man ihn damals mit Gewalt genötigt. Und Jakob Renetz selber drang nicht allzusehr in ihn. Die ganze Sache wollte auch ihm am nüchternen Tage sehr viel weniger einleuchten als am Abend zuvor bei Kognak und Burgunder. Wenn Karl eine reiche Mutter hat, dachte er, die nach ihm verlangt, wird sie sich an den französischen Gesandten im Haag wenden oder an die Gerichte; wo man ein Recht hat, geht man nicht auf heimlichen Schleichwegen. Er glaubte jetzt nicht einmal mehr an die Echtheit des Wechsels. Die Summe war auch zu groß. Und er vermied es darum mehrere Tage, dem Franzosen zu begegnen, und als es dann eines Abends doch geschah, zuckte er die Achsel.

»Er will nicht.«

»Verdammt«, fluchte Herr La Coste.

»Es tut mir leid«, versicherte der Student. »Sechstausend Gulden, das ist ein Wort. Eine solche Gelegenheit bietet sich mir nicht so schnell wieder. Und was erst noch alles folgen sollte. Ich habe schon jede Nacht von den Reichtümern geträumt, die dort zu Paris nichts zu tun haben als nur auf mich zu warten. Und nun will der dumme Junge nicht. Dieser Bengel. Was meint Ihr, was er mir geantwortet hat? Mein Vorschlag schaue mehr nach einer abermaligen Entführung aus als nach einer Heimführung. Ist der nicht gewitzigt?«

Also auch dieser Versuch war mißlungen. Herr La Coste mußte auf einen neuen Einfall denken. Dabei ahnte er nicht, daß ihn bereits der gerade Weg, auf den er am wenigsten vertraut, dem Erstrebten um ein Haar nahegebracht hatte – wenigstens einen Augenblick lang.

Denn schon an einem der nächsten Tage lief bei Meister Potenicq von Aachen her die Antwort des Kapitäns von La Sauvetat ein. Sie dünkte das Männecken seltsam in ihrer Knappheit, aber sie war wenigstens klar in ihrer Zustimmung.

Walter Potenicq hatte in der Tat allen Grund, sich über diesen Brief zu verwundern. Er konnte nicht wissen, daß gleichzeitig mit seiner Anfrage, oder auch kurz zuvor, dem Herrn von La Sauvetat ein Brief aus Paris zugegangen war von seinem Freund und Verwandten, dem Marquis von Ruvigny, der ihm dieses schrieb:

»Ich höre, daß Ihr mit unserem Vetter, dem Herrn von Chabot, der sich jetzt einen Herzog von Rohan nennen läßt, sehr wenig zufrieden seid. Lieber Freund, ich bin es noch weniger. Dieser Herzog von gestern, wie auch seine Frau – sie ist auf meinen Knien groß geworden – haben bei meiner Rückkehr von London einen Ton gegen mich angeschlagen, der mich empörte. Ihr wißt, was diese Leute mir verdanken. Mir und Euch. Aber für geleistete Dienste scheint das kein Gedächtnis zu haben. Nun, bei Gott, sie sollen ihre Undankbarkeit noch bereuen. Die Tanzprinzessin soll noch an mich denken. Sie ist nicht nur undankbar, sie ist auch dumm. Weiß sie denn nicht, was für einen unfehlbaren Trumpf ich gegen sie in der Hand habe?

»Und bereits habe ich davon Gebrauch gemacht. Bereits weiß die Herzogin-Witwe, daß ihr Sohn lebt und wo er lebt. Bereits hat sie Schritte getan, ihn zu reklamieren. Begreift Ihr? Dieser wiedergefundene Tankred kann seiner Schwester noch einen verdammten Streich spielen. Die Mutter wird triumphieren. Und das habe ich getan, ich, der Marquis von Ruvigny, das ist mein Werk. Ihr wißt, wie Margarete von Bethune mich haßt, seitdem es mir gefallen hat, die Tochter gegen die Mutter zu beraten und zu unterstützen. Und ich also tue Gutes denen, die mich hassen. Und Ihr, mein Freund? Ihr seid dort im Land, Ihr könnt der Herzogin-Witwe, die ihren Sohn reklamiert, Hindernisse in den Weg legen, wird Euch Euer Gefühl das raten?«

Die Gefühle des Herrn von La Sauvetat gegen seinen neuerdings herzoglichen Vetter, so wie dieselben seit einiger Zeit beschaffen waren, rieten ihm etwas ganz anderes. Und er stellte sich kurz entschlossen auf die Seite Ruvignys; – trotzdem er das Empörendste nicht einmal ahnte, nicht ahnte die für ihn geradezu schimpfliche Tatsache, daß auch er hinfüro ein fünftes Rad am Wagen sein sollte und daß der Herzog von Rohan-Chabot und dessen Gemahlin, heimlich und hinter seinem Rücken, bereits Schritte unternommen hatten, um sich ohne sein Mitwissen des Tankred habhaft zu machen, den der Herr von La Sauvetat doch sozusagen als sein persönliches Eigentum betrachtete. Diese Ahnungslosigkeit des Sauvetat hätte verhängnisvoll werden können.

Denn, als dann fast gleichzeitig der Krämer Potenicq seinen Bericht erstattete über Herrn Johann von Rondeau, Sieur von Montville, der im Namen einer Herzogin von Rohan die Auslieferung des Lehrlings Karl verlange, konnte La Sauvetat nicht einen Augenblick daran zweifeln, daß wirklich der Geheimsekretär der Herzogin-Witwe bereits des Tankreds wegen in Leyden angelangt sei.

Mögen sie es schlucken, die hochmütigen Hoheiten, dachte der Herr von La Sauvetat und schrieb dem Potenicq jene barsch-lakonische Antwort.

Er hatte, die Wahrheit zu gestehen, zuerst einen längeren Brief verfaßt, den er aber sofort in hundert Stücke zerriß. Wozu mich bloßstellen, sagte er sich. Den Herzog von Rohan-Chabot oder Chabot-Rohan kann man unter Umständen wieder einmal nötig haben in seinem Leben. Er braucht nicht zu erfahren, daß ich gewußt habe, was ich tue. Ich kann ja der Meinung gewesen sein, daß er selber und seine stolze Gemahlin sich des Tankred bemächtigen wollten. Ich bin ja nicht dabei. Wie soll ich hier im fernen Aachen unterrichtet sein. Ganz recht: er muß meinen, ich habe mit meiner Zustimmung ihm dienen, ihm zu der abermaligen Entführung (und vielleicht Vernichtung) des gefährlichen Schwagers und Bruders behilflich sein wollen. Wie dumm, mich selber mit langen Auseinandersetzungen zu verraten. Ist doch gar nicht nötig, mein lieber Vetter Chabot.

So elektrisierend wirkte der glückliche Gedanke auf ihn, daß er in ekstatischer Freude darüber von seinem Sessel emporschnellte, aber mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem wilden Fluch wieder zurücksank, da seine Kniewunde noch nicht so weit geheilt war, daß ihm eine derartig heftige Bewegung hätte ungestraft hingehen können.

Und Herr von La Sauvetat setzte sich bequem zurecht und schrieb: »An Meister Walter Potenicq, in der Kollegiengasse der Stadt Leyden zu Holland. Mag der junge Mensch zum Teufel fahren, ich kümmere mich nicht mehr darum.«

So, lachte er vor sich hin, das mag nur der herzogliche Herr Vetter lesen. Das kann ebensogut für ihn wie gegen ihn gehandelt sein.

Wäre aber diese Antwort nur einen einzigen Tag früher in Leyden angelangt, so hätte sie genau das Gegenteil bewirkt von dem, was sie wollte, und hätte wahrhaftig anstatt der Mutter gerade der Tochter den größten Dienst getan.

Nämlich Meister Potenicq nahm sich nur wenig Zeit, sich über den landsknechtlichen Brief zu verwundern, dann fing er an, sich unbändig darüber zu freuen. Nun stand ja nichts mehr im Weg, nun konnte er die sechstausend holländische Gulden doch noch verdienen. Sechstausend Gulden und ohne gegen sein Gewissen zu handeln, vor allem aber, ohne in der ewigen Angst leben zu müssen, der wilde La Sauvetat werde ihm eines Tages die Knochen im Leibe entzweischlagen.

Er wollte auch schon zu seiner Frau eilen, ihr seine Freude mitzuteilen. Nein, dachte er dann, Frau und Geschäft gehören nicht in ein Heft. Wenn ich ihr heut mittag die Verschreibung auf den Suppenteller lege, da wird sie sich noch ganz anders erstaunen.

Und indem er wiederholt verstohlen nach dem Lehrling Karl hinblickte, der eben eine Kiste Seife auspackte und mit den Stücken eine kunstvolle pyramidenförmige Architektur im Ladenfenster aufrichtete, legte er die Schürze ab, zog seinen Rock an, nahm Hut und Stock zur Hand und machte sich auf den Weg nach dem Hause der Witwe Lejuste in der Boerhavengasse.

Die Zeit, die er bis dahin brauchte, benützte er weislich. Er machte sich einen Plan. Von dem Schreiben des Kapitäns sollte nicht die Rede sein. Vielmehr wolle er so tun, als ob er sich die Sache überlegt habe und der Meinung geworden sei, daß man ja immerhin noch einmal darüber reden könne.

Wenn er es recht klug anstellte, ließ sich wohl auch noch mehr als sechstausend Gulden herausschlagen.

Bei der Witwe Lejuste aber erfuhr er, ganz ohne Vorbereitung, daß der französische Edelmann, oder Kaufmann, oder was er sonst sein mochte, seine Wohnung bei ihr mit einer anderen im »Roten Turm« vertauscht habe. Nicht weniger als vier Häscher hätten ihn vor einer Stunde abgeholt und zu seiner Sicherheit bis dorthin begleitet.

Zum Unglück nämlich des falschen Johann von Rondeau, war seit zwei Tagen der wirkliche Herr Johann von Rondeau, Sieur von Montville und Sekretär der Herzogin-Mutter von Rohan, zusammen mit deren ebenfalls wirklichem und wahrhaftigem Haushofmeister, Herrn La Metterie, in der Stadt Leyden angelangt. Und das erste, was der herzogliche Sekretär allhier erfuhr, war die Kunde – sie hatte sich bereits allenthalben herumgesprochen – daß er, wenn nicht mit seiner Person, so doch mit seinem Namen, seit Wochen auf unerklärliche Weise in der Stadt spuken solle.

Da tat also Aufklärung not. Und Herr von Rondeau sah sich veranlaßt, bei der Behörde unverzüglich diejenigen Schritte zu tun, die zu dem Resultat führten, daß der genannte La Coste wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen und Führung eines angemaßten Namens und unechter Dokumente plötzlich verhaftet wurde, als er gerade, ohne es selber zu wissen, der Erfüllung seines Strebens so unglaublich nahe stand. Ein einziger Tag Aufschub noch, und er war mit seiner Beute für immer aus der Stadt verschwunden.

Aber endlich schien sich die Vorsehung entschieden auf die Seite der betrübten und tief gedemütigten Mutter stellen zu wollen.

Man mag sich denken, was Meister Potenicq für Augen machte. Ganz verwirrt in seinen Gedanken, trat er den Heimweg an. Als er in seine Gasse einlenkte, sah er schon von weitem vor seinem Laden eine Menge Menschen sich stauen, die ihm in großer Bewegung schienen. Andere kamen ihm aufgeregt entgegen.

Ob er es schon wisse, er werde von der Behörde gesucht. Ein Gerichtsbote warte auf ihn in seinem Laden. Und ob es denn wirklich wahr sei, das mit seinem Lehrling Karl, der der Sohn eines Herzogs sein solle, ein Herzog selber. Große Herren aus Frankreich wären bei Gericht erschienen, die den verwunschenen Prinzen reklamierten, um ihn in sein Herzogtum heimzuführen.

In seinem Laden erfuhr er die Bestätigung dieser Aussagen. Er fand hier den ihm wohlbekannten Büttel Clas Daal mit einer schriftlichen Aufforderung, wonach er sich, zusammen mit Monsieur Charles, seinem bisherigen Lehrling, unverweilt zu Mynheer Newskieker, dem Friedensrichter von St. Pankras, zu verfügen habe.

Jetzt erst sah sich Meister Potenicq nach dem Lehrling um. Der war ruhig damit beschäftigt, frische Flundern an einer Schnur aufzureihen, an der sie vor dem Ladenfenster zum Trocknen aufgehängt werden sollten. Er schien von allem nichts zu wissen; denn die Leute waren ganz scheu geworden über die verblüffende Nachricht von seinem Prinzentum, so daß niemand gewagt hatte, auch nur das Wort an ihn zu richten, und Dorthe Potenicq, von der das am ehesten zu erwarten stand, befand sich zufällig außer Hause.

Potenicq selbst zögerte, wie er seinen Lehrling anreden müsse.

»Kommt, Monsieur Charles,« sagte er endlich, »folgt mir zum Herrn Friedensrichter; es scheint, daß wir uns bald trennen müssen.«

In seiner Verwirrtheit vergaß er ganz, den Karl aufzufordern, andere Kleider anzulegen. So dachte denn auch dieser nicht daran, und ohne ein Wort der Verwunderung oder Frage, wie das immer so seine Art gewesen, folgte er, wie er ging und stand, im schmutzigen Ladenschurz, seinem Meister und dem Büttel nach der unfernen Gerichtsstube bei St. Pankras.

Dort, bei dem Richter Mynheer Newskieker, fanden sie nicht nur die beiden französischen Herren, von denen schon der Leute Mund geredet, sondern auch ihren Kostgänger, den Studenten Jakob Renetz.

Dieser war aus der Anatomie der Universität, wo er eben an der Leiche einer enthaupteten Kindesmörderin herumgeschnitten, herbeigeholt worden, um vor dem Richter und den beiden Fremden über seinen Verkehr mit einem gewissen La Coste auszusagen, der sich erst für einen Pariser Kaufmann und dann für einen Edelmann namens Johann von Rondeau, Sieur von Montville und Sekretär Ihrer fürstlichen Hoheit Herzogin-Mutter von Rohan ausgegeben hatte.

Als dann dieses Geschäft beendet und die ausführliche Erzählung des Studenten mit Hilfe des Schreibers zu Protokoll genommen war, wandte sich Mynheer Newskieker an Meister Potenicq mit der Frage: ob er an bedungenem Lehrgeld und sonstiger Entschädigung noch Forderungen zu machen habe an den Herrn von La Sauvetat, ersten Hauptmann im Regiment des Herzogs von Estrades, und wie hoch sich seine Forderung beliefe. Potenicq nannte diese Summe in ehrlicher Genauigkeit, und sofort wurde ihm dieselbe von dem einen fremden Herren, dem Herrn La Metterie, auf Heller und Pfennig vorgezählt. Darauf fragte ihn der Richter, formhalber: ob er dagegen Einwendung erhebe, daß Monsieur Charles, so genannt, sein bisheriger Lehrling, den anwesenden Herren nach Frankreich folge, um seiner rechtmäßigen Mutter überantwortet zu werden? Potenicq erhob keine Einwendung.

Und der Richter verlas darauf das von ihm bereits angefertigte Aktenstück, in dem ausgesprochen wurde:

»Daß in Gegenwart seiner selbst, des Richters Dierck Newskieker, sowie dessen Schreibers, Meister Lukas Schob, ferner des Herrn Johann von Rondeau Sieur von Montville und des Herrn La Metterie beide aus der Stadt Paris in Frankreich, ferner des Meisters Potenicq aus der Kollegiengasse und des Studenten der Medizin, Herrn Jakob Renetz, der so genannte Monsieur Charles, bis anher Lehrling bei Meister Potenicq, mit seinem wahren Namen Tankred geheißen, dem edlen Herrn von Rondeau, geheimen Sekretär Ihrer fürstlichen Hoheit der Herzogin-Witwe von Rohan übergeben worden zwecks Überführung des genannten Herrn Tankred an die genannte Herzogin, die gemäß den vorgezeigten Ausweisen und Vollmachten den eben genannten Herrn Tankred als ihren und ihres verstorbenen Herrn Gemahl, des Herzogs Heinrich von Rohan, leiblichen Sohn reklamiert, der ihr als Kind auf verbrecherische und gewalttätige Weise entführt worden ist.«

Dieses Dokument unterzeichnete der Richter und nach ihm alle Anwesenden, außer Tankred, worauf Mynheer Newskieker dem Meister Potenicq bedeutete, daß er entlassen sei.

Ob er noch etwas vorzubringen habe, fragte der Friedensrichter, da Meister Potenicq zögernd verweilte, der jetzt durch die Frage sichtlich in Verwirrung geriet, dann aber stockend und stotternd mit seinem Anliegen herausrückte: daß ihm nämlich der andere Herr eine Belohnung von sechstausend holländischer Gulden versprochen und daß ohne seine, des Meisters Potenicq, Gewissenhaftigkeit...

Hier stockte das Männecken. Und Mynheer Newskieker sah Herrn von Rondeau fragend an.

Aber da mußte das Männecken Potenicq erfahren, daß Gewissenhaftigkeit nicht unter allen Umständen belohnt wird. Denn Herr von Rondeau gehörte zu jener Sorte hochherrschaftlicher Sekretäre und Verwalter, die für ihre Herren noch geiziger sind als für sich selber, er erklärte kurz und bündig, daß ihm kein Auftrag dieser Art geworden sei.

Unterdessen hatte Tankred kein Wort gesprochen. Die beiden Hausbediensteten seiner Mutter hatten den Jüngling in der schmutzigen Ladenschürze gleich bei seinem Eintreten tief respektvoll als ihren Herrn und Meister begrüßt, ohne daß er imstande gewesen wäre, darauf zu erwidern. Aber bei der Verlesung der Urkunde, an der Stelle, wo von der Herzogin von Rohan als seiner Mutter die Rede war, waren ihm dicke Tränen entquollen. Immer heftiger und sozusagen unbeholfener war sein stummes Weinen geworden; nun jedoch raffte er sich auf zu einer Handlung. Er näherte sich dem Männecken Potenicq.

»Lebt wohl, Vater,« sagte er, jetzt fast in Schluchzen ausbrechend, »lebt wohl, ich danke Euch für alles, ich werde Euer gedenken. Grüßt die Mutter von mir.«

Unendlich rührend war's. Selbst der Richter wurde davon ergriffen, und Herr von Rondeau schämte sich jetzt seiner harten Worte von vorher.

Darauf verabschiedete sich Tankred auch von Jakob Renetz, der ihm versprechen mußte, ihn in Paris zu besuchen. Dann, nach Abgang des Krämers und des Studenten, forderte Herr La Metterie den jungen Herzog auf, sich mit ihm in das anstoßende Gemach zu verfügen.

Als vornehmer Kavalier gekleidet, die roten Arbeitshände weiß behandschuht und einen reich mit Brillanten besetzten Degen an der Seite, kam er wieder hervor, und alle drei beurlaubten sich von dem Richter.

Und anderthalb Stunden später, nach kurzem Frühstück, traten sie die Heimfahrt an, in einem üppigen und weitläufigen Reisewagen mit dem weithin sichtbaren Rohanschen Wappen und seinem stolzen Wahlspruch: Rois ne puys, Duc ne daygne, Rohan suys.


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