Friedrich Rückert
Die Makamen des Hariri
Friedrich Rückert

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27.
Jungfrau und junge Frau.

Hareth Ben Hemmam erzählt:

Ich ward vom ungestümen Ritte – und vom Unglück, das verhängt war über meine Schritte, – verschlagen in einer Wüste Mitte, – worin ein Spürhund irre ging – und einen Schnapphahn wirre Furcht umfing. – Da empfand ich, was ein einsamer Verirrter empfindet, – und sah, wovor einem die Sehlust schwindet; – nur daß ich mein Herz ermutigte, das beengte, – und mein Tier antrieb, das angestrengte, – und ritt wie ein Mann auf Tod und Leben, – in die Hand des Geschicks gegeben. – Und ich ließ nicht nach mit Trott und Trab – und ritt eine Meile nach der andern ab, – bis der Tag löschte sein Licht, – und die Sonne verhüllte ihr Angesicht; – da schauderte ich, in die Nacht verloren, – unter dem Hereinbruch des Heers der Mohren:Der nächtliche Schatten. – Ich wußte nicht, sollt' ich in der Oede rasten, – oder durch die finstre Nacht hintasten. – Während ich so zweifelnd überlegte – und den Entschluß hin und wieder bewegte, – gewahrt' ich zwischen Busch und Fels – wie den Schatten eines Kamels. – Gleich dacht' ich, daß es sein könnt' ein Reittier, – dem freie Weide gönnte sein schlafender Reiter hier; – und behutsam und keck – wandt' ich mich hin nach dem Fleck. – Siehe da, mein Traum war ein Wahrsager, – es war eine Kamelstute derb und hager, – und daneben ihres Herrn Lager, – dem der Mantel umfaltete die Glieder – und der Schlummer salbte die Augenlider. – Da saß ich nieder zu Häupten – des vom Schlummer Betäubten; – bis er im Schlafe sich rührte, – das Augenband entschnürte – und meinen Überfall spürte. – Er zog sich scheu zurück – und rief: Glück oder Unglück? – Ich sprach: kein andrer – als ein verirrter Nachtwandrer. – Ich bringe dir keine Gefährde, – bringe du mir keine Beschwerde. – Er sprach: Gutes Muts, Freund. – Gutfreund ist besser als Blutsfreund! – ein Mensch findet manchen Bruder, – den nicht geboren seine Mutter.Sprichwörter. – Worauf aus meinem Herzen die Unruh' wich – und mein Auge Schlaflust beschlich. – Doch er sprach: Am Morgen lobt man die Nachtreise; – willst du dich bequemen meiner Weise? – Ich sprach: Ich stehe dir zu Gebot wie der Stern seinem Pole, – oder wie seinem Fuß die Sohle. – Da pries er laut meine Freundschaft – und jauchzte ob meiner Gemeinschaft. – Dann sattelten wir unverdrossen – und brachen zur Nachtfahrt auf entschlossen. – Und wir ließen nicht nach, mit dem Ritt uns zu rütteln – und die Schläfrigkeit abzuschütteln, – bis die Nacht war an der Grenz' ihrer Bahnen – und der Morgen erhub seine Fahnen. – Und als die Morgenröte die Sterne vertrieb – und nur der Morgenstern blieb, – sah ich beim ersten Licht – in meines Nachtgefährten Angesicht, – und siehe da, es war Abu Seid, der Erkorne, – das gesuchte Kleinod, das verlorne. – Und wir begrüßten uns, wie nach langer Trennung – zwei Liebende sich begrüßen bei ihrer Wiedererkennung; – dann tauschten wir Kund und Gegenkunde – und berauschten uns aus Freundesmunde. – Doch mein Kamel stieß Seufzer der Ermattung aus – und seines schwebte wie ein junger Strauß; – ich bewunderte seine Geduld im Rennen – und die Ausdauer seiner Sennen, – ich prüfte mit Blicken seine Eigenschaft – und fragte seinen Herrn, wo er es aufgerafft? – Doch er sprach: Ja, diese Kamelstute – hat eine Geschichte, die dem Ohre kommt zu gute – und zur Erquickung gereicht dem Mute. – Willst du sie hören, so laß uns hier Frührast halten, – wo nicht, so will ich sie für mich behalten. – Da hielt ich an mein mageres Tier – und schärfte mein Ohr mit Hörbegier. – Er aber sprach vertraut: – Wisse, daß ich sie erfeilschte in Hadhramaut – und mir um sie mehr Mühe gab als um meine Braut; – da fand ich an ihr, als ich sie erprobt, – mehr als der Verkäufer an ihr gelobt. – Ich reiste mit ihr nördlich und kreiste mit ihr südlich – und fand sie unerschöpflich und unermüdlich; – ich tummelte sie zwischen Ost und West, – und sie blieb mein Trost und mein Fest, – unzugänglich für Hitz' und Frost, – zulänglich war ihr die schmalste Kost; – sie begnügte sich ohne Klage, – zu trinken am dritten Tage; – unhalsstarrig – und ausharrig, – im Maule zart – und von Fersen hart, – deren Huf sich nicht klüftete – und deren Haut sich nicht rüftete, – unbedürftig des Pechpflasters,Das wunden oder räudigen Kamelen aufgelegt wird. – bar jedes Fehls und jedes Lasters. – Stet segelnd wie ein Schiff – durch des Sandmeers Riff, – stark regend beide Hüften, – wie ein Vogel die Fittiche in Lüften, – über die spitzigen Kiesel – hüpfend als wie ein Wiesel, – über Stock und Steinblock – setzend wie ein Steinbock, – von ihresgleichen unerreichbar, – nur dem Ur an Kraft vergleichbar. – Da ward ich vom Unglück heimgesucht, – und sie nahm die Flucht. – Aus ihrem Verlust kam mir Kummer, – der mir raubte die Lust zum Schlummer, – und um ihr Ausbleiben schmeckt' ich Gram, – der mir den Geschmack an der Nahrung benahm. – So blieb ich drei Nächte verlassen, – ohn' einen Entschluß zu fassen. – Dann ging ich aus, zu suchen auf allen Wegen, – an allen Lagerstellen und Weidegehegen; – doch ich fand kein Hoffnungslicht – und auch die Ruhe der Verzweiflung nicht.Nach dem Sprichwort: die Verzweiflung (Ausgebung der Hoffnung) ist eine der beiden Ruhen. – Die andre bessere ist die Erlangung des Wunsches. – Und so oft ich gedachte ihres Sprunges, – ihres vogelgleichen Schwunges, – entseelte mich der Gedanke, – und quälte sich mein Herz, das kranke. – Während ich nun an der gastlichen Flamme – mich wärmte von einem wandernden Stamme, – hört' ich von weitem einen Mann, – der den Ausruf begann: – Wer hat eine edle Reisegefährtin verloren, – die in Hadhramaut ist geboren? – Das Zeichen, an dem sie wird erkannt, – ist ihrem Hinterteil eingebrannt. – Sie ist von derbem Gestelle – und wohlgegerbtem Felle; – ihr Wesen ist sanft und weich ihr Rücken; – den, der sie drückt, wird sie wund nicht drücken. – Sie geht sich keine Schwiele, – jeder Gang gereicht ihr zum Spiele; – auf Wegen, welche holpern, – läßt sie ihren Herrn nicht stolpern. – Anhänglich und unterthänig, – gehorsam, nicht widerspänig, – ist sie schmiegsam am Riemen – und fügsam nach Geziemen, – eine treue Reisebegleiterin, – eine unermüdliche Schreiterin, – ein Schmuck jedem Reiter und jeder Reiterin. – Abu Seid erzählt: Der Ruf war mir zu hören so lieb, – daß ich dem Rufer nicht lange fern blieb; – ich trat ihn grüßend an und verehrt' ihn, – sprechend: Gieb mir meine Reisegefährtin! – Doch er sprach: Gott leite dich im rechten Gleise, – wer ist deine Gefährtin der Reise? – Ich sprach: Eine Kamelstute wie ein Bergeshaupt, – die vor edlem Mute schnaubt, – hochragend wie ein Hausgiebel, – und ihre Milch die Fülle der Kübel. – In Jebrin bot man dafür mir zweihundert, – doch ich wandte mich ab, ob der Ungebühr verwundert. – Wie der Mann hörte die Schilderung aus meinem Mund, – trat er zurück und erklärte rund: – Du bist nicht der Herr zu meinem Fund. – Doch ich fing an auf ihn zu keifen, – mich gegen ihn auf mein Recht zu steifen, – und gedachte beim Kragen ihn zu ergreifen. – Er aber sprach: Guter Freund! es ist dein Tier nicht; – der Zorn ziemt mir nicht und dir nicht. – Doch willst du, so komm vor den Richter dieses Stamms, – den Sichter des Lautern und des Schlamms, – den Schlichter in Sachen des Wolfs und des Lamms; – und schlägt er das Ding dir zu, so nimm es, – wo nicht, so entschlage dich deines Grimmes. – Da sah ich keinen Rat, um aus dem Kot zu bringen den Fuß – und hinunter zu schlingen den Verdruß, – als zum Richter zu lenken flink, – möcht' er nun recht sein oder link. – Da kamen wir vor einen gesetzten Alten, – der seinen Turban legte in wohlstehende Falten – und so sich hielt mit Gleichmute, – daß wohl ein Vogel ihm auf dem Haupte ausruhte.Das wird sprichwörtlich Vogelruhe genannt. – Anhub ich meine Beschwerden und Klagen, – und meine Gefährte schwieg, ohne ihm zu sagen: – bis ich meinen Köcher hatte geleert – und ausgelassen, was mein Herz beschwert; – da zog er hervor eine starke Sohle, – die auf schlimmem Wege gereicht dem Fuß zum Wohle, – und sprach: Diese hat mein Ausruf bezeichnet, – und ihren Eigenschaften war mein Lob geeignet. – Wenn es die ist, für die man ihm bot zweihundert, – so bin ich verwundert; – und entweder er hat übertrieben, – oder er spricht von zweihundert Hieben; – dann mög' es ihm den Rücken zu entblößen belieben, – ob dort der Beweis steht eingeschrieben. – Doch der Richter sprach: Gottes Wunder! – (und wendete die Sohle hinauf und hinunter) – diese hadhramautische Sohl' ist die meinige, – und unter den Kamelen in meinem Stall ist das deinige;– geh und nimm's in Empfang guten Mutes – und thue dein Lebenlang Gutes. – Da sprang – ich auf und sang:

Ich schwör' es bei der Kaaba gottgeweihtem Rund,
Bei der umkreisenden Besucher frommem Bund!
Du bist der Ausbund der arabischen Richter und
Der Bündigste, der je ums Haupt sich band den Bund.
So lebe hundert Jahr als wie der Strauß gesund!

Da erwiderte er ohne Umschweif – aus dem Stegreif:

Hab Dank, mein Vetter, für den Dank aus deinem Mund,
Weil rechtlich mir von dir kein Dank zu fordern stund.
Der schlechtste Mann ist, dessen Wort das Recht macht wund,
Dann der, des Hand veruntreut anvertrautes Pfund;
Ganz gleich an Wert sind diese beiden und ein Hund.

Dann fertigt' er einen Diener ab, – der mein Kamel mir übergab, – ohne Kostenvergütung – für Fütterung und Hütung, – und ich ritt von dannen in der Freude Trott, – sprechend: Groß ist Gott. – Hareth Ben Hemmam erzählt: Ich rief: Beim Himmel, du hast mich entzückt; – wie kunstreich hast du dein Wort geschmückt. – Ich beschwöre dich bei den NamenNämlich 99 oder 100. des Herrn, – sprich, hast du wohl nah oder fern – gefunden einen Beredtern als dich und einen Wortzauberkundigern? – Er sprach: Bei Gott, ja. – Höre, was mir geschah. – Ich ging, als ich kam nach Jemen, – damit um, ein Weib zu nehmen. – Als nun der Zeitpunkt heranrückte, – daß ich zum Werben mich anschickte, – nahm ich die Sache noch einmal in Überlegung – und zog die Folgen in Erwägung. – Ich verbrachte die Nacht im Schwanken – der hin und her bewegten Gedanken, – bis ich mit mir eins ward, früh aufzustehn – und auszugehn, – um dem ersten, der mir begegnen würde, – vorzulegen meine Herzensbürde. – Und als nun die Nacht ihr Zelt abbrach – und das Heer der Sterne floh mit Schmach, – stand ich früh auf vom Lager – wie ein Vogelflug-Befrager – und ging aus aufs Suchen, wie ein Hirt, – dem sich in der Nacht ein Vieh hat verirrt. – Da trat mir in den Weg ein junges Blut, – dem aus den Augen sah der Übermut; – doch die Schönheit, die alles macht gut, – stand auf seinen Wangen in Glut. – Einer seinesgleichen – schien mir ein gutes Zeichen, – und ich erbat mir seinen Beirat – über die Heirat. – Er sprach: Suchest du eine junge Frau, – oder eine Jungfrau? – Ich sprach: Ich geb' in deine Hand das Heft, – gieb du den Ausschlag im Geschäft. – Er sprach: Bei mir ist der Rat, – doch bei dir ist die That; – höre und laß dich erlösen – aus den Fesseln des Bösen. – Zuerst die Jungfrau ist wie in der Muschel die Perle, – wie im frischen Wasser die Schmerle, – das unberührte Ei im Neste, – die ungepflückte Frucht der Äste, – der Most im Fasse verschlossen, – dessen Süßigkeit niemand genossen, – und dessen Duft nur sich ergossen. – Sie ist die mängellose – unaufgeblätterte Rose, – der unbenagte Frühlingsstrauch, – der ungetrübte Morgenhauch, – das reine Feuer ohne Rauch; – eine unbeweidete Flur, – das Lamm vor der Schur, – ein neues Geschmeid', – ein ungetragenes Kleid, – ein Spiegel, vor dem sich niemand geschmückt – und dem noch kein Bild ist eingedrückt. – Kein Scherzender hat sie umscherzt, – kein Herzender hat sie geherzt, – kein Schmerzender hat sie geschmerzt; – ihre Sonne hat kein Gewölk überschattet, – und kein Traum hat sich ihrem gegattet. – Schamrot ist ihr Angesicht, – und verzagt ist, was sie spricht: – ihr Gemüt ist verhohlen, – und ihr Blick ist verstohlen. – Sie ist das neue Spiel, – das ungetroffene Ziel, – mit dem Knoten der Schwierigkeit geschürzt, – mit dem Reize der Neuheit gewürzt, – eine Schüssel ohne Sättigung, – ein Bett, das nicht alt macht, sondern jung. – Hinwieder die junge Frau ist ein gezähmtes Wild, – ein gebautes Gefild' – ein zugerittenes Tier, – eine bequeme Zier, – ein Kern ohne die Schalen, – ein Genuß ohne die Qualen, – eine Frucht, zu schütteln in der Reife, – eine leicht zu lösende Schleife. – Sie ist nicht spröde – und ist nicht blöde; – sie hat gelernt die Haushaltungskunst – und versteht, zu schüren die Brunst; – sie ist die Thür, die ist aufgethan, – wie du klopfest an; – sie ist der leicht zu ersteigende Baum, – das Roß, das schon gewohnt ist den Zaum, – das Maultier, das schon getragen den Saum, – der gemächliche Zelter – für den Reiter, der schwächer ist und älter; – die Suppe, die man nicht zu blasen braucht, – der Bissen, der nicht raucht, – der Löffel, der ist eingetaucht. – Sie ist der zugängliche Bronnen – der leicht zu schöpfenden Wonnen, – der gebahnte Steg, – der befahrne Weg. – Nun hab' ich dir die beiden gemalt, – wie jede in ihrer Weise strahlt; – auf welche geht nun deine Lieb' – und auf welche steht dein Trieb? – Abu Seid erzählte: Da merkt' ich wohl, daß er sei der scharfe Stein, – auf den zu treten bringt Schwielen ein; – doch ich sprach zu ihm: Ich habe gehört, Jungfrauenliebe sei wärmer – und ihr Herz an Verstellung ärmer. – Er sprach: Jawohl, das ist, was man spricht, – – doch was spricht man nicht! – Siehst du nicht? sie ist das unzugerittene Fohlen, – die unangeblasenen Kohlen; – sie ist die verdeckte Schüssel, – das Schloß ohne den Schlüssel, – die harte Nuß, die aufzuknacken – man anstrengen muß den Kinnbacken. – Sie ist das ungegerbte Leder, – die unabgeschriebene Feder, – die ungebeugte Ceder, – der neue Weg, auf welchem knarren die Räder. – In deinem Herzen erregt sie Aufstand, – in deinem Hause fordert sie Aufwand; – sie wird begehrlicher, je mehr du ihr giebst, – und gefährlicher, je mehr du sie liebst; – sie wird, weil sie reizt, sich spreizen – und mit ihren Reizen geizen – und dich zum Zorne reizen. – Ich sprach: Und was sagst du nun von der jungen Frau, – o du junger Pfau? – Er sprach: O weh, kann deine Begierde locken – ein von fremdem Zahn angebissener Brocken? – eine abgeschüttelte Krume, – eine abgefallene Blume, – eine abgedroschene Tenne, – eine abgespannte Bogensenne, – eine abgetretene Henne, – ein ausgebrannter Zunder und ein – abgeschlagener Feuerstein? – Ihr Herz ist ein Schrein, – einen Mann thut sie aus und den andern ein; – wie sie ist von dem einen geschieden, – wird sie beim andern nicht sein zufrieden; – sie ist reich an Vergleichen, – die dir zum Nachteil gereichen; – sie wird um ihren ersten stöhnen, – um ihren zweiten zu verhöhnen, – und um den zweiten sich nicht grämen, – um den dritten zu nehmen. – Ich sprach: Nun was rätst du mir dann, – o verständiger Mann? – Soll ich etwa ein Mönch werden, – um zu entgehn den Frauenbeschwerden? – Da hub er an, sich zu gebärden – wie ein Meister mit dem Schulstabe, – wenn sich vergeht ein Schulknabe, – und rief: Weh dir, willst du gehn auf den Spuren – derer, die zum Verderben fuhren? – Dein Verstand ist gewiß lahm, – sonst wüßtest du, daß »kein Mönchtum ist im Islam«Ein Hauptspruch der Überlieferung, der gleichwohl nicht allgemein gilt. – War dein Prophet, dem Gott gegnadet, – nicht geheiratet? – Und hast du nicht gehört, daß ein frommes Weib, – ist ein edler Zeitvertreib – und eine Wohlthat an Seel' und Leib? – die in den Augen wohlthut – und im Herzen macht wohlgemut, – ein Würze der Lebenskost, – eine Kühlung in der Hitz' und eine Wärm' im Frost; – die gehorchet ihres Mannes Worten – und schließt seines Hauses Pforten, – seine Begierden beschränket, – seinen Sinn zur Begnügsamkeit lenket, – daß er seinen Haushalt wohlbestellt – für diese und die künftige Welt. – Willst du werden zum Verräter – an der Satzung deiner Väter? – Willst du wie die Thoren verderben – und nicht wie die Frommen sterben, – die Gottes Segen erwerben – und hinterlassen Erb' und Erben? – Hui! wie bist du geblendet. – Pfui! wie hast du dich in meinen Augen geschändet. – Da wandt' er sich ab mit Grollen – und ließ mich stehen wie einen Tollen. – Doch ich rief: Gott verdamme dich! gehst du davon mit leichtem Mut – und lässest mich stehn in der Zweifel Flut – und in der Verzweiflung Glut? – Er rief: Ich denke, der Teufel – ist der Vater deiner Zweifel; – du scheinst dir nur nicht zuzutrauen, – deinen eigenen Acker zu bauen, – weil dir's dünkt bequemere Sache, – dich zu ernähren auf der Brache. – Da verschwand er, und ich stand beschämt, einen Knaben – in solchen Dingen um Rat gefragt zu haben. – Hareth Ben Hemmam erzählt: Ich sprach: Beim Morgengeblök der Kälber! – Beim Segen aller roten Kamel' und gelber! – gesteh's, den Streit hast du mit niemand geführt als dir selber. – Da platzt' er in eine Lache – und schnauft' als wie ein Drache, – dann rief er: laß dir den Honig munden – und frage nicht, wo er ist gefunden. – Da hub ich an, herauszustreichen Kunst und Witz – und beiden den Preis zu reichen vor Geld und Besitz; – doch er blickte dazu, als versteh' er nicht, – und blinzte mich an, als seh' er nicht. – Dann, als sich breit meines Eifers Strom ergossen – für die Ehre der Kunst und ihrer Genossen, – sprach er: Still! – Höre was ich dir sagen will:

Die Kunst ist, sagen sie, der Schmuck des Mannes;
Ich bin ein unter diesem Schmuck Ergreister.
Es ist ein Schmuck, der nur den Reichen schmücket;
Wer hungrig ist, der wird davon nicht feister.
O welche Ehre, daß von dir man sage:
Das ist der Ausbund aller schönen Geister.
Und wenn darauf nun wird gefragt: was ist er?
Heißt es: ein Schreiber oder ein Schulmeister.

Dann sprach er: Laß uns nur weiter gehn, – und du sollst die Beweise sehn. – Worauf wir die Tiere zäumten – und davonsprengten, daß sie schäumten; – bis wir wurden getragen vom scharfen Ritte – vor ein Dorf, wo ausgewandert war die Sitte – und wir wollten dringen in seine Mitte, – weil, da unser Futtersack leer war, – ihn zu füllen unser Begehr war. – Da kam, tragend ein Bündel Reiser, – ein junger Range, dem eben die Stimme ward heiser. – Ihn grüßte Abu Seid mit dem Gruß der Muselmanen – und begann, den Weg des Gesprächs zu bahnen; – doch der Junge sprach: Was begehrst du? geleite dich Gott! – Abu Seid sprach: Verkauft man hier etwa Rahm – für ein Epigramm? – Er sprach: Nein, bei Gott! – Oder eine Schote – für eine Ode? – Er sprach: Wahrlich nein, bei Gott! – Oder ein Fleischgericht – für ein Preisgedicht? – Er sprach: Nein, verhüte Gott! – Oder Grütze – für Witze? – Er sprach: Mitnichten, schweig, um Gott! – Oder eine Brotkrume – für eine Redeblume? – Er sprach: Wo denkst du hin? geh mit Gott! – Oder einen Topf voll Schmalz – für einen Kopf voll Salz? – Er sprach: Du faselst, behüte dich Gott! – Oder einen Dattelstiel – für einen guten Stil? – Er sprach: Was soll's? verdamm dich Gott! – Und Abu Seid gefiel sich, die Fragen zu mehren, – und ließ sich die Antworten nicht beschweren; – da merkte der Junge, daß es hab' einen Haken – und daß dem Alten ein Teufel sitz' im Nacken, – und sprach: Nun zur Genüge! – erspare dir deine Züge; – ich bin hier zu Haus – und weiß, wo du willst hinaus; – nimm die Antwort in Bausch und Bogen – und bleib mir gewogen! – In diesem Orte kauft man keine Witze für Weizen – und keinen Dünkel für Dinkel, – keine Prosa für Brosamen – und keine hochtrabende Verse – für eine trabende Färse; – keine neue Märe für eine alte Mähre, – keine Reden für ein Ried, – noch für Thon und Leden einen Ton und ein Lied. – LokmannEin im Koran gepriesener Weiser, auch der Äsop des Morgenlandes. kann mit seiner Weisheit Brocken – hier keinen Hund aus dem Ofen locken. – Hier ist keiner, dessen Gold klingt, – wenn man hold singt, – noch der da Honigseime bietet, – wenn man Reime schmiedet. – Hier gilt der Grundsatz: Kunst und Verstand – ist ein trockenes Weideland; – wenn das Land hat keinen Regen, – so bringt es keinen Segen, – und das Vieh wird's nicht mögen; – und also Weisheit und Kunst – ohne Geld und Gut ist umsunst, – bei der Welt ohne Gunst. – Worauf er den Rücken wandte – und seines Weges rannte. – Da sprach Abu Seid: Nun siehst du, die Kunst ist am Erblassen, – von ihren Beschützern verlassen. – Und ich rühmte seinen richtigen Blick – und beklagte der Kunst Geschick. – Doch er sprach: Lassen wir die gelehrten Fragen – und hören auf das, was heischt der Magen; – du wirst es mir bestätigen – das die Reime nicht sättigen: – welcher Rat ist also, den Brand zu dämpfen – und gegen das Verhungern anzukämpfen? – Ich sprach: ich gebe das Ruder in deine Hand, – siehe, wie du das Schifflein bringest vom Sand. – Er sprach: Mir fällt ein, hier dein Schwert zu versetzen – und dafür dich und deinen Gast zu letzen; – gieb, und mögest du inzwischen die Zähne wetzen, – bis ich komme, dich zu ergötzen. – Mir kam nichts Böses in den Sinn, – und ich reichte mein Schwert ihm hin; – da trieb er sein Kamel und ritt ohne Scheue – davon mit meinem Schwert und seiner Treue. – Ich wartete erst eine Weile, – dann setzt ich ihm nach in Eile; – doch ich war wie einer, dem im Sommer die Milch ausgegangen,Ein Sprichwort. – ich konnte weder ihn noch mein Schwert erlangen.


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