Joseph Roth
Das falsche Gewicht
Joseph Roth

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XLI

So also starb der Eichmeister Anselm Eibenschütz, und, wie man zu sagen pflegt: Kein Hahn krähte nach ihm.

Dem Wachtmeister Piotrak gelang es zu erforschen, daß Jadlowker den Eichmeister getötet hatte. Kapturak sprach, nachdem man ihn verhaftet hatte und nach einem strengen Verhör, von einer Ranküne Jadlowkers gegen Eibenschütz.

Durch Zufall fing man noch zwei andere sogenannte Choleratote, nämlich den Taschendieb Kaniuk und den Pferdedieb Kiewen.

Kapturak und Jadlowker saßen schon seit acht Tagen im Zloczower Untersuchungsgefängnis, als plötzlich das große alljährliche Ereignis des Bezirkes Zlotogrod ausbrach. Es krachte nämlich das Eis über der Struminka, und der Frühling begann.

Der Maronibrater Sameschkin packte seine Sachen, die Säcke zuerst, dann den Ofen, hierauf die Reste seiner Ware, die Kastanien, in einen besonderen, ledernen Sack.

Vor seiner Abfahrt sagte er noch zu Euphemia: »Es ist eine wüste Sache, diese Grenze. Willst du mit mir fort für immer?«

Euphemia aber dachte an allerhand Möglichkeiten, in der Schenke und sonst. »Auf nächstes Jahr«, sagte sie. Aber Sameschkin glaubte es ihr nicht mehr. So töricht, wie er den Leuten erscheinen mochte, war er nicht. Er ahnte alles, und er beschloß bei sich, nie mehr in diese giftige Gegend zu kommen.

Es war ein großartiger Frühlingstag, an dem er wegzog. Auf seinem Karren stand der Ofen. Um seine Schultern waren die schlaffen Säcke geschnallt. Die Lerchen trillerten hoch im Himmel, und die Frösche quakten ebenso fröhlich unten in den Sümpfen. Und er ging, der gute Sameschkin, so für sich hin, so des Weges dahin. Was ging ihn eigentlich all dies an?

Nie mehr komme ich hierher, sagte er sich. Und es schien ihm, daß ihm die Lerchen und die Frösche recht gaben.


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