Peter Rosegger
Sonnenschein
Peter Rosegger

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Ums Dirndl

Jetzt bist frei,« sagte der Altgeselle Simon.

»Jetzt bin ich frei,« sagte der Junggeselle Lucian, der vor etlichen Tagen noch Lehrling war beim Tischlermeister zu Grabenbach.

»Was wirst jetzt machen?« fragte der Altgeselle.

»Ich werde mir einen Gesellenhut kaufen,« antwortete der Lucian.

»Und sonst nichts?«

»Und eine Tabakspfeife.«

»Geh', Luci, da wärst nicht gescheit. Rauch' Zigarren, brauchst für die Pfeife kein Geld auszugeben, und ist fürnehmer. Jetzt bist Tischlergeselle, jetzt mußt dir ein Ansehen geben. Mußt auch einen Aufputz haben.«

»Was soll ich denn für einen Aufputz haben? Bin ja kein Weibsbild!«

»Jetzt will ich dir was sagen, Lucian: Das Weibsbild putzt sich mit Blümelein und Bandeln auf, und das Mannsbild – mit dem Weibsbild. Verstehst mich. Ein Mädel mußt du dir zulegen.«

»Das habe ich mir auch schon gedacht,« meinte der Lucian, »wenn das Ding halt nicht gar so viel Geld tät' kosten!«

»Geld kostet es schon!« gab der Altgeselle bei, »mußt dir nur eine aussuchen, die ihr Geld wert ist«.«

»Ich versteh' halt nichts bei der Sach'!«

»So, du verstehst nichts dabei und willst ein Tischlergeselle sein?« begehrte der Simon auf. »Guck' einmal. Da mußt du dir erstens eine nehmen, die dir gefällt.«

»So gescheit bin ich gleichwohl.«

»Und eine, die dich mag.«

»Das wären zwei,« sagte der Junggeselle.

»Wieso denn? Das muß in einer beisammen sein.«

»Bei mir nicht,« bekannte der Lucian, »bei mir geht's nach dem Sprichwort: Die ich krieg', mag ich nicht, und die ich mag, krieg' ich nicht.«

»Du, Luci!« sagte der Altgeselle, »mir scheint, du hast in dieser Sach' schon als Lehrjung' vorgearbeitet. Da hätte ich dich aber schon einmal beim Schopf nehmen sollen. So ein nichtiger Lehrbub' da und liebeln! Ist das eine Aufführung? So ein Umflanieren mit Weibsleuten! Das ist sündhaft, hörst du?! Der Lehrjung' muß sittsam sein, und wenn ich noch einmal so was wahrnehm' an dir, so jag' ich dich weg! hast mich verstanden, Luci?! – Ja so, ja so, du bist freigesprochen, du bist Geselle. Das ist so viel gach gekommen; vorgestern noch der Schopfbub' und heut' schon meinesgleichen – heißt das, noch nicht, ich bin Altgeselle, und als solcher kann ich dir den Rat geben, daß du dir um ein Dirndl schaust. So allein leben für einen herlebigen Burschen, das taugt nicht. Aber auf das mußt aufpassen, daß du nicht eine erwischest, die alleweil vom Heiraten spricht. Du, wenn man so eine hat, das ist dir ein Elend, sag' ich dir! Da ist gar keine Unterhaltlichkeit dabei; wo du mit ihr gehst und stehst, was du mit ihr redest und anhebst, sie nur immerfort: heiraten! Nicht einmal ein Bussel kannst ihr aufs Göscherl drucken, so wirft sie den Kopf zurück und: Heiraten, heiraten! Geh', laß mich aus mit so einem Weibsbild!«

So belehrte der ehrsame Altgeselle den neugebackenen Junggesellen. Dieser aber schaute drein und endlich sagte er: »Ja, jetzt hab' ich alleweil gemeint, die Weibsleute wären zum Heiraten da!«

Tat der Altgeselle einen lauten Lacher. Nichts als das, aber das war genug.

»Jetzt weiß ich nicht, wie ich dran bin,« versetzte der Lucian kleinlaut.

»Hast du dir unsere Frau Meisterin schon einmal angeschaut?« fragte der Simon.

»Oh je!« machte der Junggeselle.

»Und du weißt nicht, wie du dran bist! Nachher, mein lieber Lucian, nachher hast Leim in deinem Schädel.«

Ja, die Meisterin anzuschauen, wie sie aussah, was sie sagte und tat, und wie sie sich zu ihrem Eheherrn verhielt – das war freilich lehrreich.

»Lehrling,« sagte der Altgeselle, »Lehrling wollt' ich in diesem Hause allzeit sein, aber Meister nicht. Ein Meister ist dahier ein Wenigster! verstehst? Und weißt, von was der Name Eheherr kommt? Das kommt von: eheher, eher war er Herr, ehe er in die Ehe ist gegangen. – Ja, mein lieber Lucian, das sind Sachen!«

»Wenn ich nicht ans Heiraten zu denken brauche,« meinte der Lucian, »für den Tanzboden, da wird mir bald eine recht sein.«

»Nur gescheit sein!« mahnte der Altgeselle. »Du bist jetzt ein freier Vogel – aber denke auf die Leimspindeln! Nur gescheit sein!«

Das ist am Tage nach der Freisprechung des Lucian gesprochen worden.

Am Sonntage drauf ging der Junggeselle in die Kirche. Da hatte er schon den Gesellenhut auf und die Zigarre im Munde stecken. Jetzt will er sich nur noch mit einem Weibsbild aufputzen.

Der Lucian ist ein flinkes, hübsches Bürschl, und seine Frau Meisterin hatte ihn für sein sittsames Verhalten, für seine Anstelligkeit und fleißige Arbeit am Tage der Freisprechung mit etlichen Silberzwanzigern ausgestattet – was nur ein Beweis sein kann, daß ihr der Altknecht mit seinen boshaften Bemerkungen unrecht tut.

Ein ordentlicher Kirchweg hat viele Seitensteige; so auch hier. Von jedem Dörfl, von jedem Hofe, von jeder Hütte führt einer heran und auf allen gingen die fein herausgepußten, sittsamen Weibsleute daher. Sie – man spricht nur von den jungen – hatten schwarze Hüte auf und rote Kittel an und hatten am Busen gern ein Sträußchen stecken von Nelken, Rosmarin und Herzenstrost und waren recht vorwitzig mit ihren schwarzen oder blauen Äuglein, oder sie senkten ihren Blick gar züchtiglich zu Boden – um zu sehen, wie die neue Schürze passe und wie die Sammetschuhspitzen bei jedem Schritt neugierig aus dem Saum des Kleides hervorgucken, was es denn eigentlich heute mit den Mannsbildern wäre, mit den schlechten Mannsbildern, vor denen sich ein jung' Dirndl nicht genug in acht nehmen könne. Und solche Mannsbilder waren gar nicht weit, ganz junge, saubere Burschen darunter. So etwan der Tischler Lucian dort!

Ja, der Tischler Lucian. Die Zigarre taugte nichts, die warf er in das Brombeergestrüpp. Jetzt möcht' er's doch mit einem Dirndl versuchen. – Wie man nur mit einer anhebt? Es ist nicht so, wie der Altgeselle meint, er – der Lucian – hat sich noch spottwenig mit den Weibsleuten zu schaffen gemacht und sich auch nie viel darum gekümmert, wie es in dieser Sache andere machen. Eine wußte er freilich, eine ganz besondere – na, an die ist gar nicht zu denken. Also halt eine andere. Vielleicht dieselbe, die dort vom Granitzbachhäusel heraufsteigt. Sie ist just nicht allzu sauber und hat kein Geld, 's ist kein G'riß um sie. Blutjung ist sie gleichwohl. Die wird's tun, die packen wir an.

So simulierte der Junggeselle, trat gegen das Dirndl hin und sagte: »Laß dir Zeit, Granitzdirn, ich möcht' einen Kirchweggespan haben.«

»Gefreut mich,« gab sie zur Antwort, »der Weg ist breit genug für zwei.«

»Das mein' ich auch,« sagte der Lucian, »und jetzt will ich dich gleich fragen, wie du heißen tust.«

»Gundl, wenn's dir recht ist.«

»Freilich! Gundl sagst? Gundl ist ein sauberer Nam', Gundl. So schön rund ist er, kugelrund: freilich, so kommt er mir vor, dein Nam'. Und jetzt möcht' ich wissen, Gundl, ob du mich zum Schatz haben willst?«

»Ja!« sagte sie, »warum denn nicht, wenn ich noch keinen hätt'? Aber ich hab' schon einen.«

»Das ist schade,« sprach der Bursche, »ich hab' mich schon gefreut auf dich. Schau du, jetzt fällt's mir ein, ich muß auf wen warten, der nachkommt. Laß dir Zeit auf deinem Weg, Granitzdirn.«

Sie ging voran, er blieb stehen und wartete auf ein anderes Dirndl, das des Weges kam. Das war noch schöner als die Gundl und lachte den Burschen schon von weitem an.

»Geh', Sandel, geh' her, ich wart' schon auf dich!« rief er ihr zu.

»So?« sagte die Angesprochene, »das ist gescheit. Allein dahergehen, das ist eh so viel langweilig.«

»Ich sag's auch. Gib mir die Hand, Sandel.«

»Da hast sie. Au weh, wer wird denn gleich so fest zusamm'drucken? Das tut ja weh!«

»Das macht dein Ring da,« bedeutete der Bursche. »Willst mir's nicht sagen, wer dir das Ringel an den Finger hat gesteckt?«

»Wenn du's wissen willst: das hab' ich mir selber angesteckt.«

»So einen Ring möcht' ich,« sagte der Lucian, »ich geb' dir meinen dafür.«

»Na, Bürschel, den geb' ich nicht her.«

»Von wem hast ihn denn?«

»Wenn du's wissen willst; von meiner Mutter selig.«

»Ist sie schon gestorben, deine Mutter?«

»Ja freilich.«

»Ist dein Vater auch schon gestorben?«

»Der ist auch schon gestorben.«

»Und Geschwister?«

»Sind auch gestorben.«

»Geh'!« sagte der Bursche und wußte nicht recht, was er sagen sollte. »Alle gestorben. Das ist aber g'spaßig. Da mußt du dir einen Liebhaber beilegen.«

»Warum denn nicht? Wenn einer kommt!«

»Einer ist da.«

»Und mehr brauch' ich nicht.«

»So gehst heut' mit mir ins Wirtshaus, Sandel?«

»Ins Wirtshaus geh' ich schon mit.«

»Ich zahl' dir einen Glühwein.«

»Das hebt ja gar fürnehm an,« sagte sie.

»Was eine rechte Liebschaft ist, da gehört ein Glühwein dazu, sagt unser Altgesell. Und was bin ich jetzt doch so froh, daß ich einen Schatz hab'.«

»Mir ist's auch nicht zuwider,« gestand das Mädchen.

»Aber eins muß ich dir noch sagen, Sandel,« sprach der Lucian, »es wird dir ja nichts machen, nur daß man's früher ausmacht, und keine unnötige Streiterei herauskommt. Heiraten tu' ich dich nicht.«

Wie sie gleichen Schrittes nebeneinander hergegangen waren, so blieb sie jetzt stehen, schaute den Burschen an und sagte schier traumhaft: »Heiraten willst du mich nicht? Und das getraust du mir ins Gesicht zu sagen?«

»Weil ich die Unaufrichtigkeit nicht leiden mag.«

»Das ist recht brav von dir,« sagte sie, »ich will auch so redlich sein wie du und will dir sagen: Mir ist's nicht ums Liebeln, dazu wärst mir du viel zu lahmleidig. Aber zum Mann nehm' ich den ersten, den ich krieg', ich will heiraten.«

»Nachher hätten wir ja ausgeredet,« meinte Lucian, »und es ist allemal gut, wenn zwei so leicht miteinander reden.«

»Brauchst mir jetzt keinen Gespan mehr abzugeben, wenn's dir etwan sauer ankommt. Leicht magst zurückbleiben und auf eine andere warten. Die Straßen ist lang, einmal wird schon eine daherkommen, mit der du dich leicht vergleichen wirst. Behüt' dich Gott!«

Ja, da blieb er zurück, da mußte er wohl zurückbleiben. Aber das nahm er sich vor: er wollte keine mehr anreden. Die Weibsleute sind halt doch nicht allemal so, wie die Männer glauben.

Als er am frühen Nachmittage vom Kirchgang nach Hause kam, sagte der Altknecht: »Na, Luci, bist frühzeitig heim, für das, daß du heut' das erstemal als Junggeselle in die Kirche bist gegangen.«

Der Lucian vertraute ihm, die Zigarren hätten ihn nicht gefreut und von den Weibsbildern hätt' er keine 'kriegt.

»Keine 'kriegt?! Nicht einmal ins Wirtshaus mit?«

»Das schon. Ins Wirtshaus wäre sie gern mitgegangen. Weil ich aber gesagt hab', daß ich sie nicht heiraten will –«

»Das hast ihr vor dem Wirtshaus gesagt?« rief der Altgeselle. »Luci, du hast Sägespän' im Schädel. Hörst! Verstehst: der warme Wein muß erst her. Hat sie den Glühwein im Blut, nachher kannst ihr sagen, was du willst. Aber vorher nicht, du Dodl, du!«

»Ich lass' das ganze G'spiel sein,« brummte der Junggeselle verdrossen.

»Da hast du recht,« sagte der Altgeselle und wandte sich geringschätzig ab. »Beim Tabakrauchen und Weiberleutgernhaben wird einem das erstemal immer übel. Wenn man sich davon schon wollt' abschrecken lassen! Du bist mir ein Tischlergesell', du!«

Der Lucian ließ sich das nun aber nicht weiter anfechten.

– »So werd' ich halt erst rauchen und liebhaben, bis es mir schmeckt,« das war sein vernünftiger Gedanke. Damit waren diese Begebenheiten abgeschlossen. –

Jetzt gingen sachte zwei Jahre vorbei, und als sie vorbei waren, sah es anders aus.

Der Altgeselle war ganz und gar verzagt worden, so sehr hatten ihm die Weibsleute von allen Seiten mit allerlei Beweggründen zugesetzt, bis er floh. Denn heiraten wollte er keine. So zog er aus dem Lande – wie man wissen will – in den freien Bundesstaat der Schweiz, wo das Asylrecht herrscht.

Der alte Tischlermeister hinwiederum hatte ein Beispiel geliefert, wie man sich vor den Weibern am nachhaltigsten in Sicherheit bringt: er starb. Die trauernde Witwe wollte den Lucian zum Werkführer erheben, allein dieser zog es vor, auf eigene Faust ein Tischlergeschäft zu eröffnen. Denn während der zwei Jahre war ihm allerhand in den Sinn gekommen. Die Bethl, des Weizenwart Bethl, war nun ganz und schön aufgeblüht. Das war dieselbe, von der er schon vor zwei Jahren gesungen: »Und die ich mag, krieg' ich nicht.« Der Weizenwart war nämlich ein angesehener Bauer und die Bethl hielt nicht viel zu den Mannsleuten.

Jetzt dachte sich aber der Lucian: Warum soll ein fleißiger und – wie die Leute sagen – tüchtiger Tischlermeister die Tochter des angesehenen Bauern nicht haben können? Und warum soll die schöne und kluge Bethl einen jungen und, gottlob, rechtschaffen gesunden Mann nicht nehmen wollen? Zum Manne nehmen! Ja, bei der Bethl, da ist's was anderes. Und warum soll der junge Tischlermeister nicht heiraten? – Schau die alte Meisterin an! würde der Simon gewarnt haben, aber dem hätte der Lucian mit Recht die kurze Antwort gegeben: Die Alte und die Junge, das ist kein Vergleich. – Was will er tun?

Wenn die nächste Kirchweih kommt, so will er die Bethl auf dem Kirchplatz anreden, will sie einladen auf einen Schluck Wein ins Wirtshaus, und beim Glühwein, und wenn die Musikanten spielen, und wie gerade alles am lustigsten ist, will er sie fragen. Lustig sein, lustig sein, das haben die Weibsleute ja so viel gern, und ist erst der Glühwein im Blut, so läßt sich mit ihnen reden.

So war's ausgedacht. Es hätte sich erwiesen, daß es unklug ausgedacht war, wenn nicht der Zufall, der bisweilen ein besserer Weiberkenner ist, als der feinste Tischler, vermittelnd dazwischen getreten wäre. Es muß nicht gerade auf der Kirchweih sein, meinte der Zufall, und Glühwein wäre bei der Bethl schon gar ein verfehltes Mittel.

Am Tage vor der Kirchweih hatte der junge Tischlermeister eine dringende Arbeit bekommen. Tut nichts, sie läßt sich bis zum Feierabend leicht fertig bringen.

So steht er nun in der Werkstatt und hobelt ein Brett. Er ist guter Dinge dabei, läßt den Hobel flink auf und nieder gleiten, pfeift ein lustig Liedel dazu und denkt: Morgen ist Kirchweih!

Der Herbst schaut mit roten Wangen zum Fenster herein; an den weißstämmigen Birken hängen wie Dukatlein die goldenen Blätter, und ein Mensch, wie der junge, arbeitslustige und lebensfreudige Lucian, hat das ganze Jahr hindurch Frühling – und morgen ist Kirchweih.

Nun das Brett auf der einen Seite gehobelt ist, wird's gewendet. Da tritt plötzlich was zur Tür herein. Ein Mädel ist's – rotwangig, gelbhaarig, blauäugig, und daß sie weiße Zähnln hat, sieht man, weil sie jetzt lacht. Ja. freilich, sie lacht ein klein wenig.

»Du steigst daher?« fragt gottlos ruhig der Lucian, »was tragt denn dich zu mir?«

So ein dummes Fragen da! Er ärgerte sich über das alberne Wort, aber jetzt, und just bei der fällt ihm nichts Gescheites ein. Heißt das, einfallen schon, aber wenn sie ihn abtrumpft, wie ihn andere abgetrumpft haben! Nein, er will lieber warten, bis der Glühwein mitspricht. Aber einleiten wird er's doch heut schon sollen.

»Heut' willst was von mir, Dirndl?« sagte er und ließ seinen Hobel ruhen.

»Das ist gewiß,« antwortete sie, »sonst wär' ich nicht gekommen. Mein Vater läßt dich schön bitten, daß du uns ein Kreuz machen tätest.«

»Ein Kreuz? Wer ist denn wieder gestorben?«

»Das nicht, gestorben nicht,« lachte sie, »und ein Totenkreuz nicht – nein, deshalb schon gar nicht. Ein Sterzschüsselkreuz täten wir brauchen. Wir essen zum Sterz so viel gerne saure Milch dazu. Du auch?«

»Aber schon höllisch gern, Bethl.«

»So wirst es wissen, daß man ein hölzernes Kreuz hat, was eins auf die Milchschüssel legt, damit man auf das Kreuz die Sterzschüssel stellen kann, und daß jeder mit dem Löffel wie er will in die Milch und in den Sterz fahren kann.«

»In die Milch und in den Sterz fahren kann,« wiederholte der Lucian, »ei ja, freilich weiß ich das.«

»Und wirst es uns machen, das Kreuz?«

»Machen will ich's,« sagte er und stellte das Brett in die Quere, daß er auch die Ränder glätten konnte. »Willst nicht ein Eichtel niedersitzen, Dirndl?«

»Meinst, ich wollt' warten aufs Kreuz?«

»Wenn du auch just das nicht willst, aber ich möchte plaudern mit dir.«

»So?« sagte die Bethl und schaute auf seine Arbeit. »Das Brett da, was ist denn das für ein Holz?«

»Das ist ein Tannenholz,« antwortete der Lucian, »was ist's, Bethl, trinkst du den warmen Wein gern?«

»Wie kommst denn du jetzt auf den warmen Wein? Der sauren Milch wegen brauchen wir das Kreuz.«

»Ja richtig, der Milch wegen,« sagte der Bursche und dachte bei sich: 's geht nicht. Jetzt will ich aber doch einmal g'rad drauf losbohren. Und sagte: »Was meinst denn, Bethl, möchtest du nicht fort von heim?«

»Uh Gott und Herr!« lachte sie, »möchte wissen wohin!«

»Zu mir her!«

»Kunnt'st mich brauchen?« war ihre schalkhafte Frage.

Der Lucian maß das Brett mit dem Zollstab und schnitt mit rauschender Säge ein Stück davon ab.

»Du wärst mir schon recht,« sagte er, aber sie hörte im Geräusche das Wort nicht. Sie schaute auf das Brett und fragte: »Wie lang' muß es denn sein?«

»Fünf Schuh und drei Zoll,« antwortete er. – »Und meinst, wir möchten uns nicht miteinander vertragen?«

»Oh du, ich bin bös, mein Lieber!« rief sie lachend, setzte aber ernsthafter bei: »Nein, kränken wollt' ich einen nicht, wenn –«

»Wenn?«

»Wenn ich mir ihn einmal ausgesucht hätt'.«

»Und wolltest dir nicht etwa einen Tischler aussuchen?«

Sie schwieg erschrocken.

»Wolltest du ihn gern haben, Bethl?«

Sie schwieg. Er blickte auch nicht auf, sondern schnitt jetzt ein kleineres Brettchen mit sechs Ecken zurecht.

»Was meinst dazu?« fragte er wieder, aber immer ohne sie anzublicken.

Bethl wischte mit der Schürzenecke die Lehne des Stuhles ab, die aber gar nicht staubig war.

»Was meinst dazu?«

»Und –« lispelte sie nun mit hochroten Wangen, »tät's dem Tischler sein Ernst sein?«

»Nach Spaß geht's mir jetzt nicht,« sagte er und arbeitete.

Sie sah ihm ein Weilchen still zu und tat dann, um ihre Befangenheit zu verbergen, die Frage: »Ein Winkelkastel, gelt, ein Winkelkastel wird das?«

»Versteht sich, ich wollt' schon gut sein auf dich,« sagte er.

»Ich kunnt dir wohl zu leicht sein,« gab sie zu bedenken, »ich bin halt nur eine Bauerndirn auf dem Berg oben.«

»Und ich bin ein Tischler im Tal herunten,« antwortete der Lucian, während er mit einem kleinen Bohrer einige Löcher in den Rand des Brettes schnitt.

Nach einer Weile fragte die Bethl wieder: »Na werden jetzt Nägel eingeschlagen?«

»Da werden jetzt Nägel eingeschlagen,« antwortete der Bursche. »Und im Tal ist's schön eben. Wir wollten recht verträglich miteinander sein –«

»Aber nein!« rief jetzt das Mädchen und sprang vom Sessel auf, »was ich doch ein närrisches Ding bin! Da versitz' ich mich, und daheim warten die Ferkeln auf mich. Weil ich die Ferkeln füttern tu'.«

»So, die Ferkeln tust füttern?«

»Ja, das tu' ich. – Jessas und Josef, was du da für einen spaßigen Trog zusammenmachst!«

»Ja,« sagte er und fügte die Bretter ineinander. »Wolltest nicht noch ein wenig bei mir dableiben? Schau, weil wir schon im Plaudern sind, sollst nicht fortgehen, ehevor wir's richtig gemacht haben. Ledig bleiben mag ich nicht und auf dich hab' ich schon lang' gedacht. Kann ich mich verlassen?«

Sie schwieg.

»Hast aber einen anderen im Sinn, so tu' mir's offenherzig sagen.«

Sie schüttelte das Köpfchen: »Einen anderen hätt' ich dieweilen freilich noch nicht.«

»So sag' mir ja. So sag' mir frisch ja.«

»Das Jasagen,« meinte nun die Bethl, »das wollt' ich gerade noch zuweg' bringen. Aber was nachher dran hängt –«

»Die Hochzeit hängt dran und viel lustig' Sach'.«

»Und ans Auseinanderscheiden denkst nicht?« fragte sie.

»Geh', wer wird denn an so was denken! Nur der Tod scheidet.«

»Nur der Tod, nur der Tod!« rief das Mädchen lebhaft. »Aber der Tod ist mir schon genug und mehr als genug. Bin ich allein, so macht er mir gar nichts. Aber hab' ich einen Mann, so – deucht mich – kunnt' ich ihn so viel lieb haben, daß ich den Tod tät' fürchten, wie das höllische Feuer! daß ich keine Stund' kunnt lustig sein, weil ich wüßt': so kann's nicht dauern, wie es auch jetzt freudig ist! freudig ist auf der Welt! Es kommt ein Tag, der uns auseinanderreißt. Den Tag wirst erleben. – Nein, Lucian, wer kunnt sich das denken und nicht närrisch werden auf der Stell'!«

Jetzt ließ der Tischler das Werkzeug fallen. – Das ist eine! Das ist eine goldene! Ist's nicht aber doch zu unrechter Zeit, daß er jetzt mit ihr spricht? – Er starrte auf das weiße Tannenbrett.

»Bethl,« sagte er dann, »den Knappenpaul, den hast du gekannt.«

»Den Paul, freilich kenn' ich ihn.«

»Der ist ein kreuzlustiger Bursch' gewesen, hat geblüht wie das helle Leben, hat schon seit manchem Jahr ein Dirndl lieb gehabt.«

»So?« sagte sie.

»Aber mit dem Heiraten hat er zugewartet, ist ihr wohl nachgeschlichen und hat nichts denken können, als alleweil nur an das Dirndl. Ist sie ihm begegnet, so ist er ihr ausgewichen, hat gemeint, es wär' alleweil noch Zeit dazu. Gestern im Bergwerk hat ihn ein Stein erschlagen.«

»Das ist aber zum Erschrecken!« sprach sie.

»Jetzt ist er ausgelöscht,« sagte Lucian; »nein, Bethl, so lang' wart ich nicht. Drum, jetzt, so sag's!« Er stellte sich kerzengrade vor das Mädchen hin: »Schau mich an! Bin ich dir recht? Wie ich auswendig bin, das siehst. Und inwendig – inwendig bin ich brennheiß in dich verliebt und mag mein Lebtag keine als wie dich allein! Kannst jetzt nein sagen? Sag's, wenn du kannst!«

Ihre Zunge ist schwer, wie neun Pfund Blei. Ihre Hände und Füße zittern, sie muß sich an den Türpfosten halten und starrt drein. Der Lucian schafft an seiner Arbeit weiter, fügt die Bretter ineinander, treibt die Nägel ein. Vor dem hohlen Schall schrickt das Mädchen auf und ruft: »Jessus Maria, das ist ja eine Totentruhen!«

»Ja freilich!« sagt der Lucian, »das ist das neue Haus für den Knappenpaul – der zu lang' gewartet hat. Zergrimm' dich nicht, Dirndl, schau mich an und sag': Ja.«

»Aber die greulich' Totentruhen da!« haucht sie, »Daß du gar so traurige Arbeit hast, Tischler!«

»Wie's Gott gibt. Heute eine Truhen, morgen ein Sterzschüsselkreuz, übermorgen eine Wiegen. Wie's Gott gibt.«

Mit nassen Augen, mit zuckenden Lippen, so stand sie da. – Von den Lippen gesogen hat er ihr das Ja, dann floh sie mit hochwogender Brust davon – ihre Füßchen haben den Boden kaum berührt.

Der Lucian stand da neben dem Sarge und war erstaunt, daß es jetzt auf einmal geschehen war, was er so lange gedacht, geplant hatte. – Der Altgeselle Simon hat doch Unsinn geschwätzt. Der Glühwein ist nicht nötig.

Wer sich nur nicht zu frühzeitig verzettelt! Wer in starker und junger Mannhaftigkeit zu warten weiß, bis das Glück reif ist! Wie singt jetzt der Tischler Lucian? Der singt: »Die ich mag, krieg' ich!«



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