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Zwölftes Kapitel

Die Prinzessin hält Hochzeit. Das Rätsel der Königin macht ihr Bauchweh

Diese Audienz mochte es der Prinzessin nahelegen, sich wieder einmal in ihren Gedanken mit dem Bruder Tankred zu beschäftigen, der ihr seit langer Zeit ein wenig aus dem Gedächtnis gekommen war. Aber zugleich nahmen die Vorbereitungen zu ihrer bevorstehenden Hochzeit sie derart in Anspruch, daß die Frage um das Schicksal Tankreds von neuem zurückgestellt werden mußte.

Mit solcher vorsichtigen Heimlichkeit betrieb die Prinzessin jene Vorbereitungen, daß ihre Mutter auch nicht einmal ahnte, was im Werke sei, bis eines Tages eine Freundin ihr zuflüsterte, ob sie denn nicht wisse, was im Palast Sully vor sich gehe, oder ob sie gar damit einverstanden sei, daß ihre Tochter den Chabot heirate.

Die Herzogin-Mutter wollte ihren Ohren nicht trauen. Sie ließ unverzüglich anspannen und fuhr nach dem Palast ihres Neffen, des jungen Herzogs von Sully, wo sie in dem Augenblick gemeldet wurde, als ihre Tochter, die jetzt täglich dort verkehrte, gerade im Begriff stand, sich zu verabschieden. Man riet der Prinzessin, sich vor der Mutter zurückzuziehen. Aber ihr Stolz lehnte sich auf gegen eine solche Zumutung. Und so mußte die Herzogin-Witwe jetzt aus dem eigenen Munde ihrer Tochter – man hatte sich seit sechs Jahren nicht gesprochen – die Bestätigung dessen vernehmen, was sie noch immer nicht glauben wollte.

Wie ein Schlag ins Gesicht war's ihr. Sie geriet außer sich. Und sie machte der Tochter eine so häßliche Szene, daß die Familie alle Mühe hatte, die tief Empörte vor dem Unwürdigsten zurückzuhalten. Mit ihrem mütterlichen Fluch auf ihre Tochter verließ sie den Palast.

Acht Tage darauf reiste Margarete von Rohan in Gesellschaft ihrer Tante Anna von Rohan, die jetzt Mutterstelle an ihr vertrat, und zahlreichen Freunden und Freundinnen nach Schloß Sully an der Loire, nicht weit von Orleans, wo ihr künftiger Gemahl sie mit den Seinigen erwartete. Und dort auf dem vielgetürmten feudalen Schloß ihres berühmten Großvaters, es ist das massigste und hochragendste von allen Schlössern, die sich so zahlreich in den Wellen der Loire spiegeln, fand am sechsten des Junius, nachdem Margarete von Rohan am Tage zuvor, als am Fest des heiligen Bonifazius, ihren calvinistischen Glauben in die Hände des Ortspfarrers abgeschworen hatte, ihre Vermählung statt mit Heinrich Grafen von Chabot, unter Zeugenschaft des Fräuleins Anna von Rohan an Mutterstelle und des Herzogs Heinrich von Sully-Bethune, Barons von Rosny, in Vertretung der übrigen Familie, ferner des Grafen von Larochepot als Vertreter des Herzogs Gaston von Orleans und des Chevalier von Sévigné als Abgesandter des Herzogs Heinrich von Bourbon-Enghien, Fürsten von Condé.

Nur noch einmal hat eine Heirat durch das ganze Königreich und weit darüber hinaus ein gleiches Aufsehen erregt: als nämlich, es war viele Jahre später, die Herzogin von Montpensier, die Tochter Gastons von Orleans, berühmt wie Margarete von Rohan vor allem durch ihren ungemessenen Stolz, von Ludwig XIV. die Erlaubnis erhielt, sich mit dem Grafen von Lauzun-Caumont zu vermählen. Immerhin war dieser der verhätschelte Günstling eines allgewaltigen Monarchen, Heinrich von Chabot aber – einfach der Erfinder der »Chabotte«.

Man mag sich denken, wie nun das Tanzen in Mode kam. Was nur irgendwie gerader Beine und eines kleinen Adeltitels sich rühmen konnte, hielt es nicht für unmöglich, sich ebenfalls eine reiche Prinzessin zu ertanzen mit dem Herzogshut und der Pairswürde obendrein. Und wo die leichtfertige Jugend nicht von selber auf so geniale Gedanken kam, verfehlte es gewiß die fürsorgliche Mutter nicht, oder gar eine Tante, man weiß Beispiele, den wenig ehrgeizigen Sohn nachdrücklich darauf hinzuweisen: woraus denn eines hervorging, daß das raufboldige Duellieren fast in Mißkredit kam, die Kunst des Tanzes dagegen sich vervollkommnete und so allmählich jene verfeinerten Sitten angebahnt wurden, die dann der große und einzigartige König Ludwig in ganz Europa zur allgemeinen Herrschaft bringen sollte.

Oder wäre das nicht genug Wirkung von einer sozusagen privaten Familienangelegenheit?

Es darf also Herr von Chabot nicht nur das hohe Verdienst beanspruchen, der Pfropfzweig und Erneuerer eines der glorreichsten Geschlechter von Europa geworden zu sein, sondern auch das noch viel höhere und bleibendere: eine ganz neue Ära unserer Zivilisation und Kultur tanzend eröffnet zu haben. Und nun sagt, ob dem Manne in der Chronik der Sitten nicht mindestens ein Platz gebührt und ein Rang, wie in anderen Chroniken, wo man die sogenannten Weltereignisse liest, den Königen und Fürsten der Erde?

Doch seine famose Heirat hatte noch eine andere, näherliegende Folge.

Der Marquis von Ruvigny erhielt die Nachricht davon in London, wo er seit mehreren Monaten zu Besuch bei seiner Schwester weilte, die einen Lord Southhampton geheiratet hatte. Er sah sich schnöde genasführt. Die Verheimlichung vor ihm erregte noch heftiger seinen Zorn, als die ärgerliche Tatsache an sich, die doch auch schon eine gewaltig bittere Pille für ihn bedeutete.

Nach Paris zurückgekehrt, erfuhr er als erstes die Installierung des jungen herzoglichen Hofhaltes im großen Rohanschen Palast am Marais. Des »herzoglichen Hofhaltes«, ja; denn Herzog Heinrich von Rohan-Chabot, Pair von Frankreich, so nannte sich Margaretes Gemahl jetzt auf Grund eines neuen königlichen Patents vom 15.Juli jenes Jahres. Und damit in Verbindung stand die Übersiedlung der Herzogin-Mutter nach Charenton, wo sie sich das Schloß gekauft hatte, das später der tolle Herzog von Richelieu erwarb.

Es war nicht nur der Gram und die Verärgerung, die die Herzogin-Witwe aus Paris vertrieben. Seit der schimpflichen Apostasie ihrer Tochter, wie sie deren Übertritt zum Katholizismus nannte, hielt sie sich für verpflichtet, ihre Treue und Anhänglichkeit an das gereinigte Christentum doppelt zu betonen. Charenton mit seinem protestantischen Tempel aber bedeutete, wie gesagt, den »Gläubigen« eine Art von Burg Zion und neuem Jerusalem.

Und überdies hatte sie ja zu Charenton, sie sagte dies jetzt aller Welt, ihren Sohn Tankred geboren, den ihr der Allmächtige in seiner unerforschlichen Weisheit zur Strafe für ihre Sünden wieder zu entreißen für heilsam befunden.

Diesen Sohn zu beweinen, täglich und stündlich, bildete jetzt für sie die große heilige Pflicht, die ihr einzig noch blieb hier unten in dem Tal der Tränen, da ihre Tochter sich mit Gewalt losgerissen von dem mütterlichen Herzen. Wo aber wäre sie mehr an den geliebten Sohn erinnert worden, und wo hätte sie schmerzlicher um ihn weinen können als an dem Orte, wo seine Augen einst das Licht der Welt erblickt.

Wenn Margarete von Sully-Bethune, Herzogin-Witwe von Rohan, in diesem Sinne zu ihren Freunden sprach, überwältigte sie jedesmal ein solcher Schmerz, daß sie fast nie ihre Tränen zurückhalten konnte. Und viele, die es einst mit der Tochter gehalten, wandten jetzt ihre Sympathie wieder ganz der unglücklichen Mutter zu, deren tiefes und aufrichtiges Leid (niemand zweifelte daran, am wenigsten die Fürstin selber) ihnen wie eine reinigende Sühne erschien für manches, was die schöne Frau in jugendlichem Leichtsinn gesündigt haben mochte.

Auch der Marquis von Ruvigny würde sich gern zu diesen gesellt haben, hätte nicht das schwere Unrecht gegen die Unglückliche, das ihm auf dem Gewissen lastete, sich drohend und abschreckend zwischen beiden aufgerichtet.

Er wäre aber von der Mutter wahrscheinlich immer noch besser empfangen worden als von der Tochter und deren Gemahl. An der kalten Höflichkeit, womit der ehemalige Jugendfreund und Ratgeber im herzoglichen Palast begrüßt wurde, merkte er schnell, daß man seine Freundschaft billig gebe. Und mit vollem Recht ergrimmte er über die Undankbarkeit dieser Leute, denen er doch einen unendlich größeren Dienst erwiesen, als jener Fürst Condé, dessen Name von den Herzoglichen jetzt ausgesprochen wurde, wie wenn es der des lieben Gottes gewesen wäre.

Der Marquis war mit dem festen Vorsatz in den Palast gekommen, ruhiges Blut zu bewahren, wie man ihm auch begegnen würde, und sich vor allem zu keiner Unklugheit hinreißen zu lassen.

Er beging dennoch die größte, die er nur begehen konnte. Er verstieg sich zu Drohungen.

Der neue Herzog Heinrich lachte ihn aus. Darüber wurde Ruvigny ganz irre. Er dachte, sollten sie wirklich nicht ahnen, was ich ihnen einbrocken kann?

Und er ging weg mit dem festen Entschluß, unverweilt zur verwitweten Fürstin nach Charenton zu fahren.

Herzog Heinrich aber hatte mit seinem Lachen nur eine geschickte Komödie gespielt. Er hatte es zuvor nicht bedacht, aber Ruvignys Drohwort hatte ihm die Augen weit geöffnet, daß er blitzschnell erkannte, welche fürchterliche Waffe der Mann, jetzt sein Todfeind, gegen ihn und seine Frau in Händen hielt. Sein Schrecken darüber war groß, mit seinem Lachen hatte er nur eine geschickte Komödie gespielt.

Wenigstens war der Marquis – so dachte bei sich der Herzog – dumm genug gewesen, sich in seine Karten blicken zu lassen. Er hatte seinen Feind gewarnt, der Esel.

Nun galt es, ihm zuvorzukommen. Und nach einer langen und ernsten Beratung mit der jungen Herzogin und peinlicher Abwägung aller Eventualitäten wurde ein Plan zu handeln aufgestellt, an dessen günstigem Gelingen das herzogliche Paar kaum einen Zweifel hegte.

Und damit im Zusammenhang geschah es dann, Anfang September, daß sich zu Leyden in Holland bei einer gewissen Witwe, genannt Marie Lejuste, ein Franzose für einige Zeit einmietete, der sich für einen Pariser Kaufmann ausgab, aber in der ganzen Stadt nur einen einzigen Krämer öfter besuchte, welcher Walter Potenicq mit Namen hieß und in einer engen Gasse hinter der weltberühmten Universität einen elenden Laden inne hatte.

Obwohl dieser arme Krämer dem Fremden nicht die geringste Aussicht auf einen irgendwie bedeutenden Geschäftsabschluß geben konnte, kam dieser Franzose dennoch unter allerlei Anerbietungen immer von neuem in die übelriechende Bude.

Daselbst schien ihn nichts so sehr zu interessieren, als der Lehrling des Meisters Potenicq, ein schmächtiger Bursche mit blassem Gesicht, aber auffallend schönem goldbraunen Lockenhaar, der hinter dem Ladentisch hantierte und jetzt auf einer Wagschale von Horn einem alten Weiblein für drei Pfennig Schnupftabak abwog, dann einem anderen einen Vierling Kaffee verkaufte, dann einem kleinen Mädchen eine Unschlittkerze oder einem blaunasigen Kutscher für einen halben Pfennig Zunder verabreichte und was dergleichen Geschäfte mehr sein mochten.

»Ein hübscher junger Mann,« sagte dann einmal der Fremde, als der Lehrling eben in einem Auftrag weggegangen war; »wie heißt er denn?«

»Er weiß es selber nicht,« antwortete Meister Potenicq, ein kleines angegrautes, hohlwangiges Männlein; »der Schulmeister Cernolle in Gravensande, bei dem er Rechnen und Schreiben gelernt hat, nannte ihn schlechtweg Karl, und hier wird er nun ebenso genannt. Nur ein närrischer junger Mensch, der bei mir Kost und Wohnung hat, sonst ein Student seines Zeichens, nennt den jungen Mann nicht anders als Monsieur Charles.«

»So hat er keine Eltern, oder man weiß nicht, wer sie sind?« forschte der fremde Kaufmann weiter.

»Mich geht das nichts an,« gab der Krämer zurück, »ich habe nie danach geforscht.«

»Ein Etwas in den Zügen und der Bildung des jungen Mannes«, meinte der Kaufmann aus Paris, »lasse vermuten, daß derselbe von Geburt aus zu anderem bestimmt war, als Wagenschmiere und Schwefelfaden zu verkaufen.«

Meister Potenicq zuckte mit der Achsel.

»Wenn der Herr von La Sauvetat hier wäre,« sagte er dann, »der könnte Euch vielleicht, das heißt, wenn er wollte, einiges hierüber sagen. Ich habe ihn nicht gefragt. Er hat mir den Knaben in die Lehre gegeben, er bezahlt pünktlich das Lehrgeld. Ich bin nicht neugierig. Der Herr von La Sauvetat hat wohl einmal durchblicken lassen, der Jüngling sei guter Leute Kind, aber heimlicher Geburt, und es sei die Absicht, ihn später als Kaufmann nach den indischen Kolonien zu schicken. Sollte ich erwidern, daß mein Kramladen nicht die rechte Gelegenheit sei, einen Kaufmann für die Kolonien auszubilden. Herr von La Sauvetat bezahlt ein zu gutes Lehrgeld. Auch sah ich gleich, daß ich in dem jungen Mann einen folgsamen und willigen Gehilfen erhielt. Das andere ist nicht meine Sache. Oder habe ich nicht recht, Herr?«

In diesem Augenblick trat der Lehrling Karl mit einem Fäßchen Heringen unterm Arm wieder herein. Der Kaufmann aus Paris bemerkte, daß wohl die vorgebundene Schürze mit dem hohen Brustlatz von Schmutz starrte, die übrige Kleidung aber mit besonderer Achtsamkeit sauber gehalten schien.

»Ihr habt vollkommen recht, Meister«, antwortete er nachträglich dem Krämer und schien sich verabschieden zu wollen. Aber an der Tür wandte er sich noch einmal um; er fragte:

»Wer ist jener Herr von La Sauvetat eigentlich?«

»Herr von La Sauvetat«, versetzte Meister Potenicq, »ist ein Kapitän im Regiment des Herzogs von Estrades.«

»Und er ist jetzt abwesend, sagtet Ihr?«

»Seit vierzehn Tagen erst«, berichtete der Krämer. »Er hatte drüben im Haag ein Duell mit dem Junggrafen von Grouy und sitzt nun zu Aachen, um in den dortigen Heilquellen seine Wunde auszukurieren. Der Herr von Grouy soll ihn am Knie empfindlich verletzt haben.«

»Dank, Meister«, sprach, sich verabschiedend, der Kaufmann aus Paris, den aber ganz andere Geschäfte als kaufmännische nach Leyden verschlagen hatten. Denn er war nichts anderes als ein gewisser Herr La Coste, ein geheimer Agent im Dienste des Herzogs Heinrich von Rohan-Chabot und dessen Gemahlin, damit beauftragt, sich des jungen Tankred in vorsichtiger Weise zu bemächtigen und ihn auf einem holländischen Schiff, mit einigem Geld versehen, nach Hinterindien zu schicken.

Und so machte Meister Potenicq große Augen, als am andern Tage ein vornehm gekleideter Edelmann bei ihm eintrat, in dem er nach dem ersten Schreck den Pariser Kaufmann wiedererkannte, der den erstaunten Krämer um eine Unterredung unter vier Augen ersuchte.

Es führte also der Meister Potenicq seinen Besuch über einen dunklen Flur und von dort in eine Stube, die nach dem Hof hinaus lag, wo eben die Frau des Potenicq, eine kurze, rundliche Person mit roten, glänzend gescheuerten Wangen, sich damit beschäftigt zeigte, den Mittagstisch zu decken. Auf ein Zeichen ihres Eheherrn wollte sie sich entfernen. Der Edelmann aber hielt sie zurück. Sie möge nur bleiben. Vor ihr habe er kein Geheimnis. Er rechne im Gegenteil auf ihren klugen Rat und Beistand.

Und ohne weitere Umschweife und Einleitung eröffnete er den beiden Eheleuten seine große Neuigkeit.

Wenn er den Leutchen eine geladene Bombe auf ihren Eßtisch geworfen hätte, würde er sie kaum heftiger erschreckt haben. Sie kannten zwar, wie es im Propheten Habakuk heißt, weder Babylon noch die Löwengrube und wußten weder von einer Herzogin noch von einem Herzogtum Rohan, aber daß hinter solchen Worten etwas Großes, etwas ungeheuer Großes stecken müsse, dachten sie sich doch gleich.

Und ihr Lehrjunge, ihr Karl, er sollte ein Herzog sein, ein legitimer, ein wirklicher, ein leibhaftiger Herzog mit einem Herzogtum und einer goldenen Herzogskrone auf dem Kopf ...

Durch verruchte Verwandte und Erbschleicher war er entführt und von seiner eigenen Mutter für tot gehalten worden bis vor wenigen Wochen, wo dann dieser Mutter sein jetziger Aufenthalt verraten worden ist.

Das alles vernahmen die verblüfften Krämersleute und begriffen auch halb und halb, aber ohne recht daran glauben zu können.

Und vernahmen dann weiter, der vermeinte Pariser Kaufmann sei ein Herr Johann von Rondeau, Sieur von Montville, der Geheimsekretär der Herzogin-Witwe von Rohan und von dieser geschickt, ihren Sohn aus Holland zurückzuholen: vernahmen alles in ihrer Verblüfftheit und begriffen auch halb und halb, aber immer ohne recht daran glauben zu können.

Und sahen den fremden Edelmann zwischen den zinnernen Suppentellern ein Papier auf den Tisch breiten, dessen Aussehen und Bedeutung wenigstens dem Meister Potenicq nicht ganz unbekannt war, und vernahmen, das sei ein Wechsel über sechstausend holländische Gulden, ausgestellt von dem Bankhaus Lallemand und Rambouillet zu Paris auf das und das Bankhaus zu Amsterdam, nach Sicht auszuzahlen, und diese Summe sollten sie, die Eheleute Potenicq, als ein Geschenk annehmen von der Herzogin-Mutter für ihre bisherigen Mühen um deren Sohn: vernahmen alles und begriffen auch halb und halb, aber immer wieder, ohne recht daran glauben zu können.

Das merkte der fremde Edelmann und rückte mit einem anderen Papier heraus, einem mit mächtigem Siegel versehenen großen Brief und hielt ihn dem Krämer unter die rotgeränderten ängstlichen Augen.

Das sei in aller Form Rechtens die Urkunde, womit Ihre fürstliche Hoheit die Herzogin-Mutter ihm, dem Herrn Johann von Rondeau, Sieur von Montville, Vollmacht gebe, die Hand zu legen auf deren Sohn, wo er ihn finde, um ihn seiner hohen Bestimmung zuzuführen.

Aber Meister Potenicq schüttelte bedenklich den Kopf, er konnte französisch Geschriebenes nicht lesen.

Und dann erklärte er dem Edelmann mit demütigen Worten und unter oft wiederholten Entschuldigungen, daß so viel Außerordentliches, ja Unglaubliches ihm ganz den Kopf verwirrt habe, und er darum Ihre Gnaden untertänigst bitten möchte, ihm Zeit zu geben bis auf den anderen Tag, sich den Handel zu überlegen.

»Nicht wahr, Frau Dorthe, diese Sache müssen wir noch erst besprechen,« wandte er sich an seine Ehehälfte, die offenen Mundes zur Seite stand und die Sprache verloren zu haben schien.

Der Fremde erhob Einwendungen. Ein solcher Aufschub sei ein unnötiger Zeitverlust. Ihre fürstliche Hoheit, die Herzogin-Mutter werde ihn zur Rechenschaft ziehen für jede Stunde, jede Minute, die man den jungen Herzog noch länger in seinem unwürdigen Zustand auszuharren nötige.

Aber seine Beredsamkeit verfing nicht bei dem Männecken Potenicq, er mußte sich wohl oder übel auf den anderen Tag vertrösten lassen.


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