Friedrich Rückert
Die Makamen des Hariri
Friedrich Rückert

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Anhang.

Der Rätselmann.

Abfälle von Hariris Rätselmakamen.

                          Da runzelte der Rätselmann die Brauen
    Und sprach das Rätsel vom
Grauen:
        Wenn das des Morgens angeglommen;
Wird das der Nächte dir benommen;
Doch das des Lebensabends siehst du,
Wenn das ist auf dein Haar gekommen.
Drauf blickte er kraus
    Und sprach das Rätsel vom
Strauß:
Einen sah ich wie den Wind
Rennen durch die Wüsten;
Einen seh' ich an der Brust
Sich des Liebchens brüsten;
Einen werd' ich keck bestehn,
Wen danach wird lüsten.
Nun gab er seinem Geistesspiegel die Glätte
    Und sprach das Rätsel vom
Bette:
Es ist, worin das Wasser fließt,
Es ist, worauf die Blume sprießt;
Es ist, worauf bei Tag und Nacht
Der müde Mensch die Ruh' genießt;
Und gleichnisweise nennst du so
Auch das, was dich im Tod umschließt.
Dann sprach er mit sanftem Laute
    Das Rätsel der
Laute:
Eine Mutter, die man benennt
Nicht anders als ihre Söhne;
In einfacher Zahl ein Instrument,
Und in vielfacher Töne.
Dann lacht' er mehr als einmal
    Und rätselt über
ein Mal:
Es wird ein Mal gegessen,
Es wird ein Mal gebaut,
Es wird ein Mal im Antlitz
Des Liebchens gern geschaut;
Was ist's? Ich hab' es dreimal
Genannt in einem Laut.
Da begann er in die Hände zu klopfen
    Und rätselte vom
Pfropfen:
Wenn du den ziehst, wird der Most
Dir entgegen schäumen;
Wenn du das thust, reift dir einst
Edles Obst an Bäumen.
Wieder ließ er seine Funken stieben
    Und sprach das Rätsel von
Sieben:
Korn wird in ihnen rein gemacht,
Und eines giebt mit ihnen acht:
Doch wer mit ihnen Wasser schöpft,
Der hat Erstaunliches vollbracht.
Weiter drehte sein Rad der Töpfer
    Und sprach vom
Schöpfer:
Die Schöpfung hat nur einen,
Doch jeder Schöpfbrunn' seinen.
Wieder spornt' er seinen Gaul
    Und sprach das Rätsel vom
Maul:
Renn' es mit dir oder red' es,
Halte du im Zaume beedes!
Dann wandt' er seinen Redezauber
    An das Rätselwort
Tauber:
Welcher Vogel ist es, den, so laut er girrt,
Doch ein Gleichgenannter schwerlich hören wird?
Dann spann er weiter den Faden
    Und sprach das Rätsel
Geladen:
Ein – hast du dir manchen Gast,
Auf – hast du dir manche Last;
Sag, was hinter beide – – paßt.
Noch hatt' er an Rätseln keinen Mangel
    Und sprach das von der
Angel:
Was bewegt man, um Fische zu fangen,
Und in die Stube zu gelangen?
Doch seine Hörer erbaut' er
    Nun mit dem Rätsel von
lauter:
Klar und hell als Wein und Quell,
Als ein Ton ist's mehr denn hell.
Nun zog er aus seinem Plunder
    Auch noch das Rätsel
Wunder:
Was geschlechtlos in Staunen setzt,
Ist als Mann am Leib verletzt.
Nun sprach er geschwinde
    Das Rätsel über
die Winde:
Eine nennt im Garten sich
Wie am Himmel die vielen,
Nickt und neigt sich, wenn mit ihr
Die Gleichgenannten spielen.
Dann sprach er als ein Philosoph
    Das Rätsel vom
Hof:
In ihm gebellt wird und gekaudert,
An ihm Langweiliges geplaudert:
Darum vor ihm wie auf dem Lande
So in der Stadt ich stets geschaudert.
Ich seh ihn selbst am Mond nicht gerne,
Weil dann der Regen niemals zaudert.
Dann sprach er ohn' Ermatten
    Das galante Rätsel vom
Schatten:
Sag, wie heißt, den nie das Licht
Deiner Schönheit kannte?
Unterm Laube, das ihn giebt,
Sitzt der Gleichgenannte,
Der dazu geworden, seit
Ihn dein Blick verbannte.
Dann rupft' er aus seinem Felde noch eine Ähre
    Und sprach das Rätsel von der
Mä[h]re:
Angehört, ist's lieb und wert,
Angesehn, ein schlechtes Pferd.
Nun lächelt' er schlau
    Und sprach das Rätsel von
Tau und Thau:
Aus drei Teilen ist's geflochten,
Ist es stark, so hält es.
Doch es kommt ein Hauch dazwischen,
Und vom Himmel fällt es.
Dann sprach er wie zum Hohn
    Das Rätsel von
Ton und Thon:
Mit drei Lauten schreibt man es,
Daß ein Laut es werde;
Schieb einen vierten stummen ein,
So wird's zu stummer Erde.
Nun kam an die Reih'
    Das Rätsel
Weih':
Sie ist eine Feier,
Er ist ein Geier,
Und noch ein er,
So wird's ein Weiher.
Nun piept er wie ein Zeisig
    Das Rätsel
Reisig:
Bist du's, so magst du zum Kampfe reiten;
Hast du's, so kannst du ein Feuer bereiten.
Dann bracht' er dar
    Das Rätsel vom
Star:
Man läßt ihn sprechen,
Man läßt ihn stechen;
Es ist ein Vogel
Und ein Gebrechen.
Dann gab er zu lesen
    Das Rätsel vom
Verwesen:
Es ist mehr als Veralten
Und so viel als Verwalten;
Es erhält uns die Güter
Und zerstört die Gestalten.
Wie konnt' er Schönres bringen nur,
    Als jetzt das Rätsel von der
Schnur:
Sie hält fest zusammen,
Was sie hält umwunden,
Und durch ihre Dehnung
Wird das Maß gefunden;
Neugebornes Leben
Ist an sie gebunden;
An ihr hangen Meeres-
Töchterchen, die runden;
Mit dem Vater ist sie
Durch den Sohn verbunden.
Nun taucht' aus seiner Weisheit Meer als Insel
    Das Rätsel vom
Pinsel:
In geschickter Künstlerhand
Macht er schöne bunte Sachen;
Als ein ungeschickter Mensch
Läßt er alles mit sich machen.
Nun warf er unter die horchende Schar
    Das Rätsel
Bar:
Am Haupt ist's ohne Hut,
Am Fuß ist's ohne Schuhe,
Besonders ist es gut
Am Geld in deiner Truhe.
Nun fragt er umher, wer riete
    Das Rätsel von der
Niete:
Sie stammt aus Erdenschacht
Und aus des Glückes Topf;
Wer etwas will befestigen,
Der schlägt sie auf den Kopf;
Doch wer sie zieht, gewinnt nichts
Und bleibt ein armer Tropf.
Nun kam durch ihn ans Leben
    Das Rätsel von
vergeben:
Die Karten sind's, das Spiel gilt nicht;
Die Schuld ist's, weg ist ihr Gewicht;
Das Amt ist es, und wer sich drum
Bewirbt, ist sein Bemühn es nicht?
Nun, ohne sich zu bedenken,
    Sprach er das Rätsel vom
Schenken:
Fürsten, die es sonst gethan,
Sind nun längst gestorben;
Thut es ein gemeiner Mann,
Ist er dran verdorben;
Nur der Weinwirt, der es thut,
Hat dadurch erworben.
Dann sprach er mit Feier
    Das Wort des Rätsels
Freier:
Einer ist es, der kein Knecht ist
Und es nie will sein auf Erden;
Einer ist es, der kein Mann ist
Und es eben wünscht zu werden.
Dann that er, als blickt er
    Nach Schönen, und sein Spruch war
ein Geschickter:
Einer ist es, der gesandt ist,
Einer ist es, der gewandt ist;
Meiner Liebsten Blick ist beides,
Der von ihr zu mir gerannt ist
So verstohlen, daß es keinem
Auf der Welt als mir bekannt ist.
Dann macht' er sich den Spaß
    Und sprach das Rätsel vom
Paß:
Das Gebirg hat einen,
Wo hindurch ich muß,
Und mein Pferd geht seinen
Mit geduldigem Fuß.
Willst du sehen meinen?
Wächter, Gott zum Gruß!
Anders hab' ich keinen
Als der mir am Schluß
Langer Dienstespeinen
Ohne Lohngenuß
Ward zum Lauf vom feinen
Liebchen voll Verdruß.
Dann trug er vor im hohen Chor
    Das Rätsel
Thor:
Als der Weise saß beim Wein,
Rief er: Knabe, höre!
Das hier darf nicht offen sein,
Daß uns der nicht störe,
Der ein Weiser glaubt zu sein,
Wenn er sieht, ich thöre.
Schließ es, daß nicht er herein
Dring' in unsre Chöre,
Und sein Blick den Sonnenschein
Meiner Lust umflöre,
Da ich heute dir allein
Und dem Wein gehöre.
Dann gab er zu als schmalen Streif
    Das Rätsel
Reif:
Der vom Himmel fällt,
Der die Fässer hält,
Wenn die Traub' es ist,
Die die Fässer schwellt.
Dann sprach er kecker
    Das Rätsel
Lecker:
Wer es ist, der ißt
Gern das, was es ist.
Nennt mir's, wenn ihr's wißt.
Dann bracht' er im einfachen Kleide
    Das Rätsel von der
Weide:
Sie trägt ein bittres Laub,
Sie trägt viel süße Kräuter;
Auf ihr geht, unter ihr,
Die Kuh mit vollem Euter.
Dann trieb er mit Hast
    Auf die Weide das Rätsel
Mast:
Sie machet feist
Nur solche meist,
Die speisen, bis
Man sie verspeist.
Er wuchs und stand
Auf Bergen dreist,
Auf Wassern steht
Er jetzt und reist.
Du magst mir sagen,
Wie er heißt,
Wenn sie dir nicht
Benahm den Geist.
Dann fiel unterm übrigen Hagel
    Auch das Rätsel vom
Nagel:
Gleichen Stamms mit Schwert und Lanze,
Gleicher Art mit Klau' und Horn,
Ist geschmiedet, ist gewachsen,
Wie am Rosenzweig der Dorn,
Wie der Sporn am Reiterfuße,
Wie am Hahnenfuß der Sporn;
Seine Spitze hat er unten,
Seine Schärfe hat er vorn;
Kluge treffen auf den Kopf ihn,
Mädchen brauchen ihn im Zorn,
Und der Trinker prüft an ihm
Den geleerten Nektarborn.
Dann quoll aus seinem vollen Born
    Das Rätsel vom
Sporn:
Den sich der Ritter
Legt bei zum Ruhme,
Gehört 'nem Vogel
Zum Eigentume
Und wächst im Garten
Als eine Blume.
Dann drückt' er aus seinem Schwamm
    Auch das Rätsel vom
Kamm:
Einen trägt das Bergeshaupt
Auf der höchsten Scheitel;
Mädchen als wie Vögel sind
Auf den ihren eitel;
Und dem Hitz'gen vor der Stirn
Schwillt er wie ein Beutel.
Er war noch nicht am Ziel,
    Da sprach er das Rätsel vom
Kiel:
Sieh, welch ein Dreister
Und Weitgereister!
Mit Vögeln fliegt er,
Mit Schiffen kreist er;
Sodann beschreibend
Die Welt dir weist er,
Wenn auf den Blättern
Ihn lenkt ein Meister.
Den Westen kennt er,
Den Osten preist er;
Mit Süd umglüht er,
Mit Nord umeist er.
Bald rührt und schmelzt er,
Bald scherzt und beißt er;
Mit Wundern spielt er,
Mit Rätseln speist er.
Er schafft Gestalten
Und wecket Geister;
Wenn eure wach sind,
So sagt, wie heißt er?
Hier ward er unterbrochen –
    Von Klatschen oder Pochen? –
    Sonst hätt' er Jahr und Wochen
    In Rätseln fortgesprochen.


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